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7. Die Entdeckung Amerikas.

Die drei für Kolumbus bestimmten Schiffe waren Dreimaster, aber für ein so gewagtes Unternehmen viel zu klein. Nur das Admiralschiff »Santa Maria« besaß ein vollständiges Deck; die beiden andern, »Pinta« und »Niña«, waren nur vorn und im Achter gedeckt. Zwei Brüder Pinzon, die aus einer vornehmen Familie stammten, meldeten sich sofort als Teilnehmer, aber die Anwerbung der Mannschaft erwies sich als überaus schwer. Ja, wenn es sich, wie bisher, um eine Reise an den Küsten Europas oder Asiens entlang gehandelt hätte, dafür waren reichlich Leute zur Stelle; aber eine Fahrt geradeaus in den unbekannten Ozean hinein, dafür bedankten sich selbst die ausgepichtesten Teerjacken! Mehr als neunzig Mann brauchte man für die drei Schiffe nicht, aber um die zu beschaffen, mußte man schließlich die Gefängnisse öffnen und eine Reihe von Sträflingen für die Fahrt anwerben. Das Verzeichnis der Mannschaft, die an der Entdeckung Amerikas teilnahm, ist noch vorhanden, und wir wissen, daß die meisten Matrosen der drei Entdeckungsschiffe Kastilier waren.

Außer zwei Ärzten wurde auch ein getaufter Jude mitgenommen, der hebräisch und arabisch sprach und sich als Dolmetscher betätigen sollte, wenn man glücklich – in Indien angelangt sein würde. Merkwürdigerweise begleitete kein Schiffspriester die Expedition, aber in der Stunde der Abreise gab der Prior jenes Klosters, der Freund des Kolumbus, allen diesen Männern, die der allgemeinen Ansicht nach einem sichern Tod in den Wellen entgegengingen, noch das Abendmahl.

Mit einem königlichen Handschreiben an den mongolischen Großkhan versehen, begab sich Kolumbus an Bord der »Santa Maria«, die Taue wurden gelöst, und am 3. August des Jahres 1492 fuhren die drei Schiffe unter vollen Segeln in den Ozean hinaus.

Kolumbus schlug zunächst einen südwestlichen Kurs ein und erreichte in sechs Tagen eine der Kanarischen Inseln; hier blieb er mit seiner kleinen Flotte vier Wochen, um einige Schäden auszubessern und das zerbrochene Steuer der »Pinta« durch ein besseres zu ersetzen.

Am 8. September ging es aber im Ernste weiter, und als die herrlichen Kanarischen Inseln und der hohe Gipfel des Piks von Teneriffa unter dem Horizont des Meeres versanken, weinten selbst die wetterfesten Seeleute helle Tränen, denn auch sie glaubten nicht anders, als daß sie nun auf immer von der bewohnten Erde Abschied nähmen und ihrer im Westen nichts anderes warte als Wasser, Wind und Wellen.

Vom ersten Reisetag ab führte Kolumbus ein gewissenhaftes Tagebuch; aus diesem geht hervor, daß er von dem Glauben Toscanellis, auf diesem westlichen Wasserwege geradeaus nach Indien zu kommen, völlig durchdrungen war und dessen Berechnungen unbedingt vertraute. Der Mannschaft gab er jedoch die zurückzulegende Strecke als viel kürzer an, damit nicht ihre Furcht vor dem Ungewissen, das ihrer wartete, noch durch die Vorstellung der immer größer werdenden Entfernung zwischen ihren Schiffen und der alten Welt vergrößert werde. Nur zu bald begannen die Leute kleinmütig zu verzweifeln, als die Tage kamen und gingen und jeder Sonnenaufgang auf allen Seiten bis zum Horizont nichts als eine grenzenlose Wasserwüste beschien. Als nach achttägiger Fahrt die Schiffe in große Felder schwimmender Algen gerieten, war dies für Kolumbus eine gute Gelegenheit, die Mannschaft mit der Versicherung zu beruhigen, daß dies das erste Zeichen des nahen Landes sei.

