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Sechsunddreißigstes Kapitel.

Von Haifischen und Krokodilen. – Jagdaussichten. – Rüstigs Geschichte.

 

Die Arbeit des nächsten Tages galt der Herstellung des Fischteiches. Rüstig, Sebald und Wilhelm begaben sich zum Strande hinunter und wählten nach sorgfältiger Erwägung eine etwa zweihundert Schritte von dem Schildkrötenteich entfernte Stelle für die Anlage desselben aus; das Wasser war hier so flach, daß die Tiefe des Teiches an dessen Außenrande nicht mehr als drei Fuß betragen würde.

»Wir haben nun weiter nichts zu thun,« begann der alte Rüstig seine Anweisung, »als nicht zu große Steine zu sammeln und dieselben wallartig, nach innen senkrecht, nach außen schräg abfallend, aufzubauen, so daß die Gewalt der Wellen gebrochen wird, wenn das Wasser unruhig ist; die Ritzen zwischen den Steinen genügen, um eine fortwährende Erneuerung des Wassers im Teiche zuzulassen. Im allgemeinen werden wir ja stets soviel Fische fangen können, wie wir brauchen, allein, da es uns manchmal an der Zeit zum Angeln fehlen wird, so ist es gut, wenn wir immer einen Vorrat davon zur Hand haben; geht derselbe auf die Neige, dann ersetzen wir ihn, je nachdem unsere Zeit dies erlaubt. Wenn dann Juno Fische braucht, dann kann sie sich mit dem Netz, das ich ihr dazu anfertigen werde, nach Belieben welche herausholen.«

»Es giebt hier in der Nähe aber nur sehr wenig Steine,« bemerkte Wilhelm, dessen Augen überall umherschweiften, »wir werden sie weit heranschleppen müssen.«

»Thut nichts, mein Junge,« entgegnete der Alte, »wozu haben wir denn unsern Wagen?«

»Der wird uns dabei wenig nützen,« meinte der Knabe.

»So?« lächelte der Steuermann; »und wenn wir nun einen Kübel unter die Achse hängen?«

Wilhelm schlug sich lachend vor die Stirn.

»Da bin ich wieder einmal dumm gewesen, Papa Rüstig!« rief er; »aber das will ich mir abgewöhnen.«

»Recht so, mein Junge. Ich will gehen und das Fuhrwerk holen, inzwischen kannst du mit deinem Vater schon die Steine sammeln, die hier in der Nähe liegen.«

Bald war er mit dem Fuhrwerk wieder zur Stelle und nun ging das Heranschaffen der Steine schnell von statten; Sebald und Willy reichten dieselben sodann zu und Rüstig erbaute, im Wasser stehend, den Wall.

»Wir haben eine andere Sache ganz vergessen, die aber auch noch ausgeführt werden muß,« sagte der Alte; »dieser Fischteich bringt sie mir soeben wieder ins Gedächtnis.«

»Und was wäre das?« fragte Sebald.

»Ein Badeplatz für die Kinder, oder vielmehr für uns alle, denn in der Sommerhitze wird uns ein solcher sehr notwendig sein; vorläufig jedoch müssen wir damit noch warten. Hier in dem flachen Wasser baut sich das übrigens ganz gut, wenn es aber nachher knietief wird, dann muß man sich sehr vorsehen, denn unter diesen Breitengraden sind die Haie geradezu unverschämt. Einen traurigen Beweis dafür habe ich einmal auf Sankt Helena erlebt.«

»O, erzählen Sie uns!« bat Wilhelm.

»Ich würde es selber kaum glauben, wenn ich es nicht gesehen hätte,« berichtete der Alte. »Etwas ähnliches hatte ich allerdings schon einmal in Ostindien erlebt, damals aber war es kein Hai, sondern ein Krokodil. Das Ding trug sich in Trincomali zu. Am Hafen stand ein Holländer und angelte, da kam ein Krokodil ganz dicht, bis auf zwei Fuß, an den Mann herangeschwommen; der fühlte sich jedoch auf seinem Fleck am Lande sicher und achtete nicht viel auf das Untier; dieses aber drehte sich plötzlich rund herum, schlug den Holländer mit seinem Schweif ins Wasser, packte ihn und verschwand mit ihm in der Tiefe.«

»Das war auch ein Krokodil,« meinte Wilhelm, »ein Hai würde so etwas nicht fertig bringen; oder doch, Rüstig?«

