Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

2. Am Hofe eines Kannibalenfürsten.

Wißt ihr euch noch des Schauders zu erinnern, der euch den Rücken hinunterrieselte, als ihr zum erstenmal vom kleinen Däumling hörtet, wie er mit seinen Geschwistern wegmüde sich in die Hütte des Menschenfressers verirrte, dem ob dieser ihm unversehens bescherten Mahlzeit das Wasser im Munde zusammenlief? In Zentralafrika ist das Märchen noch heute nur allzu schreckliche Wirklichkeit. Was würdet ihr nun sagen, wenn ihr euch plötzlich von einer Horde solcher Unmenschen umgeben sähet, die euch nachdrücklich einladen, es euch in ihren Kochtöpfen bequem zu machen, oder wenn ihr vor den Obersten solch einer Teufelsbande geführt würdet, dem die Reste seiner Kannibalenmahlzeit noch an den schwarzen Fingern kleben und dessen Haarbusch unter einer dicken Schicht von – Menschenfett erglänzt?

Doch keine Angst! Natürlich seid ihr vortrefflich bewaffnet und nicht allein. Ihr gehört vielmehr einer mächtigen Karawane Chartumer Kaufleute an, die an den Quellflüssen des Nils allenthalben ihre befestigten Niederlassungen, Seriben, besitzen, über ausreichende militärische Bedeckung verfügen und sich im Lauf der Jahre zu Gewaltherrschern dieser weiten Distrikte aufgeworfen haben. Für sie sammeln die Eingeborenen das Elfenbein, um es gegen Kupfer oder mancherlei Erzeugnisse europäischer Kultur, deren Bedürfnis schon bei ihnen unausrottbar geworden ist, auszutauschen, und mit den zahlreichen Potentaten dieser eingeborenen Stämme stehen die Kaufleute aus dem Sudan in den engsten Handelsbeziehungen. In stetem Kampf untereinander, sind die schwarzen Völker vereinzelt wehrlos gegen die Waffen der Handelseroberer, und ihre Häuptlinge benutzen nur zu gern die Gelegenheit, auf Kosten ihrer Untertanen ihren Reichtum an Kupfer und andern Schätzen durch Lieferung von Elfenbein, weißem und schwarzem, zu mehren und dadurch innerhalb ihres Stammes ihre Macht und ihr Ansehen zu steigern.

Immerhin mag keine allzu behagliche Empfindung euch beseelen, wenn ihr euch, dem Beispiel eures Landsmannes Georg Schweinfurth folgend, an dem Hofe solch eines schwarzen Kannibalenfürsten häuslich niederlassen sollt. Ihr wißt ganz genau, was der hohe Herr soeben zum Frühstück verspeist hat, wenn er euch die Gnade gewährt, euch in Audienz zu empfangen! Und wenn man auch aus Höflichkeit dem Europäer gegenüber nicht gerade zugestehen mag, daß hier am Hofe Menschenfleisch ein begehrter Leckerbissen ist, so habt ihr doch helle Augen genug, um allenthalben aus den Abfällen der Mittagstafel dieses scheußliche Gericht herauszuerkennen. Und wenn ihr noch obendrein wie Schweinfurth Naturforscher seid und als Anthropologen eine sehr dankenswerte Vorliebe für Menschenschädel besitzt, so seht ihr bald mit Entsetzen, daß Menschenköpfe, in rohem oder gekochtem Zustand, hierzulande so billig wie Brombeeren sind und man deren mehr vor euch aufhäuft, als ihr präparieren und für euer Museum mitnehmen könnt!

Wenn ihr dann nachts in eurer Hütte liegt, mitten in der großen Residenz seiner königlichen Hoheit des Kannibalenfürsten, wenn unter eurem Lager die Termiten an der Arbeit sind und über euch im Dachstroh zierliche Schlangen Haschen spielen, so verdenke ich euch nicht, wenn ihr euch allerhand krause Gedanken macht, und hin und wieder der böse Traum euch aus dem Schlafe emporrüttelt: Es ist aus mit der Blutsfreundschaft, die der König des Ortes mit den Herren der Karawane geschlossen hatte! Saht ihr nicht heute auf eurem Wege an einem Baumast drei merkwürdige Gegenstände auffallend hingehängt? Einen Maiskolben, eine Hühnerfeder und einen Pfeil! Jetzt besinnt ihr euch: das ist die hier übliche Kriegserklärung! »Nieder mit den Fremden!« schallt es als Losung durch die dunklen Dorfstraßen – »Nieder mit den Elfenbein- und Sklavenräubern, die alljährlich unser Land aussaugen und unsre Weiber fortschleppen! Nieder auch mit dem weißen ›Laubfresser‹!« So wurde der botanisierende Schweinfurth von den Eingeborenen wegen seiner ihnen völlig unverständlichen Beschäftigung genannt.

