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XI

Es war ein rauher Winter, dicke Eiszapfen hingen an den Bäumen, und die Schluchten waren bis zu den Rändern dermaßen mit Schneemassen angefüllt, daß das ganze Land wie eine einzige weiße Fläche aussah. Plötzlich kamen gewaltige Stürme, Menschen und Tiere verschwanden unter dem weißen Leichentuche, die Wege wurden unkenntlich und gefährlich, dessenungeachtet bot aber Herr Bogusz alles auf, um nach Jaworow zu gelangen, da er dem Hetman so bald wie möglich die großen Pläne Azyas mitteilen wollte. Als adeliger Grenzbewohner an die fortwährenden Gefahren gewohnt, welche von den Kosaken und Tataren drohten, durchdrungen von dem Gedanken an das Unglück, welches über das Vaterland durch Aufruhr, durch Einfälle und durch die ganze türkische Macht hereinbrechen konnte, sah Herr Bogusz in jenen Plänen fast das Heil des Vaterlandes, hegte er den unerschütterlichen Glauben, der sowohl durch ihn als durch alle andern Grenzbewohner hochverehrte Hetman werde sich auch nicht einen Augenblick bedenken, da es sich um die Machtvergrößerung der Republik handelte, und so reiste er freudigen Herzens weiter, trotz des Schneegestöbers, der unsicheren Wege und der Stürme.

Schließlich kam er eines Sonntages, während eines starken Schneefalls in Jaworow an, und da er hörte, daß der Hetman anwesend sei, ließ er sich sogleich anmelden, wiewohl ihm gesagt ward, der Feldherr sei bei Tag und bei Nacht mit der Ausfertigung von Briefen und der Absendung von Botschaften so beschäftigt, daß ihm kaum Zeit bleibe, Nahrung zu sich zu nehmen. Allein wider Erwarten ließ ihn Sobieski sofort zu sich rufen. So konnte denn der alte Krieger, nachdem er nur wenige Augenblicke unter den Hofleuten gewartet hatte, die Knie vor seinem Heerführer beugen.

Er fand Herrn Sobieski sehr verändert und mit dem Ausdruck tiefen Kummers im Antlitz, denn dies war fast die schwerste Zeit seines Lebens. Noch war zwar sein Name nicht bis an die fernsten Grenzen der christlichen Welt gedrungen, doch genoß er in der Republik schon den Ruhm eines großen Feldherrn, eines furchtbaren Bezwingers des Muhamedanismus. Diesem ruhmreichen Namen zufolge war ihm nicht nur die Verteidigung der östlichen Grenzen anvertraut, sondern auch der Feldherrnstab verliehen worden, doch wenn er nun auch die Würde eines Hetmans besaß, so fehlte es ihm doch an Geld, an Kriegsvolk. Nichtsdestoweniger haftete bisher der Sieg so getreulich an seinen Fersen, wie der Schatten einem Menschen folgt. Mit einer Handvoll Soldaten hatte er bei Podhajce den Sieg davon getragen, mit einer Handvoll Soldaten durchzog er, einer verheerenden Flamme gleich, kreuz und quer die Ukraine, Verderben über die nach Tausenden zählenden Horden bringend, die aufrührerischen Plätze erobernd, Schrecken und Furcht vor der polnischen Gewalt verbreitend. Jetzt aber drohte der Republik eine schwere Gefahr – der Krieg mit der größten Macht der damaligen Zeit, der Krieg mit der gesamten muselmännischen Welt. Es war für Sobieski kein Geheimnis mehr, daß der Sultan, als Doroszenko in der Ukraine und bei den Kosaken für ihn wirkte, sich anheischig gemacht hatte, die Türkei, Klein-Asien, Arabien, Aegypten bis in das Innere Afrikas aufzubieten, den heiligen Krieg zu verkünden, und in eigener Person von der Republik die Errichtung einer neuen türkischen, von einem Pascha regierten Provinz zu verlangen. Während nun gleich einem Raubvogel das Verderben über dem ganzen reußischen Gebiete schwebte, herrschte die größte Wirrnis in der Republik. Der Adel befand sich in völligem Aufruhr wegen der Verteidigung des schwachsinnigen Erwählten und war daher, bewaffnet in den Heerlagern stehend, weit eher zu einem Bürgerkriege als zu einem Kriege mit den Türken bereit. Das durch die vorhergegangenen Kriege und durch die verschiedensten Konföderationen erschöpfte Land verarmte mehr und mehr. Haß und Neid wüteten darin und gegenseitiges Mißtrauen vergiftete die Herzen. An einen Krieg mit der muselmännischen Macht wollte man nicht denken, man scheute sich demnach auch nicht, den großen Heerführer zu verdächtigen, er streue allerlei Gerüchte aus, um die allgemeine Aufmerksamkeit von den inneren Angelegenheiten abzulenken, ja, man beschuldigte ihn geradezu, er unterlasse nichts, um die Türken zum Kriege aufzustacheln, damit er seiner Partei zum Siege verhelfe. Er wurde nahezu zum Verräter gestempelt, und wäre das Kriegsheer nicht gewesen, würde man ihn vor Gericht gestellt haben.

