Julius Mosen
Georg Venlot
Julius Mosen

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Drittes Kapitel.

In der alten Werkstatt Vulkans auf dem glühenden Schwefelboden der Solfatara bei Neapel stand Georg. An allen Enden schoß in Qualm und Dampf das Höllenmineral an.

Aus einer Grotte, welche schachtartig in die Unterwelt hineingetrieben schien, schallte auf einmal eine Stimme: Verflucht! hier könnte man ehrlicher Weise ersticken. Ein starkes Husten erfolgte.

Georg trat hinzu, um den Verwegenen zu sehen, welcher sich zu diesem Schwefelpfuhle hineingewagt; und Doctor Voland mit seinem todtenbleichen Gesichte sprang heraus, indem er große schöngelbe Schwefelzapfen in den Händen hielt.

Sie staunten sich gegenseitig an, bis endlich der Doctor ausrief: Glückskind, willkommen! wir treffen uns zufällig und erwünscht!

Er stürzte auf ihn zu, und umarmte ihn. Herzensfreund, sprach er, was machst du hier? konntest du mir nicht ein Wort davon schreiben, daß du eine Reise hieher machen wolltest? wie lieb wäre mir deine Gesellschaft gewesen!

Georg fragte: aber, Doctor! was treibst du denn hier mitten in diesem Qualme der Schwefelhallen? –

Mineralogie! versetzte Voland, und der Wissenschaft zu Liebe muß man schon Etwas wagen! Freund! wundert es dich nicht auch, daß die Engländer diese antike Schwefelfabrik nicht schon längst nach Altengland hinüber transportirt haben? Wie würde dieses Maschinenvolk die Sache in Gang gebracht haben! Ich möchte Thränen vergießen über all die eingeschwefelten Speculationen, welche hier vergraben sind! – Salpeter möchte ich weinen, um hier einen Schuß Schießpulver zu machen, damit der erste Goddam, welchem bei solchen Gedanken ein wenig anders würde, gleich ein Mittel für seinen Spleen zur Hand hätte! – Was geht uns aber dieses Einmaleins an; freuen wir uns des schönen Zusammentreffens! Wir bleiben doch nunmehr beisammen?

»Wenn du mit nach Deutschland zurückreisen willst, so ist es möglich!« versetzte Georg.

Voland eiferte: »wieder zurück zu dem aschgrauen Norden, wo Schwalben und Koth über die Dächer und verzweifelnde Magister mit unglücklichen Manuskripten durch die Straßen fliegen, rathlose Räthe als fünftes auf vier Rädern, Obermauthinspectoren in Harnisch, die Ritter in den Schlafrock, bankrottirte Kaufleute aber über Land und gestrenge Gnaden oben hinaus fahren? Nach Deutschland zu den Frau Gevatterinnen und der Vicegeheimeuntersekretärinn, um ganz im Geheimen von der geheimen Liebschaft der geheimen Räthin unheimlich zu flüstern? Ich bin gerührt! Thränen treten in meine Augen. Es ist ein Großes um das Vaterland! – Nein, sprich, im Ernste, willst du wieder hinreisen? Was willst du dort thun?«

»Ich werde mir einen Wirkungskreis im Vaterlande wählen, wo ich nützend meine Kräfte gebrauchen, und nach verschiedener Richtung hin mich ausbilden kann!« erwiederte Georg.