Doch nun soll euer noch jetzt in Berlin lebender berühmter Landsmann erzählen, wie er im Jahre 1870 auf einer seiner vielen Afrikareisen, aus der er den Uelle-Fluß, einen der nördlichen Zuflüsse des gewaltigen Kongos, entdeckte, das Land der Monbuttu besuchte, bei dem Könige dieses Stammes, dem mächtigen Munsa, einem echten Kannibalenfürsten, gastfreundschaftlichste Aufnahme fand und als erster Europäer das keineswegs primitive Zeremoniell solch eines schwarzen Fürstenhofes mit Muße studieren konnte!

Schweinfurth war es gelungen, von einem der mächtigsten Chartumer Kaufleute die Erlaubnis zur Teilnahme an mehreren seiner Geschäftsreisen, auch Beutezügen, zu erhalten. Die Fahrt ging zunächst den Weißen Nil aufwärts, bog dann in den Gazellenfluß (Bahr el-Ghasal) ein, in dessen Quellgebiet die Chartumer Seriben lagen, und führte durch das Land der Schilluk-, Nuer- und Dinka-Neger, dieser sonderbaren Sumpfbewohner, die ein Beweis dafür sind, daß das Naturgesetz, das unter gleichen Existenzbedingungen gleiche Formen unter den verschiedensten Klassen der Tierwelt schafft, sich auch an den Menschen bestätigt. Ihr langer Hals, auf dem ein kleiner, schmaler Kopf ruht, und ihre hohen, dürren Beine, auf denen sie gemessenen Schrittes das Schilf durchschreiten, geben ihnen eine unverkennbare Ähnlichkeit mit Reihern oder Störchen, und ihre sonderbare Gewohnheit, nach Art der Sumpfvögel stundenlang auf einem Beine zu stehen, das andere aber mit dem Knie zu stützen, vervollständigt dieses Naturspiel in ganz überraschender Weise. Die Dinka sind ein leidenschaftliches Hirtenvolk, das alle Stämme, die kein Vieh halten, als »Wilde« bezeichnet; seine Kühe und Rinder sind ihm teurer als Weib und Kind. Obgleich die Dinka große Feinschmecker sind, bringen sie es doch nur ausnahmsweise über sich, eines ihrer Tiere zu schlachten. Für die Beutezüge der Elfenbeinhändler ist aber der Viehreichtum der Dinka eine Lebensfrage.

Den Gazellenfluß weiter aufwärts wohnen die ackerbautreibenden Djur; sie haben die komische Gewohnheit, sich gegenseitig anzuspucken, wenn sie sich mit besonderer Herzlichkeit – begrüßen wollen. An ihr Gebiet schließt sich das der Bongo, wo zur Zeit des Besuches Schweinfurths die nubischen Sklavenhändler, wie eine Horde übermütiger Paviane in den Durrafeldern, hausten und ganze Landstrecken entvölkerten. Gleich den Djur sind auch die Bongo überaus geschickte Schmiede; ihr Land ist sehr eisenhaltig; sie wissen kunstgerechte Eisenschmelzen zu bauen, und selbstverfertigte Lanzen und Spaten sind daher im ganzen oberen Nilgebiet gangbare Münze für den Tauschhandel. Die Bongo und ebenso die ihnen benachbarten Mittu zeigten sich als sehr musikalisch, und ihre orchestralen Versuche, die entfesselten Elemente mit Hilfe lärmender Instrumente musikalisch darzustellen, erinnern heute nicht wenig an die Experimente moderner europäischer Komponisten. Auffallend war bei den Bongo, denen im übrigen alles, was da kreucht und fleucht, gleichviel in welchem Zustande, mundgerecht erschien, ihre ausgesprochene Abneigung gegen Hunde- und Menschenfleisch, und es bewährte sich weiterhin das Wort des französischen Schriftstellers Bernardin de Saint-Pierre, des bekannten Verfassers der Idylle »Paul und Virginie«, daß der Genuß von Hundefleisch der erste Schritt zum Kannibalismus sei.