Trotz der wachsenden Gefahr eines Krieges, der allen Anzeichen nach ausbrechen mußte und zu dem hunderttausende halbwilder Krieger aus dem Osten herbeizuströmen drohten, verfügte der Hetman über eine so geringe Schar von Leuten, daß der Hof des Sultans eine größere Anzahl aufwies. Doch nicht nur das, ihm fehlte auch Geld, ihm fehlten auch die Mittel, die zerstörten Festen wieder herzustellen, ihm schwand die Hoffnung auf Sieg, er sah keine Möglichkeit, sich verteidigen zu können, er durfte sich nicht mehr der Ueberzeugung hingeben, sein Tod werde, wie einstens der Tod von Zolkiewski, das Land aus seiner Erstarrung rütteln und einen Rächer erwecken. Was Wunder daher, daß schwere Sorge auf ihm lastete, daß sich auf seinem edelgeformten Antlitz, durch das er einem römischen, lorbeerbekränzten Triumphator glich, die sichtlichen Spuren drückender Kümmernisse und vieler schlafloser Nächte zeigten?

Kaum war er indessen des Herrn Bogusz ansichtig geworden, so erhellte ein gutherziges Lächeln das Antlitz des Hetmans, und dem sich tief Verneigenden die Hände auf die Schultern legend, sagte er:

»Willkommen, Kriegsgefährte, willkommen! Ich hätte nicht erwartet, Dich so bald wiederzusehen, doch um so lieber begrüße ich Dich in Jaworow. Woher kommst Du? Aus Kamieniec?«

»Nein, allergnädigster Herr Hetman. Ich habe mich in Kamieniec nicht aufgehalten und komme geradewegs von Chreptiow.«

»Wie geht es meinem kleinen Ritter? Ist er gesund und hat er die Uszycer Steppe schon ein wenig von dem Raubgesindel gesäubert?«

»Eine solche Sicherheit herrscht in den Steppen, daß selbst ein Kind sie ungefährdet durchwandern könnte. Mit den Freibeutern ist aufgeräumt, und in den letzten Tagen ward Azba-Bey mit seiner ganzen Bande so vollständig vernichtet, daß auch nicht ein Glied derselben die Katastrophe überlebt hat. Ich bin an dem Tage in Chreptiow eingetroffen, an dem der Kampf ausgefochten ward.«

»Daran erkenne ich Wolodyjowski. Nur Ruszczyc in Raszkow kann sich mit ihm messen. Doch was hört man aus den Steppen? Kommen Nachrichten von der Donau?«

»Gewiß, aber gar schlechte. In Adrianopel soll gegen Ende des Winters eine große Kriegsmacht zusammengezogen werden.«

»Das weiß ich bereits. Von allen Seiten treffen schlimme Nachrichten ein. Ich erhalte ebenso schlimme Kunde aus der Republik wie aus der Krim und aus Stambul.«

