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3

Zwei Monate war Afonka bereits im Hause, als der Alte nach Moskau reiste, um Waren einzukaufen. Marja Karpowna sandte Dunja am Abend nach Afonka.

Dunja trat in seine Kammer, wo eine kleine heilige Lampe in einem durch Ruß gelb gewordenen Glasbehälter trübe qualmte; Afonka lag auf seinem Bett und schnarchte.

Sie stieß ihn in die Seite, um ihn zu wecken, und redete ihn mit du an, wußte sie doch, weshalb die Gnädige ihn holen ließ, da konnte Dunja schon auf das vertrauliche Du übergehen; Geheimnisse verbinden, machen Menschen zu gemeinsamen Verschwörern gegen das Gewissen. Afonka wollte nicht erwachen; ihr wurde unheimlich beim Anblick des Schlafenden.

»Afanaßij Timofejewitsch, so steh' doch auf!«

Verschlafen murmelte er:

»Maschenka, du?«

Er sprang auf, starrte Dunja erstaunt an.

»So nennst du also die Gnädige – einfach Maschenka? …«

»Ich kann auch dich Dunjascha nennen, wenn du willst.«

Beide lachten zusammen, denn sie fühlten sich ein bißchen unruhig: Afonka darum, weil er nun zu Maschenka sollte und Dunja um ihr Geheimnis wissen würde; Dunja darum, weil ihr Herz angefangen hatte, heftig zu schlagen, als er sie Dunjascha nannte: Angst hatte sie überkommen. Wenn Kaljabin zudringlich wurde, so könnte sie sich gar nicht vor ihm retten – draußen lagen die dunkle Treppe und der lange schwarze Gang. Afonka war indessen sofort klar geworden, daß er Wohlwollen und Zuneigung des Mädchens gewinnen, am besten sie in sklavische Abhängigkeit von sich bringen müsse, um sicher zu sein, daß sie dem Alten nichts verraten würde, und um in Notfalle einen Verdacht von Marja Karpowna abzulenken und auf Dunja zu richten. Ja, auf meiner weltlichen Pilgerfahrt bin ich der Versuchung unterlegen, doch nicht auf die Gattin meines Gönners, sondern bloß auf ihre Zofe ist mein sündiges Auge gefallen …

Dunja dachte neugierig: Wodurch kann dieses Scheusal es ihr bloß angetan haben?! Hat sie denn wirklich keinen hübscheren Jungen finden können? Geradezu grausig ist er anzusehen, wie ein Unhold aus dem Morgenland! Das muß ich herausbringen, was sie an ihm gefunden hat … Ich will sie selbst fragen … Wird es mir schon sagen, jetzt, wo sie mich nach ihm geschickt hat …

»Also nach oben sollst du kommen – der Herr ist weg.«

»Das weiß ich, daß er weg ist.«

»Seid wohl vom Kloster her miteinander bekannt?«

Er trat zur Tür, ließ sie vorgehen und beugte sich tief zu ihr hinab, als fürchte er mit dem Kopf gegen den niederen Türrahmen zu stoßen.

»Ja, Dunjascha, vom Kloster her.«

Sie führte ihn schweigend die Treppe hinauf und durch den dunklen Gang. Die Nähe des jungen Mädels ließ sein Herz schneller schlagen. Ihm war es schließlich gleich, wer es sei, wenn er nur jemand umarmen, an sich drücken, sich in einem Frauenleib auflösen konnte. Das mit Fenja war eine besondere Sache, wie an etwas Heiliges dachte Afonka jetzt an die kleine Fenja; sie wollte er ganz haben, auf immer. Und obwohl er wußte, daß das eitle Träumereien waren, daß sie ihn nie lieben würde, träumte er doch von ihr. Wie oft baut der Mensch Luftschlösser und weiß, daß all sein heimliches Hoffen Wahn und Selbsttäuschung ist, und meint doch, eine innere Stimme zu vernehmen, die ihm zuflüstert: Vielleicht kommt es doch so, vielleicht! Noch ist nicht alles verloren …

Eben aber spürte Afonka das jungfräulich frische Mädel so nahe, daß seine Nüstern sich wie die eines Hengstes blähten und ihr wieder unheimlich wurde. Sie klammerte sich an das Geländer, suchte möglichst schnell die Tür zu gewinnen, die Klinke an sich zu reißen; doch ihre Füße wurden ihr schwer, sie stolperte über die Stufen wie trunken.

Der Filzbeschlag – als Schutz gegen die Kälte war die Tür von außen mit Filz bekleidet – fuhr raschelnd über den Boden; ein Seufzer der Erleichterung entriß sich Dunja, als wäre sie einer tödlichen Gefahr entronnen, und sie beschloß bei sich: Nie mehr gehe ich ihn holen, mag die Gnädige selbst hingehen, wenn sie ihn braucht. Sonst tut er mir eines Tages Gewalt an, ehe ich bäh sagen kann!

