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Die Beterin

In einer Kirche hohe Wölbung
Trat ich mit heil'ger Andacht ein;
Auf ihre Kniee hingesunken
Lag im Gebete die Gemein',
Der Priester stand an dem Altar
Und brachte Gott das Opfer dar.

Durch die bemalten, bunten Fenster
Fiel sanft der Sonnenstrahlen Licht
Auf den Altar, davor ein Mägdlein
Kniet', und umfloß ihr Angesicht,
So zart, so schön, so himmlisch rein,
Mit einem gold'nen Heil'genschein.

Vom Köpfchen wallten blonde Zöpfe
Und schmiegten sich dem Nacken an,
Die Aeuglein waren blau und sinnig
Und blickten betend himmelan.
So schön wie dieses liebe Kind,
Denk' ich, daß nur die Heil'gen sind.

Sie schien aus Himmelsregionen
Herabgestiegen nur zu sein,
Mein Herz von Zweifeln zu befreien
Und aller Erdennoth und Pein.
Da ward das Heiligste mir kund,
Viel besser wie durch Priestermund.

Mich überkam ein frommer Glaube,
Ein Hoffen auf Glückseligkeit;
So stand in süßem Selbstvergessen
Ich und Betrachten lange Zeit.
Als nun der Gottesdienst dann aus,
Zog heiter die Gemein' nach Haus.

Im Wirbel jener Menge aber
Verlor ich, ach! die holde Maid
Und sah sie nimmer, nimmer wieder.
Mich quälte banges Herzeleid,
Als wär' mein Seelenheil dahin,
Als könnt' kein Glück mir je noch blüh'n.

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