Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

XV

Am folgenden Morgen war Krzysia ruhiger, sie hatte sich unter den vielfach verschlungenen Wegen und Pfaden, die ihr offen standen, einen sehr beschwerlichen, aber keinen Irrweg gewählt. Sie wußte wenigstens, wohin er führe. In erster Reihe beschloß sie, mit Ketling zusammenzutreffen und ihn zu einer letzten Unterredung aufzufordern, damit sie ihn vor jedem Mißgeschick bewahren könne. Dies war nicht so leicht zu bewerkstelligen, denn während einer Reihe von Tagen schon hatte Ketling sich nicht mehr gezeigt, auch des Nachts war er nicht nach Hause gekommen.

Krzysia begann nun schon vor Tagesanbruch aufzustehen und die naheliegende Dominikanerkirche aufzusuchen, in der Hoffnung, ihn eines Morgens zu treffen und ohne Zeugen sprechen zu können. In der That begegnete sie ihm nach einigen Tagen an der Eingangspforte. Als er sie sah, zog er den Hut und beugte schweigend das Haupt. Er stand regungslos; sein Gesicht hatte einen müden Ausdruck und trug die Spuren von Seelenleiden und schlaflosen Nächten, seine Augen waren eingesunken, an seinen Schläfen zeigten sich gelbliche Flecken, seine zarte Gesichtsfarbe war wachsbleich geworden, und sein ganzes Aussehen glich dem einer schönen, welkenden Blume.

Dieser Anblick zerriß Krzysias Herz, und obwohl ihr jeder entscheidende Schritt sehr schwer wurde, denn sie war von Natur schüchtern, streckte sie ihm dennoch zuerst die Hand entgegen und sagte:

»Der Himmel möge Euch trösten und Euch Vergessenheit senden.«

Ketling erfaßte ihre Hand, legte sie an seine glühende Stirne, dann an seine Lippen, an die er sie mit aller Kraft lange Zeit preßte; dann sprach er im Tone tiefster Trauer und Resignation:

»Es giebt weder Trost noch Vergessenheit für mich!«

Während eines Augenblicks bedurfte Krzysia all ihrer Selbstbeherrschung, um nicht die Arme um seinen Hals zu schlingen und zu rufen: »Ich liebe Dich über alles! Nimm mich hin!« Sie fühlte, sobald sie sich dem Weinen hingäbe, würde es so weit kommen; darum stand sie lange Zeit schweigend vor ihm und rang mit ihren Thränen. Zuletzt bezwang sie sich und begann ruhig, aber sehr schnell zu sprechen, denn der Atem versagte ihr:

»Vielleicht kann es Euch Linderung geben, wenn ich Euch sage, daß ich niemandem angehören werde ... Ich gehe ins Kloster! ... Möchtet Ihr mich nicht allzu streng beurteilen, ich bin schon unglücklich genug. Versprecht mir, gebt mir Euer Wort, daß Ihr von Eurer Liebe für mich zu niemanden sprechen wollt, daß Ihr sie nicht eingestehen wollt; daß Ihr weder einem Freund noch Verwandten das, was geschehen ist, offenbaren wollt. Dies ist meine letzte Bitte. Die Zeit wird kommen, die Euch die Gründe meines Handelns klar machen wird; dann werdet Ihr alles begreifen. Heute kann ich Euch nicht mehr sagen, denn mein Kummer ist so groß, daß ich dazu nicht im stande bin. Versprecht mir dies – es wird mir Erleichterung bringen; ich muß zu Grunde gehen, wenn Ihr es nicht thut.«

»Ich verspreche es Euch und gebe Euch mein Wort,« antwortete Ketling.

