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IX

Indessen hielt Basia schon vom frühen Morgen an mit ihrem Gatten und Zagloba Beratung darüber, wie man zwei liebende und bedrängte Herzen vereinigen könne. Die beiden Männer lachten wohl über ihren Feuereifer und hörten nicht auf, sie deshalb zu necken, aber daran gewöhnt, ihr wie einem verhätschelten Kinde in allem nachzugeben, versprachen sie schließlich, ihr beizustehen.

»Am besten ist es,« sagte Zagloba, »dem alten Nowowiejski auszureden, daß er das Mädchen mit nach Raszkow nimmt. Stellt ihm vor, daß der Frost schon eingetreten und der Weg nicht ganz gefahrlos ist. Hier werden sich die jungen Leute dann häufig sehen und sich vollends in einander verlieben.«

»O, das ist ein trefflicher Gedanke!« rief Basia.

»Trefflich, oder nicht trefflich,« entgegnete Zagloba, »aber lasse Du die beiden nur nicht aus den Augen. Du bist ein Weib, und ich glaube, Du wirst sie am Ende doch zusammenbringen, denn die Weiber wissen immer ihren Willen durchzusetzen. Doch sieh zu, daß der Teufel dabei nicht sein Spiel treibt. Eine Schande wär's für Dich, denn Dich trifft die ganze Verantwortung.«

Basia begann zuerst wie eine Katze gegen Herrn Zagloba zu fauchen und sagte dann:

»Euer Gnaden rühmen sich, in Eurer Jugend ein Türke gewesen zu sein, und meinen, ein jeder sei ein Türke ... Aber Azya ist nicht von solcher Art!«

»Er ist kein Türke, nur ein Tatar! Welch zierliche Puppe! Für die Leidenschaften eines Tataren will sie sogar einstehen!«

»Die beiden denken jetzt nur an ihren Schmerz, an ihr bitteres Herzeleid ... Ewa ist zudem ein treffliches Mädchen.«

»Doch hat sie ein Gesicht, als stünde ihr auf der Stirn geschrieben: ›Da hast Du einen Kuß!‹ Ach, ein herausforderndes Frauenzimmer ist sie. Gestern erst machte ich eine eigentümliche Entdeckung. Wenn sie bei Tische einem hübschen Burschen gegenüber sitzt, atmet sie so schwer, daß ihr Teller fast davonfliegt, und sie ihn immer wieder zurückholen muß. Ein herausforderndes Frauenzimmer, sage ich Dir!«

»Euer Gnaden wollen vielleicht, daß ich davon laufe?«

»Du wirst nicht davon laufen, da es sich um eine Heiratsangelegenheit handelt. Ich kenne Dich, Du wirst nicht davon laufen! Freilich ist es noch zu früh für Dich, Ehen zu stiften, denn das ist eher das Geschäft von älteren Frauen. Und Frau Boski sagte mir erst gestern, als sie Dich in Pluderhosen von der Expedition zurückkehren sah, habe sie geglaubt, ein Söhnlein der Frau Wolodyjowski zu erblicken, das auf seinem Klepper Reiterübungen innerhalb eines Zaunes machen wollte. Für ein gewisses ernstes, gemessenes Wesen hast Du keine Vorliebe, aber es ist Dir auch völlig fremd, das zeigt sich sofort an Deinem Aeußeren, an Deiner zierlichen Gestalt, Du bist ja das reinste Schulkind, so wahr ich Gott liebe. Ja, ganz anders sind die jetzigen Frauen geartet. Wenn sich zu meiner Zeit ein Frauenzimmer auf eine Bank niederließ, dann knarrte die Bank dermaßen, wie wenn jemand einem Hunde auf den Schwanz getreten wäre, aber was Dich anbelangt, so könntest Du ganz gut auf einer Katze reiten, ohne dieser Bestie einen Schaden zuzufügen ... Uebrigens sagt man auch, daß Frauen, welche anfangen, Ehen zu stiften, keine Nachkommen haben werden.«

»Sagt man dies in der That?« fragte der kleine Ritter beunruhigt.

