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Siebenundfünfzigstes Kapitel.

Der fleißige Tommy. – Noch einmal bei den Yams und den Bananen. – Die Wilden kommen.

 

Eine weitere Woche verging, während welcher Rüstig das Boot ausbesserte und Wilhelm und sein Vater sich mit dem Umgraben des Gartens beschäftigten. Auch im Hause fehlte es nicht an Arbeit, da man seit langer Zeit keine große Wäsche gehabt hatte. Frau Sebald und Juno hielten sich tüchtig daran, sogar die kleine Karoline half nach ihren schwachen Kräften und Tommy zeigte sich verständiger als je, indem er das Wasser herbeitrug und auf den kleinen Albert acht gab. Er erwies sich so arbeitseifrig, daß die Mutter ihm in Gegenwart des Vaters ein freundliches Lob spendete, was ihn mit großem Stolz erfüllte.

Am Montag unternahmen Rüstig und Wilhelm eine Fahrt nach dem kleinen Hafen; sie fanden die Herde in bestem Zustande; von den Bananen und Guaven waren die meisten zwar bereits überreif und verdorben, immerhin aber konnten sie noch so viel verwendbare sammeln, daß das Boot davon halb gefüllt wurde. Das Yamsfeld war den Schweinen nicht erreichbar gewesen, und die Zelte standen noch so da, wie man sie verlassen hatte.

»Ich denke, wir thun am besten, wenn wir das Vieh vorläufig noch hier lassen,« sagte der Steuermann; »kommt ein Sturm, so kann es im Walde Schutz suchen und an Futter fehlt es auch nicht. Die Zelte dagegen werden wir in nächster Zeit holen müssen, die dürfen nicht zu naß werden. Wollen wir jetzt heimkehren, Willy?«

»Wie Sie meinen, Papa Rüstig. Einen weiß ich, der sich über unsere Ladung mächtig freuen wird, das ist der Tommy. Aber wollen Sie nicht noch einige Yams ausgraben?«

»Gut, daß du mich daran erinnerst, der Spaten steht im Zelt.«

Man grub die Yams aus und machte sich dann auf die Rückfahrt. Noch hatten sie die Bucht nicht erreicht, da bewölkte sich der Himmel und die Anzeichen eines heraufziehenden Sturmes machten sich bemerkbar. Sie vermochten noch vor dem Regen den Strand zu gewinnen, dann aber prasselte ein heftiger Schauer hernieder, ein Vorbote der zu erwartenden Regenzeit.

Die Früchte erregten im Hause große Freude, besonders die süßen Bananen, die noch keiner der Sebalds zuvor kennen gelernt und gekostet hatte; Tommy war geradezu gefräßig, er stopfte so viel in sich hinein, daß der Vater sich genötigt sah, den Bananenkorb aus seinem Bereich zu bringen.

Der folgende Tag brachte wieder feines Wetter und die ganze Natur zeigte sich erfrischt durch den Regen. Rüstig aber hatte sich entschlossen, bereits am nächsten Tage die Zelte zu holen und bei der Gelegenheit so viel Yams mitzubringen, als das Boot tragen konnte. Am Abend machte er mit Wilhelm die gewöhnliche Runde und mußte hierbei zu seiner Beunruhigung wahrnehmen, daß der Wind nach Osten herumgegangen war.

»Da wird es uns morgen schlecht gehen, Papa Rüstig,« sagte Wilhelm zu seinem Begleiter, »wir können freilich mit dem leeren Boote hinaufsegeln, aber wenn wir hernach volle Ladung haben, dann müssen wir damit gegen den Wind anrudern und das wird uns sauer werden.«

»Wenn es nichts Schlimmeres giebt, dann will ich mich nicht beklagen,« entgegnete der Steuermann; »jetzt aber müssen wir heimkehren. Mit Tagesgrauen bin ich wieder auf, du kannst also morgen länger schlafen, wenn du willst.«

»Daran bin ich nicht mehr gewöhnt,« entgegnete der Knabe, »ich begleite Sie daher, wenn ich darf.«

»Gut also, ich freue mich immer, wenn ich dich bei mir haben kann.«

In der Frühe des nächsten Morgens öffneten Rüstig und Wilhelm leise die Thür der Pallisaden und schlugen den Weg zum Strande ein. Der Wind blies frisch und noch immer aus dem Osten, der Himmel war bezogen. Trüber als sonst stieg die Sonne aus dem Meere empor, und als sie den etwas dunstigen Gesichtskreis erhellt hatte, da hob der Alte das Fernglas ans Auge und schaute lange gen Osten über die See hinaus.