Das weiter südlich wohnende Jäger- und Kriegervolk der Niam-Niam huldigt dagegen schon ganz dieser gräßlichen Sitte; sie verspeisen nicht nur die im Kriege gefallenen Feinde, sondern schrecken selbst vor den Toten ihres eigenen Stammes nicht zurück, wenn diese innerhalb des Dorfes keine Familie haben. Dem Menschenfett schreibt man eine berauschende Wirkung zu. Die Zähne der Verspeisten werden auf Schnüre aufgereiht und wie Glasperlen getragen, und die Hütten mit Schädeln wie mit Jagdtrophäen geschmückt. Überraschend bei diesem Tiefstand der Kultur ist die Stellung der Frauen; die Niam-Niam hängen an ihnen mit grenzenloser Liebe, und die arabischen Händler pflegen sich daher zunächst immer einiger Weiber zu versichern; durch deren Gefangenschaft können sie dann von den Männern ohne Mühe alles erpressen, was ihnen zum Unterhalt der Karawanen oder zur Vergrößerung ihrer Beute nur immer erwünscht ist. Von diesen wilden Völkern läßt sich also nicht behaupten, daß die Lage der Frauen für den Stand der Kultur eines Landes beweisend ist.

In allen diesen Gebieten der Eingeborenen hatten Schweinfurths Begleiter ihre Niederlassungen, und in allen ihren Seriben wurde er mit echt orientalischer Gastfreundschaft aufgenommen und monatelang verpflegt, um sich ganz seinen wissenschaftlichen Studien hingeben zu können. Die Achtung, mit der die Besitzer der Karawanen den deutschen Forscher behandelten, imponierte den Eingeborenen selbst gewaltig, und wenn er dann vor ihren Augen seine europäischen Künste spielen ließ, waren sie gerne geneigt, ihn für ein höheres Wesen zu halten. Das größte Erstaunen riefen seine Zündhölzer hervor, und immer wieder mußte er das Wunder des Feuermachens vor ihnen ausführen. Wenn ihnen dann selbst mit einem dargereichten Streichholz das Experiment gelang, war die Freude aller Umstehenden eine ausgelassene. »So,« hieß es im Kreise der Männer, »kann der weiße Mann auch Regen und Blitz machen, etwas Ähnliches ist nicht gesehen worden seit Erschaffung der Welt!« Die Eingeborenen selbst bedienten sich zum Feueranzünden zweier bleistiftdicker Hölzer; durch quirlartiges Reiben des einen senkrecht auf dem andern wird der Funke erzeugt und dieser in zerriebenem dürren Grase aufgefangen, ein zwar etwas umständliches, aber ganz sicheres Verfahren, das, wie Schweinfurth erzählt, bei starkem Winde oft den Zauber seiner Streichhölzer zuschanden werden ließ.

Dieser Bewunderung der Eingeborenen hatte der Forscher es zu verdanken, daß er allein und unbewaffnet oder nur mit geringer Begleitung in der Nähe der Seriben nach Herzenslust und ungefährdet umherstreifen und bei dem unerschöpflichen Reichtum der Vegetation von jedem Tagesausflug Schätze für seine Herbarien oder seine Zeichenmappe mit heimbringen konnte. Er besuchte ebenso unbehindert die Hütten der Eingeborenen, hielt förmliche Haussuchungen bei ihnen ab, untersuchte ihr Hausgerät und durchstöberte jeden Winkel, zeichnete und maß ihre Bewohner und brachte so eine Fülle wissenschaftlicher Resultate zusammen, die leider zum Teil bei einem späteren Seribenbrande zugrunde gingen, zum andern Teil aber die Berliner Museen bereichert haben.

