Oscar A. H. Schmitz
Bürgerliche Bohème
Oscar A. H. Schmitz

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22

Hermann suchte das »große Erlebnis«. In Leipzig hatte sich sein Dasein im Rahmen der Studentengewohnheiten abgespielt. Jetzt, wo er entschieden hatte, ein freier Künstler zu werden, erwartete er große Schicksale. Daß er sich dennoch den überraschenden Eindrücken im Hause Oesterot nur mit Vorbehalt hingab, hatte seinen Grund. Er suchte nicht eigentlich das ästhetisch Verfeinerte. Seine Sinne träumten vielmehr von etwas, was ihn stark überwältigen würde. Der Mensch müsse an der Natur gesunden, sagte er bisweilen, ohne sich recht klar zu sein, was er damit meinte. Er fühlte selbst, daß diese Worte nur sehr ungenau ausdrückten, was er von dem Leben erhoffte. Durch einen Zufall war er bereits anderwärts auf verlockende Fährten gebracht worden. Es hatte sich folgendes mit ihm zugetragen:

Hermann befand sich mit einigen Freunden im Stehparkett des Gärtnerplatztheaters. Man flüsterte ihm zu, eine mit Brillanten besäte Dame in der nahen Parkettloge sei eine große Kokotte, ja, die einzige Frau in der Stadt, die diesen Namen wirklich verdiene. Die jungen Leute starrten die hübsche, etwas derbe Blondine neugierig an, und man wollte finden, daß sie mit Hermann liebäugle. Ihr frischer, etwas dicker Mund lächelte in der Tat auffällig zu ihm herüber. Als während einer Pause Hermann nahe bei der Brüstung ihrer Loge stand, ließ sie wie durch Zufall ihr kleines, stark duftendes Spitzentuch ins Parkett fallen, so daß Hermann nicht viel Entschlußfähigkeit nötig hatte, um zu wissen, was er tun sollte. Er hob es auf und reichte es tief errötend der Besitzerin. Sie dankte ihm mit sehr verbindlichem Lächeln und fragte ihn:

»San's vielleicht a Studierender?«

»Ja,« flüsterte Hermann verlegen.

»Wo studier'n S' denn? Do' net Atanomie? Do kennt's oan ja graus'n vor Ehna.«

»O nein,« sagte Hermann lächelnd und etwas sicherer, »ich studiere Malerei.«

»Des is ja interessant,« erwiderte sie, »also a Kunstmaler san S'? Woll'n S' net a biss'l in d'Loschen komma, daß ma besser plausch'n kennen. Ma woas ja eh' net, was ma mit die lange Paus'n afangen soll.«

Hermann bahnte sich in fieberhafter Erregung einen Weg durch das Gedränge des Ganges, klopfte höflich an die Logentür und trat zu Fräulein Bettina Selch ein.

»I geh' nämli' nie ins Fajé,« sagte sie, »do is so g'müscht. Wenn ma a biss'l fesch herg'richt' is, nacha treten s oan die Schlepp'n runter, d' Müstviecher.« Dann fügte sie plötzlich hochdeutsch hinzu, indem sie ihr Lorgnon vorhielt und einen erhabenen Blick ins Parkett warf: »Der Neid der besitzlosen Klassen. – I bin ja aa' bloß a Bauernmadel,« sagte sie dann, sich kokett Hermann nähernd, »aber i vergunn doch ana jeden des biss'l G'lump, wo's am Leib hat.«

Sie fragte Hermann, ob er schon lange in München sei, wie es ihm gefalle, ob er sich schon recht herumgetan habe. Gewiß hatte er ein kleines Verhältnis? Als Hermann errötend verneinte, sagte sie:

»Jo, woas fihr'n S' dann nacha fir a' Lübesleben?«

Hermann wußte nicht, was er antworten sollte.

»Ich glaub',« fuhr sie fort, »ich muaß Eahna a' biss'l in d' Schul' nehma. Wo wohnen S' denn?«

Hermann gab seine Adresse an.

»Also, i leit' amol nachmittags bei Eahna o. Nacha fahr'n ma a biss'l spazier'n in mei'm Wag'n. Is Eahna des recht?«

»O gewiß, gnädiges Fräulein,« sagte Hermann glücklich.