Er trat, den langen Kittel nachlässig geöffnet, in die herrschaftliche Wohnung ein. Eine Lampe in der Hand, kam Marja Karpowna heraus und rief ihn im Befehlston in ihr Zimmer, als hätte sie ihm im Auftrage ihres Mannes eine Bestellung auszurichten.

Dunja dachte bei sich: Sieh mal einer an! Als ob es sich um eine geschäftliche Angelegenheit handele! Na, mir machst du nichts weis, meine Liebe …

Bis kurz vor Morgengrauen blieb Afonka bei ihr; ganz matt und erschöpft war Maschenka schließlich. Als sie ihn hinausgeleitete, flüsterte sie ihm zu, während der Abwesenheit ihres Alten nur ja recht oft zu ihr zu kommen, sie nicht mit ihrer Weibessehnsucht allein zu lassen, die nächtliche Stille süß zu beleben, damit sie nicht Angst habe in dem leeren Hause so allein mit Dunja. Sie versprach auch, ihren Alten zu bitten, bei seiner nächsten Abwesenheit jemand zu ihrem Schutz zur Nacht nach oben zu schicken, der Wächter könnte im Vorzimmer schlafen; sie hoffte, daß Kaßjan Parmjonytsch unbedingt Afonka dazu wählen würde, weil er so grausig aussah, daß er keinem Weibe gefährlich werden könnte. Wenn er im Vorzimmer schliefe, brauche er des Morgens nicht aus den warmen Federn in seine kalte Kammer zu eilen; sie könnten beisammen bleiben unter dem weichen Daunenpfühl, bis die Sonne aufgeht. Dunja solle er wecken, damit sie den Riegel vor die Tür schiebe.

»Gib acht, stoß dich nicht, Afonja. Sie schläft im Gang auf der Truhe.«

Maschenka blieb noch eine Weile in der Tür stehen, dann zog sie sich seufzend zurück.

 

Afonka tastete sich im Gang zurecht, kam an die Truhe, steckte aus Übermut die Hand aufs Geratewohl unter die Decke und weckte Dunja, indem er ihre Brüste streichelte, auf die er gestoßen war.

Das Mädchen fuhr auf.

»Oi, laß! Rühr' mich nicht an!«

»Bist ja nicht aufzuwecken … Komm, schließe die Tür hinter mir!«

Das Mädel war wütend, zischelte ihn an:

»Sobald Kaßjan Parmjonytsch zurück ist, sage ich ihm alles, bei Gott! Hier, ich bekreuzige mich, alles sage ich ihm. Ich will dir das schon heimzahlen!«

Im bloßen Hemde ging sie im Dunkeln hinter ihm her, gab ihm Puffe in den Rücken und fauchte ihn böse an. Als sie die Tür zuziehen wollte und nach dem Riegel langte, packte er ihre Hand, und ehe sie Zeit hatte, sich irgendwo anzuklammern, hatte er sie auf den Treppenabsatz herausgezerrt. Mit der freien Hand schlug er die Tür zu und drückte das Mädchen gegen die Wand.

Er umarmte sie, ohne sich Unzüchtigkeiten zu erlauben, in aller Ehrbarkeit. Ihre Drohung hatte ihn erschreckt. Wenn sie es dem Alten steckte, würde Kaßjan Parmjonytsch ihn – wie Drakin seinen Freund Nikolka – unter sicherer Bewachung ins Kloster zurückschicken, und dann würde er die kleine Fenja niemals wiedersehen. Hastig sprach er auf das Mädchen ein:

»Ich habe doch bloß gescherzt, kleine Närrin! Ich rühre dich nicht an. Gleich als ich dich zum ersten Male sah, als du in die Wirtsstube kamst, mich zu rufen, habe ich dich lieb gewonnen. Du meinst wohl, ich halte es aus Liebe mit der Gnädigen? Hat sich was! Sie hat mich im Kloster überredet, in die Stadt zu kommen, hat mir das Blaue vom Himmel herunter versprochen, für meine Zukunft würde sie sorgen, und nun hat sie mich in dies dunkle Loch gestopft! Ich dulde und schweige, tue es darum, weil ich durch sie vielleicht wirklich einmal vorwärts komme. Sie ist ja schon lange bei uns berüchtigt. Um zu beten, fährt sie angeblich ins Kloster, Unsinn – jedem Mönch hängt sie sich an den Hals. Ich pfeife auf das Kloster. Nur aus Not bin ich Novize geworden. Als Vater starb, war ich noch ein Junge, Mutter hatte auch für mein Schwesterchen zu sorgen, da hat ihr dann eine Wallfahrerin vorgeschlagen, mich ins Kloster mitzunehmen, damit Mutter den hungrigen Mund los wird. So habe ich denn da gelebt all die Jahre und wäre wohl ganz dort geblieben, wenn deine Gnädige mich nicht in die Stadt gelockt hätte.«

Das Mädchen hörte aufmerksam zu, obwohl sie vor Kälte zitterte und ihre Zähne klapperten:

»Ich friere, lassen Sie mich.«

»Warte, ich decke dich zu. Laß mich zu Ende sprechen.«

Er schlug die Seiten seines langen Kittels um sie, hielt sie hinten zu. Dunja schmiegte sich vor Kälte an ihn und lauschte; warum, fragte sie sich nicht, doch nicht Weiberneugier allein bewegte sie, noch etwas anderes regte sich in ihr.

