Julius Mosen
Georg Venlot
Julius Mosen

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Zweites Kapitel.

Georg hatte noch nicht lange so gelegen, so klopfte es an seine Thüre. Er rief: herein! die Thüre öffnete sich: Doctor Voland zeigte sich und stand vor ihm.

Ich habe nunmehr Langeweile drüben beim Feste, begann er zu sprechen, darum komme ich zu dir, mein Freund!

Verruchter! schrie Georg auf, nenne mich nicht deinen Freund; verhaßt bist du mir mehr, als ein Pestgeschwür; mehr als die Natter, welche dir gleicht! Warst du es nicht, der mir früher immer vorspiegelte, Aquilina wäre nur eine Ausgeburt meiner Phantasie; warst du es nicht, der in Persien meine Eitelkeit, um die Königstochter zu werben, so tückisch zu erregen wußte?

Was ist mit dir? ich verstehe dich nicht, versetzte Voland; ich war nie mit dir in Persien! – Aquilina? Königstochter? Bist du krank oder wahnwitzig?

Höhnisches Unwesen, erwiederte Georg, laß mich! Lügengeist! Abschaum der Menschheit! Über mich Verblendeten, der ich dich je zu meinen Gesellen machen konnte! –

Schüttle dich aus! versetzte lächelnd Voland; du siehst ich kann mit Freunden Geduld haben; zumal wenn der Wein aus ihnen faselt.

Schrecklich, schändlich! rief Georg. Alle die Noth, welche nach meinem Falle mich ängstigte; die Bettlerarmuth und tausendfachen Kummer in ihrer Begleitung will ich dir nicht anrechnen; aber, stehe mit Rede und gieb, du Verstockter, mir Antwort! Warst du es nicht, den noch vor wenig Stunden, ein schönes Gefühl in mir zu einer theuren Freundin so niederträchtig zu schüren wußtest, bis ich von Neuem in meiner Seele an Ihr, an Aquilina sündigte? Schändlicher, warst du es nicht, der meinen Verstand an mein Blut verkuppelte?

Sticht doch der Romanschreiber überall vor, versetzte der Doctor. Was gehn mich deine Liebschaften an? Hattest du nicht stets selbst freies Thun und Lassen? Und habe ich je einen Vortheil von deinen Späßen gehabt, die ich nun verantworten soll? Da nun der Wurm satt hat, möchte er mir den Überfluß in das Gesicht speien! Was kann ich dafür, daß du diesen Abend süße Küsse genascht, und überhaupt gemerkt hast, daß nicht im Streben, sondern im Genusse das Glück liegt? Kann ich dafür, daß deine Befangenheit, die dir freilich natürlich, aber nicht mein Fehler ist, dich wieder quält? Überhaupt ist es denn meine Schuld, daß kein Erschaffener je glücklich sein, und sich nur einigermaßen so fühlen kann in seeliger Ahnung des Nichtseins?

Satan! Satan! schrie Georg auf, dieß ist deine Sprache. Verführer meiner Jugend, Satan! ich kenne dich nunmehr; doch an mir hast du keinen Theil!

Scherzeshalber will ich einmal die Rolle des Genannten übernehmen, und nun, was hättest du an mir und meinen Diensten, welche ich dir geleistet habe, auszusetzen?

So sprich, rief Georg, was drängst du dich ungerufen an mich? Was willst du mit mir?

So wisse und bebe! sprach der Sonderbare. Horch auf, Menschenkind! so wohlgelaunt, wie jetzt, triffst du mich selten, daß ich dir einen hellen Blick in die Geisterwelt gestatten möchte.

Volands Worte rollten jetzt wie Donner, oder wie das Hallen von Posaunen.

Er fuhr fort: Als im unermeßlichen Irrwahne der Urgeist sich von Neuem schaffen wollte, mußte sich sein Wesen dreifach trennen, in das unbedingt Ruhende, in das unbedingt Strebende und das Allverneinende. Die letztere Seele bin ich.

Der Zweck der Schöpfung sollte ewig werdende Glückseligkeit sein, indem der Geist des Strebenden zum Geiste der unbedingten Ruhe ewig sich hinüberläutern sollte. Aber wie konnte der Schöpfer je das Erschaffene selbst werden?

Hierinnen liegt der große Widerspruch des Daseienden mit sich selbst!

Endloses Ringen nach Allglückseeligkeit, welche unmöglich ist, und das Zurückstürzen der Wesen in endlose Verzweiflung ist das Loos des Geschaffenen.

In diesem Punkte brennt die dunkle Wunde der verfehlten Schöpfung.

Als ich diesen Fehler nach Jahrtausend langem Grübeln entdeckte, überkam mich ein unermeßlicher Jammer.

