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VIII

Ein langes, tiefes Schweigen herrschte, solch einen gewaltigen Eindruck hatte der Name des furchtbaren Kriegshelden hervorgerufen. Tuhay-Bey war es ja gewesen, der in Gemeinschaft mit dem entsetzlichen Chmielnicki die Republik in ihren Grundvesten zu erschüttern gedroht hatte, durch seine Hand war eine Flut polnischen Blutes vergossen, von den Hufen seiner Rosse waren die Ukraine, Wolhynien, Podolien und das Gebiet bei Halicz zerstampft worden, er hatte Burgen und Städte zerstört, Dörfer in Asche gelegt und Tausende von Menschen in die Sklaverei geschleppt. Und der Sohn eines solchen Mannes stand nun hier, in dem Standquartier von Chreptiow, inmitten einer Anzahl von Offizieren und sagte ganz offen: »Ich trage das Zeichen des Fisches über der Brust, ich bin Azya, Fleisch von dem Fleische Tuhay-Beys!« Doch die damalige Menschheit hegte eine solche Ehrerbietung vor einem berühmten Geschlechte, daß trotz des Grauens, welches der Name von Tuhay-Bey in dem Herzen eines jeden Kriegers hervorrufen mußte, Mellechowiczs Ansehen demnach in aller Augen stieg, gerade als ob der Ruhm seines Vaters auf ihn übergegangen wäre.

Die Augen aller, besonders aber die der Frauen, für welche ja alles Geheimnisvolle einen verführerischen Reiz besitzt, ruhten voll Bewunderung auf ihm, während er, gerade als ob er sich durch sein Bekenntnis höher dünke, in seiner stolzen Haltung verharrte und ohne den Blick zu senken, sprach, indem er auf Nowowiejski deutete:

»Jener Edelmann behauptet, ich sei sein Knecht, ich hingegen erwidere ihm, daß mein Vater beim Besteigen des Rosses sich des Rückens eines weit vornehmeren Edelmanns bedient hat, als er einer ist ... Ich bin in seinem Hause gewesen. Unter seiner Peitsche ist mir das Blut über den Rücken geflossen ... Das werde ich nie vergessen, so wahr mir Gott helfe! ... Um seiner Verfolgung zu entgehen, nahm ich den Namen Mellechowicz an. Leicht könnte ich jetzt in die Krim entkommen, aber das Land ist jetzt mein Vaterland, dem ich Blut und Leben weihe. Keinem andern gehöre ich demnach an wie dem Hetman. Mein Vater war dem Khan blutsverwandt, Reichtümer, Genüsse aller Art würden mir daher in der Krim zu teil werden, trotzdem zog ich es vor, hier verachtet, ja, geradezu geächtet weiter zu leben, denn ich liebe dieses Land, ich liebe den Herrn Hetman, und ich bin in Liebe denen zugethan, die mich nicht durch Verachtung gekränkt haben.«

So sprechend, neigte sich Mellechowicz vor Wolodyjowski, beugte sich vor Basia so tief, daß sein Haupt fast ihre Knie berührte, nahm den Säbel unter den Arm und verließ, ohne den andern auch nur einen Blick zu gönnen, die Stube.

Wieder herrschte längeres Schweigen, das schließlich von Herrn Zagloba unterbrochen wurde.

»Ha, ha!« rief er, »wo ist Herr Snitko? Habe ich nicht gesagt, diesem Azya sehe der Wolf aus den Augen? Und richtig ist er der Sohn eines Wolfes!«

»Der Sohn eines Löwen ist er!« warf Wolodyjowski ein, »Und wer weiß, ob er nicht seinem Vater nachschlägt.«

»Bei Gott, haben die wohledlen Herrschaften nicht bemerkt, wie die Spitzzähne plötzlich bei ihm hervorblitzten? Gerade so war es bei dem alten Tuhay der Fall, wenn er in Zorn geriet,« bemerkte Herr Muszalski. »Daran allein würde ich jenen sofort erkannt haben, denn der alte Tuhay ist mir sehr oft zu Gesicht gekommen.«

»Nicht so oft wie mir!« meinte Herr Zagloba.

»Jetzt begreife ich, warum er bei den Lipkern und Czeremisen ein solches Ansehen genießt,« bemerkte Herr Bogusz, »nennen doch diese den Namen Tuhays wie den eines Heiligen. Beim lebendigen Gott! Wenn dieser Mensch nur wollte, er könnte alle, bis auf den letzten Mann, in des Sultans Dienste führen und uns große Verlegenheiten bereiten.«

»Das thut er nicht,« warf Wolodyjowski ein, »denn sein Ausspruch, daß er dem Vaterland, daß er dem Hetman ergeben sei, beruht auf Wahrheit. Weshalb hätte er denn sonst Dienste bei uns genommen, da es ihm ja freisteht, in die Krim zu gehen und dort im Ueberfluß zu schwelgen. Lustbarkeiten hat er wahrlich bei uns nicht genossen.«

»Nein, das thut er nicht,« wiederholte Herr Bogusz, »denn wenn er dies beabsichtigte, wäre es längst geschehen. Nichts hätte ihn daran gehindert.«