Die »Santa Maria« war ein breites, plumpes Schiff, das eigentlich als Lastfahrzeug gebaut war. Sie kam daher nur langsam vorwärts, und die beiden Begleitschiffe segelten meist voran. Diese beiden Schiffe hatten hübschere Formen und große viereckige Segel, faßten aber kaum die Hälfte der Tonnenzahl des Admiralschiffes. Gleichwohl blieben die drei stets beisammen und waren einander oft so nahe, daß man sich durch Zuruf von Schiff zu Schiff verständigen konnte. Eines Tages rief Pinzon, der Kapitän der »Pinta«, dem Admiralschiff zu, er habe Vögel nach Westen fliegen sehen und erwarte daher, in der Nacht Land zu erreichen. Man segelte deshalb vorsichtig, um nicht auf Grund zu geraten. Als man dann aber eine zweihundert Faden lange Lotleine durch das schwimmende Seegras hinunter ablaufen ließ, erreichte das Senkblei nicht den Meeresgrund! Die Befürchtung oder wohl mehr noch die Hoffnung, unversehens auf Land zu stoßen, versank damit gleichfalls ins Bodenlose.

Einige Tage wurde die Fahrt durch Windstille aufgehalten, und am 22. September nahm auch das Seegras ein Ende. Die Schiffe schaukelten nun wieder auf freiem, blaugrünem, unermeßlichem Wasser, und durch den aufspritzenden Salzschaum hindurch verfolgten die »Santa Maria« und ihre beiden Schwestern weiter ihren Weg nach Westen. Ein günstigerer Wind hätte ihnen gar nicht wehen können, denn der Passatwind trieb die Segel in der gewünschten Richtung. Aber dieser beständige Ostwind ängstigte die Matrosen nur noch mehr. Als er sich endlich einmal drehte, schrieb Kolumbus in sein Tagebuch: »Dieser Gegenwind war mir sehr willkommen, denn meine Mannschaft fürchtete schon, daß auf diesem Meere niemals Winde wehten, die uns nach Spanien zurückführen könnten.«

Toscanellis Karten wanderten zwischen dem Admiral und Pinzon hin und her, und die Befehlshaber zerbrachen sich den Kopf darüber, in welcher Weltgegend sie sich wohl befinden und wie weit sie noch von den Inseln Ostasiens entfernt sein könnten. Am 25. September rief Pinzon von dem Hinterdeck der »Pinta« aus dem Kolombus zu: »Ich sehe Land!« Dann kniete er mit der ganzen Besatzung nieder, und die kastilischen Seebären sangen mit einer vor Entzücken und Dankbarkeit zitternden Stimme: »Ehre sei Gott in der Höhe!« Es war das erstemal, daß eine christliche Hymne auf den Wellen des Atlantischen Ozeans erklang. Die Matrosen der »Santa Maria« und der »Niña« kletterten ins Takelwerk hinauf, erblickten ebenfalls Land und stimmten den gleichen Lobgesang an wie ihre Kameraden.

Am nächsten Morgen aber war das heißersehnte Land wieder verschwunden! Es war nichts weiter gewesen, als ein über dem Meere liegender Nebelstreifen, eine Luftspiegelung auf der endlosen Wasserwüste.

Anfang Oktober glaubte Kolumbus, schon über die auf Toscanellis Karten verzeichneten Inseln hinaus zu sein, und er war sehr zufrieden, daß er sich nicht durch sie aufhalten zu lassen brauchte, sondern geradeswegs nach dem Festland Indiens fahren könne. Unter Indien verstand man dazumal ganz Ostasien.

Am 7. Oktober war wiederum alles auf den drei Schiffen fest überzeugt, Land zu sehen. Alle Segel waren ausgespannt, denn jedes Schiff wollte zuerst ankommen. Die »Niña« hatte die Führung. Als die Sonne aufging, wurde die kastilische Flagge an ihrem Hauptmast gehißt, und vom Achterdeck dröhnte ein Kanonenschuß. Aber im Lauf des Tages versank das Land wiederum in der endlosen Flut. Jedoch zeigten sich viele Vögel, die südwärts flogen, und Kolumbus erteilte deshalb Befehl, nach derselben Richtung hin abzufallen. »Das Meer lag, Gott sei Dank, so still da wie der Fluß bei Sevilla,« schrieb er in sein Tagebuch, »die Temperatur war so mild wie die Sevillas im April, und die Luft duftete, daß es ein Genuß war, sie einzuatmen.«

Wieder kamen und gingen die Tage und Nächte, und nichts anderes zeigte sich als Wasser und Wellen. Mehrfach machte die Mannschaft ihrer Unzufriedenheit Luft und begann zu murren. Aber Kolumbus wußte sie zu beruhigen, indem er sie an den Lohn erinnerte, der ihrer nach Erreichung des Zieles warte. »Übrigens halfen ihnen ihre Klagen nichts,« heißt es in seinem Tagebuch; »denn ich bin ausgefahren, um Indien zu erreichen, und werde so lange weitersegeln, bis ich es mit Gottes Hilfe gefunden habe.«

Da zeigte sich am 11. Oktober in den Wellen ein Baumstamm, dem anzusehen war, daß er von Menschen gefällt worden, und bald darauf ein mit Beeren besetzter Zweig. Welche Beruhigung und Freude für die Matrosen! Wie schärften sie ihre Blicke und hielten sie Ausguck nach vorn, denn der Admiral hatte demjenigen, der zuerst Land erblicke, eine Belohnung versprochen.

