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[6]

In der Fastnachtswoche geschah es dann. Der Hausherr lud Afanaßij Timofejewitsch zu einem Bliny-Essen ein, wobei sich auch Afonka – zum erstenmal, seitdem er im Hause war – erlaubte, dem Schnaps zuzusprechen, was ihn rührselig stimmte. Deshalb ging er denn nach dem Essen mit dem Hausherrn in die Betstube, um sich ein wenig zu verschnaufen. Sie redeten über dieses und jenes, schließlich aber, kurz vor dem Tee, kam Kaßjan Parmjonytsch auf die Drakinschen Häuser zu sprechen.

»Ja, Afanaßij, was ich dir sagen wollte – die Häuschen müssen wir mobil machen. Die erste Ratenzahlung wird im Herbst fällig, aber an dem Geld liegt mir nichts. Geld ist Dunst, zerfließt einem unter den Händen. Auch der Drakin weiß nicht damit umzugehen, hat die neue Fabrik, hat den Handel mit Hanf, hat die Häuser, das ist ihm aber noch nicht genug, muß noch fremdes Geld aufnehmen … Die Häuser gehören ja eigentlich nicht ihm, aber das bleibt sich gleich, er hat den Nutzen davon … Wie aber, wenn ihm nun im Herbst der Hanf verbrennt – eine Feuersbrunst kann leicht ausbrechen … Es gibt schlechte Menschen … Und der Hanf ist gewesen! Dann heißt's, entweder die Fabrik halten oder die Häuser. Mit meinem Gelde läßt sich's ja ganz schön arbeiten, aber das können wir auch selbst tun, Afanaßij Timofejewitsch – Timofejewitsch, so heißt du doch, nicht? Wir können dieses Geld ein bißchen mehr werden lassen – zu Gottes größerem Ruhm. Das käme auch dir zustatten, machst dann selber eine eigene kleine Wirtschaft auf, eine saubere kleine Wirtschaft – da kommen wir Alten bald nicht mehr nach … Ha-ha-ha! … Dann bist du dein eigener Herr, brauchst dir nichts mehr von dem brummigen Kaßjan Parmjonytsch sagen zu lassen, und ein gutes Werk ist es auch, wenn du die Leute fütterst. Da bei Drakins Fabriken ist noch keine einzige Wirtschaft vorhanden, dabei beschäftigt er Tausende, und so mancher von diesen kommt dann in deine Wirtschaft, um sich durch ein Glas Tee den Staub von der Seele zu spülen oder durch ein Schnäpschen das Herz zu erfrischen … Du darfst dabei auf meine Hilfe rechnen, und ich habe eine leichte Hand in solchen Dingen … Aber warum sagst du nichts, schweigst die ganze Zeit? Bist du gegen mich oder hast du anderes im Sinn? Dann laß mal hören, wie du dir die Sache denkst, vielleicht finden wir zusammen noch etwas Besseres.«

»Ich verstehe nicht recht was Sie meinen, Kaßjan Parmjonytsch. Vielleicht können Sie es einfacher und klarer sagen.«

»Einfacher, sagst du, klarer? Na schön, ich kann es auch einfach und klar sagen. Also zum Zahlungstermin muß Drakins Hof in Flammen aufgehen oder auf seiner Fabrik eine Feuersbrunst ausbrechen – je nachdem, was sich als wirksamer erweist. Dann muß er entweder die Fabrik eine Weile stillegen, was ihm um diese Zeit verdammt teuer zu stehen käme, oder er muß das Geld, das er zur Zahlung zusammengebracht hat, in den Betrieb stecken. Hast du jetzt begriffen? Du hast nichts weiter zu tun, als einen zuverlässigen Mann aufzutreiben, der ein bißchen unvorsichtig mit Feuer umgeht. Dafür richte ich dir eine Wirtschaft ein und gebe dir auch das nötige Betriebskapital für den Anfang. Vergiß auch nicht, daß du fünfzehnhundert Rubel bereits erhalten hast. Weitere dreitausend stehen dir gut.«

»Na, da ist ja dann weiter nichts zu sagen, Kaßjan Parmjonytsch; ich stehe in Ihrem Dienst und tue, was der Herr befiehlt. Also ich führe die Sache zu Ende.«