»Also Mittwoch um drei Uhr. Und wos i noch sag'n wollt', nach der Vorstellung pass'n S' mir net auf, damit Eahna der Konsuul net sicht. Des is mei' Freind; Sie verstehn doch?«

In diesem Augenblick ertönte die Glocke. Bettina verabschiedete Hermann, indem sie sagte:

»Bei Eahnerne Fremd' brauchen S' net alles auszuplauschen, wos ma miteinand' gered't ham.«

Sie hielt ihm die gerundete Hand zum Kuß hin, die sie während der letzten Worte entblößt hatte. Er wollte ihr bescheiden den Handrücken küssen, aber sie sagte:

»A biss'I heher dirf'n S' Eahna scho' 'nauftraun.«

Mit einer geschickten Bewegung ließ sie ihren Arm an seiner Wange entlang gleiten, so daß sein Gesicht in der Kerbung zwischen Ober- und Unterarm lag. Gleichzeitig drückte sie eine Viertelsekunde lang seinen Kopf an sich und sagte:

»Jetz' geh'n S', damit S' Eahna net zu vüll alterier'n.«

Hermann hatte einen Augenblick in ein Meer von Düften und Seide getaucht. Er taumelte wie betrunken aus der Loge. Glücklicherweise fing der Akt gerade an, so daß ihn seine Freunde nicht gleich ausfragen konnten. Er wagte während des Spiels kaum zu Bettina aufzuschauen, während sie ihre Blicke oft lächelnd zu ihm gleiten ließ, der seine Erregung kaum bemeistern konnte.

»Was haben Sie denn mit ihr gesprochen?« fragten seine Freunde nachher neugierig.

»Gott, was man eben in solchen Fällen spricht,« erwiderte er als vollendeter Lebemann.

Beim Ausgang sah er sie von fern in der Garderobe. Ein eleganter alter Herr mit weißem Spitzbart und in acht Reflexen glänzendem Zylinder half ihr in einen prächtigen Hermelinmantel. Es war ein kalter, nasser Tag. Vor dem Theater drängte sich eine schwarze Menge unter Schirmen. Bettina stand zwischen den Säulen, unter dem Mantel sah man ihre goldenen Schuhe auf dem feuchten Boden. Der Konsul winkte ihren kirschrot lackierten Wagen mit zwei schwarzen Trabern herbei.

»Dieses Weib hat noch echte Leidenschaft!« sagte er sich ein über das andere Mal.

Am Mittwoch um halb drei saß er in seinem besten Anzug aus dunkelblauem Tuch und einem neuen rötlich-braunen Schlips unruhig in seiner Studentenbude. Um drei Viertel auf drei klingelte es. Er sprang sofort ans Fenster, aber der kirschrote Wagen war nicht zu sehen. Kurz darauf hörte er die Vorplatztür öffnen. Schritte näherten sich seinem Zimmer; die Wirtin meldete einen Besuch: Dr. Oesterots große Gestalt stand in der Tür. Er bemerkte sofort die Verwirrung, in der Hermann sich befand.

»Störe ich?« fragte er.

»Nein, gar nicht.«

»Ich möchte nämlich mit Ihnen etwas wegen des Festspieles besprechen und Ihnen bei der Gelegenheit gleich meinen Gegenbesuch machen.«

Hermann schielte auf die Uhr über dem Sofa: zehn Minuten vor drei. Plötzlich verstand Oesterot. Ehe er noch Platz genommen hatte, sagte er:

»Ich wette, ich komme Ihnen sehr ungelegen. Sie erwarten gerade eine Dame?«

Hermann wurde rot und stammelte etwas.

»Na, dann will ich Sie nicht länger stören. Kommen Sie morgen einmal bei uns vorbei.«

Oesterot hatte schon die Türklinke in der Hand, da kam ihm ein plötzlicher Einfall:

»Sagen Sie einmal, ist die Dame, die Sie erwarten, hübsch und geeignet für unser Fest? Es fehlt uns nämlich noch ein bißchen an den richtigen Frauen.«

»Sie ist ... ja ... ich weiß nicht ...« stotterte Hermann.

