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25. Der Alexander der neuen Welt.

Seit Kolumbus durch seine Entdeckungen der Menschheit eine neue Welt geschenkt hatte mit unermeßlichen, weglosen Wildnissen, mit ungekannten Völkern und mit Reichtümern, die man mehr ahnte und erhoffte, als sah, stürmte die Phantasie der europäischen Jugend wie ein ungezügeltes Roß über den Atlantischen Ozean, der jetzt seine Schrecken verloren hatte, da seine Grenze gefunden war. Schon im Jahre 1495 hatte die spanische Regierung auf den Rat eifersüchtiger Neider des Kolumbus jedem ihrer Untertanen freigestellt, auf Entdeckungsfahrten nach dem fernen Westen auszuziehen, um auf den Spuren jenes Großen weitere unbekannte Länder für die Krone Spaniens zu erobern. Das war ein Signal zur Sammlung aller Abenteurer der alten Welt unter der Fahne Spaniens, und zahllose Schiffe voll von Glücksrittern, denen vielfach der heimatliche Boden unter den Füßen zu heiß geworden war, landeten nun an den geheimnisvollen Küsten, von denen man noch nicht wußte, ob sie lauter Inseln oder ein neues Festland begrenzten. Wo man ausstieg, hißte man die andalusische Flagge, dann baute man einen Altar von rohen Steinen, befestigte ein Kreuz oder vielleicht ein Muttergottesbild darauf, der begleitende Pater, der zur Bekehrung all der unbekannten Heidenvölker mit dabei zu sein pflegte, las vor den andächtigen Seefahrern eine feierliche Messe, in die nächsten Baumstämme wurden die Namen des Königs und der Königin von Spanien eingeritzt, und aus dem nächsten Flusse trank der Anführer von dem Wasser des Landes. Damit war von der Küste und dem zugehörigen Hinterland Besitz für die spanische Krone ergriffen, ein umständlicher Bericht wurde mit den ersten gut- oder böswillig erlangten Kostbarkeiten an die heimatliche Regierung abgesandt, und Spanien war wieder um eine unübersehbare, dunkle Ländermasse bereichert, die irgendwo jenseits der großen Salzflut lag.

Im Anfang ließen die zutraulichen Eingeborenen die Fremden ruhig ihrer Wege gehen und gaben für Glasscherben, Blechbüchsen und dergleichen wertlosen Abhub bereitwilligst Lebensmittel, wie Hühner und Mais, her. Damit waren aber diese Konquistadoren, wie die Anführer der spanischen Entdeckungsfahrten genannt wurden, wenig zufrieden. Denn sie alle träumten von einem Goldland, wo man sich wie im Märchen riesige Klumpen edlen Metalles von den felsigen Abhängen der Gebirge brechen konnte, und wo die Edelsteine haufenweise wie Kiesel verstreut lagen, so daß man sich nur darnach zu bücken brauchte. Statt dessen aber fand man meist unwirtliche, sandige Küsten, und wenn man bei den Bewohnern goldenen Schmuck entdeckte und sie nach dessen Herkunft fragte, wiesen sie tiefer und immer tiefer ins Land hinein. Ungesundes Klima, Entbehrungen und Krankheiten aller Art richteten viele Niederlassungen, die bald hier, bald dort angelegt wurden, zugrunde, und Habsucht und Grausamkeit der weißen Eindringlinge machten die Eingeborenen zu erbitterten und gefährlichen Feinden. Dazu kam noch die maßlose Eifersucht der Eroberer untereinander, die sich selbst gegenseitig befehdeten und durch eine verkehrte Günstlingspolitik daheim in diesen Streitigkeiten noch unterstützt wurden. Jeder wollte für sich allein das erträumte Goldland » el Dorado« gewinnen und dachte nicht mehr im entferntesten wie Kolumbus daran, etwa mit den erbeuteten Schätzen das Heilige Grab den Türken zu entreißen.

Aber immer neue Scharen heldenmütiger oder auch tollkühner Eroberer überströmten unwiderstehlich diese neuen spanischen Kolonien. Daß das von Kolumbus entdeckte Kuba eine Insel war, hatte schon 1508 eine von Sebastian Ocampio unternommene kühne Umschiffung bewiesen. 1511 eroberte Diego Velazquez diese bedeutendste Insel der Großen Antillen und wurde ihr erster Statthalter. Von da bis zum amerikanischen Festland war nur noch ein kleiner Schritt, eine Meeresstraße von nur 220 Kilometern trennt Kuba von der Halbinsel Yucatan, und diese wurde denn auch die Brücke, über die die Spanier in das Innere Zentralamerikas eindrangen. Einer der Konquistadoren, Juan de Grijalva, unterwarf einen Teil dieses Landes und kam bis an die Grenzen von Mexiko, wo er von den dortigen Kaziken gegen Messer und Scheren Gold und Perlen eintauschte, aber auch voll Entsetzen sah, daß mit der hohen Kultur der dortigen Indianerstämme die gräßlichsten Menschenopfer, ja Kannibalismus Hand in Hand gingen.

Aber das leidenschaftlich gesuchte Goldland schien damit gefunden, und mit Schätzen beladen kehrte Grijalva zu dem Statthalter von Kuba, Velazquez, zurück. Dieser schrieb schleunigst einen Bericht über das fabelhafte Kulturvolk im Westen seiner Insel und war sofort entschlossen, die neue Entdeckung für seine Statthalterschaft in Anspruch zu nehmen. Schnell war eine große Flotte ausgerüstet, und zu ihrem Befehlshaber ernannte Velazquez seinen Sekretär und Günstling, Ferdinand Cortez.