»Der Himmel vergelte es Euch! Ich aber danke Euch von ganzem Herzen. Doch zeigt auch vor der Welt ein ruhiges Antlitz, damit niemand Verdacht schöpfe. – Ich muß nun gehen! Eure Herzensgüte ist so groß, daß keine Worte sie auszudrücken vermögen. Künftighin dürfen wir uns nicht mehr allein, sondern nur in Gegenwart anderer sehen. Sagt mir noch, daß Ihr mir nicht grollt! Denn Schmerz und Groll find zwei verschiedene Dinge. Nur Gott allein gilt Euer Verzicht auf mich, sonst niemanden! Behaltet das im Gedächtnis!«

Ketling wollte etwas erwidern, aber da er maßlos litt, entrangen sich bloß einige undeutliche Laute, wie ein Stöhnen, seiner Brust; dann berührte er Krzysias Schläfe mit seinen Fingern und hielt sie so während einiger Zeit, als ein Zeichen der Vergebung und des Segens. Dann schieden sie; sie ging in die Kirche, und er wieder auf die Straße, um nicht im Gasthofe Bekannte zu treffen. –

Krzysia kehrte erst gegen Mittag nach Hause zurück, und sie fand bei ihrer Rückkehr einen sehr angenehmen Gast vor: Seine Eminenz, den Vizekanzler Olszowski. Ganz unverhofft war er gekommen, um Herrn Zagloba zu besuchen, denn wie er selbst sagte, wünschte er den so hervorragenden Kavalier kennen zu lernen, »dessen kriegerische Bedeutung ein allgemeines Vorbild, dessen Verstand der Mentor der gesamten Ritterschaft in dieser erlauchten Republik.«

Herr Zagloba war darüber sehr verwundert und nicht wenig befriedigt, daß ihm solch hohe Ehre in Gegenwart der Frauen erwiesen wurde; er brüstete sich nicht wenig, wurde rot im Gesicht, schwitzte, war aber zu gleicher Zeit bemüht, die Frau Truchsessin glauben zu machen, daß er an solche Besuche der größten Würdenträger des Landes gewöhnt sei und sich nicht viel daraus mache.

Krzysia wurde dem Prälaten vorgestellt, küßte dessen Hand in Demut und setzte sich neben Basia, froh darüber, daß niemand die Spuren der Gemütsbewegung auf ihrem Antlitz bemerken werde.

Mittlerweile überschüttete der Vizekanzler Herrn Zagloba so reichlich und mit solcher Gewandtheit mit Lobsprüchen, daß es schien, als ob er immer neuen Nachschub aus seinen weiten, violetten, mit Spitzen besetzten Aermeln hervorhole.

»Glauben Euer Liebden nicht,« sagte er, »daß nur Neugierde, den hervorragendsten unter allen Rittern kennen zu lernen, mich hierhergeführt; denn wenn auch Bewunderung eine dem Helden gerechterweise zukommende Huldigung ist, so pflegen doch die Menschen auch dem eigenen Vorteile zuliebe dahin zu wallfahren, wo Erfahrung und Verstandesschärfe ihren Wohnsitz neben der Tapferkeit aufgeschlagen haben.«

»Die Erfahrung,« sagte Herr Zagloba bescheiden, »besonders in dem Handwerk des Kriegs, kommt erst mit den Jahren, und vielleicht hat sich aus diesem Grunde der verstorbene Herr Koniecpolski, Vater des Bannerherrn, manchmal bei mir Rats erholt, ebenso auch die Herren Nikolaus Potocki, Fürst Jeremi Wisniowiecki, Herr Sapieha und Herr Czarniecki; was jedoch das Epitheton ›Ulysses‹ betrifft, so habe ich immer aus Gründen der Bescheidenheit dagegen protestiert.«