Still und denkend lag ich dem Schaffer und seinem Weltalle gegenüber, ewig frei in der Urnacht des Nichtseins. Und wie ich sann und grübelte, fand ich des Räthsels Lösung. Das Problem mußte sich in entgegengesetzter Richtung lösen. Im Nichtsein nur ist Ruhe; alles Seiende strebt seiner Natur nach darauf hin.

Da stieg ich auf, den verworrenen Knäuel der Schöpfung zu lösen. Welten stürzten vor meinem Fußtritte um, und über euere Erde goß sich vor Angst das Weltmeer.

Jeder Irrthum muß in sein Nichts zurückfallen; darum ich mir die Aufgabe, bis in die Materie, die strebenden, armen, unglücklichen Geister zurückzuführen; und sie dann mit der Materie zugleich aufzulösen.

Schrecklicher! seufzte Georg, ist dir dieses je möglich geworden, bis zur starren Unempfindlichkeit, bis zum vergehenden Rauche ein denkendes Wesen zurückzubringen?

Und warum nicht? versetzte jener. Hast du nie davon gehört, wie uralter Mythos, dessen Mysterien ihr aber ungläubig im einfältigen Hochmuthe nicht verstehen wollt, von Menschen spricht, welche in Thiere und Steine verwandelt worden sind? Hast du noch nie gehört von meinen Anbetern in Indien, welche ihren Geist, selbst das Empfinden ihres Leibes abzutödten suchen, um die Glückseeligkeit des Steins zu erlangen?

Schaue um dich! betet mich nicht fast die ganze Welt an, indem sie das Strebende als unseelig, das ruhig Hinstarrende aber als letztes Ziel hinstellt? Narr! siehst du nicht die ungemessene Menge der Geister in meinem Dienste glücklich, glücklicher wenigstens, als sie im alten Wahne, der sie im ewigen Kreislauf herumquält, sein könnten?

Ich will blos das Allheit, welches in der Allruhe liegt; dahin muß ich den Schöpfer und das Geschaffene zurückbringen – zum Ruhepunkte des Nichtseins.

Alle Elemente arbeiten in meinem Dienste, Vernichtung herbeizuführen. Unter und über der Erde toben die Vulcane, vom Nord- und Südpole herein schreiten meine Eisriesen, die Gletscher; und Meere fressen unter und neben sich. Wie ich bereits im Monde alles Lebende verkalkt, andere Planeten gänzlich zersprengt habe; und wie so endlich Alles zusammenstürzen muß, in ein glühendes, vernichtendes, sich selbst verzehrendes Chaos, wirst du nunmehr begreifen.

Vergebens hat Er sich selbst in Menschengestalt für seine Schöpfung hinzuopfern gesucht! – er blieb Er, und die Schöpfung, und die in Materie eingewickelte Geisterwelt blieb dennoch, was sie war – ein Mißgriff.

Vergeblich hat er sich, um mich zu vernichten, dreifach getheilt; er blieb Eins, und die Schaffung, so wie Ich außer ihm.

Diesen Weltuntergang und meinen Sieg gesteht Er selbstlos ein in seiner Offenbarung, welche er Euch gegeben hat.

Wenn aber das Strebende in der Vernichtung seiner Hülle, der Materie, sich ausgeglichen hat zwischen mir und ihm; dann werde Ich und Er, wie die zwei Pole einer Stange, welche ganz vom Feuer verzehrt wird, zusammenfließen in Eins.

Dieses und Anderes habe ich deinen Vorältern auf Island geoffenbaret in der Edda.

Bis dahin ist Kampf! Wag der Wahn mit der Wahrheit um die Herrschaft ungezählte Zeiträume hindurch ringen; sie muß dennoch endlich siegen!

Thor! darum werde dir selbst genug, verneinend, ihn und den Wahnwitz seiner Schöpfung! Mein Herz ist voll des Erbarmens mit dir! – Einige dich mit meinem Geiste!

Georg schrie vor Entsetzen auf: Gott, mein Gott! wirf dieses Unwesen von mir hinweg und schenke mir deine Kraft gegen dasselbe!

Voland stand vor ihm großartig und schön; doch todtenbleich und furchtbar. Leblos schien sein Gesicht, außer daß nur leise Krämpfe um seine eingezogenen Lippen hinspielten, und unter der hohen Stirne die Augen, jedoch starr und unbewegt, im grünen Feuer leuchteten.

Hebe dich von mir, Versucher! rief Georg von Neuem, indem er wie abwehrend seine Hände vor sich hinstreckte.

Mit einem unnennbaren Ausdrucke im Gesichte schaute der Furchtbare ihn an. Er wandte sich. Das Haus erbebte und krachte und Er verschwand.


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