»Kein Gedanke daran!« ließ sich Nienaszyniec vernehmen, »im Gegenteile, ich bin jetzt fest davon überzeugt, daß er jene treulosen Rittmeister der Republik zurückgewinnen wird.«

»Herr Nowowiejski,« warf plötzlich Zagloba ein, »wenn vielleicht Euer Liebden gewußt hätten, daß er der Sohn des Tuhay-Bey ist, dann würdet Ihr ihn vielleicht ... dann wäre es vielleicht nicht ... wie?«

»Dann hätte ich ihm statt dreihundert, eintausend und dreihundert Hiebe verabreichen lassen. Ein Donnerwetter soll mich holen, wenn ich das nicht gethan haben würde. Meine liebwerten Herren, mich nimmt es nur Wunder, daß er, der Sohn von Tuhay-Bey, nicht in die Krim entflohen ist. Vermutlich hat er seine Abstammung erst später in Erfahrung gebracht, so lange er in meinem Hause gewesen ist, hat er wenigstens nichts davon gewußt. Höchst wunderlich erscheint mir die Sache, ich sage aber: Traut ihm bei Gott nicht. Traun, ich kenne ihn länger als die wohledlen Herrschaften, und ich sage nur so viel: der Teufel ist nicht so boshaft, ein toller Hund ist nicht so gefährlich, ein Wolf nicht so grimmig und heimtückisch, wie dieser Mensch. Der wird hier allen noch die Hölle heiß machen.«

»Was reden da Euer Liebden?« bemerkte Muszalski. »Wir haben ihn bei Kalnik, bei Humanj, bei Braclaw und bei hundert andern Gelegenheiten beobachten können.«

»Der vergißt nichts! Er wird sich über kurz oder lang rächen!«

»Und wie er heute die Spießgesellen des Azba niedergesäbelt hat! Wie kann Euer Liebden nur so reden?«

Basia aber war Feuer und Flamme. Ihr Interesse für Mellechowicz wuchs durch all das, was sie über ihn hörte, immer mehr, und der Wunsch regte sich in ihr, alles zu einem guten Ende zu führen. So trat sie denn unverweilt auf Ewa Nowowiejski zu und flüsterte ihr ins Ohr:

»Du hast ihn gewiß geliebt, Ewa? Gestehe es doch, sei aufrichtig. Du hast ihn geliebt, was? Du liebst ihn noch, wie? Ich bin dessen ganz sicher. Sei offen gegen mich. Wem könntest Du Dich besser anvertrauen als mir, einer verheirateten Frau? Man könnte ja fast behaupten, es fließe ihm königliches Blut in den Adern. Der Herr Hetman verschafft ihm zehn Indigenate für eins. Herr Nowowiejski wird keine Einwendung erheben. Ohne Zweifel liebt Azya Dich immer noch! Sicherlich! ich weiß es, ich weiß es. Sei ganz unbesorgt. Er setzt großes Vertrauen in mich. Sofort will ich ihn vornehmen. Ohne Rückhalt wird er mir alles sagen. Du hast ihn wohl wahnsinnig geliebt? Du liebst ihn wohl jetzt noch über die Maßen?«

Ewa befand sich wie in einem Taumel. Als Azya ihr zum erstenmal seine Liebe gestanden hatte, da war sie fast noch ein Kind gewesen. Mehrere Jahre waren seitdem verstrichen, sie hatte seiner beinahe ganz vergessen, und wenn sie jemals an ihn dachte, so sah sie ihn vor sich als einen jähzornigen, halbwüchsigen Burschen, der teils als Spielgefährte ihres Bruders, teils als Diener des Hauses betrachtet wurde. Jetzt aber, da sie ihn wieder erschaute, da stand ein Held vor ihr, ein Offizier, schön und kühn wie ein Falke, da stand ein berühmter Krieger vor ihr, der Abkömmling eines wenn auch fremden, so doch fürstlichen Geschlechtes. Mußte ihr denn Azya jetzt nicht in einem ganz anderen Lichte erscheinen? Was Wunder also, daß sie durch seinen Anblick betäubt, gleichzeitig aber auch geblendet, wie in einen Taumel versetzt ward? Die Erinnerung an die früheren Zeiten, sie lebte wieder auf. Noch fühlte sie sich zwar nicht von Liebe für den tapferen jungen Ritter entbrannt, doch war ihr Herz nur allzu bereit dazu, in Liebe für ihn zu entbrennen.

Basia, der es nicht gelingen konnte, ein Wort aus Ewa herauszubringen, nahm diese schließlich mit Zosia Boski in eine Nebenstube und fing von neuem zu bitten an:

»Ewa, so sprich doch, sage es mir, sage es mir sofort! Liebst Du ihn?«

Eine Flammenröte übergoß Ewas Antlitz. Sie war ein dunkelhaariges, schwarzäugiges Mädchen mit heißem Blute, und dieses Blut schoß ihr stets in die Wangen, wenn die Rede auf die Liebe kam.

»Eva,« fragte Basia abermals, »liebst Du ihn?«

»Ich weiß es nicht,« entgegnete schließlich Fräulein Nowowiejski zögernd.