»Nur keine moralischen oder gesellschaftlichen Bedenken,« erwiderte Oesterot eifrig, »wenn durch sie ... wie soll ich sagen – Schönheit frei wird, dann bringen Sie sie mit.«

»Ich weiß nicht, ob ...«

»Es ist uns ganz gleichgültig, in was für Beziehungen Sie zu der Dame stehen; kennen Sie sie schon länger?«

»Nein, das ist es eben, ich habe sie erst einmal gesehen; ich glaube, es ist eine richtige Kokotte.«

»Sie sind lieb,« sagte Oesterot, entzückt über Hermanns naive Ausdrucksweise, »wirklich eine richtige Kokotte, eine Kurtisane, eine Hetäre? Das ist ja gerade das Gegebene für unser Fest! Ist sie sehr elegant?«

In diesem Augenblick klingelte es zweimal. Hermann lief ans Fenster. Unten saß Bettina Selch in einer pistaziengrünen Sommertoilette in ihrem kirschroten Wagen.

»Sie müssen gleich hinuntergehen,« drängte Oesterot, »und schauen Sie, daß sie zu unserem Fest kommt. Sie sieht ja famos aus.«

Während unten Hermann Bettina begrüßte und Oesterot seines Weges gehen wollte, sagte sie, den Fortgehenden lorgnierend:

»Stellen S' mir doch Eahnern Freund vor; der sieht ja sehr interessant aus. So an scheenen schwarzen Vollbart hab' i' ja noch nie g'sehn.«

Hermann stellte vor.

»Wo hamma uns dann schon amal g'troff'n?« sagte sie, »san S' net a Philosoph? G'nau wie a' soichener schau'n S' aus. Se missen amal mit'n Hermann zu mir zum Philosophier'n komma, zum Fiefaklocktee. Ich int'ressier' mich so fir den Spiritismus.«

Sie ließ Oesterot nicht zu Wort kommen, verabschiedete ihn und rief, nachdem Hermann eingestiegen war, dem Kutscher zu:

»Maxl, fahr'n mer!«

Sie fuhren durch den Englischen Garten, hielten beim chinesischen Turm und tranken Tee. Bettina schwatzte in einem fort, machte überall ein ungeheures Aufsehen, alle Leute schauten ihr nach, was sie sichtlich befriedigte und ihr Gelegenheit gab, ihre Verachtung vor der Plebs auszusprechen. Dann erklärte sie Hermann, sie werde ihn als Maler lancieren, es sei eine Spezialität von ihr, Künstlern zu helfen.

»Der Konsuul un' der Prinz Lui, die dun alles, wos i' sog'. Wann S' a'mal a Bild fertig hab'n, dann schick'n S' mir 's nur. I werd 's Eahna scho' verkauf'n. Sie, der schwarze Doktor g'fallt mir aber; wann S' no' mehr so Freind' ham'n, die kennen S' mir all' bring'n. I wüll nämlich an kinstlerisch-lütterarischen Salohn grinden, wo sich die feinere Lebewelt mit die g'scheiten Leit' treffen soll. Das is grad das, was bis jetzt in Minchen noch g'föhlt hat.«

Gegen Abend fuhren sie weit hinaus, wo die Bäume des Englischen Gartens bereits spärlich werden. Die Strahlen der untergehenden Sonne erfüllten die Lichtungen mit rotgoldenem Schein.

»Ja, wenn ma' nur des G'müat net hätt', das malefizische!« sagte sie.

Sie lehnte sich leicht an Hermanns Schulter.

»An uns teuere Mädel traut si' ja koan junger Mensch net heran, weil's net glaub'n, daß mir a' a Herz hab'n.«

Als Hermann schwieg, sagte sie:

»I bün Eahna wohl z'raffinürt, aber dös derfen S' net glaub'n. Grad wos mir raffinürte Leit' san, mir brauch'n manchmala' biss'I unverdorbene Nadur. I bün ja eh' nur a Bauernmadel.«

Hermann wußte nicht, was er sagen sollte. Dieses Geständnis gefiel ihm, denn was ihn lockte, war viel mehr ihre derbe Naivität, als ihr Luxus.

»Jetzt lass' i umkehr'n,« rief sie, »aber vorher geb'n S' mir a recht liebes Busserl.«

Sie nahm seinen Kopf zwischen die Hände und drückte seinen Mund auf den ihren.

»Naa, so dirfen S' des net mach'n,« sagte sie; »so!«

Und sie zeigte Hermann die hohe Kunst des Küssens. Nachdem sie einen Augenblick an seine Brust gesunken war, rief sie mit umschleierter Stimme:

»Max'l, kehr'n S' um!«

Und der Kutscher fuhr nach der Stadt zurück.

