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3

Schmetternd wie eine Nachtigall sang Nikolka während der Mittagsmesse, zur Freude des Chordirigenten.

Wie berauscht pochte Nikolkas Herz.

Er schwelgte in der Erwartung der bevorstehenden Zusammenkunft mit der kleinen Fenja nach dem Mittagsmahl. Schielte vom Chor hinab, suchte unter der betenden Menge nach Fenjas goldenen Löckchen.

Sie war nicht zur Messe gekommen, pflegte wohl der Ruhe; unnütz hatte er sich so angestrengt, seine machtvolle Stimme so schmetternd tönen lassen!

Zu Waßja ging er nicht mit heran, den langen Afonka, den Dienstbruder des Abtes, holte er sich in der Hoffnung, von ihm den Schlüssel vom Boot zu erlangen. Nikolka und Afonka – Afanaßij Timofejewitsch Kaljabin war sein voller Name – waren Freunde, richtige Busenfreunde.

Lang war Afonka, und lang und schlenkernd hingen ihm die Arme am Leibe hinab, auch war er ein wenig glotzäugig, die molligen Kaufmannsfrauen aber fanden Gefallen an ihm; er hatte eine gewaltige, kühn gebogene Nase, eine Hakennase, und einen Struwwelkopf – der reine Absalom aus der Bibel, ein ungefüger Waldschrat, dabei aber ganz versessen auf die Weiber und der rechte Mann für sie. Im ganzen Gouvernement war er seiner Talente wegen berühmt, im Flüsterton raunten vor hitzehauchenden Öfen die Kaufmannsfrauen einander zu, daß es in der ganzen Welt nichts Ähnliches gäbe, er spende einem solche Seligkeit, daß nichts Schöneres darüber hinaus denkbar sei.

Nikolka war durch seine Schönheit berühmt, Afonka durch seine Hakennase. Ihr Freundschaftsbund war stark und fest, und oft hatten sie untereinander zarte Vereinbarungen getroffen und die Kaufmannsweiber unter sich geteilt: der eine nahm sich des Töchterchens, der andere der Mama an – so wurde die Aufmerksamkeit der einen von der anderen abgelenkt.

Auch diesmal hoffte Nikolka auf Afonkas freundschaftliche Hilfe und forderte ihn darum auf, mit ihm zu den Grakins zum Tee zu gehen. Quer über den Hof vor den Pferdeställen schritten sie dem Landhäuschen zu.

Nikolka klopfte an die Tür, während er gewohnheitsgemäß eilig ein Gebet vor sich hinmurmelte:

»Um der Fürbitte unserer Heiligen willen sei uns gnädig, o Herre Jesu Christ …«

Die Mama, die man hinter der Tür mit Tassen klappern hörte, rief in singendem Tonfall zurück:

»Treten Sie ein, Vater!«

»Ich bringe einen Amtsbruder mit, meinen Freund …«

»Bitte schön, kommen Sie nur herein …«

Nikolka trat ein, blickte die kleine Fenja an und wußte nicht, worüber er mit ihr sprechen sollte. Bisher war es einfacher gewesen, er hatte immer nur auf kurze Zeit Bekanntschaften geschlossen, auf acht oder vierzehn Tage, bloß um eine junge Kaufmannsfrau oder ein Kaufmannstöchterchen zu umstricken und dann wieder fallenzulassen; das lag ihm näher. Hier aber wußte er gar nicht, wie er zu Werke gehen sollte, hatte er doch im Sinn, die kleine Fenja mit all ihrem Hab und Gut und allem Gelde an sich zu bringen: da fehlten ihm die Worte, sie wollten nicht über die Zunge, nicht aus der Kehle heraus, selbst alles Hüsteln brachte sie nicht hervor.

Um die Unterhaltung in Gang zu bringen, bemerkte Antonina Kirillowna:

»Welche Ruhe hier bei Ihnen herrscht, Vater!«

Afonka, der gierig nach dem Tisch schielte, auf allerlei dem Fastenden verbotene Leckerbissen, antwortete in salbungsvoll gedehntem Tonfall:

»Gesegnet sind die Lüfte hier, da haben Sie recht.«

»Der Frühling ist so mild in diesem Jahr; wir sind erst im Mai, und dabei ist es so warm, als wäre es schon Sommer.«

»Im Sommer wird's noch wärmer.«

»In der Stadt ist es stickig und staubig, hier aber tut einem jeder Atemzug wohl, so köstlich ist die Luft …«

»Zum Ersticken ist's in dem Gestein der Stadt …«

»Nehmen Sie etwas zu sich, Vater.«

»Wir fasten; was dagegen verstößt, essen wir nicht.«

Bei diesen Worten seines Freundes dachte Nikolka:

»Was tut der bloß so, der Hundsfott?«

Und er sagte rasch:

»Der heilige Tichon von Sadonsk pflegte bei Laien alles zu essen.«

»So nehmen Sie doch Bücklinge, Vater Afanaßij«, forderte Frau Klimowa auf.

