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St. Johann am Wocheiner See

Wo um des Triglavs Felsenleib
Die Berge wolkenhoch sich schaaren,
Da war noch kurz, vor wenig Jahren,
Für müde Wand'rer kein Verbleib;
Es barg die tiefste Einsamkeit
Der Wälder dunkles Schattenkleid.
Zur Tränke im Wocheiner See
Gesprungen kam das scheue Reh,
Und in der heißen Sonnengluth
Ergötzte sich die Vipernbrut.

Doch für ermattete Gelenke
Zu kurzer und gezwung'ner Rast
Gab's höchstens eine mind're Schänke,
Die wenig anzog einen Gast.
Es schien, als ob Herr Zlatorog,
Des Triglavs menschenscheuer Geist,
Abwehrend Zauberkreise zog
Um sein Gebiet; es blieb verwaist.
Es lagen See wie Berge keusch
Und stolz entfernt dem Weltgeräusch.

Wie anders nun in unsern Tagen.
Die Menschen schwärmen aus und jagen,
Den Seelenfrieden einzufangen,
Zu dem daheim sie nie gelangen
Vor des Erwerbes Drang und Wust,
Bis in sein heimlichstes Versteck.
Doch, büßen dort sie ihre Lust,
Ist flugs der stille Friede weg,
Den keuschen Reiz der Vorzeit
Vertreiben sie mit ihrer Thorheit.

Wocheiner See, du Schönheitswunder,
Auch dich hat die Kultur beleckt;
Doch hat zum Glück ihr ganzer Plunder
Noch nicht dich übel zugedeckt,
Noch nicht beraubt vornehme Feinheit
Dich deiner ungeschminkten Reinheit,
Noch ist's Genuß, hoch an den steilen
Berghängen über dir zu weilen,
Du unverdorb'nes Prachtjuwel
Trotz Badehaus und Seehôtel.
Dir schadet's nicht, daß Trank und Schmaus
Gedeihen im »Touristenhaus«,

Daß Labung auch dem Magen blüht,
Wenn sich erhoben das Gemüth;
Beherrscht der Erde Lebenszwang
Doch stets des Geistes Adlerdrang.
Wo leicht sich lassen die vereinen,
Kein Klagen braucht es oder Greinen;
Empfindung hat für die Natur
So recht ein satter Magen nur.

Wer aber wie ein Pfau sich brüstet,
Wem statt ursprünglichem Behagen
Der Sinn nach Flittertand gelüstet,
Dem wird Natur nichts Liebes sagen,
Den hat sie nie im Ernst bewegt,
Ob er auch Purzelbäume schlägt.
Sie macht ein einfach schlicht Gesicht,
Schönpflästerchen verträgt sie nicht.
So ist das Bergland der Wochein,
Von Modeflausen blank und rein.

Noch Zuflucht ist es dem Poeten,
Dem Künstler eine Heimatstatt;
Der Geist darf sorglos Blatt für Blatt
Des Waldes fromme Psalter beten
Und, wie den Kahn die Wellen schaukeln,
Im Lichte himmelaufwärts gaukeln.
Leicht wie der Morgennebel Rauch
Zerrinnt im frühen Tageslichte,
Wird finst'rer Trübsinn hier zunichte
Vor süßen Trostes Balsamhauch.

Darum, o Zlatorog, behüte,
Die mit gastfreundlich frohem Schalten
Des Pflegeramts hier wirthlich walten,
Lass' Wunder wirken Deine Güte,
Daß Unheil schone ihre Kreise
Und schnelle nicht empor die Preise.
Der Narren allzudreistem Schwarm,
Gewohnt, heuschreckenhaft zu hausen,
Zur Abwehr dem lass' Stürme brausen,
Nimm Blitz und Donner in den Arm.

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