»Du denkst wohl, im Kloster sei alles Tugend und Heiligkeit? … Euch scheint es so, für uns ist es voller Sünde. Wir sind ja auch Menschen! … Das Weib, die verbotene Frucht, entflammt uns noch ärger. Jedem Weibsbild laufen die jungen Mönche nach, mit heraushängender Zunge, wie die jungen Hunde, können nicht genug bekommen. Und im Winter sind sie wie tolle Bestien. Und immer sind's diese Kaufmannsfrauen, die uns zur Sünde verführen. Und ich bin ja auch nicht aus Stein, bin auch ein Mensch aus Fleisch und Blut … Bloß hat Gott mir keine Schönheit gegeben. Die Kaufmannsfrauen sind ja meist hinter den hübschen Jungen her, mich haben sie gar nicht angeblickt, als wäre ich aussätzig. Diese aber hat sich auf mich gestürzt. Sie wechselte einen nach dem andern, auf der Suche nach dem kräftigsten. Darum hat sie mich denn auch in ihr Herz geschlossen, weil ich so stark bin in der Liebe, und ist in mich gedrungen, ich solle zu ihr in die Stadt kommen. Und nun muß ich um ihretwillen den Alten betrügen. Dich aber habe ich lieb gewonnen auf den ersten Blick. Als du heute in meine Kammer kamst, erschrak ich zuerst, ich dachte, sie sei es, aber du warst es, und wenn ich nicht nach oben gemußt hätte, wärst du nicht wieder von mir fortgekommen; ich hätte dich nicht fortgelassen, was auch daraus geworden wäre. Lieb hab ich dich gewonnen! Ich weiß ja, daß ich grausig aussehe, wer sollte mich lieben?! Könnte denn ein junges Mädel solch einen Unhold lieben? Sie wollen immer nur hübsche Jungens, mit Lockenköpfen …«

Er zog sie noch fester an sich, umschlang sie heiß und schlug plötzlich die Seiten des Kittels auseinander.

»Geh, Dunja – will ich denn Gewalt anwenden?! Mit Gewalt erwirbt man keine Liebe. Das ist die Sache … Aber zu ihr gehe ich aus Not allein …«

Er trat zurück, tastete sich langsam die Treppe hinab. Dunja stand in ihrem dünnen Hemdchen in der Kälte noch immer an der Tür, ganz benommen von seinen Worten, grübelte. Plötzlich riß sie sich von der Wand los, beugte sich über das Geländer und rief ihm leise nach:

»Ist das auch wahr, was du mir gesagt hast!«

Leise klang es zurück:

»Es ist wahr …«

Sie wollte ihm noch etwas nachrufen, öffnete den Mund und wußte nicht recht, war ihr ein unterdrückter Schrei entfahren oder hatte sie nur gemeint, sie hätte ihn ausgestoßen?

Sie hätte ihm nachstürzen mögen, ihm, der solche Worte zu ihr gesagt hatte. Dem schwarzhaarigen Mädel waren sie ins Herz gedrungen. Ihr Leben lang hatte sie nur Befehle und Scheltworte gehört; so hatte noch niemand zu ihr gesprochen. Als Vierzehnjährige hatte ihre Mutter sie aus dem Dorf in die Stadt gebracht, und seitdem war sie von Stelle zu Stelle gewandert. Bei Frau Klimowa hatte sie es besser als bisher sonstwo. Schlimm war nur, daß all die Angestellten, Verkäufer und Arbeiter ihr keine Ruhe gaben, seit sie herangereift war, ihre Formen sich gerundet hatten, die Brüste prall wie Äpfel leise bebten und das ganze Mädel selber wie ein frischer Apfel roch. Kaum daß so einer im Jakettanzug ihr in die Nähe kam, so suchte er schon, sie in die Hüfte zu zwicken, ihre Brust zu streicheln. Sie hatte sich bei der Hausfrau beklagt, aber die hatte bloß gelacht.

»Einem hübschen Mädel stellen die Burschen immer nach, Dunja. Brauchst nur ein wenig zu warten: wenn du alt geworden bist, wird dich niemand mehr anrühren; dann würdest du froh sein, wenn jemand dir den Hof machen wollte, aber dann ist's zu spät …«

Afonka war weitergegangen, war nicht zurückgekehrt. Dunja schob den Riegel vor und legte sich auf die Truhe unter die Steppdecke. Sie konnte aber bis zum Morgen nicht mehr einschlafen. Auch den ganzen Tag über mußte sie immer an Afonkas Worte denken, die Arbeit wollte ihr gar nicht von der Hand gehen.

