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Einundzwanzigstes Kapitel.

Ein Umzug mit Hindernissen. – »Wir können heute mal was draufgehen lassen!« – Wie der Frau Sebald eine Last vom Herzen genommen wurde.

 

Als Rüstig bei der Familie anlangte, hatte man noch hinreichend Zeit, die Anordnungen für den folgenden Tag zu treffen. Die andern begaben sich sodann zur Ruhe, er aber und Wilhelm warteten noch die Dunkelheit ab, fingen die schlafenden Hühner, banden ihnen die Füße und legten sie bereit, gleich in der Frühe ins Boot gebracht zu werden.

Bei Tagesanbruch wurden alle Mann geweckt und jeder zog sich so schnell als möglich an, da Rüstig das Zelt abbrechen mußte, in welchem Frau Sebald und die Kinder geschlafen hatten; denn mit Ausnahme des kleinen Tommy, der noch in das Weiberzelt zugelassen worden war, hatten die andern die Nacht im Freien auf ausgebreitetem Segeltuch kampiert. Eine Zeit lang herrschte eine allgemeine Verwirrung, aber sobald Frau Sebald angekleidet war, brach man das Zelt ab und schaffte es zusamt dem Bettzeug in das Boot. Dann frühstückte man schnell und als das Tisch- und Eßgerät und die übrigen Kleinigkeiten ebenfalls ins Boot gebracht waren, packte Rüstig die Hühner oben darauf und ging unverweilt nach dem neuen Wohnort unter Segel.

Jetzt schickten sich auch die übrigen zur Reise durch den Palmenwald an. Wilhelm ging als Pfadfinder mit den drei Hunden voran. Vater Sebald trug seinen Jüngsten, Juno kam mit Karoline und Frau Sebald führte Tommy an der Hand, der, wie er versicherte, auf seine Mutter sorglich acht geben wollte. Nicht ohne Wehmut schieden sie von der Stelle, die ihnen nach den Gefahren der See zuerst Schutz und Obdach geboten; oft noch schauten sie sich nach der kleinen Bucht um, nach den gestrandeten Gütern und Schiffstrümmern, die auf der Küste lagen; dann aber nahm der Wald sie auf und schnitt ihnen den Rückblick ab.

Rüstigs Bootfahrt hatte diesmal nicht zwei Stunden gedauert. Ehe er seine Ladung löschte, machte er sich über die Schildkröte her, die noch auf derselben Stelle lag, schlachtete sie und richtete das Fleisch für den Kochtopf her. Dann zündete er auf dem neuen Herde das Feuer an, füllte einen großen Topf mit Quellwasser, that einige Stücke gesalzenen Schweinefleisches und die Hälfte der Schildkröte hinein und setzte das Ganze ans Feuer; die andere Hälfte hing er an einer schattigen Stelle auf und ging dann zum Boot zurück, um zunächst die Hühner von ihren Banden zu befreien. Die armen Tiere taumelten anfänglich ganz steifbeinig umher, bald aber erholten sie sich und suchten eifrig nach Futter.

Es dauerte einige Stunden, ehe er die Zeltleinwand, das Bettzeug, die Spieren und alle die andern Gegenstände an Ort und Stelle geschleppt hatte, denn der Platz war eine beträchtliche Strecke vom Strande entfernt und die Lasten schwer; der alte Mann war herzlich froh, als er alles geschafft hatte und sich niedersetzen und ausruhen konnte.

»Es wäre aber Zeit, daß sie ankämen,« murmelte er vor sich hin; »sie müssen beinahe vier Stunden unterwegs sein; freilich, es ist nicht leicht, ein Geschwader von Weibern und Kindern unter Segel zu bringen und auf geradem Kurse zu halten.«

Wieder verging eine Viertelstunde, während welcher Rüstig den Kochtopf beobachtete und die Suppe gelegentlich abschäumte; plötzlich kamen die drei Hunde in langen Sätzen aus dem Walde.

»Na, jetzt sind sie wenigstens nicht mehr weit,« brummte der Alte.

Er irrte sich nicht; wenige Minuten später erschien die ganze Gesellschaft auf dem freien Platz vor dem Walde, sehr erhitzt und sehr erschöpft.

Es stellte sich heraus, daß die kleine Karoline sehr bald müde geworden war, so daß Juno sie tragen mußte; dann hatte Frau Sebald über Ermattung geklagt und alle Mann hatten eine Viertelstunde rasten müssen; der nächste war Tommy, der nicht bei seiner Mutter bleiben wollte, bald vorwärts, bald rückwärts von einem zum andern gelaufen war und endlich rund heraus erklärt hatte, daß er nicht mehr weiter könne und daß jemand ihn tragen müsse; da sich jedoch hierzu keiner bereit fand, hatte er so lange geschrien und gebrüllt, bis man wieder Halt machte und eine weitere Viertelstunde wartete, damit er sich ausruhen konnte; kaum aber war die Schar wieder auf dem Marsch, da klagte er von neuem über Müdigkeit, und nun fühlte der gutmütige Wilhelm sich veranlaßt, ihn eine Strecke Huckepack zu tragen; dabei aber vergaß er nach den angehauenen Bäumen zu sehen. Man verlor den Weg und es dauerte lange, ehe man ihn wiederfinden konnte; jetzt wurde der kleine Albert hungrig und schrie, Karoline wurde ängstlich, weil der dichte Wald kein Ende nehmen wollte und weinte gleichfalls, Tommy aber, den Wilhelm endlich nicht länger schleppen konnte, weinte und schrie lauter als alle andern; man sah sich genötigt, wiederum Rast zu machen. Wilhelm hatte eine Flasche Wasser mitgenommen, aus der die Kinder zu trinken bekamen, das beruhigte sie etwas und so erreichte die Reise glücklich ihr Ende. Frau Sebald aber war so angegriffen, daß sie mit den Kindern sogleich das Zelt aufsuchte, ohne auch nur einen Blick auf die schöne Gegend zu werfen, wo sie künftig wohnen sollte.