»Und dennoch ist solches dermaßen mit Eurer Liebden verwachsen, daß zu Zeiten niemand Euren wirklichen Namen nennt, sondern sagt: ›Unser Ulysses‹, und daß doch sofort alle wissen, wer damit gemeint ist. Darum sagte ich mir: in diesen schweren und ereignisreichen Zeiten, in welchen so mancher in seinen Meinungen schwankt und nicht weiß, wohin er sich wenden und auf wessen Seite er treten soll, will ich dahin gehen, wo ich festen Ueberzeugungen begegne, von Zweifeln mich frei machen und durch weisen Rat mich erleuchten kann. Euer Liebden erraten wohl, daß ich an die bevorstehende Königswahl denke, angesichts welcher jede Zensur der Kandidierenden von Nutzen sein kann, wie viel mehr eine, die aus dem Munde von Euer Liebden kommt. Ich hörte von unserer Ritterschaft schon vielfach unter großem Beifall wiederholen, daß Euer Liebden es sehr ungern sehen, so sich Ausländer auf unseren erhabenen Thron zu drängen suchen. In den Adern der Wasa's, sollen Euer Liebden gesagt haben, fließt das Blut der Jagellonen – darum können sie nicht als Fremde angesehen werden; aber diese Ausländer, sollen Euer Liebden gesagt haben, sind weder mit unsern altpolnischen Sitten vertraut, noch werden sie unsere Freiheiten achten, woraus dann leicht absolutum dominium hervorgehen könne. Ich erkenne Euer Liebden gegenüber an, daß diese Worte eine tiefe Bedeutung haben; aber vergebt mir, wenn ich frage, ob Ihr sie auch wirklich ausgesprochen habt, oder ob nur die öffentliche Meinung, die gewohnt ist, alle tieferen Sentenzen Euch zuzuschreiben, Euch solche zuschrieb?«

»Diese Frauen können Zeugnis ablegen,« antwortete Zagloba, »und obwohl der Gegenstand sich nicht für ihr Urteil eignet, mögen sie doch reden, da die Vorsehung in ihrem unerforschlichen Ratschlusse ihnen ebenso gut wie uns die Gabe der Rede verliehen hat.«

Der Vizekanzler schaute unwillkürlich auf Frau Makowiecki und dann auf die beiden aneinander gelehnten jungen Fräulein. Ein Augenblick des Schweigens trat ein. Plötzlich ließ sich Basias silberne Stimme vernehmen:

»Ich habe es nicht gehört!« Dann geriet sie in solche Verlegenheit, daß sie bis über die Ohren rot wurde, besonders als Herr Zagloba unverweilt bemerkte:

»Verzeihen ihr Eure Eminenz! Das Mägdlein ist noch jung, also unbesonnen! Doch quod attinet die Kandidaten, so sagt' ich sehr oft, unsere polnische Freiheit werde ob dieser Ausländer viele Thränen vergießen.«

»Ich selbst befürchte das,« sagte der Prälat; »aber selbst wenn wir willens wären, einen Piasten zu wählen, der Blut von unserem Blut, Fleisch von unserem Fleisch ist, so sagen mir doch Euer Liebden, wohin sollen sich unsere Herzen wenden? Euer Liebden Gedanken an einen Piasten ist groß und verbreitet sich gleich einem Lauffeuer durch das Land; wie ich höre, ist auf allen Landtagen, die noch nicht von der Korruption ergriffen sind, nur eine Stimme zu hören: »Ein Piast! Ein Piast! ...«

»Und mit Recht! mit Recht!« unterbrach ihn Zagloba.

»Demungeachtet,« setzte der Vizekanzler hinzu, »ist es leichter, einen Piasten zu verlangen, als auch wirklich einen zu finden! Euer Liebden mögen darum nicht erstaunt sein, wenn ich frage, wen Ihr eigentlich im Sinne hattet?«

»Wen ich im Sinne hatte?« erwiderte der ein wenig in Verlegenheit geratene Zagloba, Er schob die Unterlippe vor und runzelte die Brauen, Es war ihm nicht leicht, sofort eine Antwort zu geben, denn er hatte nicht nur niemand im Sinn, sondern er hatte auch keineswegs jene Ideen gehabt, welche der schlaue Vizekanzler ihm einredete, Das aber wußte und begriff er ganz gut, daß ihn der geistliche Herr nach einer bestimmten Seite hinzuleiten suche; aber er ließ sich absichtlich dahin leiten, denn er fühlte sich davon nicht wenig geschmeichelt,

»Meine Behauptung ging nur in principio dahin, daß wir eines Piasten bedürften,« antwortete er endlich; »aber um die Wahrheit zu sagen, einen Namen habe ich bisher nicht genannt,« –

»Ich habe von ehrgeizigen Absichten des Fürsten Boguslaw Radziwill vernommen!« murmelte Oszewski wie für sich selbst.