Ob er es aufrichtig meinte?! Vielleicht hatte er bloß gescherzt? …

 

Am Abend rief Marja Karpowna Dunja wieder in ihr Zimmer, unter dem Vorwand, sie solle ihr beim Ordnen der Kommode behilflich sein. Nachdem die Kommode in Ordnung gebracht worden war, machte sie sich an die Kleider in der Truhe, die sie aber nicht ordnete, sondern nur durchsah, um dann Dunja ein älteres Stück für ihr Schweigen, für das nächtliche Geheimnis zu schenken.

»Hier nimm, laß es dir umarbeiten; ich brauch's nicht mehr, das Kleid ist nicht mehr modern.« Sie kämpfte mit sich, dann fügte sie hinzu: »Dunja, aber zu niemandem ein Wort über Afanaßij Timofejewitsch! Mit dem Alten zu leben ist eine Pein – du bist kein kleines Mädchen mehr, mußt das verstehen. Wenn du dich brav hältst, will ich mich dankbar erweisen, verheirate dich auch, ich werde schon jemand finden, der dir gefällt.«

»Seien Sie ganz ruhig, Marja Karpowna, wie sollte ich dazu kommen, etwas über Sie zu sagen!«

»Stell' jetzt den Samowar auf und ruf ihn zum Tee. Du kannst ausgehen, wenn du willst. Hast wohl auch Bekannte?«

»Wohin sollte ich denn gehen, Marja Karpowna? Sie wissen ja, ich habe niemand.«

Ihr waren die Hände ganz schwer geworden, kaum konnte sie den Samowar aufheben. Sie hatte Angst, in Afonkas Kammer zu gehen, und doch zog es sie hin: Vielleicht würde er ihr wieder solche Worte sagen, von denen einem Mädel ganz schwindelig wurde! Kaum ging es mit dem Tischdecken vorwärts – sie wollte den Augenblick, da sie über seine Schwelle trat, möglichst hinausschieben. Als spräche sie ein Verdammungsurteil über sich aus, meldete sie endlich:

»Gnädige Frau, der Tisch ist gedeckt.«

Wieder tastete sie sich die dunkle Hintertreppe hinab. Im engen Gang schien ihr, als wollten die Wände sie erdrücken. Sie trat nicht einfach ein wie gestern, sondern klopfte zuerst. Afonka schlief nicht, er lag auf seinem Bett und wartete darauf, daß Dunja nach ihm käme; er richtete sich auf, blieb auf dem Bett sitzen.

»Sollst du mich wieder holen, Dunja?«

»Ja, Afanaßij Timofejewitsch. Sie möchten Tee trinken kommen.«

Bevor er ihr von seiner Liebe gesprochen hatte, hatte sie ihn geduzt wie alle Angestellten und Arbeiter; nun, da eine Unruhe in ihr erwacht war, redete sie ihn scheu mit Sie an.

»Setz' dich doch, sei nicht so bange. Erzähle mir mal, hat sie heute was über mich gesagt?«

»Ein Kleid hat sie mir geschenkt, hat Angst vor dem Alten. Aber kommen Sie, Afanaßij Timofejewitsch, sonst denkt sie sich noch was …«

»Weißt du noch, was ich dir gestern gesagt habe? … Vergiß es nicht. Ich verstehe nicht zu scherzen, was ich sage, meine ich. Daß ich dich gestern ein bißchen unbeholfen geweckt habe, darum brauchst du mir nicht böse zu sein, ich will's nicht mehr tun. Mit keinem Finger rühre ich dich an, bevor du mich nicht lieb gewinnst.«

»Gehen wir jetzt lieber, sonst schilt sie noch.«

Er hatte sie nicht angerührt, ganz fröhlich wurde Dunja; ein Stein war ihr vom Herzen gefallen. Als sie sich nachher auf der Truhe ihr Lager richtete, war ihr ganz weh ums Herz. Es war nicht Eifersucht, aber sie fühlte sich schmerzlich verletzt. Sie liebte ihn ja nicht, wenn es sie auch zu ihm zog. Nach seinen zärtlichen Worten hätte sie sich gern wieder bei ihm, dem breitschultrigen Unhold, der sie fast um Hauptes Länge überragte, versteckt, an seiner Brust, unter seinem Kittel, wie vorige Nacht; da würde ihr nichts geschehen, niemand würde ihr zu nahe treten.

Wieder weckte Afonka sie, zupfte sie am Ellenbogen. Wärme ging von ihm aus, er roch ein bißchen nach Eau de Cologne der Gnädigen, und wieder zog es sie in seine Wärme unter seinen sicheren Schutz. Er rührte sie aber gar nicht an, sagte ihr nichts Zärtliches.