Zagloba lachte und Basia sagte in halblautem Tone, indem sie ihr rosiges Gesicht an das ihres Gatten schmiegte:

»Ach, Michalek, wir können einmal eine Wallfahrt nach Czestochowa machen, dann wird die heilige Jungfrau vielleicht alles zum Guten gestalten.«

»Das ist in der That das beste Mittel,« sagte Zagloba.

Hierauf umarmten sich die Ehegatten und Basia sagte:

»Nun aber laß uns von Azya und von Ewa sprechen, und davon, wie ihnen zu helfen ist. Wir sind glücklich, mögen auch sie glücklich werden!«

»Nach der Abreise Nowowiejskis werden sie es besser haben,« bemerkte der kleine Ritter, »denn während seiner Anwesenheit können sie sich nicht sehen, besonders da Azya den alten Mann haßt. Doch wenn ihm dieser die Tochter geben würde, wäre der alte Groll bald vergessen und Schwiegervater und Eidam könnten sich dann lieb gewinnen. Meiner Ansicht nach ist es weniger nötig, dahin zu wirken, daß die jungen Leute sich näher kommen, da sie sich ohnedies schon lieben, als dahin, den Alten umzustimmen.«

»Ein liebloser Mensch!« sagte Frau Wolodyjowski.

»Basia,« bemerkte Herr Zagloba, »stelle Dir vor, Du hättest eine Tochter und wärst genötigt, sie an einen Tataren zu verheiraten.«

»Azya ist ein Knäs!« entgegnete Basia.

»Ich leugne nicht, daß Tuhay-Bey aus edlem Blute stammt, aber auch jener Hasling war ein Edelmann und doch würde sich Krzysia Drohojowski nicht mit ihm vermählt haben, wenn er sich nicht das Heimatsrecht bei uns erworben hätte.«

»Dann bemüht Euch, Azya das Heimatrecht zu verschaffen.«

»Als ob dies so leicht wäre! Selbst wenn jemand vorschlagen würde, ihm den Adel zu verleihen, müßte zuerst die Bestätigung des Reichstages dafür eingeholt werden, und dazu ist Zeit und Protektion erforderlich.«

»Daß Zeit dazu erforderlich ist, bedaure ich besonders, denn Protektion könnte man sich verschaffen. Sicherlich würde der Hetman sie Azya nicht abschlagen, da er den Leuten vom Kriegshandwerk besonders gewogen ist. Michal, schreibe an den Hetman. Willst Du Tinte, Feder und Papier? Schreibe sogleich! Ich will Dir alles herbeiholen, auch die Kerze und das Petschaft, und Du zauderst nicht lange, setzest Dich nieder und schreibst!«

Wolodyjowski fing an zu lachen.

»Allmächtiger Gott!« rief er, »um ein gesetztes, besonnenes Weib habe ich Dich gebeten und Du gabst mir solch einen Sausewind.«

»Sprich mir so, ja, sprich nur so, bis ich einmal tot niederstürze!«

»So etwas solltest Du nicht in den Mund nehmen!« schrie der kleine Ritter lebhaft. »Pfui! Pfui! So etwas solltest Du nicht in den Mund nehmen. Mag der Hund dafür verhext sein.«

Hier wendete er sich zu Herrn Zagloba.

»Kennt Euer Gnaden nicht irgend einen Spruch gegen den Zauber?«

»Ich kenne einen, und ich habe ihn auch schon gesagt,« antwortete Zagloba.

»Schreibe!« rief Basia, »sonst fahre ich aus der Haut.«

»Dir zulieb würde ich gerne zwanzig Briefe schreiben, wiewohl ich nicht weiß, welchen Nutzen es hätte. In diesem Falle vermag auch der Hetman selbst nichts auszurichten, denn seine Protektion kann er erst dann geltend machen, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist. Meine liebe Basia, Fräulein Nowowiejski hat Dich in ihr Geheimnis eingeweiht, das ist ja recht schön und gut, aber mit Azya hast Du noch nicht gesprochen und bis jetzt weißt Du nicht einmal, ob auch er für Fräulein Nowowiejski in Liebe entbrannt ist.«

»Ach, wie sollte er nicht in Liebe für sie entbrannt sein, da er sie in der Vorratskammer geküßt hat. Was sagt Ihr nun?«

»O, Du goldene Seele!« sagte Zagloba lachend, »Du bist ja noch wie ein neugeborenes Kind, mit dem Unterschiede nur, daß Du Deine Zunge besser zu gebrauchen verstehst. Meine Liebe, wenn wir, ich und Michal, all die hätten heiraten wollen, die wir gelegentlich einmal küßten, wären wir genötigt gewesen, den muhamedanischen Glauben anzunehmen, und ich würde dann wohl Padischah, er Khan in der Krim geworden sein, was meinst Du dazu, Michal?«

»Michal hatte ich einmal in Verdacht zu jener Zeit, als ich noch nicht die Seine war,« sagte Basia.