»Du leugnest es also nicht! O, dann weiß ich es schon! Doch ängstige Dich nicht! Ich habe dem Michal zuerst meine Liebe erklärt – und was weiter? Gut war es. Ihr müßt früher entsetzlich vernarrt in einander gewesen sein. Ja, nun begreife ich manches. Aus Sehnsucht nach Dir ging er immer so finster einher, schaute er immer so grimmig wie ein Wolf darein. Der arme Krieger verschmachtete ja geradezu vor Sehnsucht! Wie war eigentlich die Geschichte mit Euch? Erzähle es mir doch!«

»In der Vorratskammer hat er mir seine Liebe gestanden!« sagte Fräulein Nowowiejski leise.

»In der Vorratskammer! ... Und dann ... Und dann?«

»Dann nahm er mich in seine Arme ... und dann küßte er mich!« flüsterte Ewa noch leiser.

»Das ist ein Mensch, dieser Mellechowicz! Was hast aber Du gethan?«

»Ich ängstigte mich zu sehr, um zu schreien!«

»Sie ängstigte sich zu sehr, um zu schreien! Zosia, höre doch nur! ... Wie wurde denn Eure Liebe entdeckt?«

»Der Vater überraschte ihn und versetzte ihm einen Schlag mit der Axt, und dann prügelte er auch mich und ließ Azya so peitschen, daß dieser zwei Wochen lang schwer krank darnieder lag.«

Teils aus Kummer, teils aus Verlegenheit, brach hier Fräulein Nowowiejski in Thränen aus, worauf selbstverständlich die gefühlvolle Zosia Boski auch sofort zu weinen begann, während Basia sich bemühte, Ewa zu trösten.

»Alles wird ein gutes Ende nehmen!« erklärte sie, »dafür laß nur mich sorgen. Nicht nur Michal, sondern auch Herr Zagloba muß mir beistehen. Ich kann sie zu allem bereden, sei nur ganz unbesorgt. Gegen die Klugheit des Herrn Zagloba vermag nichts aufzukommen. Du kennst ihn nicht. Ewa, so höre doch auf zu weinen, das Abendbrot wird ja gleich aufgetragen werden.«

Mellechowicz erschien nicht zum Essen. Er saß in seiner Stube, wärmte sich Branntwein und Honig am Feuer, goß hierauf von beidem in einen blechernen Becher und aß zu diesem Getränk etwas geröstetes Brot. Noch zu später Nachtstunde trat Herr Bogusz bei ihm ein, um allerlei mit ihm zu besprechen.

Der Tatar rückte ihm sofort einen mit Schafspelz bezogenen Lehnstuhl zurecht, und ihm einen vollen Becher des warmen Getränkes vorsetzend, fragte er:

»Wie ist es? Will mich Herr Nowowiejski immer noch als seinen Bediensteten betrachtet wissen?«

»Davon ist keine Rede mehr!« antwortete der Unter-Truchseß aus Nowogrod. »Eher könnte ja noch Herr Nienaszyniec Anspruch an Dich erheben, doch hätte er keinen Nutzen davon, da seine Schwester entweder, irgendwo in der Ferne, längst gestorben ist, oder gar nicht mehr den Wunsch hegt, eine Aenderung in ihrem Leben eintreten zu lassen. Zu der Zeit, an der Dich Herr Nowowiejski für Deine Vertraulichkeiten mit seiner Tochter züchtigte, wußte er noch nichts von Deiner Abstammung. Wie betäubt geht er auch jetzt umher, denn wenngleich Dein Vater dem Vaterlande gar viel Böses zugefügt hat, so war er doch ein berühmter Kriegsheld, und Blut bleibt immer Blut! Bei Gott, niemand wird Dir daher auch nur ein Haar krümmen, so lange Du dem Vaterlande treu dienst, denn gute Freunde hast Du zudem.«

»Weshalb sollte ich keine treuen Dienste leisten?« antwortete Azya. »Mein Vater hat Euch zwar bekämpft, er aber war ein Heide, während ich ein Bekenner Christi bin.«

»Bei meiner Treu, das ist's, das ist's! Deshalb bist Du nicht in die Krim zurückgekehrt, deshalb kannst Du nicht mehr dahin zurückkehren, außer Du würdest den rechten Glauben wieder abschwören und Dir damit die ewige Seligkeit verscherzen. Welche irdischen Güter, welche Würden könnten aber dafür Ersatz bieten? In Wirklichkeit bist Du demnach sowohl dem Herrn Nienaszyniec wie dem Herrn Nowowiejski zu Dank verpflichtet, da der erstere Dich dem Heidentum entrissen, der letztere Dich im wahren Glauben erzogen hat.«

»Wohl weiß ich, wie sehr ich den beiden zu Dank verpflichtet bin, und Euer Liebden dürfen überzeugt sein, daß ich stets danach trachten werde, meine Erkenntlichkeit zu beweisen!« ließ sich Azya nun vernehmen. »Wahrlich, ganz besondere Wohlthäter habe ich hier gefunden, wie ja auch Euer Liebden mit Recht hervorgehoben haben.«

»Deine Rede hat einen bitteren Beigeschmack! Zähle aber doch einmal selbst die Dir Wohlgesinnten zusammen.«