»Das ist doch nicht der Fall, gnädigster Herr Hetman, denn ich selbst bringe solch günstige Nachrichten, daß ich, wenn ich ein Türke oder ein Tatare wäre, sicherlich ein Geschenk beanspruchen würde.«

»Traun, Du bist wie vom Himmel gefallen. Nun, so rede doch! Zerstreue meine Sorgen.«

»Wie kann ich das, Euer Gnaden, wenn ich dermaßen durch die Kälte gelitten habe, daß mir der Verstand nahezu eingefroren ist?«

Der Hetman klatschte in die Hände und befahl dem herbeieilenden Diener, Meth zu bringen. Schon nach wenigen Minuten erschienen verschiedene Bedienstete mit dem gewünschten Getränke und mit einigen brennenden Kerzen, denn obwohl es noch nicht spät am Tage war, hingen solch schwere Schneewolken am Himmel, daß sowohl im Freien wie in den Stuben nahezu Dunkelheit herrschte.

Der Hetman schenkte sofort ein und trank seinem Gaste zu, worauf dieser, sich tief verneigend, sein Glas leerte und also anhub:

»Die erste Kunde, die ich Euch mitzuteilen habe, ist die, daß Azya, dem der Auftrag zu teil geworden, die Rittmeister der Lipker und Czeremisen in unsere Dienste zurückzuführen, nicht Mellechowicz heißt, sondern ein Sohn von Tuchay-Bey ist.«

»Ein Sohn von Tuchay-Bey?« fragte Herr Sobieski voll Verwunderung.

»So ist es, allergnädigster Herr. Es stellte sich heraus, daß er als Kind von Herrn Nienaszyniec in der Krim geraubt worden, diesem aber unterwegs wieder abhanden gekommen ist, und dann in dem Hause der Nowowiejskis auferzogen ward, ohne daß man eine Ahnung von seiner hohen Abstammung gehabt hätte.«

»Es versetzte mich doch stets in Staunen, daß er trotz seiner Jugend ein solches Ansehen bei den Tataren genießt. Jetzt ist es mir aber begreiflich. Verehren doch auch die dem Vaterlande treu gebliebenen Kosaken den Chmielnicki wie einen Heiligen und blicken voll Stolz auf ihn.«

»So ist es, so ist es! das gleiche habe ich auch zu Azya gesagt,« bemerkte Herr Bogusz.

»Wunderbar sind doch Gottes Ratschlüsse!« ergriff nach kurzem Schweigen der Hetman wieder das Wort. »Ströme von Blut hat der alte Tuchay in unserm Vaterlande vergossen, und nun weiht der Sohn von Tuchay-Bey demselben Lande treue Dienste, das heißt, bis jetzt hat er sich treu erzeigt, denn ich weiß nicht, ob es ihm nicht jetzt nach einer Machtstellung in der Krim gelüstet.«

»Jetzt! – Jetzt erweist er sich womöglich noch treuer als zuvor – und nun will ich die zweite Kunde mitteilen, die vielleicht die Rettung der Republik in sich schließt, die für das Vaterland von großer Bedeutung ist. So wahr mir Gott helfe, eben dieser Kunde wegen habe ich weder Mühen noch Gefahren gescheut, um so rasch wie möglich hier einzutreffen, um das kummervolle Herz Euer Gnaden trösten zu können.«

»Ich harre voll Spannung auf Eure Worte!« ließ sich Herr Sobieski vernehmen.