»Gewiß, höre nur. Auf den niedrigen Klippen von Sankt Helena standen zwei Soldaten; die Klippen ragten über das Wasser hervor, aber ab und zu spülte die Brandung darüber hin. Da kamen zwei Haie herbei und schwammen an die Leute heran, genau so, wie das Krokodil bei dem Holländer gethan. Einer der Haie drehte sich um und schlug mit seinem Schweif einen der Soldaten von der Klippe herunter ins Wasser, das hier sehr tief war. Sein Kamerad rannte entsetzt nach der Baracke und erzählte dort, was geschehen war. Eine Woche darauf lag in Sandy Bai ein Schoner; die Mannschaft desselben gewahrte eines Morgens unter dem Heck des Fahrzeuges einen riesengroßen Hai, sie warf einen Haken aus mit einem Stück Speck daran, und es gelang ihr, den Fisch zu fangen und an Deck zu ziehen. Als sie ihn öffneten, da fanden sie zu ihrem Entsetzen in seinem Innern den Leichnam des Soldaten; nur die Unterschenkel fehlten, die das Ungeheuer, nachdem es ihn bis zu den Knieen verschluckt hatte, abgebissen haben mußte. Ich habe das Gebiß und das Rückgrat des Ungeheuers in der Baracke gesehen, es war der größte Hai gewesen, der mir auf allen meinen Fahrten zu Gesicht gekommen.«

»Ich hätte nie geglaubt, daß die Haie so nahe an das Land kämen,« sagte Vater Sebald.

»Das geschieht aber, ich versichere Ihnen, und deshalb können wir gar nicht vorsichtig genug sein, wenn wir uns ins Wasser begeben; solch ein Hai ist da wie der Blitz, Sie haben selbst gesehen, wie es unserm armen Schwein erging.«

»Was mögen jetzt die Schweine im Walde wohl angeben?« warf Wilhelm ein.

»Ich denke, daß die inzwischen Junge geworfen haben; jedenfalls befinden sie sich sehr wohl, denn an Futter fehlt es ihnen nicht.«

»Ob sie Kokosnüsse fressen können?«

»Die alten Nüsse schwerlich, desto besser aber werden sie sich die jungen schmecken lassen, von denen fortwährend eine Menge herunterfällt; außerdem giebt es auch Wurzeln genug, die ihnen eine gute Nahrung liefern. Wenn wir noch längere Zeit hier bleiben sollten, dann werden wir auf die Schweinejagd gehen müssen, aber auch dabei gilt es Vorsicht; denn obgleich wir sie als zahme Tiere hier aussetzten, so werden sie doch bis dahin, und auch schon jetzt, ziemlich verwildert sein. Ein wilder Eber aber ist ein gefährlicher Bursche.«

»Das wollte ich meinen,« sagte Vater Sebald. »Wie werden wir sie am besten jagen?«

»O, ganz weidgerecht; wir stöbern sie mit den Hunden auf und schießen sie. Ich bin übrigens recht froh, daß Fix uns auch bald Junge schenken wird, denn wir brauchen noch mehr Hunde.«

»Ich fürchte nur, daß es uns dann an Futter für alle die Mäuler fehlen wird,« meinte Sebald.

»So lange wir dort den Ocean und Fische darin haben, ist diese Furcht unbegründet, Herr Sebald. Fischfleisch ist ein vorzügliches Hundefutter; bei den Lappländern und Eskimos kriegen die Hunde nie etwas anderes zu fressen.«

»Wenn ich nicht irre, steht uns auch eine Vermehrung unserer Schafe in Aussicht; war's nicht so, Rüstig?«

»Jawohl, und zwar in nächster Zeit. Mit dem Futter für diese Tiere ist es weniger gut bestellt, ich glaube, es wird ihnen jetzt bereits recht knapp. Im nächsten Jahr müssen wir dafür Sorge tragen, daß wir Heu für die Regenzeit sammeln und aufspeichern; drüben auf der andern Seite wächst sicherlich noch Gras genug, da dort die Waldgrenze eine ziemliche Strecke vom Strande entfernt liegt.«

»Wenn wir nur erst soweit wären, unsere Entdeckungsreise zu unternehmen,« bemerkte Wilhelm.

»Damit müssen wir noch ein wenig warten,« entgegnete Rüstig, »außerdem weiß ich noch nicht, ob du daran teilnimmst oder dein Vater, denn wir dürfen die Madam Sebald unmöglich allein lassen.«

»Das soll auch nicht geschehen,« bemerkte Vater Sebald. »Einer von uns beiden muß bei der Mutter bleiben.«

Wilhelm gab keine Antwort; es war ihm anzusehen, daß ihm der Gedanke, die Entdeckungsfahrt vielleicht nicht mitmachen zu dürfen, nicht angenehm war.