Und ihm mit dem Finger in das Gesicht tippend, fügte sie spöttisch hinzu:

»O, bewege nur Dein Schnurrbärtchen, bewege es nur! Leugnen kannst Du es nicht! Ich weiß es, ich weiß es ganz gut! Und Du weißt es auch! ... Bei Ketling ...«

Der kleine Ritter hatte thatsächlich seinen Schnurrbart ein wenig bewegt, um sich selbst Mut zu machen und zu gleicher Zeit seine Verwirrung zu verbergen. Schließlich sagte er, in der Absicht, dem Gespräch eine andere Wendung zu geben:

»Du weißt also nicht, ob Azya in Fräulein Ewa verliebt ist?«

»Wartet nur, ich werde unter vier Augen mit ihm sprechen und ihn fragen. Aber er ist verliebt, er muß ja verliebt sein. Wäre es nicht der Fall, so möchte ich ihn gar nicht kennen!«

»Bei Gott, sie ist im stande, es ihm einzureden!« sagte Zagloba.

»Und ich werde es ihm einreden, selbst wenn ich mich täglich mit ihm einschließen müßte.«

»Zuerst suche ihn aber auszuforschen,« sprach der kleine Ritter. – »Möglicherweise gesteht er es nicht sogleich ein, denn er ist scheu und zurückhaltend. Das hat jedoch nichts zu sagen. Allmählich wirst Du sein Vertrauen gewinnen, ihn besser kennen lernen, ihn völlig verstehen, und dann erst kannst Du wissen, was zu thun ist.«

Hier wendete sich der kleine Ritter zu Zagloba:

»Sie wird oft für oberflächlich gehalten und ist doch so scharfsinnig, so feurig und lebhaft.«

»Zicklein sind ja immer lebhaft,« erwiderte Herr Zagloba ganz ernsthaft.

Das weitere Gespräch wurde durch Herrn Bogusz unterbrochen, welcher gleich einer Bombe hereinstürzte und, nachdem er sich kaum Zeit gelassen, Basias Hand zu küssen, ausrief:

»Möge doch der Geier diesen Azya holen. Die ganze Nacht konnte ich kein Auge schließen. Zum Kuckuck mit ihm!«

»Was hat sich Azya gegen Euer Gnaden zu schulden kommen lassen?« fragte Basia.

»Wissen die Herrschaften, was wir gestern thaten?«

Und mit weit aufgerissenen Augen begann Herr Bogusz die Anwesenden der Reihe nach zu betrachten.

»Nun?«

»Wir entwarfen allerlei Projekte, wir machten Geschichte! So wahr ich Gott liebe, ich lüge nicht!«

»Geschichte?«

»Ja, die Geschichte der Republik. Das ist geradezu ein großer Mann. Selbst Herr Sobieski wird erstaunt sein, wenn ich ihm die Ideen Azyas auseinandersetze. Ein großer Mann, ich wiederhole es, meine Herrschaften, und ich bedaure nur, nicht mehr verraten zu können, denn ich bin überzeugt, Euer Staunen wäre nicht minder groß als das meine gewesen ist. Nur soviel kann ich sagen, wenn das gelingt, was er anstrebt, wird er es Gott weiß wie weit bringen.«

»Bis zum Hetman vielleicht?« bemerkte Zagloba.