Das südlichste Gebiet, auf das sich seine Forschung erstreckte, war das der Monbuttu, eines Kannibalenstammes, der von zwei mächtigen Häuptlingen beherrscht wurde, und die Residenz des einen von ihnen, des Königs Munsa, bildete wochenlang Schweinfurths Standquartier. Durch einen der Karawanenbesitzer waren die Monbuttu erst 1867 entdeckt worden, und der schlaue Händler hatte es verstanden, sich die enge Freundschaft dieses Kannibalenfürsten zu erwerben. So wurde Schweinfurth Zeuge eines Schauspiels, das bis dahin noch keinem europäischen Reisenden zuteil geworden war.

Munsa hatte die Ankunft seines Chartumer Blutsfreundes, dem die Monbuttu den gemütlichen Namen Mbali, »der Kleine«, beigelegt hatten, mit Ungeduld erwartet; in seinen Speichern lagerte hochaufgestapelt das Elfenbein, die Jagdausbeute eines ganzen Jahres; jetzt sollten ihm dafür aufs neue die Reichtümer des Nordens zufließen und sich in der königlichen Schatzkammer neue Massen roten Kupfers zu den alten häufen. »Wo ist Mbali, wann wird Mbali kommen?« war Munsas tägliche Frage an die bei ihm stationierten Soldaten seines Freundes gewesen, und es war zugleich die Botschaft, mit der Munsa schon aus weiter Ferne dem Fremden, dessen Nahen ihm gemeldet worden, seinen königlichen Gruß entbieten ließ. Mbali hatte denn auch gleich beim Eintreffen in der Residenz des Königs nichts Eiligeres zu tun, als die mitgebrachten Geschenke zusammenzuraffen und sich schleunigst zu Munsa zu begeben. Erst spät am Abend kehrte er in das große Lagerdorf zurück, das mittlerweile aus dem Urwald emporgezaubert worden war; Hörner- und Paukenschall begleiteten seine Schritte, und große Proviantvorräte sammelten sich, auf Befehl des Königs von Tausenden herbeigetragen, mit staunenswerter Schnelligkeit. Dem weißen Gast der Karawane aber war für den folgenden Morgen ein feierlicher Empfang in der Prunkhalle des Königs in Aussicht gestellt.

Am andern Morgen sah man dichte Massen schwarzen Volkes sich zwischen den Hallen des Königs und den Behausungen seines Hofgesindes hin- und herbewegen, und der dumpfe Schall wilder Paukenschläge übertönte alles. Munsa versammelte seine Trabanten und hielt Heerschau über seine Elefantenjäger; von nah und fern strömten die Familienältesten herbei, um den Elfenbeinmarkt zu beschicken und mit Mbali Lieferungsverträge über Lebensmittel abzuschließen.

Schweinfurth hatte sich in feierliches Schwarz geworfen und schwerbeschlagene Touristenstiefel angelegt, um seiner leichten Figur durch die vermehrte Wucht der Tritte einen imponierenden Charakter zu verleihen. Diese Stiefel brachten ihn übrigens später in den Verdacht, Bocksfüße zu besitzen, eine Vermutung, die durch sein langes Gelehrtenhaar unwillkürlich bestätigt wurde! Nach langem Warten wurde er gegen Mittag von Mbalis schwarzer Leibgarde und seinen Musikanten abgeholt und unter festlichem Geleit zur zweitgrößten der königlichen Palasthallen geführt, die, einem Schuppen gleich, an beiden Giebeln offenstand. Hier harrte der Zeremonienmeister, ergriff schweigend die rechte Hand des Fremden und führte ihn in das Innere, durch die Reihen Hunderter von Trabanten und Vornehmen des Volkes hindurch, die in vollem Waffenschmuck, nach Rang und Würden geordnet, auf zierlichen Bänken saßen. An dem einen Ende der Halle stand die Thronbank des Königs, die vor den übrigen Sitzen nur durch eine Fußmatte ausgezeichnet war. Neben die Thronbank ließ Schweinfurth seinen Rohrstuhl stellen, den man ihm, der Sitte des Landes gemäß, nachgetragen hatte; seine Leute hockten und stellten sich hinter ihn, und nun galt es, auf das Erscheinen des Königs zu warten.