Nach Bücklingen aß man gedörrten Stör, dann herrlichen Lachs, dann Wurst; dazu wurde Branntwein getrunken; darauf lösten sich allmählich die Zungen, und die Unterhaltung kam in Gang. Afonka und Frau Klimowa, die Freundin von Fenjas Mutter, gedachten des vergangenen Sommers, da Afonka die Gesellschaft in den Wald auf die Himbeersuche geführt hatte.

»Diesmal sind wir auf lange Zeit gekommen, Vater Afanaßij …«

»Im vorigen Jahr waren Sie bloß eine Woche hier.«

»Jetzt bleiben wir lange.«

Dabei blinzelte Frau Klimowa dem Langen mit einem Auge zu.

Als es dann ans Teetrinken ging, hatte auch Nikolka seine Scheu überwunden; die geistliche Schule, die er besucht hatte, war ihm in den Sinn gekommen, und so knüpfte er ein passendes Gespräch mit der kleinen Fenja an.

»Bei Ihnen nimmt das Lernen wohl überhaupt kein Ende, Fjokla Timofejewna?«

»Aber wieso denn, Vater Nikolai, ein Lyzeum ohne Ende, das gibt's doch gar nicht!«

»Werden Sie nachher weiter studieren?«

»Ich weiß nicht recht, Mama will nicht erlauben, daß ich die Hochschule besuche, und mich so aufs Geratewohl hin vorzubereiten, dazu bin ich zu faul.«

»Mir hat es leid getan, als ich die geistliche Schule verlassen mußte; ich wollte durchaus aufs Seminar, aber meinen Eltern fehlten die Mittel zu meiner Ausbildung, und so mußte ich abbrechen.«

»Mir ist es nur um die Trennung von meinen Freundinnen leid, sonst habe ich eigentlich genug vom Lernen; acht Jahre lang bin ich nun im Lyzeum, zweimal haben sie mich in derselben Klasse sitzen lassen – und jetzt ödet mich die Sache an.«

»Bei Ihren Mitteln ist das Lernen natürlich ganz überflüssig, das stimmt schon; ohne das viele Wissen lebt sich's heiterer; schließlich leidet bloß die Gesundheit darunter.«

Von seiner Einsamkeit wollte Nikolka reden, davon, daß er der Welt entsagt habe, aus eigenem Antrieb, seiner Berufung folgend ins Kloster gegangen sei, aber er spürte, daß das eben nicht gut angebracht wäre, es war noch zu früh dazu; darüber mußte man unter vier Augen sprechen, im Walde, um auf das Gefühl des Mädchens einzuwirken; und so wußte er wieder nicht, was er weiter sagen sollte …

Frau Grakinas kleine Freundin Klimowa aber saß da und lachte hell, neckte Nikolka und Afonka und machte sie verlegen; obwohl Nikolka ja ein vielerfahrener Bursche war und sie vom vorigen Jahr her kannte – trotzdem hatte sie ihn verlegen gemacht.

Akindin, der Vorsteher des Klosterladens, erschien als Retter in der Not; er klopfte ans Fenster und trippelte im Trab an den Tisch. Er war ein kleines, hageres Mönchlein mit einem schwarzen, graumelierten Spitzbart, einer spitzen Nase und huschenden, scharf beobachtenden Augen.

»Ich komme ein wenig zu spät, aber ich hole mein Teil schon nach. Willkommen, Mütterchen Grakina! Empfangen Sie nochmals meine Glückwünsche anläßlich Ihrer glücklichen Ankunft!«

»Nehmen Sie Platz, Vater. Sie kommen nicht zu spät, setzen Sie sich und greifen Sie zu.«

»Leckerbissen aus der Stadt, die mag ich gern; bei uns gibt's ja immer nur Kohlsuppe und Kwas, Kwas und Kohlsuppe. Was Sie da für prächtige Fischlein haben, Bücklinge sind's; ein braves Fischchen ist das, der Bückling, ich mag's gern. Fleischsachen esse ich nicht, das können die da tun, Fischlein aber mag ich so gern – die Klosterregel verbietet uns Mönchen das nicht.«

