Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

II

Wolodyjowski hielt Wort. Innerhalb drei Wochen ward all das ausgeführt, was er sich vorgenommen hatte, und er sandte eine ansehnliche Eskorte – hundert Lipker aus der Reiterei des Herrn Lankoronski und hundert Linkhauzsche Dragoner. Letztere wurden von Herrn Snitkow befehligt, der einen halb verhüllten Mond im Wappen führte, die Lipker standen unter dem Hauptmann Azya Mellechowicz, einem von den Litauischen Tataren abstammenden, noch sehr jungen, kaum zwanzig Jahre zählenden Krieger. Durch Mellechowicz überschickte der kleine Ritter seinem Weibchen folgendes Schreiben:

»Heiß geliebte Basia! Komme, komme sofort, denn ohne Dich ist's wie ohne Brot, und wenn ich bis zu dieser Zeit nicht verschmachtet bin, dann küsse ich mich an Deinen rosigen Lippen zu Tode. Ich sende eine genügende Anzahl von Leuten und erfahrenen Offizieren, doch haltet Euch hauptsächlich an Herrn Snitko, zieht vornehmlich ihn in Eure Gesellschaft, ist er doch ein adliger Offizier, also bene natus, und der Erbe beträchtlicher Güter, was aber Mellechowicz anbelangt, so ist er wohl zwar ein guter Soldat, doch Gott weiß, woher er stammt. Er hätte auch nirgend anders als bei den Lipkern Offizier werden können, denn sonst wäre ihm sicherlich imparitatem vorgeworfen worden. Ich schließe Dich mit aller Macht in meine Arme, ich küsse Dir Hände und Füße. Das Fort errichte ich aus gewaltigen Stämmen. Ungeheure Kamine soll es bekommen. Zu unserem eigenen Gebrauche dienen mehrere Stuben in einem besonderen Hause. Die Luft ist von kräftigem Harzgeruch durchtränkt, und eine solche Menge von Grillen zirpen des Nachts so gewaltig, daß selbst die Hunde aus dem Schlafe erwachen. Wenn wir ein wenig Erbsenstroh zur Hand hätten, wäre diesem Lärm abgeholfen, vielleicht bringst Du einen kleinen Vorrat davon in den Wagen mit. Umsonst suchten wir uns Fensterscheiben zu verschaffen, wir mußten sie durch Schweinsblasen ersetzen. Herr Bialoglowski hat indessen in seiner Abteilung der Dragoner einen Glaser, Glas aber könnt Ihr leicht in Kamieniec bei den Armeniern bekommen, doch geht ja recht vorsichtig damit um, sonst könnte es zerbrechen. Die Wände Deines Gemaches ließ ich mit Teppichen bekleiden, und so sieht es sehr einladend aus. Von den Räubern, die wir in den Schluchten von Leszyc gefangen nahmen, sind auf meinen Befehl schon neunzehn gehängt worden, bis zu Deiner Herkunft aber wird die Zahl der Gehängten schon ein halbes Schock erreichen. Von Herrn Snitko wirst Du Näheres über unser Leben erfahren. Dich selbst empfehle ich dem Schutze Gottes und der heiligen Jungfrau, Du mein geliebtes Herz!«

Nachdem Basia den Brief gelesen hatte, übergab sie ihn Zagloba, der sofort Einsicht davon nahm und infolgedessen Herrn Snitko zwar mit größerer Zuvorkommenheit behandelte, dabei aber doch durchblicken ließ, daß Snitko nicht vergessen dürfe, mit welch berühmtem Krieger, mit welch hervorragender Persönlichkeit er zu thun habe, und wie glücklich er sich schätzen müsse, daß ihm eine solche Vertraulichkeit gestattet werde. Herr Snitko war übrigens ein ebenso gutherziger, heiterer Mensch, wie ein pflichterfüllter Soldat, der schon jahrelang dem Kriegerstande angehörte. Es kam ihm daher gar nicht in den Sinn, sich zu überheben, nein, er kam sich im Vergleiche zu dem berühmten Herrn Zagloba ganz klein vor und brachte diesem die größte Hochachtung entgegen.

Mellechowicz war indessen bei dem Lesen des Briefes nicht mehr anwesend, denn kaum hatte er ihn abgeliefert, so entfernte er sich unter dem Vorwande, nach seiner Mannschaft sehen zu müssen, während er in Wirklichkeit sich nur nicht der Gefahr aussetzen wollte, in die Gesindestube verwiesen zu werden.