Man arbeitete den ganzen Tag sehr angestrengt, dafür wuchsen die Umfassungswälle des Fischteiches aber auch schnell aus dem Wasser empor. Mit Sonnenuntergang stellten die drei ihre Thätigkeit ein und kehrten nach Hause zurück.

Das Abendbrot schmeckte ihnen prächtig; nach demselben fuhr Rüstig wie folgt in seiner Erzählung fort:

»Wir blieben in unserm Versteck, bis es dunkel geworden war, dann machten wir uns auf die Reise; Hastings und Romer trugen jeder ein Gewehr auf der Schulter und einen Schinken auf dem Rücken; mir, als dem Kleinsten, hatte man das schwere Brot aufgehalst; ich hatte mitten durch dasselbe ein Loch gebohrt, einen Strick durchgezogen und so hing es mir auf der linken Seite wie eine Jagdtasche, während ich im rechten Arm meine große Büchse schleppte.

Unsere Idee war, immer gerade aus nach Norden zu wandern, da wir auf diese Weise am schnellsten aus dem Bereich der Stadt kamen; wir wollten dabei die großen Heerstraßen vermeiden und die abgelegensten Landstriche aufsuchen, um so wenig als möglich mit den holländischen Kolonisten in Berührung zu kommen.

Wir durchwateten den tiefen Sand der Falschen Bai, dann ging es allmählich aufwärts, zwischen Buschwerk und jungen Bäumen dahin; ein Zeichen von Kultur gewahrten wir nirgends, auch stießen wir auf kein Haus mehr, seitdem wir die Falsche Bai hinter uns hatten. Gegen zwölf Uhr waren wir bereits sehr ermüdet, auch hätten wir gern einen Trunk Wasser gehabt, doch fanden wir keins, obgleich der Mond fast Tageshelle verbreitete. Dazu heulten die wilden Tiere, bald fern, bald näher, und dieses Geheul nahm immer mehr zu, je weiter wir wanderten; unser einziger Trost war noch, daß wir keine der Bestien zu Gesicht bekamen.

Endlich waren wir so erschöpft, daß wir uns am Fuße eines Felsens niedersetzen mußten. Einzuschlafen wagten wir nicht, wir hockten dort bis zum Anbruch des Tages und horchten auf das Geheul der Tiere.

Keiner von uns redete ein Wort, ich glaube aber, daß Hastings und Romer demselben Gedanken nachhingen, wie ich, der ich Gott weiß was darum gegeben hätte, wieder heil und gesund im Gefängnis zu Kapstadt zu sitzen.

Endlich stieg der Morgen herauf, die Raubtiere stellten ihre nächtlichen Streifereien ein und wir machten uns wieder auf den Weg; nach kurzem Marsche kamen wir an einen Bach, hier stärkten wir uns durch Trank und Speise, wodurch neuer Mut in uns erweckt wurde, so daß wir nachher ganz fröhlich weiter wanderten.

Bald ging es steil bergan, immer ins Gebirge hinein; es mochten die sogenannten Schwarzen Berge sein, von denen uns die Soldaten erzählt hatten. In dieser steinichten Wüstenei irrten wir den ganzen Tag umher; als es Abend wurde, sammelten wir trockenes Holz zu einem Lagerfeuer, weniger um uns daran zu wärmen, als um die wilden Tiere fern zu halten, deren unheimliches Geheul wieder hörbar geworden war.

Während des Tages waren wir ganz dicht an einem Panther vorübergekommen; derselbe lag auf einem flachen Felsen und sonnte sich, wir hielten die Gewehre schußbereit, er war aber jedenfalls zu faul, sich zu rühren, denn er wies uns nur die Zähne und ließ uns ruhig vorbeiziehen.

Als das Feuer in Brand war, lagerten wir uns und zogen unsern Proviant hervor; von dem Brot war nur noch die Hälfte da, auch den Schinken hatten wir schon tüchtig zugesprochen; es wurde uns klar, daß wir sehr bald zu den Gewehren greifen müßten, um uns Nahrung zu verschaffen.

Nach beendetem Mahl legten wir uns zur Ruhe nieder, jeder mit seinem Gewehr zur Seite. Bei unserer Erschöpfung waren wir sehr bald fest eingeschlafen. Es war verabredet worden, daß Romer die erste Wache übernehmen sollte, die zweite entfiel auf Hastings, mir war die letzte vorbehalten. Freund Romer aber hatte nichts Eiligeres zu thun, als einzuschlafen, und so war niemand da, der das Feuer unterhielt.