»Georg!« fuhr Voland fort, »um die deutsche Hungerkur der niedern Beamtenwelt auszuhalten, fehlt dir die Geduld; und besäßest du auch selbst das nöthige Blei am rechten Flecke, so hättest du dennoch für das Tabellen- und übrige Schreibunwesen zu viel Feuer im Kopfe; um in den Kreis höherer Statsbeamter einzutreten, fehlt es dir an Connexion, sonst Gevatterschaft genannt, an Geschmeidigkeit, sonst Kriecherei, einem sich repräsentirenden Wesen, sonst höflicher Weise Dünkel geheißen; – um unter dem Joche des Bauernstandes, bei Sklavenarbeit und Galeerenkost für die Erlaubniß zu leben dich halb todt zu plagen, hast du zu wenig deutsche Sanftmuth; ein Handwerk aber verstehst du nicht, noch dir sonst mit Flaschen und Pulvern Geld zu machen, und um als Dichter für Buchhändlersold zu singen, Tag und Nacht wie ein geblendeter Finke, bist du noch nicht unglücklich genug! – Pfarrer aber willst du doch nicht werden? Dieß Herzeleid thust du mir nicht an! Nun sprich, wo paßest du in das Arbeitshaus, Vaterland von dir genannt, hinein! – Armer Thor! Deine große Brust wird den Schnürleib der Convenienz nie ertragen! sie wird zerspringen wie ein junger Baum vor Ueberfülle des Saftes, um langsam zu verbluten, zu verdorren! – O, du Armer! – Mit einem Worte, bleibe bei mir! wir gehen mit einander nach Griechenland! nach Asien, wo die Leute noch Menschen, und edel, wie ihre Nasen, erhaben, wie ihre Stirnen, und feurig, wie ihre Augen sind! Es ist nichts häßlicher, als ein slawischer Fleischknoten statt einer Nase im Gesichte, so eine glückliche Gemüthsanlage dieß auch bedeutet. Georg, du gehst mit mir!«

»Ich will es dir gestehen, Doctor, meine Baarschaft reicht nicht hin!« sprach Georg niedergeschlagen.

»Weiter ist dir nichts? – Freund, ich bin ein Zahuri, und kein Metall liegt unter der Erde oder im Meere, das ich nicht fühle. Sieh! so bin ich ein natürlicher Schatzgräber. Geronnen oder nicht, glänzend oder nicht, Erde ist Erde! und so wollen wir uns die Kenntniß über die Erde wohlfeil genug mit Erde einkaufen. Wir reisen mit einander, so weit wir eben Lust haben, und für Uebriges sorge ich. – Wie wollen wir zusammen sehen, lernen und genießen, und weit hinaus über das blaue Meer zu blauen Wundern, und in Länder reisen, an welchen der Schöpfer das Mögliche gethan, in Länder, von welchen Italien mit allen seinen Inselchen, Landzüngelein, und Vorhügeln, nur ein schwaches Nachbild, und Marzipankunststück ist, den Vesuv überall ausgenommen! Nach Indien reisen wir, wo der Mensch vor Ueberseeligkeit zu Stein erstarrt, nach Georgien, wo die edelsten Sprößlinge Eva's zu schönster Wollust heranwachsen, und wie übervolle Rosen aufschwellen, daß vor dem Ingrimm der Seeligkeit man den Leib in Atome zersprengen möchte! – dann hinauf zu dem gelben Samojeden, der mit der Fischotter sich herumzankt! Pikant muß die Reise werden; ohne Brille wollen wir die Menschheit und die Erde, worauf sie herumkriecht, studiren! Was wollen wir für Werke ausarbeiten; ich ein mineralogisches Tagebuch, welches Aufschlüsse, ungemeine, geben soll, und du Gedichte, welche Füße und Feuer haben! Wir gehen zusammen, schlage ein!«

»Hier hast du mich, Zahuri!« rief Georg.

»Morgen reisen wir nach Maltha, Bruder!« versetzte der Doctor, »und nun laß das Leben herankommen; wir wollen es fassen, wie der Löwe seine Beute!« –

Sie gingen mit einander nach Neapel zurück. Ueber das dunkelblaue lazurne Meer, über die Inseln Capri, Ischia, und über die blaugrünen Küsten von Castellamare und Sorrento woben sich milchblauliche Düfte; drüber hinaus aber hob sich der wolkenlose Himmel in glühender Klarheit empor. Mitten in diesem Paradiese lag Parthenope hingestreckt mit ihren weißen Riesengliedern am Meere, um ihre heiße Brust an der Seeluft abzukühlen.


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