Denn Seine Majestät wurde noch erst in den inneren Wohnhütten der Hofburg von seinen Frauen frisch gesalbt, frisiert und geputzt, um sich in vollem Staat zu präsentieren, und ohne die gelassene Geduld des Audienzsuchenden ging es auch an diesem Königshofe nicht ab! Unterdes erschütterte das Toben der Kesselpauken und das Gebrüll der Hörner den luftigen Holzbau, der in seiner Art ein Wunder leichter und doch widerstandsfähiger Konstruktion war, und für die königlichen Trabanten war der weiße Gast eine unerschöpfliche Quelle ausgelassener Belustigung. Durch die offenen Giebel drängte sich das schaulustige Volk, das durch Aufseher mit langen Stöcken in Ordnung gehalten wurde.

Schon eine Stunde hatte der Fremde gewartet, als endlich lauter Hörnerklang, Volksgeschrei und verdoppelter Paukendonner das Herannahen des Herrschers zu verkünden schienen. Das war aber erst das Vorspiel, währenddessen am Eingang der Halle eine großartige Ausstellung von Prunkwaffen, kupfergeschmiedeten Lanzen und Spießen in allen Formen und Größen, errichtet wurde. Die Strahlen der äquatorialen Mittagsonne verbreiteten über diese Anhäufung von rotglänzendem Metall einen blendenden Schein, und ein Glühen wie von flammenden Fackeln ging von den Lanzenspitzen aus, deren symmetrische Reihen einen prächtigen Hintergrund für den Thronsitz eines Herrschers abgaben. Eine wahrhaft königliche Pracht wurde da entfaltet, für zentralafrikanische Begriffe Schätze von unberechenbarem Werte und alles bisher Gesehene weit in den Schatten stellend.

Jetzt aber drängte der Volkshaufe dem Eingange zu, Ausrufer und Festordner rannten hin und her – Ruhe! der König kommt! Voran schreiten Musikanten, die auf kolossalen, aus ganzen Elefantenzähnen geschnitzten Hörnern blasen oder Eisenglocken schwingen. Den Blick gleichgültig vor sich hin gerichtet, naht derben Schrittes der rotbraun gesalbte Cäsar, gefolgt von seinen Lieblingsfrauen; ohne den Fremden eines Blickes zu würdigen, wirft er sich auf die niedrige Thronbank und – betrachtet seine Füße.

Gleich der Waffensammlung erstrahlte der Herrscher in schwerer Kupferpracht, Arme und Beine, Hals und Brust waren mit Ringen, Spiralen und Ketten geschmückt, auf dem Scheitel erglänzte eine Art Halbmond, alles Erzeugnisse der einheimischen Kunstindustrie. Ein imposanter, anderthalb Fuß hoher, zylinderförmiger Federhut aus Rohrgeflecht beschattete das Haupt, fingerdicke Kupferstäbe staken in den durchbohrten Ohrmuscheln, und der ganze Leib war mit der landesüblichen Schminke von Farbholz eingerieben, die seinem ursprünglich hellbraunen Körper die antike Färbung pompejanischer Helden gab. Seine Kleidung bestand aus einem großen Stück sorgfältig verarbeiteter Feigenrinde, gleichzeitig Kniehosen und Leibrock darstellend, und derbe Riemen aus Büffelhaut mit Kupferkugeln hielten das Gewand an den Hüften zusammen. In der Rechten schwang Munsa als Zepter einen sichelförmigen Säbel aus lauterm Kupfer.

Der Selbstherrscher der Monbuttu war gegen vierzig Jahre alt, hoch von Gestalt und stramm von Wuchs. Kinn und Backen waren von einem Bart umrahmt. Aber seine Gesichtszüge waren keineswegs einnehmend. In seinen Augen brannte ein wildes Feuer, und um die aufgeworfenen wulstigen Negerlippen lagerten die Grausamkeit und Habsucht eines Nero. Er lächelte nie.

Eine geraume Zeit verstrich, ehe die Blicke des Königs scheinbar gleichgültig zu dem nie gesehenen Blaßgesicht mit dem schulterlangen Haar hinüberstrichen, und nach und nach ließ er durch den Dolmetscher etliche sehr gleichgültige Fragen an den Fremden richten. Sich durch nichts aus seiner königlichen Selbstbeherrschung bringen zu lassen, schien dieses Königs wohlüberlegte Absicht.