Rot wie ein gekochter Krebs war Afonka, als er aus der Betstube zum Teetisch kam. Ihm war bei den Eröffnungen des Alten nicht recht geheuer gewesen, hin und her war er auf seinem Stuhle gerückt. Gespannt hatte er sich gefragt, ob Kaßjan Parmjonytsch es wirklich sagen würde, und hatte es nicht glauben wollen, daß es geschehen könnte, hatte die Entscheidung verzögern, hinausziehen wollen, die die Schlinge um seinen Hals zuziehen würde. Und dann war es tatsächlich geschehen! Es drängte ihn, dem Alten entgegenzuwirken, aber da in dem Nußbaumpult lag unter dem schwarzen Samt mit den gestickten Silberkreuzen das Schicksal der kleinen Fenja und vielleicht auch sein eigenes, und der Schlüssel zu diesem Schicksal hing hinter dem Heiligenbild der Mutter Gottes von Kasan. Das Verlangen überkam ihn, hinter das Heiligenbild zu blicken, um sich zu vergewissern, daß das Schlüsselchen noch da sei; am Ende hatte es der Alte jetzt an einem anderen Orte verborgen? … Klimow würde nicht ärmer werden, wenn er die dreihunderttausend verlöre und die Häuser der unmündigen Fenja verblieben – was waren dreihunderttausend für einen schwerreichen Mann! Der Hausherr, in bester Stimmung, trank gemächlich seinen Tee und klatschte über die Nachbarn und hätte es wohl noch lange getan, wenn im Vorzimmer nicht die Glocke ertönt wäre.

»Wen bringt uns der Herr da ins Haus? Aber bleibe nur, Afanaßij Timofejewitsch, Wassilij wird unten auch ohne dich fertig.«

Es waren Antonina Kirillowna und Herr Drakin, der Ingenieur, seltene Gäste bei den Klimows seit dem Vorfalle im Klosterwalde; ob sie nun im Augenblick willkommen waren oder nicht, man mußte ihnen freundlich begegnen.

Während Marja Karpowna ins Vorzimmer ging, um die Gäste zu begrüßen, kniff der Alte ein Auge zu und sagte zu Afonka:

»Eben haben wir von ihnen gesprochen, und schon sind sie da … Haben eine Witterung wie die Windhunde! Na, hören wir mal zu, was sie uns zu erzählen haben … Aber denke an mein Wort: sie kommen des Geldes wegen …«

Afonka freute sich; er hoffte etwas über die kleine Fenja zu hören. Ein paar Worte über Fenja würden sie doch sagen, wenn nicht der Ingenieur, so doch gewiß ihre Mutter.

Der Alte gab sich wohlwollend und gelassen, lobte Drakins Unternehmungsgeist, bloß kniff er beim Lachen verschmitzt die Augen zusammen, in denen hämische Fünkchen glommen.

»Geradezu großartig hast du deine Fabrik ausgebaut, Kirill Kirillowitsch. Dem Engländer wird das wohl gegen den Strich sein, hm? Der wird brummen, daß er statt des Hanfs fertige Seile und Taue bei dir kaufen muß. Welch eine Menge von Leuten du allein beschäftigst!«

»Viel Geld erfordert solch ein Betrieb, Kaßjan Parmjonytsch. Gelänge es mir, noch eine halbe Million aufzunehmen, so könnte ich im Herbst auch im Gouvernement Kaluga den Hanf aufkaufen – ein Drittel der Kaufsumme genügt, für die übrigen zwei Drittel erhalte ich dann von der Kommerzbank Kredit.«

»Ja, willst du denn den ganzen russischen Hanfhandel monopolisieren? Gib acht, Kirill Kirillowitsch, übernimm dich nicht!

Wenn es einmal schief geht, bist du in einem halben Jahre erledigt.«

»Überlegen Sie mal: unser Gouvernement liefert 18 Prozent der gesamten Hanfernte, das Gouvernement Kursk 16 Prozent, wenn ich nun noch das Gouvernement Kaluga hinzunehme, so macht das 50 Prozent der Gesamternte aus. Bis zur Monopolisierung ist es auch dann noch weit, aber die Preise habe ich dann in der Hand. Selbst wenn ich nur 30 Prozent der Gesamternte in Händen habe, kann ich die Preise beeinflussen, und wenn ich eine Kopeke billiger verkaufe als die übrigen, schlage ich alle aus dem Felde. Bloß Geld, Geld brauche ich! … Und da wollte ich Sie bitten, mir für die erste Ratenzahlung ein halbes Jahr Aufschub zu gewähren, das brächte mich über den Herbst hinüber, und wenn dann die Zahlungen einlaufen, erstatte ich Ihnen gleich die Hälfte der aufgenommenen Summe und bezahle die Prozente für die Restsumme im voraus.«

»Tut mir leid, Kirill Kirillowitsch, läßt sich aber nicht machen. Du weißt ja selbst, Freundchen, im Herbst muß ich der Remontekommission Pferde für zwei Regimenter liefern und die zurückgewiesenen Gäule muß ich ins Ausland abschieben. Pferdchen kosten ja auch was, Bruder.«

Afonka bemerkte, daß der Alte stillvergnügt war, er zupfte an seinem spärlichen Bärtchen – ein sicheres Zeichen, daß er zufrieden und schadenfroh war. Gespannt folgte er dem Gespräch der beiden Männer, lauschte aber zugleich auch auf die Unterhaltung der Damen, die links von ihm saßen und eben von der kleinen Fenja sprachen.