»Sehen Sie etwas, Papa Rüstig?« fragte der Knabe endlich, weil der Steuermann das Glas gar nicht sinken ließ und auch kein Wort über die fest geschlossenen Lippen brachte.

»Entweder täuschen mich meine alten Augen, oder ich sehe wirklich etwas,« antwortete Rüstig; »in wenigen Minuten werde ich wissen, was es ist.«

Auf der östlichen Kimmung lagerte eine lange, niedrige Wolkenbank; als die Sonne sich über dieselbe erhoben hatte, sagte der Alte, der das Glas auf jene Gegend gerichtet hielt:

»Es ist so, wie ich mir dachte; die dunklen Flecken sind ihre braunen Grassegel.«

»Wessen Grassegel?« fragte Wilhelm schnell.

»Die Grassegel der malayischen Kanus, mein Junge; ich wußte, daß sie kommen würden. Nimm du einmal das Glas, meine Augen schmerzen mich von dem langen Hinstarren.«

Der Knabe suchte eine Weile mit dem Teleskop am Horizont.

»Jetzt habe ich sie,« rief er dann. »O, Papa Rüstig, ich sehe mindestens zwanzig oder dreißig Fahrzeuge!«

»Und in jedem sitzen zwanzig oder dreißig Wilde, mein Junge.«

»Allmächtiger Gott! Was fangen wir an? O, wie wird meine arme Mutter sich fürchten! Gegen eine solche Überzahl können wir nichts ausrichten!«

»Doch, mein Junge,« entgegnete der alte Seemann ruhig, »wir können und müssen sehr viel ausrichten. Daß da einige Hundert Wilde gegen uns heranziehen, ist sicher, aber du mußt nicht vergessen, daß wir eine Pallisadenverschanzung haben, die nicht so leicht zu überklettern ist, auch verfügen wir über Schießgewehr und ausreichende Munition; wir können uns daher tüchtig wehren, vielleicht sogar die Wilden zurückschlagen, die keine andern Waffen haben als Keulen und Speere.«

»Sie kommen furchtbar schnell heran, Papa Rüstig; in einer Stunde können sie hier sein!«

»So bald nun wohl nicht, auch nicht in zwei Stunden; diese großen Kanus segeln nicht so schnell. Trotzdem haben wir keine Zeit zu verlieren. Ich bleibe hier, um sie noch eine Weile zu beobachten, du aber lauf schnell ins Haus und schicke den Vater zu mir, dann sieh nach den Gewehren und schaffe die Pulverfässer und die Patronen aus dem alten Hause in die Pallisaden. Laß dir von Juno dabei helfen, überstürze jedoch nichts, da wir zu allen Vorbereitungen noch vollauf Zeit haben. Hast du alles gethan, dann komm wieder her!«

Wilhelm lief davon und bald darauf erschien sein Vater am Strande.

»Es droht uns eine Gefahr,« war dessen erstes Wort; »Wilhelm wollte mit der Sprache nicht heraus, jedenfalls um seine Mutter nicht zu ängstigen, aber ich weiß, es steht uns etwas bevor. Was ist es?«

»Was wir längst gefürchtet haben,« entgegnete der Steuermann. »Die Wilden kommen in ihren Kriegskanus und zwar in einer Stärke von vielleicht fünf- oder sechshundert Kriegern; es gilt jetzt, für unsere Lieben und für unser Leben zu kämpfen.«

Vater Sebald erbleichte.

»Glauben Sie denn, daß wir den Kampf mit einer solchen Übermacht überhaupt wagen können?« fragte er.

»Mutige Männer dürfen alles wagen, Herr Sebald; ich zweifle gar nicht daran, daß wir unter Gottes Beistand mit den Feinden fertig werden; es gilt allerdings einen harten Kampf, vielleicht einen Kampf, der mehrere Tage dauert.«

Sebald hatte das Glas ergriffen und auf die herankommende Flotte der Kanus gerichtet.