»Seine Gnaden, der Herr Hetman und Euer Liebden in erster Reihe. Dies beteure ich bis ans Lebensende. Doch von andern weiß ich nichts ...«

»Und der Herr Obrist? Würde er Dich etwa ausgeliefert haben, wenn Du auch nicht der Sohn von Tuhay-Bey wärest? Und die Frau Obristin? Ich selbst hörte, wie sie beim Abendessen über Dich sprach! ... Traun, noch bevor Herr Nowowiejski Dich erkannte, trat sie für Dich ein. Herr Wolodyjowski erfüllt jeden ihrer Wünsche, denn sie ist ihm das liebste auf der Welt. Dagegen kann aber auch eine Schwester ihren Bruder nicht mehr lieben, als Du von ihr geliebt wirst. Während des ganzen Abendessens hat sie Deinen Namen im Munde geführt.«

Der junge Tatar senkte plötzlich das Haupt und begann in das Gefäß mit dem heißen Trank zu blasen, und als er zum Blasen seine etwas bläulichen Lippen spitzte, da verriet sein Gesicht so sehr den tatarischen Typus, daß Herr Bogusz sagte:

»Bei Gott, es ist kaum zu glauben, wie Du in diesem Augenblick dem alten Tuhay-Bey ähnlich bist. Wahrlich, ich habe ihn gut gekannt, denn ich sah ihn häufig am Hofe des Khans und im Felde. Auch habe ich ihn mehr denn zwanzigmal in seinem Lager aufgesucht.«

»Möge Gott die Gerechten schützen, die Pest aber komme über die Ungerechten!« rief Azya. »Auf des Hetmans Wohl!«

»Auf Deine Gesundheit und auf ein langes Leben!« rief Herr Bogusz, indem er den Becher leerte. »Traun, nur eine Handvoll sind zwar wir, die wir treu zu ihm halten, aber wir sind zuverlässige, echte Soldaten. Mit Gottes Hilfe werden wir uns gegen jene Tellerlecker zu behaupten wissen, die nichts verstehen, als auf den Landtagen Reden zu halten und den Herrn Hetman des Verrats gegen den König zu zeihen. Spitzbuben das! Tag und Nacht müssen wir dem Feinde die Stirne bieten, während sie Fäßchen voll Bigos Anmerk. d. Uebersetzerinnen: Kleingehacktes Fleisch und Kraut. und Grütze mit sich führen und mit den Löffeln darauf trommeln. Das ist ihre Arbeit. Boten auf Boten entsendet der Hetman, unaufhörlich bittet er um Entsatz von Kamieniec, einer Kassandra gleichend, welche dem Priamos den Untergang Iliums, den Untergang des ganzen Volkes prophezeit hat. Und was thun jene? Mit nichts anderem beschäftigen sie sich, als mit der Untersuchung, wer sich wohl gegen den König vergangen habe.«

»Wovon sprechen Euer Liebden?«

»Ach, von nichts! Ich machte nur comparationes zwischen unserm Kamieniec und Troja, Du hast aber wohl noch niemals etwas von Troja gehört. Sobald sich die Lage ein wenig geklärt hat, wird Dir der Hetman sicherlich das Indigenat auswirken; dafür setze ich meinen Kopf zum Pfande. Wir gehen Zeiten entgegen, in denen es Dir nicht schwer fallen wird, Ruhm zu erwerben, so es Dir ernstlich darum zu thun ist.«

»Ich werde mich entweder ernstlich mit Ruhm bedecken, oder die Erde soll mich bedecken. Ihr werdet von mir zu hören bekommen, so wahr ein Gott im Himmel ist.«

»Und wie steht's mit den andern? Wie ist's mit Kryczynski? Wird er zu uns übergehen oder nicht? Was treiben sie jetzt?«

»Sie haben Feldlager bezogen, die einen in der Urzyjskier Steppe, die andern in einer noch entfernteren Gegend. Da sich die Lager sehr weit voneinander befinden, ist eine Verständigung zwischen ihnen unendlich erschwert. Doch haben alle den Befehl erhalten, gegen das Frühjahr zu nach Adrianopel aufzubrechen und sich mit möglichst viel Lebensmitteln zu versehen!«

»Bei Gott, das ist wichtig! Denn wenn in Adrianopel große Kriegsscharen zusammengezogen werden, dann ist der Krieg mit uns sicher. Der Herr Hetman muß sofort davon in Kenntnis gesetzt werden. Er ist ja längst der Ansicht, daß es zum Kriege kommen werde, doch dies ist nunmehr ein unfehlbares Zeichen.«

»Halim erzählte mir, es sei allgemein die Meinung verbreitet, der Sultan selbst werde nach Adrianopel kommen.«

»Gelobt sei der Name des Herrn! Und wir haben nur eine Handvoll Leute. Unsere ganze Hoffnung beruht auf dem Felsengestein von Adrianopel. Stellt Kryczynski etwa neue Bedingungen?«

»Was sie vorbringen, das sind weit mehr Klagen als Bedingungen. Sie verlangen allgemeine Amnestie, die Wiedereinsetzung in die Rechte und Vorrechte des Adels, die sie früher besaßen, sie verlangen die Beibehaltung der Rittmeistercharge. Nachdem ihnen aber der Sultan schon weit mehr zugestanden hat, ist es begreiflich, daß sie unschlüssig sind.«