»Im Herbst fährt Fenitschka nach Petersburg auf die Hochschule, Mascha. Ihr Onkel hat ihr damals in Petersburg den Kopf verdreht, im Schlaf und im Wachen träumt sie von Petersburg.«

»Hast du nicht Angst, sie allein fortzulassen?«

»Jetzt brauche ich ja für sie nichts mehr zu fürchten, wie du weißt …«

»Hat sie es denn nicht satt, das endlose Lernen?«

»Darüber habe ich mir keine Gedanken gemacht, aber ich hoffe, daß sie in Petersburg einen passenden Mann findet. Mein Mädel kann doch nicht einen unserer hiesigen Kaufleute heiraten – übrigens schicken ja auch die jetzt ihre Söhne auf die Hochschule, sogar ins Ausland, um ihnen den europäischen Schliff beizubringen – oder gar ihren Hauslehrer! Petrowskij mag ja sonst auch ein anständiger Mensch sein, bloß daß er unter Polizeiaufsicht steht; und er macht gar kein Hehl daraus, fühlt sich als Held.«

Afonka verstand aus diesem Gespräch nur, daß Fenja im Herbst nach Petersburg reisen würde, und daß zwischen ihr und Petrowskij etwas nicht stimmte. Des Hauslehrers und daran, wie dieser mit der kleinen Fenja damals im Vorzimmer gesprochen und wie er sie angeblickt hatte, erinnerte sich Afonka nur zu gut … Ja, und das verhängnisvolle Ende kam immer näher! Er mußte Fenja aus den Klauen des alten Klimow retten und ihr nach Petersburg folgen, mußte etwas tun, bevor es zu spät war. Jeden Schritt des Alten mußte er verfolgen, auf jedes Wort, das er in der Angelegenheit verlauten ließ, horchen. Dunja kam ihm in den Sinn – die könnte ihm dabei behilflich sein.

Gleich am selben Abend, als er aus dem Speisezimmer nach seiner Kammer ging, winkte er Dunja im Gang mit den Augen zu; das Mädchen folgte ihm auf den Treppenabsatz hinaus.

»Was ist?«

»Warum kommst du denn gar nicht mehr zu mir, Dunja?«

Er umarmte und küßte sie.

»Wozu sollte ich denn kommen? Einmal war ich da – ganz nutzlos. Nur in Verruf haben Sie mich gebracht; wenn wirklich was gewesen wäre, wäre das Gerede der Leute nicht so kränkend …«

»Damals wußte ich doch, daß man dich mit Absicht zu mir geschickt hatte und daß man dich jeden Augenblick holen konnte! Komm heute, ich werde auf dich warten.«

Er schritt die Treppe hinab, bevor sie geantwortet hatte; aus dem Dunkel tönte es noch einmal herauf:

»Also komm, Dunja …«

Ihr war, als fühle sie sich eigentlich noch verletzt, aber seine Küsse hatten ihr wieder Hoffnung gemacht; leise rief sie ihm nach:

»Ja …«

Als sie dann hinging, war ihr unheimlich zumute, und es wurde noch schlimmer, als er sie auf den Schoß nahm und sie mit Küssen und Liebkosungen erregte; in seinen Armen liegend, hatte sie den Kopf zurückgeworfen, und unter heißen Küssen flüsterte er:

»Bis zum Herbst müssen wir warten, das ist nicht mehr lange, Dunja! Bloß bis zum Herbst, dann mache ich meine eigene Wirtschaft auf, der Alte hat es mir selbst versprochen – ich soll ihm da ein Geschäft drechseln. Wenn er mich nur nicht anführt, das ist's, wovor ich Angst habe. Wenn die Sache nicht gelingt, wird's auch im Herbst nichts mit unserer Heirat.«

Dunja hörte zu und kam langsam wieder zu sich; ihr war, als erwache sie aus einem Traume.