Nichtsdestoweniger hatte Zagloba hinlänglich Zeit gefunden, ihn ins Auge zu fassen und bemerkte nun, unter dem frischen Eindrucke von Wolodyjowskis Worten stehend, zu Snitko gewendet:

»Sehr erfreut, Euer Liebden zu sehen! Ich bitte näher! ... Herr Snitko! ... Mir wohl bekannt ... Das Wappen des halb verhüllten Mondes! Ich bitte, ich bitte, höchst beachtenswert! ... Doch jener Tatar, wie heißt er nur?«

»Mellechowicz!«

»Dieser Mellechowicz hat etwas Wolfsähnliches in seinem Ausdruck. Michal schreibt von ihm, er sei ein Mensch von sehr zweifelhafter Herkunft, und das setzt mich in Staunen, weil alle unsere Tataren vornehmen Geschlechtern entstammen, wenngleich sie sich auch zu dem Muhamedanismus bekennen. In Litauen fand ich ganze Ortschaften durch sie bewohnt. Dort nennt man sie Lipker, während sie bei uns Czeremisen heißen. Lange Zeit hindurch dienten sie der Republik voll Hingebung und Treue, denn sie dankten ihr das Brot, das sie aßen, allein schon während incursio der Bauern sind gar viele von ihnen zu Chmielnicki übergegangen, und jetzt beschnüffeln sie sich, wie ich höre, bereits mit den Tatarenhorden ... Dieser Mellechowicz gleicht fürwahr geradezu einem Wolfe ... Ist er denn Herrn Wolodyjowski schon längere Zeit bekannt?«

»Seit dem letzten Kriegszuge,« entgegnete Herr Snitko, die Füße unter den Sessel zurückziehend, »also seitdem wir, durch die Ukraine kommend unter Sobieski gegen Doroszenko und die Tatarenhorden kämpften.«

»So, so, seit dem letzten Kriegszuge! Daran konnte ich nicht teilnehmen, weil mich Herr Sobieski mit einer anderen Aufgabe betraut hatte, um derentwillen er in große Sorge um mich geriet. Und wie steht's, Euer Liebden, mit Euch, der Ihr einen verhüllten Mond im Wappen führt? Seit wann kennen Euer Liebden diesen Mellechowicz? Woher stammt er denn?«

»Er behauptet, ein Litauischer Tatar zu sein. Doch ist es nicht sehr wunderlich, daß ihn keiner der Litauischen Tataren kennen will, obgleich er in ihrer Abteilung dient? Ex quo die Gerüchte über seine zweifelhafte Herkunft, welche ungeachtet seines guten Benehmens nicht verstummen wollen. Bei Braclaw und bei Kalnik leistete er solch vorzügliche Dienste, daß ihn der Herr Hetman zum Hauptmann ernannte, trotzdem er der jüngste in der ganzen Abteilung war. Bei den Lipkern ist er äußerst beliebt, doch bei uns erfreut er sich keines großen Ansehens, da er sich stets sehr abweisend zeigt und weil ihm, wie Dero Gnaden richtig bemerkten, ein lauernder, wolfsähnlicher Ausdruck anhaftet.«

»Sofern er ein tüchtiger Soldat ist und sein Blut schon im Kampfe vergossen hat,« warf jetzt Basia ein, »ziemt es sich auch, ihn in unsere Gesellschaft zu ziehen, was mir übrigens mein Gemahl in seinem Briefe durchaus nicht untersagt hat. Gestatten Euer Liebden?« fügte sie dann fragend hinzu, sich zu Herrn Snitko wendend.

»Ich stehe der gnädigen Frau Obristin zu Diensten!« rief Snitko.

Basia eilte sofort aus dem Zimmer, während Herr Zagloba hörbar schnaubte und dann Herrn Snitko fragte:

»Traun, was sagen denn Euer Gnaden zu der Frau Obristin?«

Statt jeder Antwort preßte der alte Soldat beide Fäuste an die Augen und wiederholte, sich in seinem Sessel vorbeugend, immer wieder:

»Ah – ah, a – h, a – h!«

Dann hielt er sich plötzlich, die Augen weit aufreißend, mit der flachen Hand den Mund zu, gerade, als ob er sich über das eigene Entzücken schäme.

»Der reinste Marzipan! Was?« bemerkte Zagloba.

Mittlerweile zeigte sich der »Marzipan« wieder unter der Thüre, gefolgt von dem, gleich einem wilden Vogel scheu umherblickenden Mellechowicz, zu dem Basia also sprach:

»Durch den Brief meines Gatten und durch Herrn Snitko hörten wir so viel von Euern Heldenthaten, daß es uns drängt, Euch näher kennen zu lernen. Wir bitten Euch daher, uns Gesellschaft zu leisten, das Mittagsmahl wird bald aufgetragen werden.«

»Wir bitten Euer Liebden, näher zu treten!« sagte Zagloba.

Wenn sich nun auch das schöne, obgleich finstere Antlitz des jungen Tataren nicht gleich völlig aufheiterte, so zeigte es sich doch deutlich, wie erkenntlich er dafür war, daß man ihn freundlich empfing, daß man ihn nicht in die Gesindestube verwies. Basia kam ihm auch ganz besonders gütig entgegen, denn mit dem, den Frauen eigenen Feingefühl erriet sie, wie argwöhnisch und stolz er war, wie sehr er unter den Demütigungen leiden mußte, die er wegen seiner zweifelhaften Herkunft zu erdulden hatte. Abgesehen von einer gewissen Rücksicht, die sie Snitko seiner vorgeschrittenen Jahre wegen trug, machte sie gar keinen Unterschied in ihrem Benehmen gegen die beiden und brachte sofort das Gespräch auf die Kämpfe bei Kalnik, in Folge deren Mellechowicz die Hauptmannswürde erhalten hatte, und auch Herr Zagloba, Basias Absicht schnell erratend, richtete fortwährend das Wort an den jungen Tataren. Und wie schüchtern und zurückhaltend sich dieser anfänglich benahm, so erteilte er doch stets eine befriedigende Antwort, und sein ganzes Wesen war ein so angenehmes, seine Umgangsformen waren so gute, daß man darnach niemals hätte darauf schließen können, er entstamme einem untergeordneten Geschlechte.

