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Fünfzehntes Kapitel.

Wie die Hunde Wasser fanden. – »Siehst du, mein Junge, so geht es auf der Welt!«

 

Die beiden Abenteurer schliefen so sicher und sanft, als lägen sie daheim im alten Vaterlande in weichen Betten. Die aufgehende Sonne erweckte sie. Ihr erster Blick fiel auf die armen Hunde, die vor Durst lechzten und winselten.

»Nun, Willy, mein Junge,« sagte Rüstig, »was meinst du, wollen wir erst frühstücken oder erst ein Stück marschieren?«

»Bester Papa Rüstig,« antwortete der Knabe, »ich kann keinen Tropfen Wasser genießen, so durstig ich auch bin, wenn Sie nicht erst diesen armen Tieren ein wenig zu trinken geben!«

»Ich empfinde für die Hunde dasselbe Mitleid wie du, darauf kannst du dich verlassen, und es ist keineswegs Gefühllosigkeit, wenn ich ihnen auch jetzt noch das Wasser verweigere; im Gegenteil, das soll uns und ihnen nützen. Komm, laß uns aufbrechen.«

Rüstig nahm den Spaten und schritt der Gegend zu, wo die Spuren des Regenwassers noch sichtbar waren; Wilhelm folgte ihm und die Hunde trabten trübselig hinterdrein.

Man langte in einer Bodenvertiefung an. Die Hunde schnupperten über der Erde hin und her, dann legten sie sich mit lechzenden Zungen nieder.

Der Alte schüttelte den Kopf, dann schritt er weiter, wieder gefolgt von Wilhelm und den Hunden. In einer kleinen Schlucht machte er abermals Halt. Die Hunde schnupperten eifriger als zuvor.

»Wie du siehst, Wilhelm, sind die Hunde jetzt so arg nach Wasser, daß sie es sicher entdecken, wenn welches hier herum vorhanden ist. Offene Wasserlöcher sind hier nicht zu erwarten, es ist aber möglich, daß das Erdreich hier oder dort Wasser enthält. Wenn wir weiter von der Küste entfernt wären, dann hätte ich schon mit dem Spaten mein Heil versucht.«

»Aber sagten Sie nicht, daß das Wasser im Boden brackisch sein würde?«

»Wenn man in gehöriger Entfernung vom Meere gräbt, dann hat man das nicht zu fürchten; das Erdreich dient gewissermaßen als Filter und macht dadurch das Wasser salzfrei; doch ist dies nur weit vom Strande der Fall. Ich wollte nur, daß diese Thatsache unter den Seeleuten mehr bekannt wäre, manchem Schiffbrüchigen würden große Qualen dadurch erspart. Ich weiß, was es heißt, mit einem Viertelquart Wasser den Tag über auskommen zu müssen; angenehm ist das nicht.«

»Sehen Sie nur, wie die Hunde dort in der Vertiefung so eifrig kratzen und scharren!« rief Wilhelm.

Rüstig schaute nach der angegebenen Richtung.

»Gott sei gelobt!« sagte er tief aufatmend. »Ich will dir nur gestehen, ich wurde schon recht verzagt.«

»Aber warum kratzen sie denn so?«

»Weil sie Wasser spüren. Jetzt wirst du erkennen, wie gut es war, daß wir sie die kurze Zeit schmachten ließen, das war unser aller Rettung, denn entweder mußten wir Wasser finden, oder die Insel verlassen. Ich will den armen Tieren mit dem Spaten zu Hilfe kommen, dann sollen sie bald für ihre Entbehrungen belohnt werden.«

Er ging schnell herzu; schon begann der Boden unter den Pfoten der Hunde feucht zu werden; sie gruben mit solch einem Eifer, daß Rüstig kaum dazu kommen konnte, den Spaten in die Erde zu stoßen. Schon in einer Tiefe von zwei Fuß trat das Wasser zu Tage und nach fünf Minuten konnten die Hunde in vollen Zügen ihren Durst löschen.