»So lange noch Atem in meiner Nase ist und noch ein einziger Blutstropfen in meiner Brust,« rief Zagloba mit der Kraft tiefster Ueberzeugung, »so wird nichts daraus! In einem so mit Schmach bedeckten Volk, das seinen Verräter und Judas zum König erwählen könnte, möchte ich nicht leben.«

»Das ist nicht nur die Sprache der Vernunft, sondern auch der Bürgertugend!« murmelte wieder der Vizekanzler,

»Ha,« dachte Zagloba, »wenn Du mich fangen willst, dann fang' ich lieber Dich!«

Dann begann der Vizekanzler von neuem: »Wohin steuerst du, zertrümmertes Schiff meines Vaterlandes? Welchen Stürmen, welchen Klippen treibst du entgegen? In Wahrheit, unheilvoll wird es für dich sein, so ein Fremder dein Steuer ergreift; aber allem Anschein nach wird es so kommen, wenn unter deinen Söhnen kein Würdigerer sich findet.«

Dabei streckte er seine weißen, mit glänzenden Ringen gezierten Hände aus, neigte das Haupt und sagte in resigniertem Tone:

»Also Condé, der Lothringer oder der Herzog von Neuburg? ... Ich sehe keine andere Aussicht!«

»Das ist unmöglich! ... ein Piast!« erwiderte Zagloba.

»Wer?« frug der Prälat.

Darauf folgte Schweigen. Dann begann der Prälat abermals: »Ist denn auch nur ein einziger da, auf den sich alle Stimmen vereinigen könnten? Wo ist der Mann, welcher die ganze Ritterschaft gleich so einnehmen würde, daß keiner es wagen würde, gegen dessen Wahl zu murren? Einen hat es gegeben, jenen Größten, der so viele Dienste leistete – Euren Freund, würdiger Ritter, der in seines Ruhmes Glanz wie ein Sonnenlicht einherwandelte ... Einer war so ...«

»Der Fürst Jeremi Wisnowiecki!« unterbrach ihn Zagloba.

»So ist es! Aber er ruht im Grabe!«

»Sein Sohn lebt!« erwiderte Zagloba.

Der Vizekanzler schloß die Augen und saß während einiger Zeit schweigend da; plötzlich erhob er das Haupt, warf einen Blick auf Herrn Zagloba und sagte langsam: »Ich danke Gott, daß er mir den Gedanken eingab, Euer Liebden kennen zu lernen. Ganz recht! Des großen Jeremi Sohn lebt, ein junger, hoffnungsvoller Fürst, dem gegenüber die Republik eine noch unausgeglichene Schuld zu tilgen hat. Von seinem riesigen Vermögen blieb ihm nichts als der Ruhm; – das ist seine einzige Erbschaft. Wer wird nun aber in der jetzigen verderbten Zeit, in der aller Augen nur nach dem Golde schielen, wer wird, frage ich, seinen Namen nennen, wer wird den Mut haben, ihn als Kandidaten aufzustellen? Euer Liebden? Jawohl! Aber werden sich noch viele Eurer Art finden? Es ist kein Wunder, wenn der, dessen Leben in heldenhaftem Kampfe auf den verschiedensten Schlachtfeldern dahingegangen, auch bei dem Kampf auf dem Felde der Königswahl nicht davor zurückscheut, mit seiner Stimme dem Recht zu huldigen. Aber werden andere seinem Beispiel folgen?« – Hierauf schien der Vizekanzler nachzudenken. Dann richtete er den Blick nach oben und fuhr fort: »Gottes Macht geht über alles. Wer kennt seinen Ratschluß? wer kennt ihn? Wenn ich so darüber nachdenke, in welch hohem Maße die gesamte Ritterschaft Euer Liebden Glauben und Vertrauen schenkt, dann merke ich zu meiner eigenen Verwunderung, daß eine gewisse Hoffnung in mein Herz einzieht. Sagen mir Euer Liebden aufrichtig, hat jemals eine Unmöglichkeit für Euch existiert?«

»Niemals,« erwiderte Zagloba im Tone der Ueberzeugung.

