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Laurin's Rosengarten

Einst thaten die Amelungen nach Albheim einen Zug,
Nach Albheim, wo duftende Rosen die starre Bergwelt trug.
Ein Funkeln und ein Leuchten hatten sie erschaut,
Als wären die fernen Gipfel aus purpurnem Golde erbaut.

Als wären die schneeigen Alpen gekommen in hellen Brand,
So säumte die Himmelsbläue ein feuerfarbiges Band.
Sie hatten solch' großes Wunder ihr Lebtag nicht geseh'n –
Ein neues Abenteuer schien wahrlich da zu besteh'n.

Sie hatten an trotzigen Riesen manch' sausende Lanze zerschellt,
Sie hatten den Ur und den Bären, den Wolf und den Eber gefällt,
Nun sannen sie neue Thaten und tranken viel Meth und Wein,
Da sah'n sie mit Lust und Behagen den fernen Rosenschein.

Vom Garten Laurin's erhob sich alsbald die Wundermär,
Daß dieser voll silberner Brunnen, voll Rosen und Goldsand wär',
Und daß darinnen walle ein Maidlein zart und fein,
Des mächtigen Zwergenkönigs holdseliges Töchterlein.

Im weiten Krystallpalaste im tiefen Erdenschooß,
Da wuchs heran es lieblich, da ward es schön und groß,
Dort glänzten Gold und Silber, Demanten und Rubin,
Doch von der Himmelssonne drang nie ein Strahl dahin.

Als einst die Königstochter in's Freie stieg empor,
Das kam ihr noch weit schöner und wunderbarer vor;
Da lag sie dem zärtlichen Alten mir vielen Bitten an,
Daß er ihr schenken möge einen off'nen Alpenplan.

Dann, als sie empfangen zu eigen ein weites Gletscherland,
Da ließ sie sorgsam bereiten von kundiger Elfenhand
Der öden Wildnis inmitten den herrlichsten Gartenhain
Voll gold'ner und silberner Brunnen, voll Duft und Rosenschein.

Da klangen helle Lieder, da sprühten tausend Funken,
Wenn in dem Land der Menschen die Sonne längst versunken.
Es drang der Rosenschimmer bis in die Pfalz zu Bern;
Da machten große Augen die ritterlichen Herr'n.

Ein Spielmann und kecker Fiedler, der wußte gleich Bescheid
Von Laurin's Rosengarten und von der Königsmaid;
Das spornte die wilden Recken, sie setzten sich flugs zu Roß,
Und in die Weite sprengten die Ritter und ihr Troß.

Sie ritten viele Stunden, sie ritten manchen Tag,
Sie trabten durch dunkle Wälder und über den weiten Hag,
Und wollten sie schier ermüden, und sank ihr kühner Muth,
So hob sich heller und heller am Himmel die Rosengluth.

Doch als sie gekommen endlich ins oberste Alpenthal,
Da schnitten verblüffte Gesichter die Helden allzumal,
Weil sich von Gold und Rosen dem Blicke sonst nichts bot
Als helles Gletscherleuchten und funkelndes Abendroth.

Der Gipfel schartige Zacken umwogte blendende Gluth,
Daß blitzend am Helmkranz und Schilde sich brach die Lichterfluth;
Doch ringsum war nur Wildnis, es fehlten Baum und Strauch,
Es fehlten Bach und Brunnen, die Fische drinnen auch.

Gerad'aus starrten Wände und seitwärts gähnte manch' Spalt,
Da machten die tapferen Degen urplötzlich alle Halt
Und sahen ziemlich verdüstert hinauf bald, hinab dann zur Kluft,
Und hätten wohl schon gerne erquickt sich am Rosenduft.

Sie hätten gar gerne bewundert den herrlichen Blüthenschein,
Auch den auf den Blumenwangen von Laurin's Töchterlein.
Statt dessen erbrauste der Sturmwind, umgellte sie Geiergeschrei,
Vom Sturze der Lawinen erdröhnte die Wüstenei.

Was gilt's, der Rosengarten liegt hinter jenem Grat,
Ein letztes, keckes Steigen, dann ist vollbracht die That.
Jetzt faßte Den ein Schwindel, Der stieß an einen Stein,
Da fuhr den Andern allen die Angst in das Gebein.

»Ist das ein Abenteuer!« rief Dieterich von Bern,
»Wenn wie die Ziegen klettern wir stolze Edelherr'n!
Statt Goldsand und Rubinen nur Schutt und wüster Graus –
Geht es nach meiner Meinung, so reiten wir nach Haus.«

Sie sprangen zu Pferde und sausten thalauswärts in eiliger Hast,
Verwünschend mit kernigen Flüchen den eitelschimmernden Glast.
Laut klirrten die Eisenpanzer, einbohrte sich blutig der Sporn,
Die Helden schalten und tobten in grimmig loderndem Zorn.

Jetzt krochen die bärtigen Zwerge aus Spalten und Höhlen heraus
Und lachten und höhnten weidlich die fliehenden Recken aus.
O schüttelt die Bäuche euch wund nur und wälzt euch und purzelt nur recht:
Denn euren Spott hat verdient sich das Amelungengeschlecht.

Traun, ihr erlebt noch ein and'res, das – minder verzagt und geschreckt –
Selbst nach der Krone Laurin's verwegen die Hände streckt,
Und hinter dem ragenden Walle von morschem Gestein und Eis
Den prangenden Rosengarten zum Trotz euch zu finden weiß.

War so ein Amelunge ein Held auch und guter Christ,
So war er doch nicht minder erbärmlich als Tourist;
Wir aber klimmen hurtig fort über Grat und Kluft
Und über das glitzernde Eis empor zu hoher Luft.

Da ragt keine Spitze zu drohend, kein Gipfel ist uns zu steil,
Wir kommen hinauf zum Schlusse mit Eisen, mit Beil und Seil;
Wir streben angstlos nach oben, dorthin, wo das Abendroth glänzt,
Mit flammenden Purpurrosen den lockigen Scheitel uns kränzt.

Wir tauchen jauchzend und jubelnd uns in den Alpenbrand,
Der den Himmel verbrämt mit gold'nem, mit feuerfarbenem Band;
Wir schauen die funkelnden Wunder mit hellem, frischem Sinn,
Als wären wir selber der weise und glückliche König Laurin.

Wir spotten der Amelungen; bei all' ihrem Heldenmuth
Besaßen sie nimmer doch echtes und rechtes Touristenblut.
Wir steh'n nicht verschüchtert und stutzig wie sie in Aengsten von fern,
Wir sind in der Alpenzone die Ritter und trotzigen Herr'n!

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