»So ist's, bis zum Hetman! Ich bedaure, daß ich nicht mehr verraten kann ... Hetman wird er werden, und das ist genug.«

»Vielleicht Hundehetman. Oder vielleicht wird er hinter einer Ochsenherde einherschreiten! Auch die Viehherden haben ihre Hetmans! Pfui, was reden der Herr Untertruchseß da. Er ist der Sohn von Tuhay-Bey, das ist richtig. Aber wenn er Hetman werden soll, was soll ich dann werden, was soll Michal werden, oder Euer Liebden selbst? Sollen wir vielleicht zu den heiligen drei Königen erhöht werden, sobald Caspar, Melchior und Balthasar abgedankt haben? Ich ward durch die Edelleute schon zum Regimentskommandanten ernannt, und nur aus Freundschaft für Herrn Pawel Zagloba spricht hier von Pawel Sapieha, Wojwode von Wilna und Großhetmann von Litthauen. verzichtete ich auf diese Würde, aber Eure Prophezeiungen hinsichtlich jenes andern sind mir, bei Gott, ganz unverständlich.«

»Und ich sage Euer Gnaden, daß Azya ein großer Mann ist!«

»Ich habe es ja auch gesagt,« rief Basia, sich gegen die Thüre wendend, durch welche andere Gäste einzutreten begannen.

Zuerst kam Frau Boski mit der blauäugigen Zosia und Herr Nowowiejski mit Ewa, welche nach einer unruhigen, fast schlaflosen Nacht noch verführerischer aussah als sonst. Seltsame Träume hatten ihren Schlummer gestört. Azya war ihr im Traume erschienen, aber schöner und ungestümer als sonst. Eine Flammenröte überzog Ewas Antlitz bei der Erinnerung an diese Träume, denn ihr dünkte, jedermann müsse ihr alles von den Augen ablesen. Aber niemand achtete auf sie, da alle sogleich auf die Frau Kommandantin zutraten, um sie zu begrüßen. Hierauf begann Herr Bogusz abermals von Azyas Größe und hoher Bestimmung zu reden, und Basia freute sich darüber, daß Ewa und Herr Nowowiejski dies mit anhören mußten. In der That war der alte Edelmann nach der ersten stürmischen Begegnung mit dem Tataren bedeutend ruhiger geworden. Er sprach nicht mehr von ihm, als ob er ein Recht auf ihn habe. Die Wahrheit zu sagen, hatte die Entdeckung, daß Azya ein tatarischer Fürst und Tuhay-Beys Sohn war, auch auf ihn einen gewaltigen Eindruck gemacht. Voll Verwunderung hörte er von dessen ungewöhnlicher Tapferkeit, sowie auch davon, daß der Hetman selbst ihm das wichtige Amt übertragen hatte, die Lipker und Czeremisen in den Dienst der Republik zurückzuführen. Während eines kurzen Augenblicks kam es Herrn Nowowiejski sogar vor, als ob nicht von Azya, sondern von einem andern die Rede sei, denn in seinen Augen war der junge Tatar plötzlich zu einem ungewöhnlichen Menschen geworden.

Zudem wiederholte Herr Bogusz unablässig mit sehr geheimnisvoller Miene:

»Das ist aber noch gar nichts im Vergleich zu dem, was seiner noch harrt; doch darf ich nicht davon reden!«

Und als die andern zweifelnd ihre Köpfe schüttelten, schrie er:

»Die größten Männer in der Republik sind Herr Sobieski und jener Sohn Tuhay-Beys!«

»Du lieber Gott,« sagte schließlich Herr Nowowiejski ungeduldig, »mag er nun ein Fürst sein oder nicht, aber wie weit kann er es in der Republik bringen, da er bei uns nicht geadelt ist und sich bis jetzt auch nicht das Heimatsrecht erworben hat?«

»Der Herr Hetman kann es ihm zehnmal verschaffen,« rief Basia.

Mit niedergeschlagenen Augen und klopfendem Herzen lauschte Fräulein Ewa diesen Lobpreisungen. Es wäre schwer zu bestimmen gewesen, ob dies Herz mit der gleichen Glut für den armen, unbekannten Azya gepocht hätte, wie für Azya, den Ritter, dem eine große Zukunft bevorstand. Aber dieser Glanz blendete sie, und bei der Erinnerung an die früheren Küsse und die jüngste Traumgeschichte überkam sie ein Gefühl höchster Glückseligkeit.

»So groß, so bedeutend!« dachte Ewa. »Was Wunder, daß ihm eine so hinreißende Gewalt innewohnt!«


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