Rudolf Gottschall
Im Banne des Schwarzen Adlers
Rudolf Gottschall

 << zurück 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Letztes Kapitel.

Huldigung und Hochzeit.

Der große Tag der Landeshuldigung war angebrochen! Eine Menge glänzender Equipagen rollten durch die Straßen Breslau's, der ganze Glanz der Provinz hatte sich in der Hauptstadt versammelt; die Stände und ihre Vertreter waren erschienen, um dem neuen Landesherrn zu huldigen. Die preußischen Truppen funkelten im Paradestaat und die Häuser der guten Stadt bereiteten sich zur glänzenden Illumination am Abend vor.

Prächtig war der Fürstensaal des Rathhauses ausgeschmückt, wo die Huldigung vor sich gehen sollte. Der mit karmoisinfarbenem Sammet überzogene, kostbar ausgeschlagene Thron war, wie vorlaute Rathsfrauen ausplauderten, keine neue Anschaffung, zu der sich der hohe Rath der Stadt aufgeschwungen hätte, sondern derselbe Thron, auf welchem König Mathias 398 im Jahre 1611 die Huldigung der Stände entgegengenommen. O wäre die Eroberung des Landes so leicht gewesen, wie die Umwandlung des Thrones, dessen doppelköpfigen Adler man rasch in einen einköpfigen umschuf, während man den Namen des Mathias in Friedrichs Anfangsbuchstaben umwandelte! Da stand er nun in prunkhafter Herrlichkeit, dieser wankelmüthige Thron, und trug den preußischen Adler auf Silbermohr so ruhig auf seinem Rücken, als hätte er nie einem Habsburger zum Herrschersitz gedient! Die Wand des Saales hinter ihm war mit rothem Tuch ausgeschlagen und auf der Wand gegenüber hatte das glänzende preußische Wappen die Zukunft Christi und das jüngste Gericht verdrängt, welches noch durch eine Seele aus dem Fegfeuer und die Anwesenheit des meerbeherrschenden Neptun verherrlicht worden war; denn auch die Breslauer Heiligmalerin verleugnete nicht ihre Begeisterung für den »Gabeljürgen.«

Niemals hatte der Fürstensaal eine so glänzende Versammlung gesehen wie an diesem Tage. Die stolzesten Standesherren Schlesiens, die Geistlichen und die Vertreter der Städte im Ornat harrten des neuen Herrn. Da hielt ein Phaëton mit acht schnaubenden Rossen vor der Thür des Rathhauses und heraus sprang der neue Herr des Landes, der aber nur 399 geringe Sorge getragen hatte, in seinem Aeußern den stolzen Gebieter herauszukehren und sich seiner prunkenden Unterthanen würdig zu zeigen. Seine Uniform, die Uniform seines Leibregiments, mit Silber bordirt, war etwas verschossen, vom Lagerleben mitgenommen, vom Pulverdampf der Schlachten angehaucht; seine Frisur so nachlässig wie möglich; es war jeder Zoll der Soldatenkönig, der nur kurzen Waffenstillstand mit dem Feinde geschlossen hatte und diese Muße benutzte, um die Huldigungen seiner neuen Unterthanen entgegenzunehmen, und zwar so bequem wie möglich und ohne viel Federlesens. Sprach doch der Blick der Feueraugen Allen verständlich: ich bin der Herr, euer König!

Er bestieg den Thron; neben ihm standen die Prinzen, der alte Dessauer, Generale und Minister. Der Staatsminister von Podewils setzte auseinander, daß der König zum Schwerte gegriffen habe, um alte Ansprüche, denen Oesterreich nicht Gerechtigkeit widerfahren ließ, geltend zu machen, und zwar wie es souveräne Mächte thun müßten, die keinen Richter über sich anerkennen. Nicht mit Furcht und Gewalt, mit Liebe und Sanftmuth wolle der König herrschen, er erkläre jeden Tag für verloren, an welchem er nicht Gutes thun und Jemand glücklich machen könne, ebenso sei die Liebe der Unterthanen die stärkste 400 und sicherste Stütze für Thron und Scepter. Die göttliche Vorsehung habe es gefügt, daß nach dem Erlöschen des österreichischen Mannesstammes und dem Abgange der letzten Landesobrigkeit diese getreuen Stände und Unterthanen gänzlich ohne neue Pflicht geblieben seien, bis ihnen Gott denjenigen gezeigt habe, der mit Segen, Gnade und Huld über sie herrschen werde.

Der Wartenburg-Oels'sche Landeshauptmann von Prittwitz erwiderte im Namen der Fürsten und Stände und versprach, daß die Schlesier auch dem neuen König die alte deutsche Treue bewahren würden.