»Was redest Du da? Wie kann ihnen der Sultan mehr zugestehen als die Republik? In der Türkei herrscht absolutum dominium, und alles hängt von dem Willen des Sultans ab. Wenn daher auch der Sultan, der gegenwärtig an der Regierung ist, ihnen all das erfüllt, was er ihnen versprochen hat, so kann doch sein Nachfolger alles wieder zu nichte machen, so es ihm beliebt. Bei uns jedoch sind die Privilegien eine geheiligte Sache. – Wer einmal geadelt ist, dem kann der König selbst dies Vorrecht nicht mehr rauben.«

»Sie behaupten aber, man habe sie, trotzdem sie adelig waren, gleich Dragonern behandelt, und es seien von seiten der Starosten Ansprüche an sie erhoben worden, die selbst kein zu allerlei Diensten verpflichteter Bojar, geschweige denn ein Edelmann zu erfüllen brauche.«

»So ihnen jedoch der Hetman die Zusage macht ...«

»Niemand wagt an dem Edelsinn des Hetmans zu zweifeln, und ein jeder ist ihm aus innerstem Herzen zugethan, doch sie sagen sich folgendes: ›Der Hetman selbst wird von dem übermütigen Adel zum Verräter gestempelt, am königlichen Hofe ist er verhaßt, die Konföderation droht, ihn vor Gericht zu ziehen, wie vermag er daher etwas durchzusetzen?‹«

Herr Bogusz rieb sich nachdenklich die Stirne.

»Also wie steht's?«

»Sie wissen selbst nicht, was sie thun sollen.«

»Und bleiben demnach auf der Seite des Sultans?«

»Nein.«

»Traun, wer kann sie demnach bewegen, in die Republik zurückzukehren?«

»Ich!«

»Wieso Du?«

»Weil ich der Sohn von Tuhay-Bey bin!«

»Mein lieber Azya!« hub Herr Bogusz nach einer Weile an, »ich will durchaus nicht bestreiten, daß sie das Blut und den Ruhm von Tuhay-Bey in Dir verehren, trotzdem sie zu unsern Tataren gehören, Tuhay-Bey aber unser Feind gewesen ist. Für solche Dinge besitze ich großes Verständnis, denn auch bei uns giebt es Edelleute, die mit einem gewissen Stolze behaupten, Chmielnicki sei ein Edelmann gewesen und stamme nicht von den Kosaken, sondern von unserem Volke, von den Masuren ab. Aber bei meiner Treu, trotzdem ist er ein Schurke gewesen, wie die Hölle keinen größeren kennt, da er aber ein berühmter Kriegsheld war, bekennen sich jene zu ihm. Solchergestalt ist die menschliche Natur beschaffen. Daß Dir jedoch das in Deinem Adern rollende Blut des Tuhay-Bey das Recht verleihen sollte, über sämtliche Tataren zu gebieten, das will mir nicht in den Sinn.«

Azya, der längere Zeit in Schweigen verharrte, legte schließlich die Hände auf die Knie und sagte:

»So will ich Euch erklären, Herr Untertruchseß, weshalb mir Kryczynski gehorcht, weshalb mir auch die andern gehorchen. Abgesehen davon, daß sie Tataren von niedriger Herkunft sind, ich aber ein Knäs bin, besitze ich auch einen weiten Blick, regen sich doch besondere Kräfte in mir ... Traun, davon wißt weder Ihr etwas, noch ist dem Herrn Hetman etwas davon bekannt.«

»Was sollen denn das für besondere Kräfte sein?«

»Ich vermag dies nicht zu erklären!« entgegnete Azya. »Doch wieso bin ich bereit, Dinge zu unternehmen, an die sich sonst niemand wagen würde? Weshalb kommen mir Gedanken, auf die ein anderer niemals verfallen wäre?«

»Wie Du nur sprichst? Auf welche Gedanken bist Du denn verfallen?«

»Ich bin auf den Gedanken gekommen, daß, falls mir der Herr Hetman seine Einwilligung dazu giebt, falls er mir das Recht dazu verleiht, ich nicht nur jene Rittmeister, sondern auch die halbe Tatarenhorde in die Dienste des Herrn Hetman, also hierher zurückführen kann. Wie viel Boden liegt doch brach in der Ukraine, in den Wilden Feldern? Sobald daher der Hetman verkündigen läßt, jeder Tatar, der hierher zurückkehrt, erhalte den Adel, dürfe ungehindert in seinem Glauben verharren und in besonderen Schwadronen dienen, die, gleich den Kosaken, einen eigenen Hetman haben, dann setze ich meinen Kopf zum Pfande, daß sehr bald die ganze Ukraine von Einwanderern wimmeln wird. Die Lipker und die Czeremisen kommen, aus der Dobrucza und aus Bialogrod, aus der Krim werden sie herbeiströmen – ihre Herden werden sie hierhertreiben – Weib und Kind werden sie auf Wagen hierherbringen. Schütteln Euer Liebden nicht das Haupt – sie werden kommen, wie sie früher gekommen sind, um durch Jahrhunderte hindurch der Republik treue Dienste zu leisten. In der Krim, allüberall werden sie von dem Khan, von den Mursen bedrückt, in der Ukraine aber leben sie dann als Edelleute und ziehen, den Säbel an der Seite, unter ihrem eigenen Hetman ins Feld. Sie werden kommen, das schwöre ich Euer Liebden zu, laufen sie doch dort, wo sie sind, Gefahr, Hungers zu sterben. Wird es nur erst in den Alusen Anmerk. d. Uebersetzerinnen: Ansiedelungen nomadisierender Stämme. ruchbar, daß ich sie im Namen des Herrn Hetman hierher berufe, daß der Sohn des Tuhay-Bey sie ruft – dann kommen sie zu tausenden hierher.«