Es mochte ungefähr Mitternacht sein, da weckte mich plötzlich ein Schnaufen und Schnuppern dicht vor meinem Gesicht, und als ich eben zur Besinnung kam und die Augen öffnete, da fühlte ich mich auch schon beim Hosenbunde emporgehoben, während zugleich mein Fleisch von scharfen Zähnen schmerzhaft gekniffen wurde. Ich versuchte nach meinem Gewehr zu greifen, packte statt dessen aber nur einen halb verlöschenden Feuerbrand, mit welchem ich dem Raubtier ins Gesicht fuhr; es ließ mich fallen und lief davon.«

»Welch eine glückliche Errettung!« rief Frau Sebald.

»Ja, Madam, das war's; das Tier war eine Hyäne gewesen. Zum Glück ist dieses Raubzeug sehr feige, trotzdem aber hätte die Bestie mich sicherlich weggeschleppt, wenn ich ihr nicht mit dem Feuerbrand die Augen ausgewischt hätte, denn ich war damals nur ein winziges Kerlchen, und sie hatte mich aufgenommen wie ein Bund Flicken.

Mein Geschrei erweckte Hastings, der seine Büchse ergriff und losfeuerte. Ich war zu Tode erschrocken, wie man sich wohl denken kann. Unser Wachhabender aber, Freund Romer, schlief so fest, daß er nicht einmal von dem Schuß erwachte; wir mußten ihm einige tüchtige Püffe erteilen, ehe er sich ermunterte, so sehr hatte ihn die Erschöpfung überwältigt.

Dieses Abenteuer machte uns vorsichtiger; fortan schliefen wir stets zwischen zwei Feuern, auch kam eine solche Pflichtvergessenheit von seiten des Wachhabenden nicht mehr vor.

Eine ganze Woche lang wandelten wir in dem Gebirge umher, dann hatten wir es überschritten und vor uns lag ebenes Land. Unsere Eßvorräte waren aufgezehrt und schon nagte uns der Hunger in den Eingeweiden, als es uns gelang, einen Springbock zu schießen, dessen Fleisch vier Tage lang ausreichte. Überhaupt fehlte es uns hier in der Ebene fortan nicht mehr an reichlicher Jagdbeute.

Doch da hätte ich beinahe vergessen, eines Abenteuers zu erwähnen, das wir am Abhang des Gebirges in einem dichten Walde zu bestehen hatten. Wir waren unter großen Mühseligkeiten vom frühen Morgen bis zum späten Nachmittag gewandert und machten nun unter einem großen Baume Rast, um die kümmerlichen Reste unsers Proviants zu verzehren. Hastings lag auf dem Rücken und starrte in das Gezweig der Baumkrone empor, und auch wir hatten uns im Schatten auf die Erde gestreckt. Da gewahrte Hastings auf einem der unteren starken Äste einen Panther, der seine grünen Augen funkelnd auf uns gerichtet und sich zum Sprunge geduckt hatte; schnell griff er nach der Büchse und schoß dieselbe ohne lange zu zielen gegen das Tier ab, denn es war kein Augenblick Zeit zu verlieren. Das Glück war uns günstig, die Kugel fuhr dem Panther durch den Magen und zerschmetterte ihm, wie sich sogleich herausstellte, auch das Rückgrat.

Fürchterlich heulend und brüllend kam die Bestie von oben herunter und schickte sich, kaum vier Fuß von uns entfernt, zum Sprunge auf Jack Romer an; sie mußte es aber bei dem guten Willen bewenden lassen, denn ihr Rückgrat war gebrochen und so hatte sie in ihrem Hinterteil keine Kraft mehr. Nie wieder in meinem Leben habe ich eine so fürchterliche und teuflische Wut in einem Tiere beobachtet. Der gelähmte Panther schlug nach uns mit den ausgespreizten Vordertatzen, er zerklaute und zerbiß das Erdreich in ohnmächtig schäumendem Grimm und dabei starrte er uns mit seinen brennenden Augen so entsetzlich an, daß uns ein Zittern überkam. Der Anblick brachte uns so aus der Fassung, daß wir zuerst gar nicht daran dachten, zu unsern Büchsen zu greifen, endlich aber riß Hastings Romer das Gewehr aus der Hand und schoß den Panther durch den Kopf.«

»Auch das war eine glückliche und wunderbare Errettung,« bemerkte Frau Sebald.

