Julius Mosen
Georg Venlot
Julius Mosen

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Drittes Kapitel.

Georg fühlte sich jetzt vom Nachtfroste beinahe erstarrt. Noch immer war es Nacht; aber der Himmel hatte sich aufgeklärt, tröstlich schauten all die Sterne auf ihn herunter, und von diesem Anblicke fühlte sich seine Seele nach allen diesen Aengsten wieder erhoben.

Um sich vor der Kälte zu schützen, ging er in den Wald hinein, welcher an dem Fuße des Berges sich hinzog.

Bald fand er bei einer Klippe zwei große Felsenmassen so über einander geschoben, daß sie eine geräumige Höhle bildeten. Er flüchtete sich hinein, um den Morgen dort abzuwarten.

Wie es endlich an zu dämmern begann, und er schon aufbrechen wollte, vernahm er auf einmal mehrere rauhe, Männerstimmen. Er verbarg sich hinter einem Felsblocke, von wo aus er den freien Raum, welcher sich vor der Höhle befand, überschauen konnte.

Drei Männer in Pelze gehüllt, mit tief in die Gesichter hineingedrückten Mützen, mit Säbeln und Flinten, Messern und Pistolen bis an die Zähne bewaffnet, kamen aus dem Walde heraus, und gerade auf die Höhle, wo er sich befand, zugeschritten.

Wer hätte geglaubt, begann jetzt der Eine zu sprechen, daß dieses uralte Männlein so lange unter den Messerstichen sich wehren und leben gekonnt; – seine Siebenmeilenstiefel sollen mir gute Dienste thun! Jetzt, rief der Zweite, laßt uns alle Drei auf den Nebelmantel stellen, damit keiner von uns sich unsichtbar macht, und dann die Theilung beginnen!

Georg staunte. Ihm war es, als stünde er in einem Irrenhause, oder, als würde vielmehr ein altes Kindermährchen vor ihm lebendig. Siebenmeilenstiefel und Nebelkappe? das sind ja die wunderbarsten Dinge von der Welt! flüsterte er vor sich hin; auf jeden Fall aber sehe ich vor mir Räuber, welche mit einander faseln und in ihrer Art scherzen.

Der dritte dieser Räuber, denn dies waren die abenteuerlichen Gesellen wirklich, versetzte jetzt: denkt nach, Kameraden! wer spionirte es aus, warum dieses Kerlchen mit dem Winde um die Wette laufen, und sich unsichtbar machen konnte, wer war es? Ich! – darum seid billig und überlaßt mir den alten Nebelmantel und ihr behaltet die Stiefel! –

Und ich habe ihn todtgemacht wie ein Kaninchen, abgewürgt wie ein Huhn, gestochen wie eine bratende Gans! erwiederte der Erste; und die Stiefel behalte ich allein! –

Ein heftiger Streit entspann sich unter den Räubern; auf einmal knallten mehrere Schüsse auf; Georg hörte ein Stöhnen und sah, wie jetzt zwei derselben mit Messern auf der Erde rangen. Ein heftiger Schrei entfuhr dem Einen; der Andere sprang auf, stürzte aber bald wieder nieder und begann heftig zu wimmern. Jetzt wurde es ganz still umher.

Unterdessen war der Tag mit seiner Helle angebrochen. Georg kroch aus seinem Verstecke hervor und näherte sich dem Kampfplatze. Seine Füße traten in Pfützen vergossenen Blutes.

Unfern von einem alten Mantel und ein Paar weiten Stiefeln von grünem Saffian lagen zwei Räuber todt dahingestreckt; weiter abwärts ein Dritter, welcher ihm jetzt zurief: erbarmt euch meiner, wer ihr auch seid! und gebt mir einen Tropfen Wasser zu trinken; ich will euch dafür ein Geheimniß entdecken, daß euch glücklich, uns aber zur Beute der Würmer macht.

Georg nahm einen der Stiefel, eilte hinunter in das nahe Thal, schöpfte ihn voll Wasser und brachte dem sterbenden Manne diesen frischen Trank.

Auf einen Zug leerte der Dürstende den Stiefel aus und stöhnte: es ist der letzte Stiefel, den ich ausgetrunken habe. Dort in der Höhle in der Ecke rechts unter einem großen, mit einem rothen Kreuze bemalten Stein, werdet ihr Geld und Kostbarkeiten genug finden, um euch für eure Mühe bezahlt zu machen! – Ihr könnt Alles mit gutem Gewissen annehmen, wenn ihr sonst gewissenhaft seid, denn die ehemaligen Besitzer davon sind abgethan; jener Mantel aber ist eine Art Nebelkappe und macht unsichtbar; und diesen Stiefel, woraus ihr mich getränkt, hat der beste Schuster von der ganzen Welt zusammengenäht. Jetzt versagte dem Todwunden der Odem, er stöhnte heftiger und war bald darauf verschieden.

Als Georg kein Lebenszeichen mehr an den Leichnamen gewahrte, legte er dieselben in einer Felsenecke übereinander, bedeckte sie mit Moos, Erde und Baumzweigen und bestattete, so gut er konnte, diese seine Erblasser.

Hierauf begann er sich der unverhofften und rätselhaften Erbschaft, bevor sie noch unter den Händen der römischen Gerechtigkeit, und der Rechts- oder vielmehr Sachfreunde den Schmelzungsprozeß überstanden hatte, mit dem ruhigsten Gewissen anzumaßen.

In der Höhle fand er gar bald das kirchliche Symbol des Kreuzes auf dem Steine, welches auch hier, wie anderswo, das Unheilige und Irdische unter dem Scheine frommer Demuth bedeckte.

Dies war die angenehmste Ironie von der Welt; denn der, welcher zuerst den Witz zufällig einsah, behielt doch immer einen allgemein gültigen oder vielmehr güldigen Satz in der Hand.

Georg konnte nur einen geringen Theil von der Menge des Goldes, welches er fand, mit sich fortnehmen. Er bedeckte daher das übrige wiederum sorgfältig mit dem Steine, um gelegentlich wieder zu dieser Schlafkammer der Fortuna zurückzukehren.

Er that jetzt den angeerbten Mantel um, und zog die saffianenen Stiefel an, welche ihm so genau an seine Füße paßten, als wären sie nur für ihn gefertiget worden.

Jetzt stand er da, ungefähr wie Einer, der das heimliche Rezept, sich flugbar zu machen, aufgefunden zu haben glaubt, und nun demgemäß ausgerüstet, auf dem Kirchthurme, um den ersten Versuch auf Tod und Leben zu machen, bereit steht.


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