»Bis zum Herbst, Afonja?! … Und ich hatte gemeint …«

»Denke doch nach, Dunja! Jetzt geht's ja nicht. Sie würde es erfahren und auf dich eifersüchtig werden; dann jagt sie dich davon, und niemand kann mir helfen. Ohne deine Hilfe aber wird nichts aus der Sache. Ich spreche jetzt so zu dir, als wären wir schon Mann und Frau, hörst du, Dunja? Die Drakins kennst du doch?«

»Nun, und?«

»Der Alte hat ihnen Geld geliehen und will nun die Schlinge zuziehen. Er hat mir goldene Berge versprochen, aber ich traue ihm nicht; wenn's ans Zahlen geht, weiß er vielleicht von nichts mehr … Und da hab ich mir eine Sache ausgedacht … Wenn die gelingt, bin ich ein gemachter Mann; nicht nur eine Wirtschaft, ein Hotel an der Hauptstraße können wir dann aufmachen! Aber du mußt mir helfen, sonst wird nichts draus.«

»Was soll ich denn tun?«

»Du mußt auf jedes Wort aufpassen, das er sagt. Die Gnädige erzählt mir ja nichts. Solange es ihr behagt, lebt sie mit mir; was aber die Geschäfte betrifft, da ist sie bloß auf ihren Vorteil bedacht, eine Geriebene ist sie. Darum lebe ich ja auch mit ihr, um dieser selben Sache willen. Wenn sie aber Verdacht schöpft, eifersüchtig wird, dann ist alles aus. Jetzt habe ich dich, du mußt mir helfen. Du siehst, ich vertraue dir, ich weihe dich in meine Pläne ein – wenn ich dich nicht liebte, täte ich's nicht. Der Alte darf um Himmelswillen nichts davon erfahren, daß sie mit mir lebt, sonst bin ich erledigt und um unsere Zukunft ist's geschehen. Du siehst, auch hier komme ich nicht ohne deine Hilfe aus. Und den Petrowitsch mußt du auch im Auge haben, er lauert uns auf, um mich los zu werden und wieder seine alte Stelle zu erhalten. Also auch da paß auf, Dunja. Verstehst du, Dunja?«

»Ich verstehe schon, aber ich habe Angst, Afonja. Das Blut des Alten willst du auf dich nehmen, so meinst du's doch?«

»Nicht doch, Dunja! Hier, ich bekreuzige mich: niemand will ich ums Leben bringen, ist mir gar nicht in den Sinn gekommen! Da kannst du ruhig sein, niemand krümme ich ein Haar, solch eine Sünde nehme ich nicht auf mein Gewissen. Du mußt mir nicht böse sein, daß ich so nachdenklich bin, ich leide ja auch darunter, daß wir uns bloß heimlich, wie Diebe, immer nur auf so kurze Zeit sehen können. Ich liebe dich doch. Da fällt es mir schwer, an mich zu halten, aber es muß sein. Du aber spielst die Beleidigte, statt mir zu helfen.«

»Wenn ich dich nicht liebte, wäre ich damals am Abend nicht zu dir gekommen und auch heute nicht, du aber bist so kalt zu mir! … Na schön, ich will mir Mühe geben, um alles so zu machen, wie du sagst, bloß lieb haben sollst du mich!«

Er begleitete sie mit Küssen die Treppe hinauf und lag dann lange schlaflos auf seinem Lager und grübelte.

Dunja war wieder als Mädchen auf ihre Truhe zurückgekehrt. Daß Afonka etwas Gefährliches unternehmen wollte, erfüllte sie mit Unruhe, doch nun zweifelte sie nicht mehr daran, daß er sie wirklich heiraten wollte: wenn sie die Sache, die das Licht scheute, zusammen machten, waren sie dadurch miteinander verknüpft, sein Leben lang würde er von ihr abhängen. Das wußte er, und wenn er sie trotzdem mit herangezogen hatte, so liebte er sie und vertraute ihr, meinte es wirklich ernst.

 

Am nächsten Morgen beehrte Kaßjan Parmjonytsch Afonka in der Wirtsstube mit seinem Besuch. Er streichelte sein spärliches Bärtchen, kniff verschlagen die Augen zusammen und kicherte hämisch.