»In seinen Adern kann unmöglich bäurisches Blut fließen,« dachte Zagloba bei sich, »sonst wäre sein Geist kein so reger.«

»In welcher Gegend wohnt denn der Vater von Euer Liebden?« fragte er dann plötzlich den Tataren mit erhobener Stimme.

»In Litauen!« entgegnete Mellechowicz, tief errötend.

»Litauen ist ein großes Land. Das ist gerade so, wie wenn Ihr mir geantwortet hättet »in der Republik!«

»Das trifft jetzt doch nicht mehr zu, denn beträchtliche Teile von Litauen sind ja von der Republik abgefallen. Mein Vater ist in der Nähe von Smolensk begütert.«

»Auch ich habe dort bedeutende Güter besessen, die mir einst durch einen kinderlosen Blutsverwandten zufielen, allein ich zog es vor, auf diese Besitztümer Verzicht zu leisten und es mit der Republik zu halten.«

»Das gleiche habe auch ich gethan!« bemerkte Mellechowicz.

»Dann habt Ihr würdig und edel gehandelt!« warf Basia ein.

Bei den Antworten des Tataren hatte Snitko unwillkürlich, aber fast unmerklich mit den Achseln gezuckt, wie wenn er sagen wolle:

»Gott allein weiß, wer Du bist, woher Du stammst!«

Allein Herrn Zagloba entging dies nicht, deshalb wandte er sich abermals an Mellechowicz und fragte:

»Sind Euer Liebden ein Bekenner Christi, oder führt Ihr – nehmt dies nicht als eine Beleidigung auf – einen heidnischen Lebenswandel?«

»Ich bin zu dem christlichen Glauben übergetreten. Dies ist auch der Grund, weshalb ich mich von meinem Vater trennen mußte.«

»Habt Ihr ihn aus dem Grunde verlassen, dann läßt Euch unser Herrgott nicht im Stiche, nein, das Zeichen seiner Gnade kündet sich Euch schon darin an, daß Ihr Euch des Weingenusses erfreuen dürft, eines Genusses, dessen ihr nicht teilhaftig geworden wäret, wenn Ihr Euch nicht von dem Irrwahn abgewendet hättet.«

Snitko lachte laut auf, Mellechowicz aber schien sich bei den Fragen über seine Person und über seine Herkunft nicht recht behaglich zu fühlen, schaute er doch plötzlich wieder sehr finster darein. Herr Zagloba trug dem aber um so weniger Rücksicht, da ihm der junge Tatar immer mehr mißfiel, weil er ihn, wenn auch nicht in den Gesichtszügen, so doch in seinen Bewegungen und in seinem Blicke an Bohun, den berühmten Kosakenführer erinnerte.

Das Mittagsmahl ward nunmehr aufgetragen, und während der übrigen Tagesstunden wurden die letzten Reisevorbereitungen getroffen. Mit Tagesgrauen, oder vielmehr noch während der Nacht wurde dann aufgebrochen, denn man wollte in einem Tage Chreptiow erreichen.

Auf nahezu zwanzig Wagen führte man Kisten und Kasten mit sich, da Basia den festen Entschluß gefaßt hatte, die Vorratskammern in Chreptiow gut zu versorgen und infolgedessen fehlte es auch nicht an einer Anzahl von Kameelen und Pferden, welche schwer mit Mehl und geräuchertem Fleisch beladen waren. Den Schluß der Karawane bildete eine Herde von Steppenochsen und eine Schafherde. Den Zug eröffnete Mellechowicz mit seinen Lipkern, die Dragoner aber ritten dicht an dem gedeckten Wagen, in dem Basia und Herr Zagloba saßen. Basias Herz hing freilich daran, eines der Reitpferde zu besteigen, die mitgeführt wurden, allein der alte Edelmann bat sie, dies wenigstens zu Anfang und gegen das Ende ihrer Reise zu unterlassen.

»Wenn Du ruhig zu Pferde säßest, würde ich mich dem nicht widersetzen,« meinte er, »allein nur zu bald würdest Du Dein Pferd steigen und allerhand Kunststücke machen lassen, und das geziemt sich nicht für die Gattin eines Obristen.«

Basia fühlte sich so frei, so glücklich wie ein Vogel. Von der Zeit ihrer Verheiratung an hatte sie nur noch zwei Wünsche gehegt: sie hätte gar zu gern ihrem Michal einen Sohn geschenkt, und sie sehnte sich darnach, wenigstens während eines Jahres mit dem kleinen Ritter in einem Standquartiere nahe der Wüstenei zu leben, um dort, am Rande der Steppe, das Soldatenleben, den Krieg mit seinen Gefahren kennen zu lernen, an den Streifzügen teilzunehmen, mit eigenen Augen die Steppen zu sehen und sich selbst den Strapazen unterziehen zu können, von denen sie seit ihrer frühesten Jugend so viel gehört hatte. Dies war schon der Traum ihrer Kindheit gewesen, und nun sollte sich dieser Traum verwirklichen, an der Seite des geliebten Mannes sollte sie nun in den Steppen leben, an der Seite des berühmten Kriegers, von dem gesagt ward, er vermöge den Feind zu finden, selbst wenn er ihn unter der Erde hervorholen müsse.

