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54. Im unendlichen Raum.

Wir haben nun unsere gemeinsamen weiten Reisen um die Erde, von Pol zu Pol, über Land und Meer beendet. Wir haben Wüsten und Gebirge Tag und Nacht durchwandert. Am Äquator fühlten wir den Brand der Sonne, und an den Polen wären wir fast in der knisternden Kälte erfroren. Die klaren Nächte sahen wir allenthalben durch ein Heer von Sternen verschönt, die bald wie Schmuckstücke und Diamanten funkelten, bald durch das silberweiße Licht des Mondes nur gedämpft hervorleuchteten. Dann verloren sich unsere Gedanken draußen im Weltenraum, und wir gedachten der Unendlichkeit des Raumes und der Ewigkeit der Zeit.

Die Erde ist eine Tochter der Sonne und hat sieben Geschwister. Ihr kennt ihre Namen und wißt, daß wir sie Planeten heißen. In kreisförmigen Bahnen umtanzen sie ihre Mutter, die Sonne. Der innerste Planet, Merkur, legt seine Runde in weniger als drei Monaten zurück, der äußerste, Neptun, braucht dazu 165 Jahre! Die Erde selbst durchläuft ihre Bahn in einem Jahre mit einer Geschwindigkeit von dreißig Kilometern in der Sekunde; ihre jeweilige Stellung gegenüber der Sonne verursacht die Jahreszeiten. Außerdem dreht sie sich in vierundzwanzig Stunden einmal um ihre eigene Achse, und dadurch entsteht der Wechsel zwischen Tag und Nacht.

So wälzt sich unsere schwere Erdkugel in einer doppelten Bahn durch den Raum. Und trotz ihres eiligen Tanzes wandern wir sicher auf der Erdoberfläche; statt uns in den Weltraum hinaus zu schleudern, hält uns die Erde mit derselben Kraft fest, mit der sie den Mond zwingt, uns treu zu begleiten. Auf ihrer gewölbten Oberfläche trägt sie uns durch die endlose Leere des Weltenraumes.

Übrigens geht die Erdkugel durchaus nicht ihre eigenen Wege. Unsichtbare Ketten, die Gesetze der Schwerkraft, fesseln sie ebenso willenlos an die Sonne wie alle ihre Geschwister. Die ganze Familie stürmt ohne Rast und Ruh mit einer Geschwindigkeit von zwanzig Kilometern in der Sekunde nach der strahlenden Wega im Sternenbild der Lyra. Tretet einmal abends ins Freie und sucht euch die Wega, die sehr leicht zu finden ist, und dann vergegenwärtigt euch, daß jeder Augenblick uns ihr näher bringt. Morgen ist die Entfernung schon um 1 700 000 Kilometer kürzer als heute, und in einer Million Jahre würden wir bei der Wega angelangt sein! Dann wird wohl die ganze Sonnenfamilie in Atome zersplittert werden, meint ihr? Durchaus nicht! Die Wega selbst ist auf der Wanderschaft, und wenn wir dort ankommen, ist sie uns vielleicht ebenso fern wie jetzt. Es ist also nur ihr gegenwärtiger Platz im Weltenraum, zu dem uns die Sonne auf ihrer geheimnisvollen Wanderschaft führt.


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