Und immer wieder ging sie zu ihm, um ihn zu Marja Karpowna zu rufen, und jeden Abend versicherte er sie, daß er sie liebe und schwer unter der aufgezwungenen Verbindung mit der gierigen Kaufmannsfrau leide. Er wollte das Mädchen warm halten, sie an sich gewöhnen, um ihr Herz zu erringen, ihre Ergebenheit, um im Notfalle einen Rückhalt an ihr zu haben. Darum veranlaßte er auch Marja Karpowna, immer Dunja nach ihm zu schicken – er wolle nicht aufdringlich erscheinen und könne nur dann zu Maschenka kommen, wenn er sicher sei, daß er ihr nicht lästig falle. Vierzehn Tage lang verbrachte er jede Nacht bei ihr. Niemand wußte davon, denn die Angestellten und Arbeiter wohnten zusammen mit der übrigen Dienerschaft in einem Flügel im Hofe. Afonka hielten sie für halb verrückt, weil er bis Mitternacht Psalmen sang und auf dem Hofe Gebete vor sich hin murmelte. Afonka seinerseits mied sie, war schweigsam und verschlossen, zog sich in seinen Freistunden in seine Kammer zurück und träumte von der kleinen Fenja.

Als der Alte zurückkehrte, weinte Maschenka und verbrachte schlaflose Nächte; immer schien ihr, es schleiche jemand durch die Zimmer.

»Wenn du wieder verreist, schicke doch jemand zur Nacht nach oben, ich fürchte mich allein mit Dunja in dem leeren Hause: Wie leicht könnten Diebe eindringen und mich niedermachen, und alles Schreien nützte nichts.«

»Meinetwegen, wenn ich nächstens fort muß, mag jemand oben schlafen.«

 

Tag für Tag arbeitete Afonka mit Schaufel und Besen auf dem Hof und psalmodierte in seiner Kammer bis in die Nacht hinein. Ein halbes Jahr lang rührte sich Kaßjan Parmjonytsch nicht vom Hause fort; nur des Sonnabends unterhielt er sich mit Afonka auf dem Wege zur Johanniskirche.

Einst beklagte sich der Geschäftsführer bei dem Alten darüber, daß er an den Markttagen nicht mehr allein durchkomme in der Gastwirtschaft, nicht alle Leute im Auge halten könne, eine ganze Menge Geld gehe dadurch verloren.

»Warte mal, Petrowitsch, ich habe da schon lange jemand im Auge – einen zuverlässigen Menschen, für den ich bürgen kann. Er kann auch lesen und schreiben – gerade der rechte Gehilfe für dich.«

»Wer ist es denn, Kaßjan Parmjonytsch?«

»Du mußt ihn ja wohl schon gesehen haben – Afanaßij, der Hausknecht.«

»Jawohl, Kaßjan Parmjonytsch, den habe ich gesehen …«

»Scheint dir nicht zu gefallen, sieht grausig aus, was?«

»Ja, er gefällt mir nicht recht … Das ist Sache des Hausherrn, aber mir gefällt er nicht.«

Petrowitsch zog die Worte nachdenklich in die Länge. Damals hatte er Dunja gefragt, weshalb sie den Mönch gerufen habe, hatte aber nichts Gescheites aus dem Mädel herausgebracht. Niemand hatte während der ganzen Zeit etwas Schlechtes über Afonka gesagt, bloß daß man sich über seinen frommen Singsang lustig machte. Trotzdem, Petrowitsch hatte seine Zweifel … Er dachte: Vielleicht liegt auch gar nichts vor. Warum hat aber dann die Gnädige nach ihm geschickt? Verdächtig bleibt's doch. Entweder ist er nicht ganz gescheit im Kopf oder ein abgefeimter Spitzbube … Man kann das bei einem Mönch nie wissen. Und diese Frömmigkeit – ob er es auf den Alten abgesehen hat? Sonst ist nichts zu sagen über den Mann, er trinkt nicht und soll tüchtig sein. Ich kann mir das nicht zusammenreimen …

Petrowitsch hatte ein geübtes Auge, war ein großer Menschenkenner, brauchte einen Menschen bloß anzusehen, um zu wissen, mit wem er es zu tun hatte. Schon viele Jahre stand er hinter dem Schenktisch in der Wirtsstube am Markt. Mancherlei Leute waren an ihm vorübergezogen, mancherlei heimliche Geschäftchen hatte er gemacht: Käufer an den richtigen Pferdehändler gebracht, Gauner der Polizei ausgeliefert, Freundschaften mit Viehhändlern geschlossen …

Als Kaßjan Parmjonytsch von der Abendmesse zurückkam, teilte er Afonka die freudige Botschaft mit.

»Kannst ins Gesindehaus umsiedeln, zu den Angestellten – von morgen an hilfst du Petrowitsch hinter dem Schanktisch aufpassen.«

Afonka blieb stumm.