Der jungen Frau Obristin war es auch thatsächlich zu Mute, als ob sie Flügel an den Schultern habe, und eine solche Freude schwellte ihre Brust, daß sie am liebsten aufgejubelt, aufgejauchzt hätte. Doch sie bezwang sich, hatte sie sich doch vorgenommen, sich würdig zu benehmen und alles zu thun, um die Liebe der Soldaten zu erringen. Diesen Entschluß teilte sie sofort dem Herrn Zagloba mit, der beifällig lächelte und sagte:

»Wie einen Augapfel wird man Dich hüten, wie ein Wunder wirst Du angestaunt werden! Denn ein Frauenzimmer in dem Standquartiere – das ist eine Rarität!«

»Und wenn es darauf ankommt, werde ich ihnen ein Beispiel geben – ein Beispiel –«

»An was?«

»An Mut und Tapferkeit. Ich fürchte nur eins – da sowohl in Mohilow wie in Raszkow und Jahorlik Standquartiere sind, werden wir am Ende in Chreptiow nur gar selten Tataren zu sehen bekommen.«

»Ich dagegen fürchte – selbstverständlich nicht meinet- sondern Deinetwegen – daß wir sie nur zu oft zu Gesicht bekommen werden. Was glaubst Du denn? Welcher feindliche Streifzug ist denn gezwungen, nur auf Raszkow oder Mohilow loszugehen? Kann er nicht etwa ebenso gut von Osten, von den Steppen oder von der Moldauischen Seite am Dniester kommen, und wo es ihm beliebt die Grenze überschreitend, in die Republik einfallen und die Höhen hinter Chreptiow besetzen? Freilich, wenn sich die Nachricht verbreitet, daß ich mich in Chreptiow befinde, dann werden sich die Dinge anders gestalten, denn mich kennt man bei den Horden von lange her.«

»Und Michal? kennt man den vielleicht nicht? Mit ihm wird man auch nicht so leicht anbinden wollen.«

»Ganz gewiß nicht, ganz gewiß nicht, es sei denn, daß die Tataren eine große Macht zusammenziehen, was übrigens gar nicht ausgeschlossen ist. Und dann ist es nicht nur wahrscheinlich, sondern fast gewiß, daß Michal schließlich selbst zum Angriffe übergehen wird.«

»Das glaube ich auch, dessen bin ich fast sicher. Wie ist es denn aber mit Chreptiow, ist es wirklich eine solch entsetzliche Einöde? Chreptiow liegt doch nicht so entsetzlich weit?«

»Chreptiow ist eine Einöde im wahrsten Sinne des Wortes. Einstens, in meiner Jugendzeit, war das eine gut bevölkerte Gegend, ich fuhr von einem Bauernhofe zum andern, von Dorf zu Dorf, von Stadt zu Stadt. Ueberall bin ich gewesen, alles habe ich kennen gelernt. Ich erinnere mich noch sehr wohl der Zeit, in der Uszyc eine wohlbefestigte Stadt war, ja, wohl befestigt, das darf man gewiß behaupten. Herr Koniecpolski – der Vater nämlich – wollte mich daselbst als Starost einsetzen. Da mit einemmale kam incursio des Raubgesindels, und alles sank in Trümmer. Als wir zur Befreiung der Halszka Skrzetuski auszogen, ei, da war schon alles eine einzige Wüstenei, die dann noch von unzähligen Tatarenhorden heimgesucht wurde. Jetzt freilich hat Herr Sobieski das Land wiederum den Kosaken und Tataren entrissen, gerade, wie wenn man dem Hunde etwas aus dem Maule reißt ... Aber die Bewohner sind immer noch dünn gesät, denn in den Schluchten hausen stets Räuber ...«

Aufmerksam betrachtete Herr Zagloba eine Weile die Gegend, indem er kopfschüttelnd der alten Zeiten gedachte.

»Mein Gott,« sagte er, »damals als wir zur Befreiung der Halszka auszogen, da dünkte mir, das Alter stehe vor der Thüre, so ich aber jetzt zurückdenke, dann ist es mir, als ob ich zu jener Zeit jung gewesen wäre, sind doch bald vierundzwanzig Jahre darüber verflossen. Damals war Michal noch ein Grünschnabel, und nicht mehr Haare hatte er auf der Lippe, als ich auf meiner Faust. Ja, ja, so lebendig ist mir noch alles in Erinnerung, als sei es gestern gewesen. Nur das Gestrüppe, die Wälder sind dichter geworden, seit agricolae die Gegend verlassen haben.«

Gleich hinter Kitajgrod fuhren sie thatsächlich durch dichte Wälder, welche diese Länderstrecken weithin bedeckten, dann und wann indessen, insbesondere aber in der Nähe von Studziennica kamen sie auch durch freies Feld, und da bot sich ihnen der Ausblick auf den Dniester und auf ein weites Flachland, das sich bis aus die, den Horizont begrenzenden, auf Moldauischem Gebiete liegenden Höhen ausbreitete.

