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Zweiundzwanzigstes Kapitel.

Wie der Brunnen angelegt wurde. – »Denk einmal ein wenig nach, Willy.«

 

Vater Sebald war am folgenden Morgen zuerst auf den Beinen, und als der Steuermann aus dem Zelte trat, begrüßte er ihn herzlich.

»Wissen Sie auch, Freund,« sagte er, »daß ich mich hier viel glücklicher und ruhiger fühle, als drüben auf der andern Seite? Dort erinnerte mich alles an unsern Schiffbruch, und ich mußte mich beherrschen, um nicht fortwährend den Gedanken an die Heimat und an unser Unglück nachzuhängen. Jetzt aber ist es mir, als wohnten wir hier schon wer weiß wie lange und als wären wir freiwillig hierher gekommen.«

»Ich will nur hoffen, daß dieses Gefühl von Tag zu Tag stärker in Ihnen werde,« antwortete der Alte, »denn sich um Dinge grämen, die hinter uns liegen, oder aber noch unerreichbar sind, heißt nicht nur die Zeit verlieren, sondern auch sich versündigen; wir haben vielmehr allen Grund, dankbar zu sein.«

»Dessen bin ich mir voll und in aller Demut bewußt, Sie guter, braver Mann,« versetzte Sebald, dem Gefährten die Hand drückend. »Was wünschen Sie aber, das nun zuerst vorgenommen werden soll?«

»Ich denke, wir sorgen zu allererst für eine ausreichende Wasserzufuhr; es ist daher nötig, daß Sie und Wilhelm ein gehöriges Quellenbecken ausgraben, während ich die Bootsfahrt mache. Die Spaten habe ich mitgebracht; kommen Sie, während Juno das Frühstück bereitet, will ich Ihnen zeigen, wie ich mir die Sache denke.«

Sie schritten der Bodensenkung zu, wo die Quelle sich befand; Wilhelm schloß sich ihnen an.

»Sehen Sie, Herr Sebald, die wasserhaltige Niederung zieht sich bis in den Wald hinein. Dort unter den Bäumen müssen wir graben, und wenn wir genug Wasser finden, das Quellenbecken ausheben und zwar so tief, daß eins der großen Wasserfässer, die wir drüben geborgen haben, aufrecht darin stehen kann. Ich bringe ein solches Faß heute nachmittag mit; wenn das hier eingegraben ist, dann haben wir einen richtigen Brunnen, der sich immer wieder füllt, so oft wir auch aus ihm schöpfen.«

»Das ist ein guter Plan,« sagte Sebald, und auch Wilhelm pflichtete eifrig bei.

»Es bleibt mir nur noch übrig, mit Juno wegen des Mittagessens Rücksprache zu nehmen,« schloß Rüstig, »dann will ich mich auf die Fahrt machen. Das schöne Wetter darf nicht unbenutzt verstreichen.«

Er wies die Negerin an, wie sie das Schildkrötenfleisch in Scheiben zu schneiden und mit Hilfe von etwas fettem Salzschweinefleisch in der Pfanne zu braten, und so ein Mahl für alle Mann herzurichten habe, zu dem auch die übrig gebliebene Suppe gewärmt werden sollte; dann steckte er sich ein Schiffsbrot und ein Stück Fleisch in die Tasche, begab sich ins Boot und ging unter Segel.

Vater Sebald und Wilhelm machten sich an die Arbeit und gruben ohne aufzuschauen, so daß um zwölf Uhr mittags das Loch die erforderliche Größe erlangt hatte. Nach den Zelten zurückgekehrt, fanden sie dort die Mutter mit dem Ausbessern von Kleidungsstücken beschäftigt.

»Ich kann dir gar nicht sagen, lieber Mann, wie glücklich ich mich hier fühle,« sagte sie, die Hand des Gatten ergreifend, der sich neben ihr niedergelassen hatte.