Bogusz fing nun an, die Pläne und Ideen des Sohnes von Tuchay-Bey darzulegen, und er that dies mit einem solchen Feuer, daß er förmlich beredt ward. Von Zeit zu Zeit mit vor Erregung zitternder Hand sein Glas mit dem edlen Getränke füllend, sprach er ohne Unterlaß ... Vor dem erstaunten Blicke des Hetmans zogen frohe Zukunftsbilder vorüber. Er sah tausende und abertausende von Tataren mit Weib und Kind, mit ihren Herden daherziehen, um Grund und Boden, um Freiheit zu gewinnen, er sah, wie sich die Kosaken angesichts der wachsenden Macht der Republik vor dem König, vor dem Hetman so demütig neigten, daß sie mit der Stirne die Erde berührten. Keine Aufstände gab es mehr in der Ukraine, die Horden zogen nicht mehr, mit Feuer und Schwert alles um sich her verwüstend, gen Rus, nein, Seite an Seite mit den polnischen Kriegern, mit den Kosaken bewegten sie sich friedlich über die unermeßlichen Steppen unter Trompetenklang, unter dröhnendem Paukenschall, die Horden aus der Ukraine, mit den Edelsten der Tataren an ihrer Spitze.

Und Jahre hindurch folgten Wagen auf Wagen mit zahlreichem Volke, das sich gegen den Willen des Khans, gegen den Willen des Sultans in der Ukraine ansiedeln wollte, das die schwarze Erde den bisherigen unfruchtbaren Wohnsitzen vorzog, welches statt Bedrückung Recht und Freiheit suchte ... Die früher so feindliche Macht trat nunmehr in die Dienste der Republik – die Krim entvölkerte sich, die fast unumschränkte Gewalt des Khans und des Sultans verringerte sich mehr und mehr, Furcht und Schrecken bemächtigte sich ihrer, denn von den Steppen her, aus der Ukraine blickte drohend der neue Hetman der neugeadelten Tataren auf sie, er, der Wächter, der Schützer der Republik, der berühmte Sohn des schrecklichen Vaters – der Sohn von Tuchay-Bey.

Purpurröte bedeckte das Antlitz von Bogusz, der sich an den eigenen Worten zu berauschen schien und schließlich, die Hände emporstreckend, rief:

»Das ist's, was ich zu melden habe! Das ist's, was der junge Drache in der Wüstenei von Chreptiow ausgebrütet hat. Er bedarf nur noch die schriftliche Vollmacht, die Genehmigung Eurer Gnaden, dann ertönt sein Ruf in der Krim, an der Donau. Euer Gnaden, selbst wenn der Sohn von Tuchay-Bey nichts anderes leistet, als daß er eine Gärung in der Krim und an der Donau hervorruft, als daß er die Hydra des Bürgerkrieges entfesselt, als daß er eine Ansiedlung gegen die andere bewaffnet – aber all das am Vorabend eines Krieges – ich betone es ausdrücklich, am Vorabend eines Krieges – so hat er sich schon damit allein große, unsterbliche Verdienste um die Republik erworben.«

Ohne eine Antwort zu erteilen, schritt Herr Sobieski in dem Gemache auf und ab, düster, fast drohend schaute er darein, offenbar ging er mit sich, ging er mit Gott zu Rate.

Endlich aber hatte der Hetman Klarheit gewonnen über das, was ihm zu thun obliege, denn er hob schließlich also an:

»Bogusz, selbst wenn ich das Recht dazu hätte, würde ich eine solche Vollmacht niemals erteilen – niemals, so lange ich lebe!«

Und so wuchtig wurden diese Worte gesprochen, als ob Hammerschläge darniederfielen, und so mächtig wirkten sie auf Bogusz, daß er verwirrt das Haupt senkte und erst nach langem Schweigen zu stammeln vermochte:

»Weshalb denn, Euer Gnaden, weshalb denn?«

»Vor allem will ich Dir als Staatsmann antworten. Der Name des Sohnes von Tuchay-Bey wäre wohl im stande, certum quantum Tataren ins Land zu locken, so ihnen Grundeigentum, Freiheit und die Vorrechte des Adels zugesichert würden. Doch kämen ihrer nicht so viele, als Ihr anzunehmen scheint. Wäre es aber nicht ein wahnsinniges Beginnen, die Tataren in die Ukraine zu locken, daselbst ein neues Volk anzusiedeln, da wir uns ja mit den Kosaken kaum Rat zu schaffen wissen? Du behauptest zwar, es werde zwischen den Tataren und den Kosaken bald Zwist und Hader ausbrechen, so daß stets das Schwert über diesen hinge, doch wer bürgt Dir dafür, daß dieses Schwert nicht auch mit polnischem Blute bespritzt werde? Ich habe diesen Azya bis jetzt nicht durchschaut, nun aber bin ich gewahr geworden, daß in seiner Brust der Drache des Hochmutes, des Ehrgeizes wohnt. Deshalb stelle ich auch die Frage: Wer bürgt Dir dafür, daß uns nicht ein zweiter Chmielnicki in ihm erstehe? Wohl wird er die Kosaken darniederhalten, doch angenommen, die Republik zeihe ihn irgend einer unrechtmäßigen Handlung und bedrohe ihn mit der gesetzlichen Strafe, wird er sich dann nicht mit den Kosaken verbinden, wird er nicht, wie dies Chmielnicki mit dem Tuchay-Bey gethan hat, neue Scharen aus dem Osten herbeirufen? Ja, wenn es ihm genehm ist, unterwirft er sich selbst dem Sultan, wie sich Doroszenko unterworfen hat, und anstatt einer Mehrung unserer Macht erfolgt nur neues Blutvergießen, erleiden wir nur neue Niederlagen.«

»Aber bedenken doch Euer Gnaden, daß die Tataren, wenn sie einmal geadelt sind, treu zur Republik halten werden.«

»Vergißt Du jene Lipker und jene Czeremisen? Die waren längst schon geadelt und sind trotzdem zu dem Sultan übergegangen.«

»Den Lipkern wurden die in Aussicht gestellten Privilegien nicht gehalten.«

»Und was dann, wenn sich der Adel – was sicher anzunehmen ist – einer solchen Ausdehnung der adeligen Prärogativen widersetzt? Besäßest Du die Kühnheit, würdest Du Dir kein Gewissen daraus machen, den wilden, raubgierigen Horden, welche bis jetzt stets nur an der Zerstörung unseres Vaterlandes gearbeitet haben, die Macht und das Recht zu verleihen, über dessen Schicksal zu entscheiden, Könige zu wählen, Landboten in den Reichstag zu entsenden? Womit haben sie eine solche Belohnung verdient? Fürwahr, von Wahnwitz ist das Gehirn dieses Lipkers ergriffen! Von welch bösem Geiste aber bist Du, alter Kriegsgefährte, besessen, daß Du Dich derart täuschen und verwirren ließest, daß Du solch schändlichen Einflüsterungen, solch unausführbaren Plänen Gehör schenktest?«

Mit niedergeschlagenen Augen, mit bebender Stimme versetzte nun Bogusz:

»Euer Gnaden, ich wußte ja im voraus, daß sich die Stände widersetzen würden, allein Azya ist der Ueberzeugung, daß sich die Tataren nicht mehr vertreiben lassen werden, wenn sie sich einmal mit der Genehmigung von Euer Gnaden ansässig gemacht haben.«

»Mensch! Demnach hat er schon gedroht und das Schwert gegen die Republik gezückt, und Du hast das nicht verstanden!«

»Euer Gnaden!« warf nun Bogusz voll Verzweiflung ein, »man müßte ja nicht allen Tataren den Adel verleihen, sondern nur den hervorragenderen, die andern könnte man ja allenfalls als Freie erklären. Selbst wenn man ihnen nur diese Zugeständnisse machen wollte, würden sie doch dem Rufe des Sohnes von Tuchay-Bey Folge leisten.«

»Weshalb sollten wir denn nicht weit eher die Kosaken als Freie erklären? Bekreuze Dich, alter Kriegsgefährte, denn ich sage Dir, Du bist vom bösen Geiste besessen.«

»Allergnädigster Herr ...«

»Doch noch eines will ich Dir sagen!« (hier zog Herr Sobieski seine Brauen finster zusammen und seine Augen schossen Blitze), »selbst wenn sich alles so verhielte, wie Du behauptest, selbst wenn sich unsere Macht unendlich vergrößerte, wenn dadurch die Gefahr eines Krieges mit den Türken abgewendet würde, selbst wenn der ganze Adel darnach verlangte – so lange diese Hand den Säbel führt, so lange diese Hand noch das Zeichen des Kreuzes zu machen vermag, so lange werde ich solchen Plänen, so wahr mir Gott helfe, nie und nimmer meine Zustimmung geben.«

»Und weshalb denn nicht, Euer Gnaden?« fragte Herr Bogusz, die Hände ringend.