Tiefe Schluchten, die Schlupfwinkel wilder Tiere und wilden Raubgesindels, durchschnitten ihren Weg, Schluchten, die teils eng zerklüftet waren, teils eine ziemliche Breite und sanftansteigende, mit dichtem Gestrüpp bedeckte Wände aufwiesen. Die unter Mellechowiczs Befehl stehenden Lipker durchsuchten diese Schluchten mit aller gebotenen Vorsicht, und oftmals, wenn die letzten der Schutzwache sich noch hoch oben am Rande der Hohlwege befanden, schien es, als ob die an der Spitze reitenden von der Erde verschlungen seien. Häufig waren Basia und Herr Zagloba genötigt, den Wagen zu verlassen, denn wenn auch Herr Wolodyjowski die Wege, so viel es in seiner Kraft stand, hatte ausbessern lassen, so erwiesen sich doch manche Stellen geradezu als lebensgefährlich. Aus dem Grunde der Schluchten sprudelten Quellen hervor, über das wilde Gestein rauschten reißende Bäche dahin, die im Frühling, infolge des schmelzenden Steppenschnees mehr und mehr anschwollen. Wohl durchwärmte die Sonne mit ihren Strahlen Wälder und Steppen mächtig, allein in den felsigen Gründen herrschte eine eisige Kälte, welche die Menschen erschauern machte. Dichter, dunkler Wald bedeckte da und dort die Abhänge und zog sich auch noch an den Rändern derselben weit dahin, gerade als ob er die tiefen Abgründe vor den goldenen Strahlen der Sonne schützen wolle. Streckenweise waren aber auch diese Wälder verwüstet, die mächtigen Bäume lagen wie darniedergemäht auf der Erde, in wilder Unordnung übereinander gehäuft, während die geknickten, ineinander geschlungenen Aeste entweder völlig verdorrt erschienen oder rostbraune Blätter und Nadeln hatten.

»Was ist denn hier vorgegangen?« fragte Basia den Herrn Zagloba, als sie an einer solchen Stelle vorüberkamen.

»Stellenweise mögen dies Verhaue gewesen sein, die entweder von den früheren Bewohnern gegen die Tatarenhorden errichtet wurden, oder von dem Raubgesindel gegen unsere Kriegsscharen, stellenweise jedoch rühren die Verwüstungen von den aus der Moldau kommenden Sturmwinden her, während welchen, wie die alten Leute erzählen, Vampyre oder sogar wirkliche Teufel ihr Unwesen treiben.«

»Und sind Euer Liebden schon Zeuge von solchem Teufelsspuk gewesen?«

»Gesehen – nun gesehen habe ich solche Unholde freilich noch nicht, gehört aber habe ich schon unzähligemale, wie sich die Teufel ein freudiges uha – uha – zuriefen. Frage nur Michal, der hat es auch schon gehört.«

Wie mutig nun aber auch Basia war, hatte sie doch eine gewaltige Angst vor bösen Geistern und begann sich sofort zu bekreuzigen.

»Eine entsetzliche Gegend!« sagte sie.

Und in der That, es war eine Grauen erregende Gegend. Nicht nur düsteres Dunkel herrschte in den Waldschluchten, sondern beängstigende Todesstille. Kein Lüftchen wehte, weder Blätter noch Aeste regten sich, nur das Knarren der Wagen, der Hufschlag und das Schnauben der Pferde, sowie die Rufe der Fuhrleute an den besonders gefährlichen Stellen unterbrachen die unheimliche Stille, wenn nicht der Gesang der Tataren oder der Dragoner erscholl – die Wüstenei selbst aber blieb leblos, kein Laut, weder von Menschen noch von Tieren war hörbar.

Welch düsteren Eindruck diese Schluchten aber nun auch machten, so entrollte sich doch auf den oberhalb derselben gelegenen Gefilden, selbst dann, wenn sie mit dichten Wäldern bedeckt waren, vor den Blicken der Karawane ein freundliches Bild. Es herrschte heiteres, klares Herbstwetter. Die Sonne strahlte hell von der durch kein Wölkchen getrübten himmlischen Steppe herab, weiche Lichtfülle über das Gestein, die Fluren und die Wälder ergießend. In diesem Glanze schimmerten die Kiefern rosig und golden und die an den Zweigen der Bäume, an dem Gestrüppe und an den Gräsern hängenden Spinnengewebe leuchteten in einer Weise, wie wenn sie aus Sonnenstrahlen gewoben wären. Es war um die Mitte des Oktobers. Schon zogen etliche Scharen von Vögeln, die gegen die Kälte empfindlicher waren, dem schwarzen Meere zu, während mit drohendem Geschrei Kraniche, wilde Gänse und Kriechenten hin und her flogen.

Hie und da schwebten mit weit ausgebreiteten Flügeln hoch oben am Himmelsgewölbe die für die Bewohner der Lüfte so gefahrbringenden Adler, dann und wann sah man einen raubgierigen Habicht gemächlich seine Kreise ziehen. Aber auch auf dem Gefilde fehlte es nicht an Vögeln, vornehmlich nicht an solchen, die sich gern in dem hohen Grase verbergen. Jeden Augenblick flogen vor den Hufen der großen, dickleibigen tatarischen Pferde ein Flug rostbrauner Rebhühner empor, häufig bemerkte Basia in der Ferne Wache haltende Trappen, bei deren Anblick ihre Wangen zu glühen, ihre Augen zu leuchten begannen.