Nun ließ Schweinfurth seine Geschenke zu den Füßen des Herrschers ausbreiten: schwarzes Tuch, ein Fernrohr, Porzellangeschirr, Elfenbeinschnitzereien, ein Doppelspiegel usw., und was die Hauptsache war, eine Sammlung von tausend verschiedenen venetianischen Glasperlen. Die Umgebung konnte sich der verschiedensten Laute des Staunens nicht enthalten – der König selbst aber betrachtete alles mit unerschütterlicher Ruhe.

Nach einiger Zeit wandte sich Munsa den bereitliegenden Erfrischungen, gerösteten Bananen usw., zu und rauchte in den Eßpausen aus einer Pfeife, einem sechs Fuß langen Eisenrohr, das der Pfeifenträger ihm hinreichte. Jedesmal warf sich der König dazu in seinen Thronsessel zurück, stützte den rechten Ellenbogen in die Armlehne, schlug ein Knie über das andere und ergriff dann mit der Linken das Rohr. In dieser imposanten Haltung tat er, ganz wie ein vornehmer Türke, einen einzigen langen Zug aus der Pfeife, gab sie dann stolz und gelassen dem Diener zurück und ließ den Rauch langsam aus dem Munde gleiten. Trotz aller Bemühungen war es nicht möglich, ihn, dem schlechterdings nichts imponierte, in eine regelrechte Unterhaltung zu verwickeln, und auch bei späterer Gelegenheit ließ er sich, besonders über geographische Dinge, in keiner Weise ausfragen; das verboten ihm die Bedenken hoher afrikanischer Politik!

Zur Unterhaltung der Gäste traten nun Hornbläser auf, dann Spaßmacher und Sänger, und auch ein Hofnarr fehlte nicht, der über und über mit buschigen Quasten behangen und unermüdlich in Späßen und Albernheiten war. Und zuletzt, als Höhepunkt der Zeremonie, hielt Munsa unter dem Jubel des Volkes und mit sichtlicher Berechnung in der Wahl der Worte und Kunstpausen eine feierliche Rede, mindestens eine halbe Stunde lang, und zum Schluß dirigierte er noch höchsteigenhändig ein Paukenkonzert mit solchem Erfolg, daß sein deutscher Besucher von allem Gesehenen und besonders Gehörten mehr tot als lebendig zurück in seine Hütte kam.

Als Gastgeschenk ließ Munsa ihm am andern Morgen ein zwanzig Fuß langes transportables Haus aus korbartigem Geflecht überbringen, das dem Naturforscher zum Schutz seines Gepäcks und besonders seiner Sammlungen überaus willkommen war. So konnte er nun in seinen eigenen vier Wänden als Hausbesitzer im Monbuttu-Land seinen Untersuchungen obliegen, während rings um sein Zelt sich die Schar der Neugierigen, besonders der Frauen, drängte, die sich sogar ihre Sitzgelegenheit mitzubringen pflegten, um das fremde Wundertier bei seinem unverständlichen Hantieren in aller Muße anstaunen zu können.

Zwanzig Tage blieb Schweinfurth in der Residenz Munsas, und an Abwechslungen und Überraschungen war dieses Hoflager so reich wie nur irgendein europäisches. Wenn sich Büffel oder Elefanten in der Nachbarschaft blicken ließen, wurden große Treibjagden veranstaltet; Feste auf Feste durchrauschten die königlichen Hallen. Eines Tages tanzte der König sogar, gleich David, in höchsteigener Person vor seinen Frauen und Trabanten so lange, bis er mit der Wut eines heulenden Derwisches durch die Halle raste, während die Zuschauer in tobende Ekstase gerieten. Dann wieder trafen tributbringende Vasallen beim Könige ein, oder es wurde ein Siegesfest gefeiert. Im Lager bei Munsa sah Schweinfurth auch zum erstenmal einen der südlich von den Monbuttu wohnenden Zwerge und erhielt sogar vom König einen dieser Akka als Eigentum überwiesen, nachdem er ihm – ein echt afrikanischer Handel – einen seiner Hunde dafür überlassen hatte!


 << zurück weiter >>