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14. Der Mississippi.

»Saint Louis, wo liegt denn das?« fragt Fritz, nachdem er sich wieder zu seinem Reisebegleiter gefunden hat.

»Am Mississippi«, antwortet der Yankee, »von Pittsburg aus geht eine direkte Bahn dorthin. Das ist ein Knotenpunkt, wie es nicht viele gibt. Zahlreiche Hauptlinien der Eisenbahn treffen dort zusammen, und unzählige Dampferrouten gehen von dort aus den Mississippi und den Missouri hinauf und nach all den großen Städten an ihren Nebenflüssen hin. Denn der Missouri fließt bei Saint Louis in den Mississippi, und dieser ist mit ersterem der längste Fluß der Erde, von seiner Quelle im Felsengebirge an gerechnet; nur an Wassermasse wird er vom Amazonenstrom in Südamerika übertroffen. Sein flaches Tal ist außerordentlich fruchtbar; an den Ufern wächst genügend Korn, um viele Millionen Menschen zu ernähren, eine unerschöpfliche Quelle des Reichtums für unser Land. Aber wenn dieser Riesenfluß im Frühling anschwillt, dann setzt er ein Gebiet unter Wasser, das so groß ist wie der Obere See, der nördlichste der fünf kanadischen Binnenseen. So unermeßlichen Segen der Mississippi den Menschen bringt, so drückende Abgaben verlangt er aber auch von ihnen im Frühling. Die gewaltige, braunschmutzige Wassermasse schneidet dann oft scharfe Biegungen des Flußbettes ab und bahnt sich neue Richtwege. Oft verkürzen solche Durchbrüche die Flußlänge um 20 Kilometer hier und 20 Kilometer da. Was das für Umwälzungen hervorruft, können Sie sich kaum denken! Eine Stadt, die an solch einer Krümmung des Mississippi liegt, sieht sich eines schönen Tages 10 Kilometer vom Ufer entfernt, und in einer andern Stadt, die bisher weitab vom Strome lag, müssen die Einwohner jeden Augenblick darauf gefaßt sein, wie junge Katzen ersäuft zu werden. Eine Eisenbahnbrücke wölbt sich plötzlich über trocknen Boden, während der Fluß in ihrer Nähe den Bahndamm und die Gleise fortgeschwemmt hat. Ein Heer von Ingenieuren beschäftigt sich mit dem Problem, die launenhafte Frühlingsflut des Mississippi zu bewältigen und die Bauten der Menschen gegen sie zu schützen. Und trotzdem vergeht kein Jahr, wo nicht der Mississippi entsetzliche Verwüstungen anrichtet und den Besitzern des Uferlandes bedeutende Verluste, besonders an ertrunkenem Vieh, bereitet.«

»Sehen Sie nur dieses Wasser an, und Sie können sich vorstellen, welch gewaltige Massen an Erde, Sand und Schlamm es alljährlich mitschwemmt. Und all diesen Schlamm setzt der Fluß in seinem flachen Delta unterhalb der Stadt Neuorleans ab. Daher wandert dieses Delta auch alljährlich immer weiter in den Mexikanischen Meerbusen hinein.«

»Das ist ja eine bequeme Art und Weise, sein Landgebiet zu vergrößern!«

»Ja, aber wir würden gern auf die paar Quadratmeilen verzichten, wenn uns die furchtbaren Überschwemmungen im Frühling erspart blieben.«


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