»In Gesellschaft von Michal werde ich mit Windspielen auf sie Jagd machen!« rief sie, in die Hände klatschend.

»Wäre Dein Gatte ein Stubenhocker,« ergriff nun Zagloba das Wort, »dann würde er bei solch einem Weibchen bald graue Haare haben. Allein ich wählte den Richtigen für Dich aus. Jede andere wäre mir aber natürlich höchst dankbar dafür! Wie?«

Basia küßte hierauf sofort Herrn Zagloba auf beide Wangen, und er meinte nun tief gerührt:

»Im Alter freut man sich über ein liebend Herz ebenso sehr wie über einen Platz am warmen Ofen. Es ist eigentlich zu verwundern,« fügte er dann nach kurzem Schweigen hinzu, »daß ich mein ganzes Leben hindurch den Frauenzimmern so zugethan gewesen bin, und sollte ich jetzt einen Grund dafür angeben – bei Gott – ich wüßte keinen, denn diese Teufelinnen pflegen ebenso flatterhaft wie herzlos zu sein ... Da sie aber so schwach sind wie die Kinder, so weint einem das Herz im Leibe vor misericordia, wenn ihnen übles widerfährt. Und nun kannst Du mir noch einige süße Küsse geben! Nun, was meinst Du?«

Da Basia am liebsten die ganze Welt umarmt hätte, entsprach sie sofort dem Wunsche des Herrn Zagloba, was Wunder demnach, daß beide die Reise in köstlicher Laune fortsetzten.

Sie kamen indessen recht langsam vorwärts, da sich die Ochsenherde nur schwerfällig weiter bewegte, und es nicht ratsam war, die Tiere inmitten dieser Wüstenei nur unter schwacher Bedeckung zurückzulassen.

Je mehr sie sich indessen Uszyc näherten, desto unebener wurden die Wege, desto öder wurde die Wüstenei, desto tiefer wurden die Schluchten. Jeden Augenblick brach irgend etwas an den Wagen, stets von neuem scheuten die Pferde, und dadurch trat selbstverständlich stets eine bedeutende Verzögerung ein. Der alte, einst nach Mohylow führende Weg war seit zwanzig Jahren derart verwahrlost, daß sich seine Spuren kaum mehr auffinden ließen, es blieb daher den Reisenden nichts übrig, als den oft irreführenden, höchst beschwerlichen Pfad einzuschlagen, der von früheren oder späteren Truppenzügen gebahnt worden war. Es ging dabei auch nicht ohne Unfall ab.

Das Pferd von Mellechowicz, der an der Spitze der Lipker ritt, glitt auf dem unebenen Boden aus und stürzte den steilen Abhang einer Schlucht hinab, wobei sich der Reiter durch das Aufschlagen auf den steinigen Grund eine so schwere Kopfwunde zuzog, daß er das Bewußtsein verlor. Basia und Zagloba erklärten sofort, die bereit gehaltenen Reitpferde besteigen zu wollen, damit der Verwundete in den Wagen gebettet werden könne, was auch geschah. Auf den Befehl der Frau Obristin ging es nun noch langsamer, noch behutsamer vorwärts, ja, sie ließ an jeder Cisterne halten und umhüllte dann jedesmal wieder eigenhändig den Kopf des Leidenden mit nassen, in frisches Quellwasser getauchten Tüchern. Längere Zeit lag Mellechowicz mit geschlossenen Augen da, und als er sie endlich wieder aufschlug, als er die sich gerade über ihn beugende Basia erblickte, die ihn auch unverweilt nach seinem Befinden fragte, da ergriff er statt jeder Antwort deren Hand und drückte sie an seine bleichen Lippen.

Erst nach etlichen Minuten, erst nachdem er sich wieder einigermaßen gesammelt hatte, sagte er in kleinrussischer Sprache:

»Ach mir ist so wohl, so wohl wie schon lange nicht mehr.«

Allmählich neigte sich der Tag seinem Ende zu. Leuchtend senkte sich der Sonnenball majestätisch gegen die Moldau nieder, der Dniester glühte wie ein feuriges Band und von Osten, von der Wüstenei her, breitete sich die Dämmerung langsam aus.

Chreptiow lag nicht mehr allzu ferne, allein die Pferde bedurften der Ruhe, deshalb mußte länger Rast gemacht werden. Der oder jener Dragoner begann die Tagzeiten zu singen, während die Lipker absaßen, Schaffelle auf der Erde ausbreiteten, niederknieten und das Antlitz gen Osten gewendet, zu beten begannen. Bald laut, bald leise beteten sie, zuweilen tönte das »Allah, Allah« weit hin, zuweilen war es kaum hörbar, zeitweise richteten sich auch die inbrünstig betenden von ihren Knien auf und wiederholten mit erhobenen, nahe an das Gesicht gehaltenen Händen, wie aufseufzend, wie traumverloren das » Lochiczmen, lochiczmen.« Immer feuriger wurde das Abendrot. Von Westen her kam ein frischer Luftzug, und die Bäume rauschten, als wollten auch sie vor Anbruch der Nacht Ihn preisen, Ihn, der an dem finsteren Himmelsgewölbe tausende von flimmernden Sternen entzündet. Mit dem größten Interesse beobachtete Basia die Andacht der Lipker, doch das Herz schmerzte die junge Frau Obristin bei dem Gedanken, daß alle diese wackern Krieger nach einem Leben voll Mühsal der Hölle verfallen mußten, ja, ihr um so sicherer verfallen mußten, als sie tagtäglich mit Rechtgläubigen zusammenlebten und nichtsdestoweniger in ihrer Verstocktheit verharrten.

