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Ein Mahnruf

Einen Mahnruf hört' ich unlängst,
              der bekanntem Mund entsprang
Und wie Hohn der frohen Hoffnung
              auf der Zukunft Frieden klang:
»Söhne Ihr der deutschen Lande,
              rings von Neid und Haß umbraust,
Bleibt in Wehr und Waffen standhaft,
              gebt das Schwert nicht aus der Faust!

Kehrt von jeder milden Regung
              gänzlich ab das weiche Herz,
Werdet ganz und gar Soldaten,
              thürmt zu Bergen tödtend Erz,
Lass't Euch nicht verlocken thöricht
              von der Friedensduselei;
Denn mit Schmach und Knechtschaft zahlen
              müsset Ihr den süßen Brei.

Lachend würden die Barbaren
              aus dem fernen Kaukasus
Auf den leichtgebeugten Nacken
              setzen Euch den plumpen Fuß,
Wenn von ew'gem Völkerfrieden
              Ihr wie feige Memmen träumt
Und im rechten Augenblicke
              d'reinzuschlagen blöd' versäumt.

Nichts taugt Eurer Bildung Flitter,
              Euer vielgerühmter Geist,
Wenn Ihr nicht die früh'ste Kindheit
              schon in Waffen unterweist,
Wenn das Menschlichkeitsgefasel
              lähmend wirkt auf Eure Kraft,
Weltverbrüderungs-Verrücktheit
              Euren Männersinn erschlafft.

Kehrt zurück aus Ueberfein'rung
              zu der Väter Eigenart,
Seid nach Bauernweise knorrig,
              bauernmäßig, roh und hart;
So nur könn't Ihr Herren bleiben
              in den schönen Heimatsgau'n,
Niemand wird mit Euch, den Bären,
              fürder sich zu raufen trau'n.«

Ungefähr in diesem Tone
              ward manch' Rathschlag aufgetischt,
Wenig Gutes mit ganz Falschem
              zum Gemengsel bunt vermischt,
Auch der Text gelesen wurde
              tüchtig der verworf'nen Zeit
Wegen ihrer groben Sünden
              und Gewissenlosigkeit.

Nun, ich will die Schuld nicht leugnen,
              die sie auf die Schultern häuft,
Wenn das Mitleid mit dem Elend
              in Champagner sich ersäuft,
Wenn, in Lüsten tief versunken,
              kalt sie läßt der Aermsten Noth,
Da mit ganzer Kraft zu helfen
              wäre dringendes Gebot.

Aber mich will schier bedünken,
              daß ein schlechtes Mittel braucht,
Wer den Geist der Völkerzwietracht
              wie ein Basilisk verhaucht,
Wer sein Volk am allerbesten
              glaubt gesichert und beglückt,
Wenn die schwere Waffenrüstung
              völlig es zu Boden drückt.

Aus der Saat von Drachenzähnen
              in verseuchtem Sumpf und Moor
Keimt der Zukunft Wohlfahrt niemals,
              sproßt kein edler Trieb hervor.
Nicht wer die Versöhnungsbrücke
              zwischen Volk und Volk zerhaut,
Einen Volksfreund nenn' ich preisend,
              wer am Friedenswerke baut.


Wenn, die Heimat zu verwüsten,
              wilde Horden rücken an,
O dann auf zum schärfsten Kampfe,
              bleibe fern kein ganzer Mann;
Seine Lieben zu beschirmen
              und des Hauses theuren Herd
Ist des größten Opfers würdig,
              ist der schwersten Wunden werth.

Doch um eitle Nichtigkeiten
              Brudervölker zu entzwei'n,
Muß als allerschlimmste Sünde
              gellend laut zum Himmel schrei'n.
Gilt im Wälschland und am Rheine
              nicht das gleiche Menschenrecht?
Sind die Einen nur die Frommen,
              alle Andern aber schlecht?

Ja, allorts hat eingefressen
              Krankheit sich in Mark und Bein,
Daß ein Spittel scheint die Erde,
              die ein Garten könnte sein.
Dafür ist ein Arzt vonnöthen;
              doch, ist Krieg der Salbenmann,
Der dem siechen Leib des Kranken
              die Gesundung bringen kann?

Rausche über ganz Europa,
              mildgesinnter Friedensgeist,
Der den Blick von Nachbars Fehlern
              auf die eig'nen Schäden weist;
Wenn dein Strahl durchwärmt die Herzen,
              welche Selbstsucht kalt gemacht,
Schmilzt wie Reif im Morgenlichte
              Alles, was den Haß entfacht.

Tauche in des Mitleids Rührung
              den verschlossnen, harten Sinn,
Daß in der Geschichte Schuldbuch
              einmal stehe als Gewinn,
Wie die Menschheit, tausend Jahre
              nur durch Koth und Blut geschleift,
Schlechten Rath von Aftergötzen
              wie ein Schandkleid abgestreift.

Daß sie endlich sich erhoben
              aus dem eklen Jammerpfühl,
Als in Millionen Herzen
              Herrscher wurde das Gefühl,
Daß ein ungeahnter Aufschwung
              anhub mit derselben Zeit,
Als für Haß man Liebe tauschte
              und für Krieg Gerechtigkeit.

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