»Dennoch ist es nicht rätlich, diese Kandidatur in allzu entschiedener Weise aufzustellen. Die Leute mögen sich erst an den Klang dieses Namens gewöhnen, und er darf den Gegnern nicht zu gefährlich erscheinen; lieber mögen sie darüber lachen und spotten, damit kein ernstlicher Widerstand entsteht ... Vielleicht fügt es Gott, daß er dennoch Erfolg hat, wenn erst die Parteien durch ihre Intriguen einander gegenseitig vernichtet haben. Ebnet ihm darum langsam den Weg, Euer Liebden, und erlahmt nicht in der Arbeit; denn dieser Euer Kandidat ist Eurer Klugheit und Erfahrung würdig ... Der Himmel segne Euch in Eurem Streben!«

»Darf ich also voraussetzen,« frug Zagloba, »Eure Eminenz hätten gleichfalls des Fürsten Michal gedacht?«

Der Vizekanzler holte aus seinem Aermel ein kleines Büchlein hervor, auf welchem in kräftigen schwarzen Lettern der Titel: » Censura Candidatorum« zu lesen stand, und sagte:

»Lest, Euer Liebden! Diese Schrift mag Euch an meiner Statt Antwort geben!«

Nach diesen Worten machte er Anstalten zu gehen, allein Zagloba hielt ihn noch zurück:

»Gestatten Euer Eminenz, daß ich einiges erwidere. Erstens danke ich dem Himmel dafür, daß sich das kleinere Siegel in den Händen derer befindet, welche es verstehen, die Leute wie Wachs zu kneten.«

»Wieso das?« frug der Vizekanzler erstaunt.

»Zweitens will ich Euer Eminenz sofort sagen, daß mir die Kandidatur des Fürsten Michal gar sehr am Herzen liegt, da ich dessen Vater gekannt und ihn geliebt und unter ihm gemeinsam mit meinen Freunden gefochten habe; diesen wird der Gedanke das Herz erfreuen, dem Sohne die gleiche Liebe bezeugen zu können, welche sie dessen großem Vater widmeten. Darum halte ich diese Kandidatur mit beiden Händen fest und will noch heute mit Herrn Krzycki sprechen, einem Mann von hoher Abkunft, mir befreundet und bei dem Adel in ganz besonderem Ansehen, weil es in der That schwer ist, ihm nicht gut zu sein. Wir beide wollen in dieser Sache nach besten Kräften thätig sein und so Gott es will, auch etwas erreichen.«

»Möge Ihr Schutzengel Sie geleiten!« sagte der Prälat. »Wenn es sich so verhält, habe ich nichts weiter zu sagen.«

»Mit Erlaubnis Eurer Eminenz möchte ich noch ein Ding zur Sprache bringen, damit nicht etwa Eure Eminenz bei sich denken: ›Ich habe ihm meine eigenen desideria in den Mund gelegt; ich habe ihn glauben gemacht, er habe aus eigener Einsicht die Kandidatur des Fürsten Michal aufgestellt, – kurz gesagt, ich knetete den Einfältigen wie Wachs in meiner Hand.‹ – Euer Eminenz, ich will die Sache des Fürsten Michal führen, weil er meinem Herzen teuer ... nun was! – wie ich sehe, auch dem Eurer Eminenz – nun also! Ich will sie fördern, der Fürstin Witwe zu Gefallen, meiner Freunde wegen, wie auch wegen des Vertrauens, welches ich in das Haupt setze (hier verneigte sich Herr Zagloba), welchem diese Minerva entsprang; nicht aber, weil ich mir wie ein kleines Kind hätte einreden lassen, es sei dies mein eigener Gedanke, sondern darum, weil ich kein Narr bin, und weil, sobald ein vernünftiger Mann eine vernünftige Sache vorbringt, der alte Zagloba erwiedert: ›Einverstanden‹!«