Der mit all diesen Dingen vertraute Herr Zagloba zuckte indessen nur mit den Achseln zu Basias frommen Aussprüchen und sagte:

»Diese Ziegenhäuter fänden ja ohnedies keinen Einlaß in den Himmel, da sie dort nur unflätige Insekten verbreiten würden.«

Daraufhin legte er mit Hilfe seines Dieners einen gegen die Abendkühle gut schützenden, warm gefütterten Ueberrock an und erteilte den Befehl zum Aufbruch. Kaum hatte sich jedoch die Karawane wieder in Bewegung gesetzt, als auf der kleinen, naheliegenden Anhöhe fünf Reiter sichtbar wurden.

Die Lipker gaben sofort den Weg frei.

»Michal!« schrie Basia auf, als der voransprengende Reiter näher kam.

Und in der That, es war Wolodyjowski, der zur Begrüßung seines Weibes mit einer kleinen Eskorte der Karawane entgegen kam.

Aufeinander zusprengend, begrüßten sich Basia und Michal auf das freudigste und berichteten sich gegenseitig ihre Erlebnisse.

Basia erzählte sofort, wie es ihnen unterwegs ergangen war und auf welche Art Herr Mellechowicz »sich den Verstand an dem Gestein geschädigt hatte«, worauf ihr der kleine Ritter Rechenschaft über seine Thätigkeit in Chreptiow ablegte, woselbst, wie er versicherte, alles zum Empfange bereit sei, da fünfhundert Aexte drei Wochen lang an der Arbeit gewesen waren.

Während sie so miteinander sprachen, beugte sich Herr Michal immer wieder von dem Sattel herab und umfaßte sein junges Weibchen, das ihm aber darob gar nicht gram zu sein schien, ritt es doch so dicht an seiner Seite, daß die Flanken der Pferde sich berührten. Das Reiseziel lag nun nicht mehr sehr fern. Allmählich brach die Nacht herein, eine wunderbar schöne, mondhelle Nacht. Doch nach und nach verblaßte der goldene Schein nicht nur dadurch, daß der Mond immer höher am Himmelsgewölbe emporstieg, sondern auch dadurch, daß plötzlich ein greller Feuerschein in fast unmittelbarer Nähe vor der Karawane aufflammte.

»Was ist das, was ist das?« fragte Basia.

»Das wirst Du sehen,« erwiderte Wolodyjowski, »wenn wir jenes Wäldchen hinter uns haben, das uns noch von Chreptiow trennt.«

»So nahe sind wir demnach schon bei Chreptiow?«

»Wären die Bäume nicht, würdest Du es wie auf der Hand vor Dir sehen.«

Gleich darauf schlug die Karawane den Weg ein, der durch dieses Wäldchen führte, kaum war er aber zur Hälfte zurückgelegt, wurde von der entgegengesetzten Seite her eine Unzahl von Lichtchen sichtbar, die sich wie ein Schwarm von Johanniswürmchen, wie zahllose glitzernde Sterne anschauten! Und diese glitzernden Sterne kamen näher und näher, immer rascher, und plötzlich dröhnte der ganze Wald von dem donnernden Rufe:

»Vivat, unsere Herrin! Vivat, unsere gnädigste Frau Obristin! Vivat, Vivat!«

Es waren die Soldaten, die sich aufgemacht hatten, Basia zu begrüßen. Hunderte von ihnen hatten sich in einer Minute mit den Lipkern vermischt. Ein Teil derselben trug lange Stangen, in denen brennende Kienspähne steckten, andere hielten Stangen empor, an denen eiserne Pechfahnen hingen, aus welchen sich flammendes Harz gleich großen, feurigen Thränen ergoß.

Im Nu sah sich Basia von bärtigen Kriegern umringt, deren sonst so wilde, drohende Gesichter jetzt von einem freudestrahlenden Lächeln erhellt waren. Die meisten hatten Basia noch nie zuvor gesehen, viele aber waren der Meinung gewesen, die Frau Obristin müsse eine imposante Erscheinung sein und wußten sich daher nicht zu lassen vor Entzücken beim Anblick dieser fast noch kindlichen Gestalt, beim Anblick Basias, die auf ihrem Schimmel nicht müde wurde, ihr Köpfchen mit dem süßen, rosigen, über den unerwarteten Empfang bewegten und gleichzeitig verlegenen Gesichtchen zum Danke nach allen Seiten hin zu neigen.