Herr Bogusz faßte sich mit beiden Händen an den Kopf.

»Bei den Wundmalen des Erlösers, Azya, wie kommst Du auf solche Gedanken? Was soll denn daraus werden?«

»Es würde eben in der Ukraine sowohl ein Volk der Tataren, wie ein Volk der Kosaken geben. Den Kosaken habt Ihr doch Privilegien, habt Ihr doch einen Hetman zuerkannt, weshalb könntet Ihr dies nicht auch uns zuerkennen? Und was daraus werden soll, fragen Euer Liebden! Traun, einen zweiten Chmielnicki gäbe es nicht, denn wir würden den Kosaken sofort den Fuß auf das Genick setzen, zu einem Bauernaufstande, zu einem Blutbade, zur Plünderung und Verwüstung käme es nicht mehr, auch einen Doroszenko gäbe es nicht mehr, denn wagte er es, sich zu erheben, so wäre ich der erste, der ihn am Stricke vor den Hetman führen würde. Und wenn sich die türkische Macht gegen Euch wendete, dann würden wir den Sultan schlagen, so aber der Khan mit seinen Horden einen Ueberfall auf Euch plante, ginge es über diesen los. Haben nicht schon seit lange die Lipker und die Czeremisen zu Euch gehalten, obwohl sie Muhamedaner sind? Aus welchem Grunde sollten wir anders handeln, wir, die Tataren der Republik, wir, die Edelleute? ... Ueberlegen es sich doch Euer Gnaden einmal: In der Ukraine herrscht Ruhe, die Kosaken werden im Zaume gehalten, die Türken vermögen nichts auszurichten, die Zahl der Krieger vergrößert sich um einige zehntausend – das sind die Gedanken, die mir gekommen sind, das ist es, was ich mir ausgedacht habe ... Das ist's, weshalb mir Kryczynski, Adurowicz, Morawski, Tworkowski sofort Folge leisten, wenn mein Ruf an sie ergeht ... das ist's, weshalb die halbe Krim nach jener Steppe strömen wird, wenn ich sie dazu auffordern werde.«

Herr Bogusz war dermaßen erstaunt über die Worte Azyas, daß er wie erstarrt dasaß, daß es ihm war, als ob die Wände der Stube, in der sie saßen, sich teilten und vor seinem Blicke das Gebiet des Vaterlandes ein völlig anderes werde. Er vermochte kein Wort hervorzubringen, unablässig haftete sein Blick auf dem jungen Tataren, der, im Zimmer auf und ab schreitend, nach längerem Schweigen fortfuhr:

»Ohne mich ließe sich dies freilich nicht durchführen, denn ich bin der Sohn von Tuhay-Bey, und vom Dniepr bis zur Donau kennt man keinen berühmteren Namen unter den Tataren. Was ist mir übrigens Kryczynski, Tworkowski, was sind mir all die andern!« fügte er nach abermaligem kurzen Schweigen hinzu. »Nicht um sie, nicht um etliche tausend Lipker und Czeremisen handelt es sich, nein, hier kommt vor allem die Republik in Betracht. Gerüchtweise verlautet ja, es werde im Frühjahr ein gewaltiger Krieg mit dem Sultan ausbrechen, doch laßt mir nur freie Hand, und ich werde einen solchen Sud aus den Tataren brauen, daß sich der Sultan die Hände daran verbrühen wird.«

»Bei Gott, Azya, wer bist denn Du?« schrie Herr Bogusz nun plötzlich.

Da erhob jener stolz das Haupt und erwiderte:

»Der zukünftige Hetman der Tataren!«

In diesem Augenblick fiel ein heller Feuerschein auf das schöne, aber große Grausamkeit verratende Antlitz Azyas. Herr Bogusz glaubte mit einem Male einen anderen Menschen vor sich zu sehen, eine solche Hoheit lag über dem ganzen Wesen des jungen Tataren, und wie der Blitz schoß ihm der Gedanke durch den Kopf, daß Azya die Wahrheit rede, daß alle Lipker, alle Czeremisen zurückkehren würden, wenn der Hetman einen solchen Aufruf an sie ergehen ließe. Der alte Edelmann kannte die Krim genau, war er doch nicht nur zweimal als Gefangener dort gewesen, sondern später, nach seinem Loskauf durch den Hetman, auch als Gesandter. Er kannte den Hof zu Bachczysaraj, er kannte die zwischen dem Don und der Dobrucza ansässigen Horden, er wußte, daß in zahlreichen Ansiedelungen während des Winters Hungersnot herrschte, er wußte, daß die Mursen der Knechtung und der Prellerei von seiten der Baskaken Anmerk. d. Uebersetzerinnen: Vorgesetzte bei den Tataren. des Khans überdrüssig waren, daß in der Krim selbst öfters Meutereien ausbrachen, und so konnte kein Zweifel herrschen, der fruchtbare Boden, die in Aussicht gestellten Privilegien, dies alles mußte unfehlbar jene anlocken, denen es in den alten Wohnsitzen schlimm erging, denen es an Raum, denen es an Sicherheit mangelte.

