Julius Mosen
Georg Venlot
Julius Mosen

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Fünftes Kapitel.

In stiller Hütte auf bastgeflochtenen Teppichen saßen zwei glückliche Menschen.

Georg hielt einen Becher, aus der Schale der Kokosnuß kunstreich geformt, das Mädchen neben ihm, welches aus einem Kruge ihm Kokoswein einschenkte. Sein Haupt hatte er mit Blumen bekränzt, sein Bart träufte von duftendem Oele, sowie seine bloßen Füße, welche ihm die Hindu mit Rosenwasser gebadet, und mit selbst bereiteten Specereien gesalbt hatte.

Er trank und reichte dem Mädchen die Schale hin mit den Worten: Maya! – so hieß das Mädchen – trink mit mir und sei nicht gar so still. Maya trank und ihre Lippen nahten den seinigen, indem sie flehend emporsah.

Maya! fuhr Georg fort, sage mir, lebst du denn ganz allein in dieser schönen Wüste? –

Ach nein! sprach Maya, plötzlich verdüstert; ich habe noch einen Vater, welcher aber gestern nach Jagrenat in den Tempel, um dort anzubeten, gegangen ist. Am nächsten Abend wird er wieder heimkehren, um mich übermorgen dorthin zum großen Bramafeste zu geleiten. Morgen ist es vielleicht zum letztenmale, daß ich in diesem heiligen Haine wandle unter meinen Bäumen und Blumen und bei allen den lieben Thieren, welche ich mir gezähmt habe; denn mein Vater will mich dem Dienste der Götter als Dewadassi am Bramafeste weihen lassen. So muß ich mich auch von dir trennen, mein einziges Gut, und werde dich nie, nie wiedersehen; denn aus dem Tempel darf ich als Dienerin des Heiligthums dann nicht mehr entweichen! Ich Unglückliche, bestimmt jeglichem Weib zu sein, der meiner begehren mag! –

Sie schwieg, und unendlicher Schmerz erfaßte ihre Seele. Georg zog mitleidig das arme Mädchen an sich.

Nachsinnend sprach sie nach einer Weile: neulich stand ich dort am heiligen Strome und verfolgte mit meinen Augen die leise dahin gleitenden Wellen. Auf einmal hörte ich Springfluth rauschen und brausen, und eine große Wooge fuhr der Strömung entgegen, blitzschnell mir vorüber im Ganges hinauf, als suche sie mit schmerzlichem Schluchzen die Quelle wieder, aus welcher sie hervorgeflossen war. Mein Vater hatte schon oft dieses wunderbare Walten im Flusse gesehen, mir wiederfuhr es aber zum erstenmal. O, du Mann meines Herzens! obgleich so der Strom meines Lebens, sich von dir immer weiter entfernend, fremde Thäler durchschneiden muß, so wird trotz dem, sehnsüchtig-ungestüm mein ganzes Sinnen ewig zu dir zurückströmen; bis mein Herz wie die aufrührerische Welle ganz gebrochen sein wird! – Sieh, schöner Sohn der Fremde, so wird es mit mir sein! – Georg rang nach Fassung; seine Seele war getheilt, wie das Meer um eine Insel. –

Endlich erhob sich Maya und sagte: mein Unglück und mein Glück soll mich nicht des heiligen Büßers im Walde vergessen machen, den ich täglich um diese Stunde mit heiligem Wasser aus dem Ganges tränke. – Komm mit mir! vielleicht prophezeiht er uns, denn ihm ist die Gabe der Weissagung zugetheilt. –

Georg erhob sich mit dem Mädchen, beschuhte wiederum doppelt seine Füße, nahm seinen Mantel unter den Arm und ging niedergeschlagen, mit sich selbst zerfallen, an ihrer Seite.

Er schöpfte ihr mit dem Kruge das heilige Wasser und wandelte dann mit dem traum- und leidvollen Kinde durch die schattigen Gänge des Palmenwaldes, längst des Ufers dahin, bis es endlich stillstand.

Siehst du den heiligen Büßer dort? flüsterte Maya ihm zu. Er bemerkte nichts. Als er aber genauer hinblickte, erschrack er in seiner Seele.

Von Schlinggewächsen fast ganz umwachsen, wie ein alternder Thurm von Epheu, umbaut bis an die Brust von Termitenhaufen, und seine Schultern verborgen von Vogelnestern, stand der Büßende.

Hätten nicht zwei große leuchtende Augen zum Himmel empor geglüht, unregsam in sich selbst, wie der Agatstein, welcher in sich selbst wächst in heimlichen Bergadern, so würde selbst ein spähendes Auge ihn nicht entdeckt haben.

Maya neigte sich ehrfurchtsvoll und sprach: dein Seegen sei mir! Ewiglich! entgegnete langsam und dumpf gleich dem entfernten Brausen des Meeres, seine Stimme;– ewiglich! – obgleich du dem wandelbaren Koma deine Kniee gebeugt hast! –

Maya seufzte und sprach kein Wort dagegen. Sie hob den Krug empor; er öffnete den Mund, ohne das Haupt zu bewegen, und sie ließ den Strahl des Wassers, ihn tränkend hinunterfallen! –

Als er also getrunken hatte, führte Maya den erstaunten Georg vor ihn hin und flehte zum Büßer: sage ihm, sage uns etwas Gutes! –

Die Gluth seines Auges ruhte jetzt auf Georgs Gesicht und unmerklich tönte es aus dem wenig geöffneten Munde, leise und dennoch schrecklich hörbar hervor: Thor, nicht betäubst du mit Sinnenfrohn deines Geistes Stimme! Hast du vergessen die Einzige, welcher du ewig angehören solltest?

Georg war vor dieser Allwissenheit in sich selbst vernichtet; er wankte, Maya hielt ihn aufrecht, endlich fragte er: und du kennst Sie, heiliger Büßer, und wo Sie ist, die dreifach Verrathene? Wehe mir!

Wehe dir! – sprach wiederum der Büßer – wie kannst du Sie finden, die Seelige, mit unseeligen Begierden, die Königin der Geister mit dem Herzen voll Erde? Finde dich selbst; so wirst du Sie finden; wo dir der Nebel vom Auge fällt, wird auch Sie, die du suchest von Kindesbeinen an, auch sein! – Maya, Dewadassi! halte ihn nicht auf in seinem Wege! Nimm Abschied!

Das Mädchen sank in seine Arme und sagte standhafter, als es sich hätte ahnen lassen: alles Gute sei mit dir und denke der armen Magd, wenn es dir wohlgeht! – Es riß sich los von ihm und entfloh.

Der Einsiedler sprach: Sie kennt ihr Loos, folge dem deinigen! –

Voland stand wie eine aufsteigende Wetterwolke in der Ferne, von Georg ungesehen, finster und schreckhaft.


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