»Das ist eine Wonne für die Kerle,« lächelte Rüstig. »Was wäre aber auch Mensch und Vieh ohne Wasser? Jetzt haben wir alles, was wir wünschen können; gebe Gott uns Zufriedenheit, dann werden wir auf diesem Eiland ein glückliches Leben führen, glücklicher als jene Menschen, die in der Welt Reichtümern nachjagen, deren Besitz doch nur ein eingebildetes Glück bringt. Die Hunde haben genug, ich denke, auch wir gönnen uns jetzt ein wenig Frühstück.«

»Ja,« sagte Wilhelm, »und einen Trunk Wasser.«

»Das ist eine ergiebige Quelle,« meinte Rüstig auf dem Rückwege zur Lagerstelle, wo sie die Ranzen gelassen hatten; »wir müssen aber weiter hinauf nach ihr graben, dann bleibt sie im Schatten und trocknet nicht aus. Ich merke schon, das nächste Jahr wird uns eine Menge Arbeit bringen, wenn wir hier bleiben. Übrigens giebt es keine bessere Stelle für unser Haus, als diesen Fleck.«

Das Frühstück hielt sie nicht lange auf.

»Laß uns nun jener andern Landzunge einen Besuch abstatten,« schlug der unermüdliche Alte vor, »noch habe ich keine Durchfahrt gefunden. Von der Spitze dort drüben aus schien es mir, als ob die Brandung an jener Seite nicht bis an die Küste heranreichte, ich denke daher, daß unser kleines Boot dort hereinschlüpfen kann.«

Auf dem bezeichneten Punkte angelangt, stellte es sich heraus, daß Rüstigs Annahme richtig war. Das Wasser zeigte sich bis dicht an den Strand ruhig und tief; die Durchfahrt war gefunden.

Der alte Steuermann war mit diesem Ergebnis sehr zufrieden. »Jetzt müssen wir nur noch drauf bedacht sein,« sagte er, »sobald als möglich von der andern Seite nach hier überzusiedeln.«

»Machen wir uns heute noch auf den Rückweg?«

»Ich denke, denn hier haben wir nichts mehr zu thun und deine Mutter sehnt sich nach dir. Es ist noch nicht Mittag, wir haben daher Zeit genug, denn es ist ein Unterschied, ob wir einen vorgezeichneten Weg gehen können, oder erst alle paar Schritt die Bäume anhauen müssen. Komm, Willy, besinnen wir uns nicht lange; Spaten und Axt können hier bleiben. Die Flinte nehme ich mit für alle Fälle. Wir wollen noch einmal nach der Quelle sehen, und dann vorwärts.«

Sie schritten auf dem sandigen Strande dahin; Scharen von Seevögeln umflatterten sie und schwebten über dem Wasser hin und her; plötzlich rauschte die Flut auf und eine große Menge kleiner Fische schoß aus der Tiefe hervor und in weitem Sprunge bis auf den Sand, wo sie glitzernd und zappelnd liegen blieben; unmittelbar hinter ihnen schwangen sich einige größere Fische gleichfalls aufs trockene bis dicht vor die Füße der beiden Wanderer; jetzt aber senkten sich blitzschnell einige der Vögel hernieder, packten die zappelnde Beute und flogen mit ihr davon.

Wilhelm stand ganz erstaunt, der alte Rüstig aber lachte.

»Siehst du, mein Junge, so geht es auf der Welt! Die großen Fische wollen die kleinen fressen, die retten sich aufs Land, die großen hinterher, dann aber kommen die Raubvögel und holen sich Verfolger und Verfolgte. Also niemals blindlings drauf los gerannt, sei die Gefahr auch noch so groß, merke dir das.«

Bei der Quelle angelangt, fanden sie das ausgegrabene Loch ganz voll Wasser; sie kosteten es und fanden es frisch und gut. Voll Freude über diese Entdeckung verbargen sie Axt und Spaten unter dürren Blättern am Fuße eines der angehauenen Bäume, dann riefen sie die Hunde und schritten in den Wald hinein, der Spur nach, die sie vorher zurückgelassen.


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