»Lassen Sie sich's schmecken, Vater.«

»Beabsichtigen Sie längere Zeit bei uns zu verweilen?«

»Wir wollen den ganzen Sommer über bleiben.«

»Das lobe ich mir! Ich kenne all die beerenreichen Stellen; wenn die Beerenzeit kommt, führe ich Sie unbedingt hin – unsere Beeren sind ja ganz was anderes als die in der Stadt; Walderdbeeren gibt's auf den Lichtungen im Domänenwald in Unmengen: groß und von herrlichem Duft – der reine Weihrauch!«

Seiner Gewohnheit nach schwatzte Akindin nur so darauf los; es war ja nicht das erste Jahr, daß er bei Wallfahrern und Sommergästen Tee trank; aus Gewohnheit hatte er sich auch auf dem Sofa näher an die Hausfrau herangesetzt; nun begann er, sie mit angenehmen Gesprächen zu unterhalten.

»In diesem Winter hat ein Bär im Walde einen unserer Mönche zerrissen. Aber Sie können ganz ruhig sein, im Sommer rühren die Tiere niemand an, im Sommer sind sie immer satt – sie ernähren sich von allerlei Beeren. Im vorigen Jahr ist Vater Feognost – wissen Sie, jener, der während der Abendmesse mit der Sammelbüchse herumgeht und zur Verzierung der Kirche Spenden sammelt –, der also ist im Himbeergestrüpp auf einen Bären gestoßen und hat nicht einmal einen Schreck gekriegt, sondern hat sein Käppchen abgenommen und Meister Petz eine Verbeugung gemacht: ›Guten Appetit, mein ehrenwerter Herr‹, hat er gesagt; ›gestatten Sie, Ihnen Gesellschaft zu leisten!‹ Der Bär hat ihn angestarrt, ihn eingehend betrachtet, aber Vater Feognost hat ihm nicht gefallen: Meister Petz hat sich schließlich abgewandt und ist abgezogen – nach Hause, in den Wald.«

»Ach, Vater, das kann doch nicht wahr sein!«

»Es ist die lautere Wahrheit, Mütterchen – im Sommer sind die Bären immer ganz zahm. In der Nähe hier gibt's übrigens keine, etwa zwei Werst weiter, da trifft man gelegentlich noch einen; hier aber hat sie die Eisenbahn vergrämt, sie mögen das Ding nicht. Früher, da statteten sie zuweilen wohl auch dem Kloster einen Besuch ab; einer hat einmal im Frühjahr sogar bei einem unserer Klostergeistlichen an die Zelle geklopft – der Pförtner, der Kleingläubige, hatte einen Schreck vor dem Gast bekommen und war in seine Kammer geflüchtet, und da war denn Meister Petz durch das Allerheiligste ins Kloster eingedrungen. Der ganzen Bruderschaft fuhr der Schreck in die Glieder; das war vielleicht eine Aufregung! …«

»Ich gieße Ihnen noch ein Gläschen ein.«

»Ein Trunk aus Ihren Händchen? Da trink ich sogar mit dem allergrößten Vergnügen noch ein Glas – Ihr Tee ist prächtig, so aromatisch. Nikolka, du solltest mal unsere Gäste im Boot spazieren fahren und dem Fräulein unseren See zeigen. Wir haben einen herrlichen See, mein kleines Fräulein, auch Blumen gibt's da, Mummeln und Wasserblumen; bitten Sie nur Vater Nikolai, der bringt Sie bald hin, er tut's immer, und Vater Afanaßij gibt den Schlüssel dazu.«

Nach seiner Gewohnheit plapperte Akindin wie aufgezogen und rückte nach dem süßen Branntwein immer näher an die Witwe Grakina heran, die ihrerseits schon ganz bis an den Rand gerückt war; er aber kam ihr immer näher; seine Augen blickten stur und ölig; seine Hand streichelte ihre Schulter, während er mit der anderen an seinem Ziegenbärtchen zupfte.

»Ich mag das nicht, Vater Akindin.«

»Sie müssen mir nicht böse sein, Mütterchen – ich bin Ihnen von ganzem Herzen ergeben, so daß ich es gar nicht sagen kann; ich bitte um Ihr Händchen, um es ehrfurchtsvoll zu küssen.«

Er machte sich daran, ihr die Hand zu küssen, drückte einen Kuß darauf, streichelte sie, küßte sie wieder.

Afonka starrte auf den Fußboden, schielte böse auf Akindin – Eifersucht überkam ihn; auch er hatte sehnsüchtig auf Fenjas Ankunft gewartet.

Akindin forderte zu einem Spaziergang im Walde auf.