»Hast du gehört gestern abend? Hm? Die lieben Gäste? Er streckte die Fühler aus, hätte gern noch Geld aufgenommen, wenn ich darauf eingegangen wäre. Du bist früher fortgegangen, nachher stellte sich heraus, daß er auch die neue Bindfadenfabrik verpfänden will … Jetzt haben wir ihn in der Hand, bloß aufpassen heißt's. Also, Afanaßij Timofejewitsch, mach' dich mal an die Arbeit, treibe einen zuverlässigen Mann auf! …«

»Ich weiß nicht recht wie ich das machen soll, Kaßjan Parmjonytsch.«

»Mußt dich umsehen! … Ich kann dir dabei doch nicht helfen … Hier lungert doch so ein Männchen herum, der Klageschriften für die Bauern schreibt – sprich mal mit dem.«

»Lossew meinen Sie, den Anwalt?«

»Jawohl, den Anwalt, mein Lieber! Den meine ich … Und schiebe die Sache nicht auf die lange Bank, in einem halben Jahr muß alles gemacht sein. Im August, gerade wenn die scharfe Arbeit einsetzt, springt ihm dann der rote Hahn aufs Dach. Wenn du Ausgaben hast, so komm zu mir nach Geld, aber nicht in den Laden, sondern abends in die Betstube. Gott helfe dir! …«

Lossew saß jeden Abend in der Ecke am Tischchen und beobachtete Afonka, wartete seine Zeit ab. An den Markttagen trieb er sich den ganzen Tag in der Wirtsstube herum, Ausschau nach Arbeit haltend, des Abends saß er an dem Tischchen in der Ecke und lugte zu Afonka hinüber. In der Fastnachtswoche trat denn auch das erwartete Ereignis ein. An diesem Abend erhielt der Kellner Wassilij von Afonka den Befehl, dem Anwalt Bliny und eine kleine Flasche Schnaps aufzutischen. Wassilij begriff gleich, daß der Geschäftsführer nicht von sich aus den Freigebigen spielte, sondern wohl im Auftrage des Chefs handelte. Eine Fischpastete erhielt Lossew auch sonst vorgesetzt, heute aber wurde er mit Schnaps, Bliny und allem was dazu gehört bewirtet. Auch Lossew war sich sofort klar darüber, daß es nun ernst wurde mit der Arbeit, und trippelte zum Schenktisch, um sich bei Kaljabin für die Bewirtung zu bedanken.

»Ich bin Ihnen sehr verbunden für die Aufmerksamkeit, Afanaßij Timofejewitsch, Ihre Bliny sind ganz ausgezeichnet geraten, tja … Gern würde ich noch einmal von vorn anfangen, aber so allein hat man Langeweile …«

»Na schön, ich will Ihnen Gesellschaft leisten, muß sowieso zu Abend essen, da setze ich mich denn zu Ihnen.«

Eine zweite Portion Bliny mit allem Zubehör wurde gebracht, ja selbst frischen Salmonkaviar stellte Wassilij auf den Tisch.

»Wie steht's eigentlich mit den Grakinschen Häuschen?«

»Ich soll also einen zuverlässigen Mann auftreiben …«

»Na, was habe ich Ihnen gesagt? Es geht alles wie nach Noten …«

Nachdem Afonka ihm von Klimows Auftrag berichtet hatte, sagte Lossew:

»Seien Sie ganz ruhig, Afanaßij Timofejewitsch, ich stehe Ihnen mit Vergnügen zur Verfügung. Ein derartiges Geschäftchen kommt auch bei dem alten Klimow nicht alle Tage vor … Es ist ein niedliches Geschäftchen, das ihm einen hübschen Batzen Geld einbringen wird, bloß vorsichtig muß man sein, tja … Na, wir haben ja Zeit. Und daß wir beide auch was dabei verdienen, versteht sich von selbst. Also ruhig Blut, und schlagen Sie meine Empfehlungen nicht in den Wind. Auf Ihr Wohl, Afanaßij Timofejewitsch!«

Den ganzen Abend hörte Afonka Lossews Litaneien zu, bis die Wirtschaft geschlossen wurde.

Am nächsten Tage erfuhr auch Petrowitsch durch Wassilij, daß Lossew von dem neuen Geschäftsführer Bliny vorgesetzt bekommen hatte – also mußte der Alte Kaljabin einen Geheimauftrag erteilt haben. Täglich erkundigte sich Petrowitsch bei Wassilij:

»Nun, was macht der Rothaarige?«

»Sitzt hinter dem Schenktisch …«

»Nichts von irgendwelchen Geschäften zu bemerken?«

»Bisher nichts.«

Petrowitsch saß nun jeden Abend – solche Geschäfte wurden gewöhnlich des Abends abgewickelt, das wußte er von seiner Praxis her – auf der Bank vor der Pforte und wartete, ob Kaljabin nicht ausgehen würde. Dann folgte er ihm verstohlen von fern. Mochte es gegen den Chef und Lossew gehen, wenn er nur dem neuen Geschäftsführer den Hals brechen konnte!

 


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