Gegen Abend glaubte Kolumbus einen Feuerschein zu sehen, wie wenn jemand an einer flachen Küste mit einer Fackel entlang ginge. Und als es Nacht geworden war, wollte einer der Matrosen der »Pinta« schwören, daß sich nach vorn hin Land gezeigt habe. Man zog deshalb alle Segel ein und wartete auf den anbrechenden Tag.

Gewöhnlich heißt es in den Schilderungen dieser einzigartigen Ozeanreise, die Matrosen seien über die ungeheure Entfernung von ihrer Heimat ganz in Verzweiflung geraten, hätten gemeutert und schließlich dem Admiral das Versprechen abgezwungen, umzukehren, wenn sich nicht innerhalb dreier Tage Land zeige. Doch das sind nichts anderes als Schiffergeschichten. Unzufrieden und furchtsam waren sie wohl, aber sie leisteten ihrem Führer Gehorsam und vertrauten auf ihn. Und Kolumbus wieder verstand es, mit ihnen umzugehen und ihr Vertrauen und ihre Hoffnung lebendig zu erhalten.

Endlich graute der große Tag, dessen Ruhm alle Zeiten durchstrahlt und den wir nach vierhundert Jahren festlich begangen haben. Als die Sonne am 12. Oktober 1492 aus dem Meere aufstieg, verklärten ihre Strahlen vor den Augen der Spanier eine flache, grasbewachsene Insel! Kolumbus gab ihr den Namen »San Salvador«, dem Heiland zu Ehren, der sie aus der Gefangenschaft des Meeres errettet hatte.

Wo lag nun diese Insel? – Im Norden Japans, sagte Toscanellis Karte, und Kolumbus und seine Begleiter ahnten nicht im geringsten, daß ein ganzer unbekannter, ungeheurer Kontinent und das größte Meer der Erde, der Stille Ozean, sie noch von Japan trennten! Die kleine Insel gehörte zur Bahamagruppe und heißt jetzt Watlingsinsel. Neben der sagenhaften Küste, die vor fünfhundert Jahren die Norweger erreicht haben sollen, war also diese Insel der erste Punkt der neuen Welt, den Europäer erreichten.

Man feierte den Anbruch des großen Tages mit einem festlichen Tedeum. Die Offiziere beglückwünschten den Admiral, die Matrosen warfen sich ihm zu Füßen und baten ihn wegen ihres häufigen Murrens um Verzeihung. Dann ließ man das große Boot in die See hinab, Kolumbus stieg, mit der kastilischen Fahne in der Hand, hinein, die Brüder Pinzon folgten mit der Kreuzesfahne, und noch einige andere von der Mannschaft begleiteten ihn. Ohne es zu wissen, betrat nun Kolumbus den Boden Amerikas, das er für Indien hielt, und nahm San Salvador feierlich im Namen der kastilischen Krone in Besitz. Zum Zeichen, daß die Insel jetzt unter christlicher Herrschaft stehe, wurde auf einem Hügel an der Küste ein Kreuz errichtet.

Was mögen sich wohl die Eingeborenen gedacht haben, als sie die drei seltsamen Schiffe vor ihrer Küste liegen und weiße Männer and Land kommen sahen! Zuerst hielten sie sich in gemessener Entfernung, aber durch Perlen und Geschenke gewannen die Spanier bald ihr Vertrauen; Kolumbus wußte ja aus Erfahrung, wie die Portugiesen mit den Negern der Guineaküste umgingen. Bald brachten auch die Wilden Gegengeschenke. Sie hatten keine andern Waffen als hölzerne Speere; ihr Haar war lang und strähnig, »nicht kraus wie das der Neger«; sie gingen nackt, und ihre Körper waren weiß und rot bemalt. Eisen kannten sie nicht, wohl aber Gold, und des Goldes bedurfte ja Kolumbus vor allem, um den Türken das Heilige Grab entreißen zu können. Diese unbekleideten Wilden trugen goldene Nasenringe, und als die Spanier sie durch die Zeichensprache auszufragen versuchten, woher das kostbare Metall komme, zeigten die Eingeborenen nach Südwesten. Kolumbus nannte sie natürlich nicht anders als Indier und nahm sieben von ihnen an Bord, um sie mit nach Spanien zu nehmen, damit sie »sprechen lernten« und auf neuen Reisen als Dolmetscher dienen könnten.

