Julius Mosen
Georg Venlot
Julius Mosen

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Drittes Kapitel.

Gemüthlich plaudernd ruhten die Freunde dort von der ersten großen Hälfte ihres Spazierganges aus. Erquickliche Kühle verbreitete das muntere Gewässer der Quelle. Furchtlos badeten sich vor ihnen im Wassergraben die bunten Finken und gelben Ammer. Allerlei Käfer mit rothgesprenkelten, grünen oder blauen und anders gefärbten Flügeldecken summten oder liefen über die Blätter und Blumen.

Diese Quelle, begann Georg zu sprechen, heimelt mich eben so an, als wie sie mich in ihrem Silberblicke an manche froh verlebte Stunde erinnert.

Richtig! versetzte Heinrich, komme auf den Weg, mir noch einige Scenen aus den Jahren deiner Kindheit zu erzählen. Mich freut es innerlich, auf Wiese und Feld, im Garten oder in der stillen Stube mit dir zusammen zu treffen; denn was du auch aus jenen Zeiten erzählen magst, so ist es mir dennoch wie Selbsterlebtes bekannt und daran erinnert zu werden, thut mir sehr wohl.

Diese klare murmelnde Quelle, fuhr Georg fort, scheint mir vom Bache im Thale, welches hinter den Hügeln meines Geburtsortes sich hinzog, mancherlei Grüße zuzuflüstern. Dieser Bach gehörte zum Landgute meines Vaters und goß sich eine Stunde weiter von uns entfernt, in den Rheinstrom aus. Jeder Dümpfel darinnen, jeder Baum, jede Staude daran, war mir bekannt.

Mir und noch einigen meiner Jugendgenossen ward es oft vergönnt, mit der Angel darinnen zu fischen; denn der Bach war nicht gar tief und wir sämmtlich rüstige Knaben.

Am liebsten jedoch fingen wir Krebse, welche wir mit mancherlei Ködern auf die, mit Netzen überzogenen Reifchen, aus ihren heimlichen Hölen unter den Erlenwurzeln hervorlockten. Wenn nun von allen Seiten die stattlichen Krebse herankrochen mit ihren fühlenden Schnurren und wir nun am Ufer standen, lauschten, bis die genäschigen Scheerenleute fangrecht in der Mitte schmausend um den Köder saßen, und nun langsam und vorsichtig die Netzchen herauf an das Ufer hoben, welches Jubeln gab es da! –

War nun der Tornister des alten Jägers, welcher als Oberaufseher uns mit gegeben war, tüchtig vollgefüllt, dann kam erst die schönste Ergötzlichkeit.

In einer Krümmung des Baches lag, zwischen Weiden und Erlen versteckt, der heimlichste Dümpfel, tief genug, um uns bequem baden, und hinlänglich sicher, um keine Gefahr nehmen zu können. Dorthin ging nun der Zug. Bald herunter waren die Kleider. Spürten wir uns abgekühlt, so tauchte sich um die Wette der Schwarm der kleinen Fischer in den flüssigen Spiegel. Die Spiele und Freuden der Griechenjugend, wie sie mir Diodor beschrieben hatte, wollten mir da wieder lebendig werden, wenn ich also in tausendfachen Wendungen die glänzenden Leiber meiner Spielgenossen um mich her in den sprühenden Fluthen des bewegten Wassers gaukeln und plätschern sah. –

Dieser Bach und der Kirchthurm in unserem Dorfe haben meine schönsten Stunden gesehen. Diese zwei Gegenstände bleiben fortwährend unverwischt in meinem Gedächtnisse, so geringfügig auch für einen Dritten Beides, und selbst meine ganze Jugendgeschichte sein mag.

Alles, was ich je gedichtet habe, geschah im Gedanken auf diesem Thurme zum Schallloche hinaus und alle schönen Genüsse, welche mir später zu Theil geworden sind, zogen wie Sonnenstrahlen in dieses Thal oder zu diesem Thurme, sich nach einen Punkt hinneigend, zurück.

Während solcher Erzählungen gingen die Stunden des heißeren Mittags vorüber. Die beiden Freunde brachen auf und schlugen sich seitwärts zurück nach der Gegend des Jägerhauses zu. Erst spät am Nachmittage gelangten sie in das Thal hinunter, wo sie in der Mitte einer grünen Rasenstrecke das einsam gelegene Gebäude, unfern eines Teiches, welcher aus dichtem Birken- und Fichtengebüsche hervorblitzte, endlich gewahrten.

Das Thal war von steilen Bergwänden, auf welchen mancherlei Beere, Kräuter und Waldblumen prangten, von zwei Seiten eingeschlossen. Auf den Gipfeln umher standen, wie riesige Wächter, hohe, dunkle Fichten, welche der ganzen Umgebung einen eigenthümlichen Charakter friedlicher Abgeschlossenheit aufprägten.


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