»Wir werden es mit einer fürchterlichen Übermacht zu thun haben,« murmelte er.

»Ganz recht, Herr Sebald, aber drei gute Büchsen hinter einer festen Verschanzung nehmen es mit all ihren Keulen und Speeren auf, vorausgesetzt, daß keiner von uns verwundet wird.«

Sebald schwieg eine Weile. »Wir müssen unser Vertrauen auf Gott setzen und uns wehren, so gut wir können,« sagte er dann ruhig und gefaßt. »Ich will Ihnen zur Seite stehen, so lange noch ein Atemzug in mir ist und auch mein Wilhelm wird seine Schuldigkeit thun. Ich weiß ja, wofür ich kämpfe, denn ich habe ein Weib und eine Familie; für Sie, mein Freund, fällt dieser Beweggrund fort,«

»Sagen Sie das nicht, Herr Sebald,« entgegnete der Alte; »ich werde um mein Leben kämpfen, das zwar nicht mehr viel wert, aber immer noch zu gut ist, um es unter den Händen solcher Kreaturen auszuhauchen; dann aber kämpfe ich auch für Sie und für Ihre Familie, denn ich habe Sie alle lieb gewonnen. Aber genug der Reden, denken wir jetzt an unsere Verteidigung. Wir müssen an der Innenseite der Pallisaden noch einige starke Planken anbringen, darauf zu stehen, sonst können wir die Feinde von innen weder sehen, noch auf sie schießen. Zunächst aber wollen wir zum alten Hause gehen und den nötigen Proviant von dort in unsere Festung schaffen, denn über das alte Haus werden sie zuerst herfallen und vielleicht alles zerstören; die Fässer zerschlagen sie sicherlich, schon wegen der eisernen Reifen. In einer Stunde können wir noch viel schaffen, da die Entfernung ja nicht groß ist. Sonst wäre die Festung mit allem, was wir brauchen, versehen; Juno hat ihre Feuerung, das große Wasserfaß reicht für mehrere Wochen aus, und bleibt uns noch Zeit, dann holen wir mit dem Wagen noch einige Schildkröten aus dem Teich, um auch mit frischem Proviant versehen zu sein.«

»An Schildkröten brauchten wir eigentlich jetzt nicht zu denken,« warf Sebald hin.

»Warum nicht, Herr Sebald? Ist es nicht besser, wir haben sie, als daß die Wilden sie uns aufessen? Ich werde so viel herbeischaffen, als nur möglich; wir brauchen sie ja gar nicht zu verzehren, denn wenn wir die Tiere im Schatten auf den Rücken legen, dann bleiben sie wochenlang lebendig.«

Während dieses Gesprächs hatten sie das Haus erreicht, wo Wilhelm und Juno soeben mit den Pulverfässern und den Patronen eingetroffen waren. Sebald begab sich zu seiner Frau, um dieselbe von dem Bevorstehenden in Kenntnis zu setzen. Wider alles Erwarten hörte sie die Kunde ganz ruhig an.

»Wir wußten ja seit langer Zeit, daß ein Besuch der Wilden zu erwarten war,« entgegnete sie, »ich bin daher keineswegs überrascht, und was in den Kräften eines armen, schwachen Weibes steht, das will ich redlich thun. Wenn es gilt, meine Kinder zu verteidigen, dann soll es mir nicht an Mut gebrechen.«

»Dich so reden zu hören, ist ein Trost und eine Stärkung für mich,« antwortete ihr Gatte. »So viel Mut in einer zarten Frau wird Gott nicht unbelohnt lassen.«

»Ich will überall Hand anlegen und helfen, wo ich kann,« fügte die brave Mutter hinzu, »und was mir an Körperkraft fehlt, das will ich durch Entschlossenheit ersetzen.«

Sie machten sich auf den Weg nach dem alten Hause, wohin Rüstig, Wilhelm und Juno ihnen bereits vorangeeilt waren. Die Kinder schliefen noch still in ihren Betten, so daß niemand zu ihrer Aufsicht zurückzubleiben brauchte.


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