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Die Bergfrau vom Ortler

I.

Auf dem »Schwarzen Kopf«

Der Jäger klomm in's Gemsrevier,
Flink war und keck sein Fuß,
Da trat die schönste Maid herfür
Und bot ihm ihren Gruß.

Vom blonden Scheitel zu den Zeh'n
Umfloß sie heller Glanz,
Auf ihrem Haupte war zu seh'n
Ein Alpenrosenkranz.

Wie Frühlicht war sie anzuschau'n,
Das auf den Bergen glänzt
Und rosenroth im Morgengrau'n
Der Gipfel Firn bekränzt.

Nicht zagte leicht des Jägers Muth,
Er war sonst keck und wild;
Doch ängstlich stockte ihm das Blut
Vor diesem Frauenbild.

»So hoch wagt sich kein Sennenweib
Auf schwindelvoller Bahn,
Solch' blumenzarter, holder Leib
Gehört nur Feien an.«

Der Jäger dacht's, und daß es schlimm
Um Jenen sei bestellt,
Der auf der Gemsjagd ihrem Grimm
Vorwitzig bloß sich stellt.

D'rum sprang er über Stock und Stein
Rasch fort in wilder Flucht,
Kein Gemsbock könnte schneller sein,
Der sich zu retten sucht.

Die Bergfee aber stand und sah
Ihm nach mit trübem Blick,
Dem Himmel nur und Wolken nah',
Beklagend ihr Geschick.

»So flieht mich, was von Menschenart,
Wie Gift und Höllengraus,
Es schließt mein Schicksal grausam hart
Vom Erdenglück mich aus!

Mein Herrscherthum erfreut mich kaum
So einsam und allein,
Im Thal der engste Hüttenraum
Birgt ein beglückt'res Sein.

Was ist dem Herzen, liebeswarm,
Der Gnomen reiche Zahl;
In allem Glanze bettelarm,
Empfindet es nur Qual.

Die tausend Wunder um mich her,
Sie trösten alle nicht,
Weil in der Brust, so glückesleer,
Der Liebe Sehnsucht spricht.

Für treuer Minne süßen Lohn,
Für irdisch' Glück und Leid
Entschädigt nicht mein Geisterthron
In seiner Einsamkeit.« –

O allzuscheuer Büchsenheld,
Die Fee verkanntest Du ...
Nun führt kein Zufall von der Welt
Solch' Glück Dir nochmals zu.

.

Die Bergfrau vom Ortler.
II.

Im »Büchlerhof«

»Die Arbeit wird zu viel und schwer,
Wir müssen eine Magd uns dingen« –
Der Bauer sprach's, vom Hausflur her
Erscholl des Riegels leises Klingen.

»Die Magd, just steht sie vor der Thür:
Gefällt's Euch, weist sie nicht von hinnen.
Ich höre, Arbeit gibt's allhier,
Und ich kann wacker mäh'n und spinnen.«

»Woher?« – »Jenseits des Ortlesspitz
War mein Daheim in frühern Tagen;
Jetzt ist verwaist mein Elternsitz,
Ich muß mich in der Fremde plagen.«

Der Bauer nimmt die Dirne an,
Und nimmer thut ihm noth die Reue;
Denn was sie wirkt, ist wohlgethan,
Und zudem schafft sie fast für Dreie.

Der Bäu'rin wird sie lieb und werth,
Als wäre Frucht sie ihres Schooßes:
Denn in der Küche auch, am Herd,
Da leistet sie Gedieg'nes, Großes.

Dem Sohne Albert aber gar
Wird sie am meisten theuer;
Denn ihre Augen blicken klar,
Und wunderlieblich strahlt ihr Feuer.

So blitzt des Bergsees blaue Fluth
Im sonnenhellen Wellentanze,
So leuchtet sanft sie, wenn sie ruht
Im zauberischen Mondenglanze.

Nicht zarter glüht der Alpenbrand,
Als glüht das Wangenroth der Dirne,
Nicht weißer blinkt als ihre Hand
Das reine Weiß der Ortlerfirne.

Und klug ist auch die schöne Maid,
Sie weiß ergötzliche Geschichten
Von hoher Alpen Herrlichkeit
Und Ortlersagen zu berichten.

Nur das vertraut sie Niemand an,
Daß sie die »Ortlerfrau« geheißen,
Eh' sie gewagt, vom Geisterbann
Aus Menschenlieb' sich loszureißen.

Sonst könnte wohl des Burschen Sinn
Noch Angst und Furcht beschleichen,
Eh' er der schönen Mähderin
Vermöcht' die Hand zur Eh' zu reichen.

Der Vater sprach den Segen aus,
Die Mutter segnete nicht minder,
Und bald trug Meister Storch ins Haus
Das erste schon der Feenkinder:

Und als die Wirthschaft wuchs und gleich
Verklärten sie beglückt sich fanden,
Da war im Thal das Feenreich
Von Neuem herrlich auferstanden.

.


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