Der Augenblick war gekommen, wo der feierliche Act der Huldigung stattfinden sollte; da zeigte es sich, daß das königliche Reichsschwert vergessen war, dessen Knopf zu küssen dem Huldigenden zukam. Rasch entschlossen endete der König diese Verlegenheit, indem er den eigenen Degen zog und ihn dem Dessauer, der das Reichsschwert halten sollte, mit den Worten hinreichte:

»Das ist das neue Reichsschwert, dieser Degen, der Schlesien erobert hat! Statt des alten todten Plunders die neue lebendige That!«

Da stand der alte Dessauer mit den grauen Hosen unter der Staatsuniform, um das Gesicht von unerklärlich dunkler Farbe, in dem der Pulverdampf von 401 hundert Schlachten sich verdichtet zu haben schien, die losen Seitenhaare flatternd, den Schnauzbart, der ihm den spöttischen Beinamen des alten Katers zuzog, martialisch ausgewichst, mit seiner riesigen Gestalt wie ein Schlachten-Cyclop aussehend, und hielt den Degen, das Schwert des Brennus, das Preußen in die Wagschale der europäischen Geschicke geworfen hatte gegen des Dessauers Willen, der für das Haus Oesterreich warme Anhänglichkeit hegte, aber mit einem Erfolg, vor dem sich auch der graue Leopold beugte, indem er seine Flüche nur still in seinen Knebelbart brummte.

Und sie küßten den Degen, die kniend vor dem Throne den Lehnseid leisteten, die fürstlichen Gesandten, der Domprobst und Dechant, die Vertreter des Domcapitels, während der König mit bedecktem Haupte auf dem Throne saß. Dann aber leisteten stehend den Unterthaneneid, während auch der König mit entblößtem Haupte auf der obersten Stufe des Thrones stand, die übrigen Abgeordneten der Standesherren und der Städte.

Es war einer der stolzesten Tage im Leben des jungen Königs von Preußen.

Abends schwamm die Stadt Breslau in einem Lichtmeer, es war eine der glänzendsten Illuminationen, von denen die Chronik solcher Feste in Deutschland 402 Kunde giebt; ein ganzer dicker Band »Triumph von Schlesien«, der im Verlage von Johann Jacob Korn in Breslau erschien, hat der Nachwelt diese glänzende Lichtsymbolik, alle die Flammenfiguren und Inschriften aufbewahrt, in denen sich die schöpferische Phantasie der Breslauer erging. Die Stadt selbst ging mit gutem Beispiele voran. Das große Transparent am Rathhause zeigte eine lange Reihe brennender Herzen mit der sinnreichen Inschrift auf einem großen Schilde:

Hier brennen, großer Prinz, nicht schlechte Lampenkerzen,
Nein, nein, es brennen selbst der Unterthanen Herzen.

Auf dem Hauptgesimse war eine große Weltkugel und neben derselben befanden sich als Statuen die beiden Tugenden, die in dieser Gestalt am meisten heimisch auf Erden sind: die Wahrheit und Gerechtigkeit.

Außerdem prangten an beiden Seiten des Rathhauses zwei gewaltige Ehrenpforten, die eine im ionischen, die andere im dorischen Stil, beide im reichsten, buntesten Glanze funkelnd.

An der ionischen Ehrenpforte befand sich ein Gemälde, wie man es auf alten Münzen bisweilen trifft: ein munterer Jüngling, der in der rechten Hand eine goldene Weintraube emporhält, in der linken aber sein Weinmesser niedersenkt. Der König hatte keine Mühe, in diesem munteren Jüngling sich selbst zu entdecken und in der goldenen Weintraube Schlesien, 403 das er ja eben mit seinem Weinmesser vom Spalier geschnitten hatte.

Das größte Kunstwerk städtischer Begeisterung hatte indeß schon im Laufe des Tages der Stadtkoch auf dem Neumarkt errichtet; ein grausamer Mord in den Hühnerhöfen war vorausgegangen, denn dreihundert Stück Geflügel mußten zur Herstellung dieses Meisterwerkes ihr Leben lassen. Ein großer gebratener Ochse war aufgestellt; rechts von ihm der preußische Adler, der aus lauter gebratenem Geflügel gebildet war, links von ihm der Name des Königs und das W des Breslauer Wappens, ebenfalls mit seltener Kunst aus allerlei Hühnern, Tauben und Gänsen zusammengesetzt.