»Weil ich nicht nur ein polnischer Hetman bin, sondern auch ein christlicher, dem es obliegt, das Kreuz zu schützen. Und sollten die Kosaken noch entsetzlicher das Herz der Republik zerfleischen, so will ich doch nicht, daß die Häupter dieses zwar verblendeten, aber doch christlichen Volkes unter den Streichen von Heiden fallen. Denn so ich dies zuließe, würde ich mich unserer Väter und Großväter, würde ich mich meiner Ahnen unwert erweisen, würde ich deren Asche, deren Blut und deren Thränen für nichts achten, würde ich unserer geheiligten Republik Schande machen. Bei Gott, wenn wir denn doch zu Grunde gehen, wenn wir dem Tode geweiht sein sollen, dann wollen wir wenigstens ein rühmliches Andenken hinterlassen, dann wollen wir wenigstens zeigen, daß wir der Aufgabe getreu geblieben sind, die uns Gott auferlegt hat, dann sollen unsere Nachkommen beim Anblick der Kreuze und der Grabhügel wenigstens sagen können: ›Hier hat man das Christentum, hier hat man das Kreuz gegen die unflätigen Muhamedaner bis zum letzten Atemzuge, bis zum letzten Blutstropfen verteidigt und sich für andere Völker geopfert.‹ Das ist unsere Aufgabe, Bogusz! Wir sind die feste Burg, auf deren Mauern für das Kreuz gekämpft wird, und Du redest mir ein Langes und ein Breites darüber vor, daß ich, der Streiter Gottes, daß ich, der Kommandant, als erster die Pforte öffnen und den Heiden, gleich den Wölfen, Einlaß in den Schafstall gewähren müsse, damit die Lämmlein Christi dahingeschlachtet werden können! Weit wünschenswerter ist es für uns, unter den tatarischen Horden zu leiden, Verheerungen über das Land ergehen zu lassen, einem entsetzlichen Kriege entgegenzusehen, weit wünschenswerter ist es für mich, auf dem Schlachtfelde zu fallen, Zeuge des Unterganges der ganzen Republik zu sein, als Schmach auf unsern Namen zu häufen, unsern Ruhm einzubüßen und der Aufgabe untreu zu werden, mit der uns Gott betraut hat.«

Bei diesen Worten richtete sich Herr Sobieski hoch auf, und sein Antlitz leuchtete, wie wohl das Antlitz Gottfrieds von Bouillon geleuchtet haben mochte, als er die Mauern Jerusalems mit dem Rufe: »Gott will es!« erstürmte. Herr Bogusz aber kam sich plötzlich sehr verächtlich vor, und Azya erschien ihm im Vergleiche mit Herrn Sobieski als ein Nichts, die Pläne des heißblütigen jungen Tataren dünkten ihn mit einemmale verabscheuungswürdig, ehrlos! Was konnte der Erklärung des Hetmans, es sei besser, zu fallen, als der von Gott übertragenen Aufgabe zu vergessen, entgegnet werden? Traun, der beklagenswerte Ritter wußte schließlich selbst nicht mehr recht, ob er dem Hetman zu Füßen fallen, oder, sich an die Brust schlagend, sagen solle: » Mea culpa, mea maxima culpa.«

Da erscholl aus der nahen Stiftskirche der Dominikaner Glockengeläute, und dies hörend, meinte Herr Sobieski:

»Es wird zur Vesper geläutet! Bogusz, komm, laß uns zu Gott beten!«


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