Julius Mosen
Georg Venlot
Julius Mosen

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Zweites Kapitel.

Mancherlei hatten in diesen Tagen die Freunde mit einander zu besprechen, Vieles zum bevorstehenden Hochzeitsfeste Rudolphs und Karolinens anzuordnen, um das glückliche Paar freudig damit zu überraschen. Festspiele wurden ersonnen und wieder verworfen, Gedichte angefangen und nicht vollendet.

So kam endlich der Festtag heran.

Wie es Sitte der Gegend war, zogen die Hochzeitsgäste, mit rothseidenen Bändern geschmückt, in ihrer Mitte das Brautpaar, voran ein Chor Musikanten, auf Clarinetten und Hörnern blasend, auf die Kirche zu. Im munteren Lärm sprangen Schaaren von Kindern um den Zug herum, und auf dem Thurme tönten die Glocken den Jubel viel glücklicher Menschen weit über das Städtchen hinaus in die Luft.

Hand in Hand gingen die Freunde zu Ende des Zuges, zu Erinnerungen an Längstvergangenes nicht ohne Schwermuth hingeneigt. Gegenseitiger Händedruck verdolmetschte ihnen diese verholenen Gefühle stiller Wehmuth, welche so gern den Unglücklichen beim Anblicke allgemeinen Frohsinns neidlos im milden, wohlthuenden Trauern überschleicht.

Die Trauung war endlich vollzogen und die Brautthräne geweint. Ueber den Himmel flog beim Heimzuge ein leichtes Wölkchen, das im leichten Nebelthau herunterfeuchtete. Der fromme Glaube der Umgegend hielt dieses für ein Vorzeichen, welches dem jungen Paare Heil und Seegen verkünden wollte. –

Auf rothen, mit Wein benetzten Schwingen verflogen scherzend die Nachmittagsstunden.

Lina war in der Mitte ihrer Freundinnen zur lieblichsten Rose erblüht. Ihre Schönheit, mit der eigenthümlichsten Anmuth verschwistert, bezauberte die ganze Gesellschaft; und die heiligste Unschuld, welche im milden Lichte ihre sanftbewegten Augen, ja! das ganze Antlitz verklärte, riß Männer wie Frauen zu unbedingter Huldigung hin. Dennoch blieb ihr Wesen, seines Zaubers sich unbewußt, wie das eines herzlichen Kindes.

Georg fühlte sich immer mehr zu ihr hingezogen; ihm war es, als müßte er vor geheimen, süßen Schmerzen aufschreien: Aquilina! du bist es ja, zürne nicht mehr dem Wortbrüchigen! Dann sprach wieder sein Verstand: Georg, bist du so wenig der Herrlichen eingedenk, daß du sie, wenn gleich an ihre irdische Schwester, zum zweitenmal verrathen willst? Georg überstehe kräftig diese Prüfung! – Sah er aber wieder hin auf die Holdseelige, so vergingen ihm dennoch wieder alle schönen Grundsätze, welche er mühsam errungen hatte.

Da man mit dem Festmahle noch anstand, um den Grafen Rüderig, welcher seine Anwesenheit zugesagt hatte, zu erwarten, so eilte Georg in die werdende Nacht und in die freie Natur hinaus, um den Kampf in sich zu schlichten und zu beschwichtigen.

Der Himmel hatte sich umzogen, kein einziges Sternbild glänzte oben. Er ging schnell und kam bald aus dem Städtchen und Häusern hinaus.

Wie er einsam hinschlenderte, sprach er für sich: warum, o! warum mußte ich ihr begegnen? diesem göttlichen, jungfräulichen Weibe, welches ihr so seltsam gleicht? Warum muß diese schwere Prüfung, welche ein steinernes Herz kaum bestehen könnte, meiner leicht erregten Seele auferlegt sein? Ich will stark sein! rief er; ich will durch jegliche Buße, welche du mir, Aquilina! auferlegst, deiner und aller deiner Herrlichkeit, welche um dich ist, wieder mich werth machen! Und wenn sie es nun selbst wäre? Die Gedanken gingen ihm herüber und hinüber.

Ihm war thränenweich zu Muthe; die verrätherische Gluth aber, welche in seinen Augen brannte, versagte ihm die Labung der Thränen.

Heftig preßte er den Goldreif, welchen ihm, einst Aquilina gegeben, an seine Brust, als könnte er dadurch die Zwietracht seines Innern erdrücken.

Es war um ihn endlich die Nacht so finster geworden, daß er kaum mehr den Weg erkennen konnte. Er wollte schon wieder umkehren, als er auf einmal das Getöse des Galopps einiger Reiter, welche die Straße von Ellerhaußen herunterkamen, vernahm.

Er blickte auf und starrte ihnen verwundert entgegen; denn die Augen des einen Reiters glänzten durch die düstere Nacht her wie zwei feurige Kohlen, und Georg kannte nur Einen, welcher solche schauerlich prächtige Augen hatte. Die Reiter kamen heran. Der Feueräugige hielt sogleich das Roß an, und rief: Georg, bist du es? So heiße ich, entgegnete dieser, und du bist Voland! –

Sie kennen sich? sprach der zweite Reiter mit wohllautender Stimme. Es ist der junge Freund, versetzte Voland, welcher auf jenem Maskenballe in C... vor, vier Jahren ihre Lebensansichten so gewandt bestritten hat.

Willkommen! rief der Graf, denn dies war der zweite Reiter, so sind wir ja alte Universitätsfreunde. So wurden unter dem nächtlichen Himmel alte Bekanntschaften munter erneuert.

Der Graf hieß den Diener, welcher ihnen nachgeritten war, absteigen, und Georg das Pferd vorführen. Wie auf Schwingen des Sturmwindes flog nun die Gesellschaft in das Städtchen hinein.


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