Hierbei verbeugte sich der alte Edelmann nochmals und schwieg dann. Der Vizekanzler war zunächst nicht wenig verlegen; als er jedoch den heiteren Humor Zaglobas sah und dabei in Betracht zog, wie die ganze Sache eine so erwünschte Wendung genommen, begann er herzlich zu lachen, und den Kopf zwischen beide Hände nehmend, sagte er einmal um's andere: »Ulysses! so wahr mir Gott helfe, der reinste Ulysses! Herr Bruder, wer etwas Heilsames schaffen will, muß die Menschen verschiedenartig zu behandeln wissen; aber bei Euch, merke ich, heißt es gerade zugehen! – Ich habe Euch gewaltig ins Herz geschlossen!«

»Wie ich den Fürsten Michal!«

»Möge Euch der Himmel Gesundheit schenken! Ha! ich bin geschlagen, aber frohen Mutes! ... Ihr scheint von Jugend an in einer guten Schule gewesen zu sein! Und dieses Ringlein, dürfte es nicht als ein Andenken an unser colloquium dienen ...«

»Laßt diesen Ring lieber an seinem Platze!« sagte Zagloba.

»Ihr werdet mir doch diesen Gefallen thun!«

»Es ist ganz unmöglich ... Vielleicht ein andermal ... späterhin ... nach der Königswahl ...«

Der Vizekanzler verstand ihn sofort und drängte nicht weiter in ihn; mit einem vor Zufriedenheit strahlenden Gesicht entfernte er sich.

Herr Zagloba begleitete ihn an das Thor und murmelte im Zurückgehen:

»Ha! Dem hab' ich eine Lektion erteilt! Der Schalk ist auf einen andern Schalk gestoßen! Aber es ist Ehre dabei! Die Würdenträger werden nun in Wetteifer miteinander an dieses Thor pochen. – Ich bin neugierig, was die Frauen über all dies denken!«

Die Frauen waren in der That der Bewunderung voll, und Herr Zagloba wuchs, insbesondere in Frau Makowieckis Augen, bis an die Decke; kaum war er wieder erschienen, als sie voll Begeisterung ausrief: »Ihr habt Salomo an Weisheit übertroffen!«

Und Zagloba fühlte sich sehr geschmeichelt. »Wen hab' ich übertroffen, sagen Euer Gnaden? Wartet nur, und Ihr werdet Hetmans, Bischöfe und Senatoren hier erblicken. Ich werde mich ihrer kaum erwehren können und mich hinter die Vorhänge verstecken müssen.«

Die Fortsetzung des Gespräches wurde durch Ketlings Eintritt unterbrochen.

»Ketling, wünscht Ihr Beförderung?« rief Zagloba, noch im Wonnegefühl der eigenen Wichtigkeit.

»Nein,« antwortete traurig der Ritter, »,denn ich muß Euch wieder und für längere Zeit verlassen.«

Zagloba schaute ihn mit größerer Aufmerksamkeit an: »Wieso kommt es, daß Ihr so niedergeschlagen seid?«

»Eben daher, daß ich weg muß!«

»Wohin?«

»Ich erhielt Briefe aus Schottland von Freunden meines Vaters, die auch meine Freunde sind. Meine Angelegenheiten fordern mich dringlich dorthin; vielleicht muß ich lange Zeit dort verweilen ... Es schmerzt mich, von hier zu scheiden – aber es muß sein!«

Zagloba, in die Mitte der Stube tretend, schaute erst Frau Makowiecki, dann die beiden Mädchen an und fragte:

»Habt Ihr es gehört? Im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes, Amen!«


 << zurück weiter >>