Damit hatte Velazquez eine seinem eigenen Ansehen zwar wenig förderliche, aber für die Entdeckungsgeschichte der neuen Welt überaus glückliche Wahl getroffen. Denn Cortez wurde der erfolgreichste aller dieser Konquistadoren, und es war keine törichte Anmaßung, wenn er sich selbst den »Alexander der neuen Welt« zu nennen liebte. Mit unermüdlicher Ausdauer und heldenhafter Tapferkeit ging er auf sein Ziel los; aber er ließ es nicht bei blutiger Eroberung bewenden, sondern machte den ersten Versuch, die eroberten Länder zu kolonisieren und ihren Einwohnern die europäische Kultur nahe zu bringen, während er die alte Kultur der Mexikaner nach Möglichkeit zu erhalten strebte.

Cortez wurde 1485 als Sohn adliger Eltern in Medellin in der spanischen Provinz Estremadura geboren; er studierte zwei Jahre an der Universität Salamanca und scheint schon in seiner Jugend sein Vaterland kreuz und quer durchstreift zu haben, denn in seinen späteren Berichten über seine mexikanischen Eroberungen pflegte er, zur besseren Veranschaulichung der unerhörten Neuigkeiten, die er zu melden hatte, Vergleiche mit der Natur und den Zuständen Spaniens zu ziehen, woraus hervorgeht, daß er dieses ungemein gründlich kannte. Die Entdeckungen des Kolumbus entzündeten schon früh seine glühende Phantasie; der Reiz des Wunderbaren, das jenseits des Ozeans neben ritterlichen Abenteuern goldene Berge verhieß, lockte auch ihn, und schon in seinem neunzehnten Jahre schiffte er sich mit einem nach Hispaniola (Haïti) bestimmten Geschwader ein. Durch Geistesgegenwart, Unerschrockenheit und Ausdauer zeichnete sich der Jüngling so hervorragend aus, daß der Statthalter von Santo Domingo ihn in seine Dienste nahm. Sieben Jahre später beteiligte er sich an der Eroberung Kubas und kam dadurch zu Landbesitz und Wohlstand in der neuen Welt. Der Statthalter Velazquez zog den gewandten und durch Schönheit auffallenden jungen Mann in seine Nähe, wählte ihn zu seinem Sekretär, machte ihn später zum Alkalden der Stadt Santiago auf Kuba und ernannte ihn schließlich zum Admiral der elf Schiffe, die er nach dem verheißungsvollen Mexiko zu schicken gedachte.

In Cortez vereinigten sich die besten spanischen Eigenschaften: leidenschaftlicher Nationalstolz, furchtlose Tapferkeit, Gerechtigkeit und Ritterlichkeit. Dabei beseelte ihn ein unbändiger Ehrgeiz. Mit Feuereifer betrieb er die Ausrüstung der Expedition und übernahm selbst einen großen Teil der Kosten. Aber ehe er noch den Hafen von Santiago verlassen hatte, ergriff den Statthalter die Unruhe, Cortez werde sich, im Besitz einer so bedeutenden Kriegsmacht, von seiner Oberherrschaft befreien und aus eigene Faust seine Entdeckungsreise antreten. Er befahl daher dem Admiral, mit der Ausreise bis zu seiner Ankunft zu warten.

Aber Cortez witterte Unrat. Er wußte zu gut, wie manchem tapfern Gefährten durch einen ehrgeizigen Vorgesetzten der Ruhm und die Früchte seiner Eroberungen vorenthalten worden waren, und er dachte nicht daran, das Schicksal eines Kolumbus zu teilen. Er wollte sein Gut und sein Leben nicht im Dienst eines schon jetzt mißtrauischen und später gewiß undankbaren Statthalters aufs Spiel setzen und wagte daher einen kühnen Handstreich: sobald er den Befehl des Velazquez erhalten hatte, fuhr er unverzüglich mit seiner Flotte von Santiago nach Trinidad, vollendete hier in Ruhe die Ausrüstung und Verproviantierung seiner Expedition und ging am 18. Februar 1519 unter Segel.

Mit vierhundert spanischen Kriegern, zweihundert Indianern, sechzehn Reitern und vierzehn Geschützen segelte die Flotte an der Küste von Yucatan entlang, landete auf der Insel Cozumel und erreichte bald die Küste von Mexiko. In der Nähe von Chiahuitztla nahm Cortez in der üblichen Weise das neue Land für Spanien in Besitz und gründete eine Niederlassung Villa Rica de Vera Cruz, die er mit spanischer Verwaltung ausstattete. Die neuzuschaffenden Ämter verteilte er unter seine Getreuen, und diese wählten nun, streng nach der vorgeschriebenen Form, ihn zum Generalkapitän und Oberrichter der spanischen Krone. Dadurch gewann er einen Rechtstitel, der es ihm erlaubte, auch gegenüber den Freunden des Velazquez innerhalb der kleinen Eroberungsarmee seine Autorität geltend zu machen und die verschiedenen Strafexpeditionen, die der Statthalter ihm nachsandte, nach friedlichen Verhandlungen zu sich herüberzuziehen.

So begann er mit seiner kleinen Schar den Feldzug mitten hinein in ein unbekanntes mächtiges Reich, dessen starke und kriegerische Bevölkerung, das sah Cortez voraus, sich keinesfalls ohne Schwertstreich einem Häuflein fremder Eindringlinge ergeben würde.


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