Der Max'l war ein herkulisch gebauter Kerl mit glattrasiertem Spitzbubengesicht, das ein unwahrscheinlich langer Mund wie ein Strich in zwei fast gleich große Hälften teilte. Eine Stirn besaß er überhaupt nicht. Gleich über den Augen begann das Haar. Sein Kutscherzylinder saß so tief im Gesicht, daß er an die Brauen stieß. Dafür hatte Max'ls Kinn die Form einer kalifornischen Riesenbirne. Immer, wenn ihm seine Herrin etwas befahl, grinste er stumm, und der Spalt, der sein Gesicht teilte, verlängerte sich noch um etliche Zentimeter nach rechts und links.

Auf dem Heimweg sagte Bettina:

»Scheen is so a Stümmung, wie in a'm Theaterstick.«

Vor ihrer Wohnung stieg sie aus und sagte:

»Also kommen S' übermorgen zum Fiefaklock, un' bringen S' den schwarzen Doktor un' noch a paar nette Leit' mit, her'n S', un san S' net eifersichtig. Sie san do' jetz' mei' Flugerl. Geduld bringt Rosen.«

Dann wendete sie sich zum Kutscher:

»So, Max'l, jetz' bring'n S' den Herrn Kunstmaler hoam, und dann fahr'n S' amal zur Keniglichen Hoheit 'niber. Sie wiss'n ja scho'.«

Hermann fuhr in dem roten Wagen nach Hause. An allen Fenstern seiner Straße standen die Leute und schauten zu, als er bei sich vorfuhr und dem Maxel ein Markel gab.

Hermann übermittelte Dr. Oesterot Bettinas Einladung, und sie beschlossen, den Dr. Paul Cornelius mitzunehmen. Sie trafen um fünf Uhr bei Bettina ein. Sie bewohnte ein vornehmes Stockwerk. Ein sorgfältig gekleidetes Dienstmädchen öffnete wie in einem guten Hause und führte die Herren in einen Salon, der ausgezeichnet eingerichtet war: amerikanische Klubmöbel, Beleuchtungskörper von Bruno Paul, echte Perser, an den Wänden dünn gerahmte Beardsleys und Zeichnungen französischer Impressionisten. Bettina ließ etwas auf sich warten; dann trat sie in folgendem Aufzug herein: Sie trug einen erdbeerfarbigen seidenen Unterrock mit drei Volants eng um den zu kurzen Unterkörper, außerdem hatte sie nur ein Spitzenhemd an, das sie sehr zu ihrem Vorteil in tiefem, blendend weißem Ausschnitt erscheinen ließ. Schultern und Büste waren das Schönste an ihr. Das Haar trug sie sorgfältig frisiert, der Coiffeur war heute schon dagewesen; nicht so die Handpflegerin, und das gab Bettina das Recht, noch schmutzige Hände zu haben. Sie hielt einen Zigarettenstummel zwischen zwei runden Fingern und entschuldigte sich bei den Herren wegen ihres Aufzugs, indem sie sagte:

»Sie san ja Kinstler und nehmen 's net so g'nau. Oh, hier is a dumpfe Luft,« rief sie plötzlich, »i komm' oft tagelang net herein; nur wenn B'such kommt. Sonst sitz' i lieber bei mei'm Mädel draußen in der Kichen.«

Sie öffnete das Fenster.

»An Hunger hab'n S' do' a mit'bracht?« sagte sie. »I hab' drauß'n a wunderbar's Bauerng'sölcht's.«

Dann klingelte sie dem Mädchen, das zierlich hereintrat, und befahl:

»Geh'n S', Kathi, bringen S' uns a G'sölcht's, und stell'n S' an Schampus kalt. Immer nobel,« fügte sie hinzu; dann machte sie einen beängstigenden Versuch, berlinisch zu sprechen und schnarrte:

»Es is ja nich' wie bei armen Leuten.«

Oesterrot versuchte, ihr bisweilen Annehmlichkeiten zu sagen, aber sie ließ ihn kaum zu Worte kommen und produzierte sich unausgesetzt. Dann sprang sie, zu ihm gewandt, auf die Philosophie über, und meinte, den lieben Gott, den gäb's. Ihren Kinderglauben ließe sie sich nicht nehmen. Und als Dr. Cornelius lächelnd fragte:

»Beabsichtigen denn gnädiges Fräulein in den Himmel zu kommen?« erwiderte sie fast entrüstet:

»Ja, warum dann net? War net übel! I hab' ja niemand nix Unrechtes dan.«

»Eher das Gegenteil,« sagte Dr. Oesterot.