»Möge dies der Beginn dauernden Glückes sein,« antwortete dieser. »Ich kann dir gestehen, daß ich seit heute früh ganz dasselbe empfunden und mich darüber auch schon gegen unsern Freund Rüstig ausgesprochen habe.«

Sie lächelte ihn unter Thränen an. »Es ist so schön, so ruhig und so friedlich,« fuhr sie fort, »daß ich gern mein ganzes ferneres Leben hier zubringen würde. Nur eins vermisse ich – ich habe noch keine Singvögel gehört, an denen die Waldungen unserer Heimat doch so reich sind.«

»Man findet eben alles Schöne niemals vereinigt,« antwortete Sebald. »Auch ich habe auf dieser Insel, außer Seevögeln, noch keinen andern gefiederten Bewohner der Lüfte gesehen; an ersteren ist freilich Überfluß vorhanden.«

Auch Wilhelm hatte nur Seevögel beobachtet.

»Doch da kommt Rüstig schon wieder um das Vorland herum,« rief der Knabe eifrig. »Wie schnell das kleine Boot segelt! Aber das Rudern von hier nach der Bucht ist ein schweres Stück Arbeit für den alten Mann. Juno, ist das Essen fertig?«

»Bald, Massa Willy, Essen bald fertig!« rief die Negerin zurück.

»Laß uns hinabgehen und Rüstig beim Löschen seiner Ladung zur Hand gehen,« sagte Sebald, indem er sich erhob.

Sie eilten dem Strande zu, und bald kam Wilhelm mit dem großen Fasse angerollt, das der Steuermann mitgebracht hatte.

Die gebratenen Fleischschnitte fanden denselben Beifall wie die Schildkrötensuppe; nachdem man so lange auf das salzige Pökelfleisch angewiesen gewesen war, erschien die frische Kost allen als eine höchst angenehme und erquickende Abwechslung.

»Jetzt wollen wir aber unsern Brunnen fertig machen,« sagte Wilhelm, der, noch am letzten Bissen kauend, schon wieder aufgestanden war.

»Du strengst dich wirklich redlich an, Willy,« bemerkte seine Mutter.

»Das ist auch meine Pflicht, Mama; es war hohe Zeit, daß ich arbeiten lernte.«

»Brav gesprochen, mein Junge,« nickte Rüstig dem Knaben zu. »Du wirst ein tüchtiger Mann werden.«

Als sie mit dem Fasse bei dem neu gegrabenen Loche anlangten, fanden sie mit Erstaunen, daß dasselbe sich innerhalb der letzten zwei Stunden vollständig mit Wasser gefüllt hatte.

»O weh!« sagte Wilhelm, »jetzt heißt es ausschöpfen, sonst kriegen wir das Faß nimmermehr bis auf den Grund.«

Der Vater legte ihm lächelnd die Hand auf den Kopf.

»Denk einmal ein wenig nach, Willy,« sagte er. »Ausschöpfen können wir das Loch nicht, dazu fließt die Quelle viel zu stark. Sollte sich kein anderes Mittel finden?«

»Ja, Vater, das Faß schwimmt doch aber auf dem Wasser,« versetzte der Knabe.

»Gewiß thut es das, aber kann man nicht bewirken, daß es untersinkt?«

»O, nun weiß ich's – wir bohren Löcher in den Boden, dann füllt es sich und sinkt von selbst hinab.«

»Getroffen,« sagte Rüstig, »und um dies thun zu können, habe ich gleich den großen Bohrer mitgebracht.«

Der Boden des Fasses wurde durchlöchert und als man es aufs Wasser setzte, da füllte es sich bald und sank auf den Grund; als seine Mündung mit dem Wasserspiegel in gleicher Höhe war, stampfte man die Erde ringsherum fest, füllte die Lücken aus und der Brunnen war fertig.

»Morgen, wenn die Trübung sich gesetzt hat, wird das Wasser so klar sein wie Krystall und auch so bleiben, wenn man es nicht aufrührt,« bemerkte Rüstig. »Das war eine gute Tagesarbeit. Jetzt aber wollen wir die andern Sachen aus dem Boote schaffen.«


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