»Ich danke Euch, Ihr edlen Herren!« begann Basia schließlich, »allein ich weiß, daß dies nicht mir gilt.«

Doch ihr Silberstimmchen verhallte ungehört bei den Vivats, von denen der Wald erzitterte.

Die Offiziere aus den Schwadronen des Herrn Generals von Podolien und des Herrn Kämmerers aus Przemysl, die Kosaken Motowidlos, die Lipker und die Czeremisen, alles lief durcheinander. Ein jeglicher war von dem Wunsche beseelt, die Frau seines Obristen zu sehen, sich ihr zu nähern. Etliche der feurigsten küßten den Saum ihres Gewandes, küßten ihre Füßchen in den Steigbügeln. Auf diese halbwilden Krieger, die stets eines Ueberfalls gewärtig sein mußten, denen Menschenjagd, Blutvergießen und Metzeleien etwas Tagtägliches war, machte die außergewöhnliche Erscheinung Basias einen so tiefen Eindruck, daß sie von Rührung, von innerer Bewegung fast überwältigt wurden. Aus Anhänglichkeit an Wolodyjowski waren sie zur Begrüßung herbeigeeilt – sie wollten ihm ihre Freude über die Ankunft seines Weibes zeigen, sie hatten sich vielleicht auch gesagt, diese Aufmerksamkeit werde ihm schmeicheln, und siehe da, nun hatte dies lächelnde, süße, unschuldsvolle junge Wesen mit den leuchtenden Augen und den beweglichen Nüstern in einem Augenblick aller Herzen erobert. »Unser Kindlein ist sie,« schrien die alten, den Steppenwölfen gleichenden Kosaken, »ein Cherub ist sie, die Frau Obristin!« »Die Morgenröte, eine süße Blume ist sie!« riefen die Offiziere, »das Leben wollen wir für sie lassen!« ... Die Czeremisen aber schrien, mit der Zunge schnalzend und die Hände über die breite Brust legend: »Allah! Allah!«

Freudig bewegt nahm Wolodyjowski dies alles wahr, und voll Stolz über seine Basia stemmte er zufrieden die Hände in die Seiten.

Immer aufs Neue ertönten die Rufe. Schließlich erreichte die Karawane das Ende des Waldes und vor den Blicken der Neuankommenden lagen verschiedene, auf einer Anhöhe im Kreisbogen aus Holz aufgeführte, große Bauten. Das Standquartier von Chreptiow war so deutlich sichtbar wie bei Tage, denn außerhalb des Pallisadenverhaues brannten ungeheure Holzstöße, die aus ganzen Baumstämmen errichtet worden waren. Aber auch auf dem freien Platze inmitten des Standquartieres brannten Holzstöße, nur waren diese, der Feuersgefahr wegen, viel kleiner.

Nun löschten die Soldaten ihre Leuchten, nahmen aber die Musketen, die Litauren und die Schießrohre von den Schultern und nun ging ein gewaltiges Knattern los zur Begrüßung der Frau Obristin. Auch die Musikkapellen erschienen vor dem Pallisadenverhau, so die Kapelle der Dragoner mit krummen Blasehörnern, die der Kosaken mit Pauken, Trommeln und verschiedenen Saiteninstrumenten, sowie auch die der Lipker, bei welcher, nach Brauch der Tataren, die schrillen Pfeifen vorherrschten. Das Gebell der Soldatenhunde, das Gebrüll des erschreckten Viehes erhöhten noch den gewaltigen Lärm.

Das Geleite blieb zurück, so daß Basia jetzt an der Spitze ritt, mit ihrem Gatten auf der einen, mit Zagloba auf der andern Seite. Ueber dem schön mit Tannenzweigen geschmückten Thore prangte auf einem Transparente, das aus mit Fett getränkten Blasen hergestellt war, in schwarzen Buchstaben folgende Inschrift:

»Mög Cupido viel frohe Tage bescheren Euch hie,
Crescite, liebe Gäste, multiplicamini

» Vivant, floreant!« riefen die Soldaten, als der kleine Ritter und Basia anhielten, um die Inschrift zu lesen.

»Bei Gott!« rief nun plötzlich Herr Zagloba, »ich bin doch auch ein Gast hier, wenn sich aber der Wunsch für multiplicatio auf mich beziehen sollte, dann möge mich der Geier holen, wenn ich weiß, was das bedeutet.«

Doch gleich darauf fiel Zaglobas Blick auf ein zweites, für ihn bestimmtes Transparent, auf dem zu seiner nicht geringen Freude folgendes zu lesen war:

»Willkommen, Ihro Gnaden, Onufrino Zagloba, hier,
der ganzen Ritterschaft allergrößte Zier!«

Herr Michal befand sich in der fröhlichsten Stimmung und lud alle Offiziere zum Abendbrot ein, während er der Mannschaft ein Fäßchen Branntwein nach dem andern zum Besten geben ließ. Auch eine so große Anzahl von Ochsen fiel zum Opfer, deren Fleisch sofort an den Feuern gebraten wurde, so daß geradezu Ueberfluß an Speise vorhanden war. Bis tief in die Nacht hinein hallte das Standquartier wider von den Vivatrufen, den Musketenschüssen, und Furcht ergriff das in den Schluchten von Uszyc hausende Raubgesindel.


 << zurück weiter >>