»Ich denke,« sagte Herr Sebald, der Albert an Juno abgegeben hatte, »daß diese kleine Reise aufs beste bewiesen hat, wie hilflos wir ohne Sie gewesen wären, lieber Rüstig.«

»Ich bin froh, daß Sie hier angelangt sind,« erwiderte Rüstig; »hier wird alles besser gehen. Sobald Madam sich ausgeruht hat, wollen wir zu Mittag essen und dann das andere Zelt aufstellen; das wäre dann genug für heute, morgen beginnt die regelrechte Arbeit.«

»Fahren Sie morgen wieder nach der Bucht?«

»Ja, denn ich muß Fleisch, Mehl, Erbsen und vieles andere herschaffen, was wir nicht entbehren können; drei Fahrten werden genügen, unser Vorratszelt auszuleeren; die übrigen geborgenen Güter können hergeschafft werden, je nachdem die Zeit es erlaubt; sie leiden durch das Lagern im Freien vorläufig keinen Schaden. Wenn ich die drei Fahrten hinter mir habe, arbeiten wir alle hier gemeinschaftlich.«

»Kann ich mich in Ihrer Abwesenheit nützlich machen?« fragte Sebald.

»Gewiß, an Arbeit fehlt's ja nicht.«

»Nehmen Sie Wilhelm mit sich?«

»Nein, Sie werden ihn hier eher brauchen und ich kann ihn entbehren.«

Nach Verlauf einer halben Stunde hatten Frau Sebald und die Kinder sich ausgeruht und jetzt machte man sich an das Mittagessen.

»Ei, das riecht ja herrlich!« rief Wilhelm, als Rüstig den Deckel vom Topfe nahm. »Was haben Sie denn da Gutes, Papa Rüstig?«

»Wir können heute mal was drauf gehen lassen,« lächelte der Alte; »ich weiß, daß die Herrschaften das Salzfleisch überdrüssig haben, und so sollen sie heute einmal schmausen wie die Hochzeitsgäste.«

»Was werden wir denn haben, lieber Rüstig?« fragte Frau Sebald, »es riecht wirklich sehr gut.«

»Schildkrötensuppe giebt's, Madam, und ich hoffe, sie wird Ihnen schmecken.«

Die Suppe wurde verteilt und alle langten eifrig zu.

»Vortrefflich, wirklich vortrefflich!« lobte Frau Sebald. »Nur ein wenig Salz fehlt noch. Juno, wo ist das Salz?«

»Nicht mehr viel da, Missy, nur noch wenig übrig,« erwiderte die Negerin.

»Das ist ja schlimm,« sagte Frau Sebald; was fangen wir an, wenn wir kein Salz mehr haben?«

»Dann muß Juno welches schaffen,« antwortete Rüstig.

»Wie Juno Salz schaffen?« fragte die Negerin, indem sie den Steuermann ganz ängstlich ansah.

»Dort draußen giebt's genug, Juno,« nahm Herr Sebald das Wort, indem er nach dem Meere wies.

»Juno nicht wissen wo,« sagte das Mädchen, ihre Blicke über die See irren lassend.

»Was meinst du nur, lieber Mann?« fragte Frau Sebald.

»Ich meine, wenn wir Salz brauchen, dann haben wir nichts weiter zu thun, als Meerwasser im Kessel einzukochen, oder in einer Felsvertiefung verdunsten zu lassen, dann bleibt das trockene Salz zurück; frage nur Rüstig, ob ich nicht recht habe. Salz wird stets auf diese Weise gewonnen, entweder durch Verdampfung oder durch Kochen, was im Grunde dasselbe ist, nur daß letzteres schneller geht.«

»Sie sollen nicht lange in Sorge deswegen sein,« sagte Rüstig, »ich werde Juno unterweisen, so daß sie stets Salz hat wenn sie welches braucht.«

»Sie nehmen mir eine Last vom Herzen, lieber Freund, denn ich glaube, ohne Salz könnte ich nicht leben,« antwortete die Frau. »Übrigens hat mir noch nie ein Mittagessen so gut geschmeckt wie das heutige.«

In dieses Lob stimmten auch alle andern ein; Tommy ließ sich so oft seinen Teller füllen, daß seine Mutter ihm endlich nichts mehr verabreichte. Nach beendetem Mahle machten sich Rüstig und Sebald, unterstützt von Juno und Wilhelm, an die Errichtung des zweiten Zeltes; als sie damit fertig waren und das Bettzeug hinein geschafft hatten, sank die Nacht hernieder.

Man versammelte sich, dankte Gott für diesen neuen und besseren Wohnplatz und begab sich dann ermüdet aber zufrieden zur Ruhe.


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