»Es ist jetzt so herrlich im Walde. Die Fichten treiben Harz, und ein weihevoller Wohlgeruch geht von ihnen aus. Ich kenne da eine Stelle, eine wunderbare Stelle, ganz von Gottes Herrlichkeit erfüllt! Eine Tanne steht da auf der Lichtung, wir nennen sie die Königstanne, und fürwahr sie ist eine Königin, sie überragt den ganzen Wald und ist von unsagbarer Schönheit; Maler sind aus der Hauptstadt hergekommen, nur um diese Tanne zu malen.«

Akindin zog mit der Witwe und ihrer lustigen Freundin los, um ihnen die Königstanne zu zeigen; Nikolai und Afonka schritten mit der kleinen Fenja hinterher.

Akindin suchte, sich bei beiden lieb Kind zu machen.

Bis zur Abendmesse streiften sie durch den Wald, bis zur Abendmesse plapperte Akindin darauflos, immer bemüht, die Kaufmannswitwe zu berühren: bald half er ihr über einen Graben, den Arm um ihre Taille geschlungen, bald war er ihr behilflich, an sumpfigen Stellen von Grasinsel zu Grasinsel zu springen.

Nikolka biß sich in die Lippen vor Neid und Ärger; kein Wort vermochte er hervorzubringen. Er sah die kleine Fenja bloß immer an, genoß ihren Anblick und sagte sich hartnäckig, daß der Sommer noch lang sei, daß er sein Ziel schon erreichen, das Mädel sich nicht entwischen lassen, es niemand abtreten würde; inzwischen bemühte sich Afonka eifrig um sie.

Afonka und Nikolka gingen zusammen nach Hause, in Schweigen versunken; zum erstenmal war es so gekommen, daß sie hinter ein und demselben Mädchen her waren, und da waren sie wütend aufeinander; weder der eine noch der andere wollte vor dem Freunde zurücktreten; das war beiden ohne Worte klar.

Als sie sich dem Kloster näherten, sagte Nikolka, als hätte er nichts bemerkt:

»Trinken wir eins, Afonka?! Hm? …«

Zögernd antwortete dieser:

»Wenn du mich freihältst, schön; ich gebe kein Geld aus.«

»Warte am Tor zum Wirtschaftshof, ich bin gleich wieder da.«

Nikolka kehrte mit einer Flasche zurück; im Laufen hatte er die ganze Zeit gedacht: Ich halte ihn zum Trinken an, ist er erst betrunken, dann beginnt ein besonderes Gespräch. Und schon formte sich ein Plan in seinem Kopfe, und der war etwas ganz Besonderes: er wollte den Freund überrumpeln, ihm ein verlockendes Angebot machen, und wenn er anbiß, wenn er bloß anbiß, dann würde schon alles gut gehen! Etwas Besonderes müßte es sein, damit er der Versuchung nicht widerstehen kann; ein Klotz ist Afonka, aber sein Wort hält er; das muß er ihm entreißen, sein Wort muß er haben.

In die Zelle gekommen, zündeten sie ein Kopekenkerzlein an und leerten schweigend ein heiliges Lämpchen, krächzten, kippten ein zweites hinunter, auch schweigend, bloß Afonkas zottiger Schatten vom Kopekenkerzlein an der Wand wogte unruhig hin und her, und seine Nase stak höckerig hervor, und es schien, daß es nicht Afonka war, dem der Branntwein den Atem verschlagen hatte, so daß er schnaufte, sondern als raschelte sein Schatten trunken an der Wand.

Ein drittes Lämpchen wurde gefüllt, da konnte Nikolka nicht länger an sich halten.

»Wie teilen wir uns in sie?«

»In wen?«

»In die kleine Fenja!«

»Die nehme ich.«

Die wohlbekannte Antwort hatte Nikolka vorausgesehen, aber trotzdem gefragt, weil er nicht wußte, wie mit dem Besonderen beginnen, das er zu sagen hatte; jetzt schoß er los:

»Bist du mein Freund oder bist du's nicht, Afonka? Also sage mir, bist du mein Freund? Nein, warte mal, ich will dir die Sache erst klarmachen, du aber höre zu; nachher wirst du dann selbst einsehen, daß du mein Freund bist. Ich habe die Absicht, das Kloster zu verlassen, endgültig, und nie mehr zurückzukehren. Bei meiner Stimme – ich wünschte, Gott gäbe auch anderen eine solche Stimme –, bei meiner Stimme macht mich der Bischof nicht bloß zum Diakonus, zum Oberpriester macht er mich; ich will mich aber nicht in irgendeinem Dorf vergraben und eine Popen- oder gar eine Diakonentochter heiraten. Gieß mal wieder ein, Afonka, trinken wir eins … Du dagegen hast keine Wahl, du bleibst sowieso im Kloster, während ich eine Braut haben muß – nein, warte noch, laß mich zu Ende sprechen – eine, die Geld hat, muß es sein, eine, die keinen Vater hat; du verstehst – Fenja Grakina meine ich.«

