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Das Thal der oberen Enns

Du liebes Thal, dazu gemacht,
Daß sich an deiner Schönheit Pracht
Das stumpfste Herz erfreue,
Ein thränenkrankes Auge
Erquickung aus ihr sauge,
Zu dir in alter Lieb' und Treue
Kehr' immer ich zurück auf's neue.
Noch schließt der Berge Riesenkranz
Dich, holdes Kleinod, schützend ein,
Noch gießt den hellsten Goldesglanz
Auf dich herab der Sonnenschein
Wie damals, als ich dich geschaut,
Ein Fremdling noch, das erste Mal.
Du liebes, wunderschönes Thal,
Wie eine stolze, spröde Braut
Hast zögernd nur den Schleier
Gelüftet du dem Freier,
Der um dich warb mit Sehnsuchtsqual.

Mühselig, Stückchen nur für Stück,
Errang ich mir des Anblicks Glück,
Dann als die Nebelhülle fiel,
War es des Wunders fast zu viel.
Von stolzen Felsenzinnen,
Um die der Geier kreisend schwebt,
Hab' ich mit trunk'nen Sinnen
Vor deiner Schönheit Reiz gebebt,
Von deinen Hügelwellen
Belauscht den Fluß, den schnellen,
Wo Welle sich an Welle drängt
Im Wunsch, vorauszueilen,
Um an den schönsten Stellen,
Wo Anmuth sich mit Größe mengt,
Am längsten zu verweilen.
In deiner Wälder Schattenreich,
Auf deinen Matten, moosigweich,
Am Ufer deiner Alpenseen
Sind tausend Wunder mir gescheh'n.
Die leisen Zauberstimmen,
Im Windesrauschen säuselnd
Mit überird'scher Melodie,
Die Märchen, die im Aether schwimmen,
Goldwölkchen bildreich kräuselnd,
Die Fabelschätze alle, die
Der Kindheit waren zum Gewinn
Und die das rauhe Leben
Grausam hinwegfegt aus dem Sinn,
Ihn schmiedend in den Bann des Bösen,
Sie sind's, die wieder mich umschweben

Und jene kalte Starrnis lösen,
Von der das Herz ward eingeengt.
So wie das Eis der Frühling sprengt,
So wie die Liebe kosend naht
Und Blumen streut auf seinen Pfad,
Hast du mit deiner reichen Pracht
Des Segens Fülle mir gebracht,
Und dann nur schufst du ernste Leiden,
Wenn's galt, von dir zu scheiden.