»Des is recht!« rief sie, plötzlich sich auf den Schoß des Doktors setzend, »mir zwoa versteh'n uns. I mag überhaupt die g'scheiten Leit' gut leid'n. Riach'n S', wie Eahna mein neuer Parfuhm gefallt.«

Sie stülpte seine Nase in ihre Spitzen. Das »G'sölchte« mit dem Schampus wurde aufgetragen. Er hatte die Marke »Iroy«. Das Tischtuch war nicht ganz rein, das Silber herrschaftlich, das Geschirr von einem jämmerlichen Steingut. Bettina rühmte noch, wie billig sie es auf der Dult erstanden hatte, an ihr sei überhaupt eine Hausfrau verloren.

»Ja, i bün komplüziert,« rief sie aus, »a fesche Kokott' un' a Bauernmadel un' a Hausfrau zugleich. Wann i nur den damischen Bua da net so gut leiden möcht'!«

Dabei faßte sie Hermann in seine blonde Mähne.

»Jetz' wüll i Eahna amal mei' G'lump' zeig'n,« rief sie, nachdem zwei Flaschen geleert, und die Männer nicht mehr dazu zu bringen waren, mehr von dem »G'sölchten« hinunterzuwürgen. Sie führte ihre Gäste in ein geräumiges Nebenzimmer, dessen Wände vollständig von Kleiderschränken umzogen waren.

Und sie öffnete schnell hintereinander acht Türen, aus denen Pelze, Spitzen, Samt und Seide zu quellen schienen. Manche Kleider nahm sie heraus, hing sie über sich und erklärte bei einigen die Herkunft.

»Schau'n S', des is vom Fürst Trubetzkoy, das hat er mir in Monte gekauft. Des is von einem Reuß jüngere Linie, des is vom jungen Bleichröder.«

Die Herren waren von diesem überraschenden Luxus geblendet. Plötzlich rief sie:

»I woaß, wos S' jetzt denken von mir! S' moanen, wos muß die Bettina fir a Luder sein, daß 's all das G'raffel z'sammen g'kriagt hat. Un' i sag' Eahna, daß mir da a groß' Unrecht von Eahna g'schicht. Die meisten von all dena Kavalier san zu mir in an idealen Verhältnis g'stand'n; net alle, versteht sich, i bün a von Fleisch un' Blut, aber was glaub'n S', was zum Beispiel der Konsuul von mir verlangt? Nix als meine Wadeln anschaun will er, un' an mei' Bett sitzen muaß i ihn lassen, un' da hält er mei' Hand fest, bis i eing'schlafen bün.«

Sie suchte durch ihren Tonfall das Rührende dieser Lage zu kennzeichnen.

»Also, mei' Parfuhm g'fallt Eahna,« wendete sie sich zum Doktor, »geben S' amal Obacht!«

Sie nahm einen Zerstäuber vom Tisch und bespritzte die Herren wie toll mit ihrem Riechwasser. Dann zwang sie sie noch zu zwei Flaschen Iroy, und der Doktor sagte:

»Alles, was Sie von mir verlangen, nur kein G'sölchtes mehr.«

»Se san halt noch net so raffinürt, daß es Eahna wieder schmeckt,« erwiderte sie.

 

Als die drei Herren draußen waren, meinte Dr. Cornelius, es sei ausgeschlossen, diese triviale Person auf das Fest zu bringen. Der Doktor sagte überlegen:

»Trivial! Natürlich ist sie das, das sehe ich auch; aber dieser unglaubliche Wirklichkeitsreiz, der von ihr ausgeht! Glauben Sie, daß die griechischen Hetären sich nur in erlesenen Worten ausgedrückt haben? Das ist ja die Schwäche unserer Zeit, daß sie die Wirklichkeit nur zurechtgemacht genießen will. Nein, ich werde sie einladen.«

Hermann sagte nichts; ihm brannte noch in den Ohren, daß sie ihm heimlich zugeflüstert hatte, er möge sie morgen vormittag besuchen und ihrer Toilette beiwohnen.


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