»Was sagst du denn nichts – paßt es dir etwa nicht?«

»Ich kann's ja gar nicht sagen, wie sehr ich Ihnen, meinem Gönner, dankbar bin, bloß mein Kämmerlein unter der Treppe möchte ich nicht gern verlassen, das ist's. Wenn ich da bei den andern wohne, kann ich überhaupt nicht mehr beten, keine Psalmen singen … Sie spotten ja auch so schon über mich.«

»Ich wollte dir einen Gefallen tun. Meinetwegen kannst du in der Treppenkammer bleiben, mir ist das gleichgültig …«

 

So stand denn Afonka zusammen mit Petrowitsch hinter dem Schenktisch, arbeitete sich allmählich ein, paßte auf, daß niemand sich auf Kosten seines Brotherrn gütlich tue. Und immer schwieg er, was der Geschäftsführer ihm auch sagen mochte; stumm und still tat er alles, was von ihm verlangt wurde. Petrowitsch mochte ihn nicht, Afonka spürte das und hütete sich, einen Grund zur Klage zu geben.

Einmal fragte Kaßjan Parmjonytsch seinen Geschäftsführer:

»Nun, Petrowitsch, wie macht sich dein Gehilfe?«

»Ich kann nichts gegen ihn sagen, aber er gefällt mir nicht. Wo haben Sie den nur her?«

Auf dem Heimwege von der Abendmesse sagte Klimow zu Afonka:

»Der Petrowitsch mag dich nicht – was hat er gegen dich?«

»Ich weiß nicht, Kaßjan Parmjonytsch. Ich habe ihm nichts getan, begegne ihm im Gegenteil mit Achtung und Zuvorkommenheit. Ich spreche offen und ehrlich zu Ihnen, wie zur Beichte, und da muß ich sagen, auch er gefällt mir nicht. Er mag ja schon lange in Ihrem Dienst sein, und Sie vertrauen ihm wohl, weil er schon so lange da ist, wenn man aber so daneben steht, bemerkt man allerlei und macht sich Gedanken … Er macht Sachen, die nicht recht, nicht gottgefällig sind. Vielleicht aber scheint es mir nur so in meiner Dummheit, vielleicht ist das im Geschäftsleben so üblich …«

Der Alte horchte auf; es konnte schon sein, daß Petrowitsch nicht ganz ohne Sünde war. Er unterbrach Afonka nicht, fragte nur:

»Um was handelt es sich?«

»Ich habe es noch nicht recht begriffen. Wenn ich klar sehe, will ich's Ihnen sagen.«

»Er traut dir nicht, meint, du seist zu schweigsam.«

»Als Novize erfülle ich das Gebot unseres Abts, keine Widerrede zu tun und auszuführen, was mir geheißen wird von meinem Vorgesetzten; um aber von mir aus Gespräche zu führen, bin ich noch zu jung und unerfahren.«

 

Zu Hause erwartete den Großkaufmann ein Telegramm, das ihn auf eine längere Reise berief. Marja Karpowna erklärte wieder, daß sie sich fürchte, allein mit Dunja im Hause zu bleiben.

»Ich will Afonka schicken, er mag während meiner Abwesenheit im Vorzimmer schlafen. Er sieht zwar grausig aus, dafür aber streckt er drei Mann zu Boden, wenn's darauf ankommt.«

»Schicke lieber jemand anders, vor dem habe ich selber Angst.«

»Der ist nur anderen gefährlich, uns gegenüber ist er harmlos wie ein Schaf. Dunja, geh in die Wirtschaft und rufe Kaljabin herauf.«

Wieder winkte Dunja lächelnd Afonka mit dem Finger. Petrowitsch zuckte zusammen; wie beim ersten Male schwante ihm Unheil. Ungeduldig wartete er auf Afonkas Rückkehr; er hoffte von ihm zu erfahren, um was es sich handelte. Afonka, der Petrowitschs Verdacht spürte, wollte ihn necken. Als er zurückkam, begann er eifrig Gläser zu waschen, als wäre gar nichts vorgefallen, was den Geschäftsführer nur noch mehr reizte.

»Warum hat man dich nach oben gerufen, Afanaßij?«

»Der Chef hatte geschäftlich mit mir zu sprechen.«

»Na sag' doch einer! Wieviel Jahre bin ich schon hier, noch nie aber bin ich nach oben gerufen worden. Wie sehr ist er hinter dem Gelde her, aber immer kommt er selbst herunter, um die Kasse zu holen. Dir aber erweist er diese Ehre!«

»Ich soll während der Abwesenheit des Chefs oben schlafen, um Marja Karpowna zu schützen.«

Die Nuß war noch härter zu knacken! Petrowitsch stand fast bis Toresschluß in Gedanken versunken und suchte, sich das zurechtzulegen. Er entschied schließlich, daß gewiß die Gnädige dahinterstecke, sie mußte den Alten umgarnt haben. Er, Petrowitsch, würde die Augen offen halten und sehen, hinter Afonkas Schliche zu kommen, und wenn er was merkte, es dem Alten stecken, um ihn vor Schande zu bewahren.