»Ja, Madam; aber wollen Sie es glauben, je öfter wir in Gefahr gerieten, desto weniger machten wir uns daraus. Wir waren nun darauf angewiesen, uns unsern Lebensunterhalt mit Pulver und Blei zu verschaffen, und dadurch wurden wir noch kecker. Unsere Kleider hingen uns in Fetzen vom Leibe, aber an Munition fehlte es uns nicht. Die Antilopen und die Gnus schwärmten zu Hunderten durch das ebene Land; manchmal waren ihre Herden wirklich so groß, daß wir sie nicht zählen konnten. Zu essen hatten wir jetzt genug, aber zugleich mit diesem Reichtum an Wild stellten sich neue Gefahren ein, denn von jetzt an vernahmen wir in jeder Nacht auch das Gebrüll der Löwen. Von allen Schreckenslauten, die ich je gehört, ist meiner Ansicht nach das Gebrüll eines Löwen der grauenhafteste. Unsere Lagerfeuer waren jetzt immer so groß wie nur möglich, trotzdem aber kamen uns die Ungeheuer zuweilen so nahe, daß wir uns vor Furcht nicht zu lassen wußten.«

»Sind Ihnen während des Tages auch Löwen begegnet?« fragte Wilhelm.

»Ja, mein Junge, oft genug, sie griffen uns aber nicht an und wir fürchteten uns viel zu sehr, um auf sie zu schießen. Einmal wäre es uns beinahe schlecht gegangen. Wir hatten ein Hartebeest, eine Art von Antilope, erlegt; das Tier war in dem hohen Grase niedergesunken und wir rannten herzu, uns über die Beute herzumachen. Eben langten wir auf der Stelle an, da erhob sich ein donnerähnliches Gebrüll und wir sahen kaum zwanzig Schritte vor uns einen großen Löwen, der seine Vorderpranken auf unsere Jagdbeute gelegt und sich dabei halb erhoben hatte, als wolle er auf uns losspringen. Da hättest du aber sehen sollen, wie wir Fersengeld gaben! Ich blieb erst stehen, als ich nicht mehr Luft schnappen konnte, der Löwe aber war mit unserm Davonlaufen zufrieden gewesen und gab sich nicht die Mühe, uns zu folgen. An jenem Abend legten wir uns hungrig zum Schlafen nieder.

Drei Wochen lang trieben wir uns so herum, immer in nördlicher Richtung wandernd, sonst aber ohne zu wissen, wo wir uns befanden. Wir hatten schon längst genug von unserer Irrfahrt und verhehlten uns gegenseitig gar nicht mehr, daß wir rechte Esel gewesen seien, und daß es zunächst keinen wünschenswerteren Ort gäbe, als das Gefängnis zu Kapstadt. Tagelang schlichen wir nebeneinander her, ohne mehr als das Nötigste zu reden; am liebsten hätte ich mich hingelegt und wäre gestorben; das Gebrüll der Löwen ließ mich jetzt ganz kalt und ich redete mir ein, daß es mir eine besondere Freude sein würde, wenn einer käme und mich zu Mittag verspeiste.

Eines Morgens stießen wir auf eine Schar Eingeborener. Wenn wir uns auch nicht mit ihnen verständigen konnten, so schienen sie jedoch recht harmlose und friedfertige Leute zu sein. Sie gehörten zu dem Stamm der Karrus, wir erfuhren dies nämlich dadurch, daß sie sich selber auf den Leib tippten und dabei mit großer Würde das Wort »Karru« mehrmals nachdrücklich wiederholten; dann tippten sie uns auf die Brust und sagten »Holländer«. Wir erlegten einiges Wildbret und machten ihnen damit ein Präsent, was sie augenscheinlich sehr hoch aufnahmen. In der Gesellschaft dieser Schwarzen verweilten wir sechs Tage.

Es gelang uns durch allerlei Zeichen von ihnen in Erfahrung zu bringen, daß in nordöstlicher Richtung eine Kolonie von Weißen anzutreffen sei. Wir boten ihnen Geschenke, wenn sie uns den Weg dorthin zeigen wollten, denn wir waren fest entschlossen, uns den Holländern auszuliefern und in die Gefangenschaft zurückzukehren.

Zwei der Männer erklärten sich bereit, uns zu begleiten, die übrigen zogen mit den Weibern und Kindern in südlicher Richtung weiter.

Schon am folgenden Tage erreichten wir die holländische Kolonie; dieselbe bestand aus vier Gehöften und führte den Namen Graef Reynits. – Jetzt aber muß ich aufhören, denn die Zeit zum Zubettgehen ist längst gekommen.«


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