Mußte aber ein solcher Aufruf nicht noch verlockender wirken, wenn er von dem Sohne des Tuhay-Bey ausging? Ja, dieser allein durfte ihn erlassen, kein anderer. Kraft des Ruhmes seines Vaters war er im stande, ganze Länderstrecken in Aufruhr zu versetzen, eine Hälfte der Krim gegen die andere aufzuwiegeln, Gewalt über die wilde Bialogroder Horde zu gewinnen und somit die ganze Macht des Khans, ja, die Macht des Sultans zu erschüttern.

Glaubte der Hetman nun, aus diesem Plane Nutzen ziehen zu können, so mußte ihm der Sohn von Tuhay-Bey als ein durch die Vorsehung eigens dazu auserwählter Mensch erscheinen.

Herr Bogusz begann Azya mit ganz andern Augen zu betrachten, denn immer größeres Staunen ergriff ihn darüber, daß solche Pläne in dem Kopfe des jungen Tataren entstanden waren, Pläne von solcher Tragweite, daß beim bloßen Gedanken daran Schweißtropfen auf die Stirne des Herrn Untertruchseß traten. Immerhin regten sich aber doch auch wieder allerlei Zweifel in seiner Seele, und so fragte er denn endlich nach kurzem Sinnen: »Glaubst Du denn nicht, daß durch all dies ein Krieg mit den Türken heraufbeschworen würde?«

»Zu einem Kriege würde es ohnedies kommen. Weshalb hätten denn sonst die Tatarenhorden den Befehl erhalten, nach Adrianopel zu ziehen? Nur in dem Falle wäre ein Krieg unwahrscheinlich, wenn es zu Mißhelligkeiten in dem Reiche des Sultans kommen sollte. Freilich hieße es dann auch ins Feld rücken, die Hälfte der Horde aber würde auf unserer Seite sein.«

»Auf jeden Einwand hat dieser Spitzbube schon eine Antwort bereit!« dachte Herr Bogusz bei sich, laut aber sagte er:

»Wenn man all dies erwägt, wird es einem ganz wirr im Kopfe. Siehst Du, Azya, das ist keine so leichte Sache. Was würde der König, was der Kanzler, was würden die Stände dazu sagen, wie würde sich der Adel dazu verhalten, der ja zum größten Teil dem Herrn Hetman nicht sehr wohlgesinnt ist?«

»Ich bedarf nur einer schriftlichen Vollmacht des Hetmans. Sitzen wir erst hier einmal fest, dann mögen sie es versuchen, uns hinauszudrängen. Wer will uns vertreiben, womit will man uns vertreiben? Möchtet Ihr nicht auch gern die Zaporozcer aus der Sicz verjagen, und seid Ihr vielleicht dazu im stande?«

»Der Hetman wird vor der Verantwortlichkeit zurückschrecken.«

»Der Herr Hetman kann auf fünfzigtausend Säbel der tatarischen Horde rechnen, ganz abgesehen von der Kriegsschar, die er befehligt.«

»Und die Kosaken? Du scheinst an die Kosaken nicht zu denken. Die werden sich unverweilt widersetzen.«

»Gerade deshalb ist es notwendig, daß über den Häuptern der Kosaken beständig das Schwert schwebt. Wer hält den Doroszenko? Die Tataren! Bekomme ich aber die Tataren in meine Hand, dann müßte sich Doroszenko vor dem Hetman mit dem Haupte bis zur Erde beugen.«

Hier streckte Azya seine Hände aus, krümmte die Finger nach Art der Adlerklauen und packte dann mit der Rechten den Griff seines Säbels.