Bei der Abfahrt kam Kaßjan Parmjonytsch durch die Wirtschaftsstube und sagte brummig über den Schenktisch hin, ohne Petrowitsch anzusehen:

»Den Afanaßij Timofejewitsch entläßt du des Abends früher, er wird oben schlafen. Verstanden?«

»Jawohl, Kaßjan Parmjonytsch.«

Kein weiteres Wort sagte der Chef, schlug die Tür hinter sich zu. Früher pflegte er Petrowitsch zu fragen, was sich im Laufe des Tages ereignet habe, wie das Geschäft gewesen sei – jetzt hatte er ihn nicht einmal eines Blickes gewürdigt! …

Wieder knarrte die Blockrolle an der Tür, und Dunja erschien aufs neue, winkte diesmal aber nicht von der Tür aus, sondern lief auf den Schenktisch zu, dasselbe schelmische Lächeln auf den Lippen, und warf Petrowitsch einen verschmitzten Blick zu.

»Afanaßij Timofejewitsch, Marja Karpowna läßt Sie nach oben rufen, sie geht schlafen, wir schließen gleich ab.«

Über den Hof und durch den dunklen Gang schritten die beiden. In Dunja war eine quälende Eifersucht erwacht, als sie erfahren hatte, daß Afanaßij ganz bei der Gnädigen schlafen werde, nicht im Vorzimmer, wo Dunja ihm zum Schein ein Lager bereitet hatte, sondern bei ihr, bei der Gnädigen.

»Also jetzt sind Sie gleichsam ihr Mann geworden? … Da sind Sie wohl glücklich?«

Oben auf der Treppe, vor der filzbeschlagenen Tür, umschlang Afonka das Mädchen in der Dunkelheit, drückte sie so fest an sich, daß ihre Knochen knackten, und küßte sie auf den Mund. Sie schmiegte sich erwidernd an ihn, wunderte sich selbst darüber.

»Dunja, ich habe es dir doch gesagt, und nun glaubst du mir wieder nicht! Wenn ich dich jetzt heiraten wollte, so wäre alles verloren. Wir müssen warten, sonst jagt sie dich fort oder läßt auch mich an die Luft setzen. Ich bin Petrowitschs Gehilfe geworden – die Zeit wird kommen, da werde ich an seinem Platz sitzen. Nach ein, zwei Jahren kann ich dann eine eigene Wirtschaft aufmachen. Dann steht uns nichts mehr im Wege, dann heiraten wir.«

»Afanaßij Timofejewitsch! Ist das auch wirklich wahr? Ich kann es noch gar nicht glauben …«

»An dich denke ich, wenn ich bei ihr bin, du aber glaubst mir nicht! Ich habe dich doch lieb.«

Da glaubte sie ihm und suchte selbst zärtlich nach seinen Lippen.

 

Jeden Abend holte Dunja ihn nach oben, von acht bis acht bewachte er die Frau des Großkaufmanns Klimow, und jeden Abend küßte er das Mädchen auf der Treppe. Weiter erlaubte er sich nichts, obwohl er spürte, wie prall ihre Brust sich an ihn drückte. Sie sehnte sich jetzt nach seinen Küssen und warf sich nachher unruhig auf ihrem Lager hin und her und träumte von Liebesglück.

Petrowitsch aber konnte sich nicht beruhigen, wollte herausbringen, was dahinterstecke, und so beschloß er eines Abends, die Tageseinnahme der Gnädigen selber heraufzubringen, aber so, daß er dabei etwas erspähen, etwas erlauschen könnte.

Afonka wurde nach oben gerufen, und eine halbe Stunde später folgte ihm Petrowitsch auf demselben Wege, durch den hinteren Eingang; auf der dunklen Treppe zündete er Streichhölzchen an, blies sie aber sogleich wieder aus, damit oben niemand den Lichtschimmer bemerke. Die Tür war noch nicht abgeschlossen. Durch den Gang schlich er sich ins dunkle Anrichtezimmer, in das ein Lichtstrahl aus dem Schlüsselloch der Speisezimmertür drang. Dunja war nicht da, sie war in die Kammer gegangen, um Konfitüre zu holen. Petrowitsch beugte sich zum Schlüsselloch herab und blickte hindurch. Marja Karpowna saß hinter dem Samowar, Afonka ihr schräg gegenüber; er trank Tee aus der Untertasse. Petrowitsch horchte; Marja Karpowna sprach:

»Heute habe ich von Fenjas Mutter einen Brief erhalten; sie bittet mich, mit meinem Alten über eine Geldaufnahme zu sprechen. Ihr Bruder Kirill Kirillowitsch, der Ingenieur, hat wieder neue Pläne. Kurz vordem Vater Nikolai herkam, hat Drakin eine neue Bindfadenfabrik gebaut, mit dem Gelde seiner Schwester Grakina, und jetzt will er noch eine neue Taufabrik bauen, und da reicht das Geld nicht. Alles, was er besitzt und verdient, steckt er in den Hanf; nicht nur in unserem Gouvernement, auch in den anstoßenden Gouvernements kauft er bei den Bauern die ganze Ernte noch auf dem Felde zusammen, und immer noch ist's ihm nicht genug. Auch eine neue Taufabrik will er jetzt bauen, neue Gebäude, neue Maschinen, die er aus England beziehen will, sind nötig, und da will er nun bei meinem Alten Geld auf Häuser aufnehmen, auf Fenjas Häuser. Mein Alter wird ihm das Geld schon geben, warum sollte er nicht, das Geschäft ist sicher, aber so, wie ich ihn kenne, bringt er die Häuser dann an sich: fromm ist er, aber wo sich's ums Verdienen handelt, da schrickt er vor nichts zurück … Mit den Wechseln wird er bestimmt was anstellen, vielleicht mit Hilfe von irgendwelchen dunklen Mittelmännern, denen er sie zum Schein verkauft oder sonst irgendwie …«