»Die wird mein.«

»Halt, Afonka, so warte doch! Ich will dir da einen Vorschlag machen, daß du staunen wirst: Ich gebe dir die Hälfte der Mitgift ab, was sagst du dazu? Die Hälfte soll dein sein, und du kannst als Freund auch bei mir wohnen, oder du machst ein Geschäft auf. Gieß mal noch ein Lämpchen voll, trinken wir eins.«

»Zuerst soll sie mein sein, nachher kannst du mit ihr machen, was du willst; ich trete sie dir dann ab.«

»Ich meine es ernst, Afonka; halt' mich nicht zum besten, sonst …«

»Bleibt dir denn da zu wenig übrig? Du nimmst das Geld, ich das Mädel. So hat jeder sein Teil; bist du einverstanden? Sprich! Das ist nur gerecht.«

»... sonst, sage ich …«

Nikolai erhob sich, packte die Flasche am Halse, stellte sie wieder hin. Afonka sprang auf. Gierig bohrten sich die Blicke der beiden ineinander, rot unterlaufen starrten die Augen. Afonka schob die Hand in die Tasche, tastete nach seinem Messer; Nikolai packte wieder die Flasche.

»Nun? …«

»Nun! …«

Es war Nikolai nicht gelungen, Afonka durch sein besonderes Angebot in Erstaunen zu setzen; für Nikolka war die halbe Mitgift etwas Besonderes, für Afonka aber gab es nichts »Besonderes« mehr in der Welt, wenn er sich mal etwas in den Kopf gesetzt hatte.

Noch einmal wiederholten sie:

»Nun? …«

»Nun! …«

So war es denn Afonka, der etwas Besonderes geäußert hatte, etwas, das Nikolka bis zur Raserei erbost hatte.

»Ziehen wir Tuchzipfel.«

»Das Los soll entscheiden?«

»Na …«

»Schön!«

Jeder der beiden hoffte, daß unbedingt er den Glückszipfel erwischen würde; das Blut flutete zurück aus den glühenden Schläfen. Nikolka holte sein Taschentuch hervor, machte einen Knoten; seine Hände zitterten, während er den Knoten knüpfte. Er goß die Lämpchen noch einmal voll, noch einmal wurden sie geleert. Dann zogen sie. Nikolai zog den Knoten – sein Glück, die kleine Fenja.

»Du siehst, das Schicksal will es so.«

»Das Schicksal! … Bloß, daß ich …«

»Was denn?«

»... sie dir nicht lasse.«

»Da hast du's denn! … Lump!«

Die Flasche flog sausend gegen Afonkas Nasenrücken, zertrümmerte den Höcker bis zum Knochen. Afonka schluckte schnappend rotes Naß, brach über dem Tisch zusammen, stürzte die Kerze um, stöhnte im Dunkeln und verstummte dann; man hörte nur, wie seine Lippen schmatzend das Blut von seinem roten Schnurrbart saugten und es ausspien. Nikolai scharrte in den Ecken umher, auf der Suche nach dem Lichtstümpchen; vor Schreck war sein Rausch verflogen. Mit der Schöpfkelle goß er Afonka Wasser über den Kopf, zerriß ein neues Hemd, legte ihm einen Verband an, und als Afonka schließlich wieder zu sich kam, flehte er ihn an, es niemand zu sagen, kein Wort davon verlauten zu lassen; er fürchtete, der Abt könnte ihm eine Kirchenbuße auferlegen, dann würde er nicht zu seinem Glücke kommen, würde die kleine Fenja überhaupt nicht sehen! Zu guter Letzt gelang es ihm: Afonka schwor bei Gott, seinem Freunde nicht in den Weg zu treten, da das Schicksal selbst für ihn entschieden hatte. Hätte Nikolai nicht das Glückslos gezogen, so wäre es ihm nie gelungen, Afonka dies Versprechen zu entreißen.

Seit jenem Tage verließ Afonka seine Zelle nicht mehr. Nikolka freute sich, brachte ihm Schnaps, fühlte aber, daß Afonka ihm die kleine Fenja nicht vergeben hatte, an seinen Augen sah er es. Den Schlüssel zum Boot hatte er aber von ihm erhalten und einen neuen Schlüssel zurückgebracht: er hatte nämlich das alte Hängeschloß ins Wasser geworfen und ein neues gekauft, mit zwei Schlüsseln dazu – einen für sich, einen für den Freund.

 


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