Nun steuerten die Entdecker andern Inseln zu, aber mit größter Vorsicht, denn allenthalben rollten die Wogen über gefährliche Riffe. Nach den Andeutungen der Wilden mußten im Süden zwei große Inseln liegen; die eine konnte wohl nichts anderes als Japan sein! Als dann Kolumbus an der Küste der Insel Kuba landete und dort von einem großen Fürsten namens Kami hörte, war er überzeugt, dies sei der mongolische Großkhan, und nun zweifelte er nicht im geringsten mehr, daß er bereits das Festland Ostasiens erreicht habe. Er schickte also den jüdischen Dolmetscher und zwei der Wilden ans Land, um den Großkhan aufzusuchen. Vier Tage blieben sie fort und durchsuchten unermüdlich die zeltähnlichen Hütten der Eingeborenen in der ganzen Gegend. Aber natürlich zeigte sich nirgendwo auf Kuba eine Spur von dem gesuchten Mongolenfürsten.

Die fremde Küste glich der von Sizilien und schien ein Paradies zu umgeben. Ein betäubender Duft entströmte Blüten und Früchten, und aus den Palmen, die wie Straußenfedern im leichten Seewind schwankten, ertönte herrlicher Vogelgesang. Sehr erstaunt waren die Spanier, als sie die Eingeborenen zusammengerollte Blätter rauchen sahen, die sie tabacos nannten. Wie konnten sie auch ahnen, welche Quelle des Reichtums diese Blätter in Zigarrenform später einmal werden würden.

Dem Befehlshaber der »Pinta«, Pinzon, schien die Entdeckung der Wunderküste völlig den Kopf verdreht zu haben; er brannte mit seinem Schiffe durch, um auf eigene Hand das Goldland zu suchen! Kolumbus segelte nun nach der großen Insel Haïti hinüber und nahm auch von ihr in der üblichen Weise im Namen Kastiliens Besitz. Überall kamen ihm die Eingeborenen mit Staunen und Unterwürfigkeit entgegen; man glaubte nicht anders, als daß die Fremden Gesandte aus dem Reiche der Götter seien.

An der Nordküste Haïtis erlebte aber Kolumbus gerade am heiligen Abend ein schweres Mißgeschick. Ein unerfahrener Steuermann ließ die »Santa Maria« auf eine Sandbank aufrennen, so daß sie wrack wurde und die Besatzung sich auf die »Niña« retten mußte. Beim Bergen des an Bord befindlichen Gepäcks halfen die gutmütigen Eingeborenen bereitwillig, und nicht eine Stecknadel wurde dabei gestohlen.

Aber die »Niña« war viel zu klein, um die ganze Mannschaft aufzunehmen. Wie sollte man jetzt wieder nach Spanien zurückkehren? Auch dafür wußte Kolumbus Rat. Er beschloß, eine Ansiedelung an der Küste zu gründen und vierzig Mann hier zurückzulassen, um nach Gold zu suchen. Wenn er wieder aus Spanien zurückkehrte, hatten sie sicherlich schon eine Tonne voll dieses Metalls gesammelt, und damit ließ sich dann Jerusalem leicht erobern! Die Matrosen waren auch ganz bereit zu bleiben, da sie die Eingeborenen zutraulich und das Klima gut fanden. Was wartete ihrer sonst anderes als ein Hundeleben auf der »Niña« und die Aussicht, vielleicht noch mit dem jämmerlichen kleinen Schiffe unterzugehen!

Gesagt, getan! Aus den Trümmern der »Santa Maria« baute man ein Blockhaus, versah es mit Lebensmitteln, umgab es mit Mauern und Gräben, und nachdem der Häuptling des Ortes ein Hemd und ein Paar Handschuhe als Ehrengeschenk erhalten hatte, lichtete Kolumbus aus der »Niña« die Anker und steuerte heimwärts.

siehe Bildunterschrift

Die drei Schiffe des Kolumbus.

siehe Bildunterschrift

Die Insel der Menschenfresser. Mittelalterliche Darstellung der zweiten Reise des Kolumbus.

Er war noch nicht weit gekommen, als er auf die »Pinta« stieß, die sich der »Niña« anschloß, nachdem Kolumbus den eigenwilligen Pinzon wieder zu Gnaden angenommen hatte. Dann ging es gemeinsam wieder über den Atlantischen Ozean, aber diesmal nach Osten.


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