Petrowitsch wartete gespannt, ob Afonka nicht etwas sagen, die Gnädige vertraulich anreden würde. Er sah, daß ihr Blick strahlend auf ihm ruhte, sie sprach aber ganz unbefangen. Der gekrümmte Rücken schmerzte dem Lauschenden, sein Blut summte laut, aber er war ganz Auge und Ohr, ganz versunken in das Bild vor sich, als er plötzlich mit Stirn und Nase gegen die Tür prallte. In der Dunkelheit war Dunja, ein Tablett in der Hand, auf ihn gestoßen, wobei die Schale mit Konfitüre hinabglitt und sich über Petrowitschs Rücken ergoß. Vor Schreck kreischte das Mädchen gellend auf.

Marja Karpowna sprang vom Tisch auf und lief zur Tür, Afonka eilte ihr nach. Die Tür wurde aufgerissen und Dunja sah den Geschäftsführer, der ganz mit Johannisbeerkonfitüre bekleckst war, auf den Knien zurückschnellen.

»Was schreist du, was ist geschehen? Dunja?«

Vor Erregung weinend, rief Dunja:

»Er stand hier … Ich wäre fast gestorben vor Schreck! …«

»Was machen Sie hier, Petrowitsch?«

Petrowitsch, der mit den Händen die klebrige Masse von den Schößen seines Rockes abzustreifen suchte, antwortete dumpf:

»Ich bringe die Kasse …«

»Warum standen Sie dann hinter der Tür? Gelauscht haben Sie? Ja? Die Stellvertreterin des Chefs darf nicht einmal Tee mit ihrem Angestellten trinken, gleich wird geschnüffelt?! Afanaßij Timofejewitsch, begleiten Sie ihn in die Wirtsstube zurück, er hat Nasenbluten.«

Um sich nicht zu beschmutzen, hielt Afonka den Geschäftsführer am Rockkragen, als er ihn die dunkle Treppe hinabführte. Er brachte ihn bis an die Tür der Schenkstube.

»Na, Petrowitsch, hast nicht viel erfahren – der Teufel hatte seine Hand mit im Spiele! Ich gehe nicht mit hinein, kannst dich allein in diesem Aufzuge zeigen – die Kellner können dich wieder rein machen und waschen.«

Um ihn zu ärgern, stieß Afonka die Tür auf und rief hinein:

»He, ist jemand da? Wassilij, komm her, hilf mal dem Petrowitsch seinen Rock von der Konfitüre reinigen.«

Der Geschäftsführer konnte ihn nur wütend anzischeln:

»Diesmal bin ich unterlegen … Aber warte nur … ich fange dich schon ab. Ich werde dir das nicht vergessen! …«

 

Als Klimow zurückkehrte, stürzte Marja Karpowna auf ihn zu, ehe er noch recht ins Zimmer gekommen war, und beklagte sich über die ihr angetane Beleidigung – entweder habe sich Petrowitsch selbst berufen gefühlt, den Spion zu spielen, zu schnüffeln und an Türen zu horchen, oder er habe es im Auftrage ihres Mannes getan.

»Also wenn ich dem Afanaßij mal eine Tasse Tee gebe, so werde ich gleich solchen Beleidigungen ausgesetzt?! Ist er denn kein Mensch, bloß weil er solch ein Unhold ist? Von früh bis spät auf den Beinen und des Nachts wie ein Hund im Vorzimmer – und dann solche Geschichten wegen einer Tasse Tee!«

Kaßjan Parmjonytsch fragte Petrowitsch aus; dieser mußte gestehen, daß alles in Ehrbarkeit vor sich gegangen sei, Afanaßij hätte nicht einmal neben der Hausfrau gesessen und züchtig seinen Tee getrunken, stumm wie immer. Klimow ärgerte sich, ernannte den Kleinbürger Afanaßij Kaljabin zum Geschäftsführer und Petrowitsch zum ersten Hausknecht auf dem Ausspannhofe, falls er es nicht vorziehen sollte, ganz zu gehen. Afonka, dessen Zuverlässigkeit so klar zutage getreten war, erwarb in noch größerem Maße das Vertrauen seines Brotherrn, der nun wieder seine alte Gewohnheit aufnahm und des Abends zuweilen in der Wirtsstube einkehrte, um ein Weilchen hinter dem Schenktisch zu sitzen und mit ihm über die Geschäfte zu sprechen; ja einmal forderte er ihn sogar auf, sich seine Betstube anzusehen.

 


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