»So,« rief er, werden wir den Kosaken zeigen, was Rechtens ist! Geknechtet müssen sie werden, wir aber nehmen Besitz von der Ukraine. Hört Ihr mich, Herr Bogusz? Ihr haltet mich für einen Menschen, mit dem man nicht zu rechnen hat, Herr Bogusz, aber, fürwahr, ich bin nicht so unbedeutend, die es dem Nowowiejski, wie es dem Herrn Kommandanten, wie es den Offizieren und wie es Euch, Herr Bogusz, erscheint. Tag und Nacht brütete ich über meinen Plan! Bis auf die Knochen bin ich abgemagert, mein Gesicht ist eingefallen – ja, schauen mich Euer Liebden nur an – ganz fahl und gelb bin ich geworden. Doch was ich ersonnen habe, ist gut ersonnen, und deshalb sage ich Euch, daß ich nicht ohne Macht, nicht ohne Hilfsquellen bin. Euer Gnaden sehen selbst, daß es sich hier um große Dinge handelt. Geht also zu dem Herrn Hetman, aber geht rasch! Veranlaßt ihn, mir eine schriftliche Vollmacht zu geben, und ich habe dann nicht nötig, mich um die Stände zu kümmern. Der Hetman hat eine große Seele, der Hetman wird erkennen, daß es hier nicht an Macht und Hilfsquellen fehlt. Sagt dem Hetman, daß ich der Sohn von Tuhay-Bey bin, der Einzige, der dies zu vollführen im stande ist. Wirkt dahin, daß er sich einverstanden erklärt, aber um Gottes willen, so lange es noch Zeit ist, so lange noch Schnee auf der Steppe liegt, noch vor dem Frühling, denn im Frühling wird es Krieg geben! Geht sogleich und kehrt schnell wieder zurück, damit ich bald erfahre, was mir zu thun obliegt.«

Herr Bogusz bemerkte nicht einmal, daß Azya in so gebieterischem Tone sprach, wie wenn er schon Hetman wäre und seinem Offizier einen Befehl erteile.

»Morgen will ich noch der Ruhe pflegen,« sagte er, »und übermorgen will ich aufbrechen. Gott gebe, daß ich den Hetman in Jaworow treffe. Er braucht nie viel Zeit, um einen Entschluß zu fassen, und Ihr sollt auch bald die Antwort haben.«

»Und welcher Ansicht sind Euer Liebden? Wird der Hetman einverstanden sein?«

»Möglicherweise wird er Euch zu sich berufen, begebt Euch also jetzt nach Raszkow, denn von hier aus gelangt Ihr rascher nach Jaworow. Ob er sogleich einverstanden sein wird, weiß ich nicht, doch wird er die Sache sicherlich einer eingehenden Erwägung unterziehen, denn die Gründe, die Ihr vorbringt, sind ja sehr schwerwiegend. Beim lebendigen Gott, dies hätte ich nicht von Euch erwartet, allein jetzt sehe ich, daß Ihr kein gewöhnlicher Mensch seid, und daß unser Herrgott Euch zu großen Dingen ausersehen hat. Ei, Azya, Ihr seid der Fähnrich der Lipker Reiterabteilung und habt solche Gedanken im Kopfe, vor denen uns andern Menschen schaudert. Nun würde ich mich nicht mehr wundern, wenn ich die Reiherfeder an Euerm Kolpak und den Bunczuk Anmerk, d. Uebersetzerinnen: Roßschweif. über Euerm Haupte wehen sähe ... Auch begreife ich wohl, daß Ihr sagt, jene Gedanken hätten Euch des Nachts gepeinigt ... Gleich übermorgen mache ich mich auf den Weg, doch zuvor will ich ein wenig ruhen. Und jetzt gehe ich, denn es ist schon spät, und wie ein Mühlrad geht es mir im Kopf herum. Gott sei mit Euch, Azya! ... In meinen Schläfen ist ein Bohren, als ob ich betrunken wäre ... Gott sei mit Euch, Azya, Sohn des Tuhay-Bey.«

Hier drückte Herr Bogusz die hagere Hand des Tataren und wendete sich der Thüre zu, doch auf der Schwelle blieb er wieder stehen und sagte:

»Wie wäre es also? ... Frische Truppen für die Republik ... Ein drohendes Schwert über dem Haupte der Kosaken, ... Doroszenko gedemütigt ... Wirren in der Krim ... Die türkische Macht geschwächt ... in Reussen keine Ueberfälle mehr ... So es Gottes Wille ist!«

Nach diesen Worten entfernte sich Herr Bogusz. Azya schaute ihm eine Weile nach und flüsterte dann leise vor sich hin:

»Aber für mich einen Bunczuk, den Feldherrnstab und ... sie! Freiwillig oder unfreiwillig! – Sonst wehe Euch!«

Hierauf trank er den Rest des Branntweins aus dem blechernen Becher und warf sich auf die mit Fellen bedeckte Pritsche, welche in einer Ecke der Stube stand. Das Feuer in dem Kamin war bereits erloschen, aber durch das Fenster drangen die hellen Strahlen des Mondes, welcher schon hoch an dem kalten, winterlichen Himmel stand. Azya lag einige Zeit ruhig da, doch konnte er offenbar nicht einschlafen. Schließlich erhob er sich, trat an das Fenster und betrachtete den Mond, welcher wie ein einsamer Nachen durch den unermeßlichen Himmelsraum dahinglitt.

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Der junge Tatar ... legte seine Fäuste auf seine Brust ... und aus seinem Munde drangen die halbgesungenen Worte: » Allah il Allah ... Muhamed rossul il Allah.«

Der junge Tatar betrachtete ihn lange, zuletzt legte er seine Fäuste auf seine Brust, streckte die beiden Daumen in die Höhe, und aus dem Munde dessen, welcher sich vor kaum einer Stunde zum christlichen Glauben bekannt hatte, drangen die halb gesungenen, halb gesprochenen Worte in einer schwermütigen, gezogenen Weise:

» Allah il Allah, Allah il Allah – Muhamed rossul il Allah..


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