König Friedrich fuhr in seinem Phaëton durch die Straßen und ergötzte sich an den seltsamen Einfällen der Breslauer Hauseigenthümer und Poeten, die nicht immer ganz harmlos waren, denn es fanden sich auch Proteste darunter gegen die große Einquartierungslast. Die Klöster waren alle glänzend illuminirt und trugen einen sehr warmen, gereimten Patriotismus zu Schau; der zur Sonne fliegende Adler fehlte fast nirgends.

Nachdenklich betrachtete Friedrich die verschiedenen Inschriften. Bei dem Hofjuwelier Hirschel erblickte er Salomons Thron mit den zwölf Löwen und der Inschrift: 404

So befestigt steht Dein Thron,
And'rer weiser Salomon.

Auf einem andern Transparent sah er ein Frauenzimmer, sehr geputzt, mit dem schlesischen Adler auf der Brust, welches einen Mann mit preußischer Uniform, der ihr den Adler abzureißen suchte, bei der Hand faßte, mit der Inschrift:

Halb mit Liebe, halb gezwungen!

Am meisten aber ergötzte sich Friedrich an einem Transparent an der Ohlauerstraße, welches von zwei Pagoden umstellt war, die immer fort verwundert mit dem Kopfe wackelten:

Ich wund're mich,
Daß Preußen sich
In kurzer Zeit
So ausgebreit'.

Wie würden diese Pagoden erst jetzt mit den Köpfen wackeln und wie vieles Kopfschütteln gelehrter und ungelehrter Pagoden hat Preußens Ausbreitung in letzter Zeit hervorgerufen!

Friedrichs Phaëton, hinter welchem glänzende Equipagen mit den Ministern und Generalen durch die Straßen fuhren, hielt vor dem Locatelli'schen Saal. Auch hier wurde ein Fest gefeiert, das er selbst für seinen Huldigungstag bestimmt hatte; es war das eine besondere Auszeichnung,. die er einem tapferen Offizier und einer jungen, muthigen Freundin von 405 Rheinsberg, die sich um die gute Sache Preußens so verdient gemacht hatte, zu Theil werden ließ. So trübe Schatten die jüngsten Erlebnisse auch in das Gemüth der zartfühlenden Agnes und ihres Bräutigams warfen: sie durften den frohesten Tag ihres Lebens nicht länger hinausschieben, denn der König wollte, daß der Lichterglanz des festlich geschmückten Breslau auch der Hochzeit des muthigen Mädchens leuchte, das ihn in die geheimen Pläne seiner Feinde rechtzeitig eingeweiht hatte.

Tusch und Hochruf begrüßte den eintretenden Fürsten; ein großer Theil der in der Stadt anwesenden Stände war hier vertreten; auch Frau von Morien, so blühend und glühend wie immer, hatte sich eingefunden und ihr Verehrer, Bielefeld, der in dem Verkehr mit der Rheinsberger Grazie, mit diesem unruhigen »Tourbillon« bereits eine Sicherheit und Ruhe bewies, daß böse Zungen behaupteten, der »Wirbelwind« habe sich längst im Stillen für ihn in einen Zephyr verwandelt. Um Jordan's Züge aber schwebte eine eigenthümliche Verklärung; es war die Freude über den glänzenden Triumph seines königlichen Freundes.

Der König trat alsbald an Agnes von Walmoden heran, die keineswegs zu den herausfordernden Bräuten gehörte, die, mit funkelndem Geschmeide überladen, das Glück wie einen dicken Brautstrauß mit 406 siegesgewisser Festigkeit in den Händen zu halten scheinen. Ein leiser Schimmer der Wehmuth schwebte über die Züge des sonst so munteren Mädchens, das im schlichten weißen Gewand, nur mit weißen Rosen geschmückt, erschien. Die weiße Rose kann ja auch das Grab unter der Trauerweide schmücken . . und sie hörte im Geiste bisweilen die Trauerweiden flüstern über dem Grabe der armen Marie. Doch der volle Wiederschein innerer Freude spiegelte sich auf ihren lieblichen Zügen, als der König durch den Besuch des Festes und einen herzlichen Händedruck sie in seltener Weise auszeichnete, der König, dem sie in Liebe und Bewunderung hingegeben war! Innig schmiegte sie sich an Arthur, der in der Paradeuniform der Schulenburger Dragoner heute besonders stattlich aussah und dessen jugendlich männliche Schönheit, von dem edlen Feuer der Seele gehoben, einen gewinnenden Eindruck machte. Hinter ihm stand sein Vater, ein liebenswürdiger Edelmann, höflich gegen alle Welt bis zur Uebertreibung, aber aus gutem Herzen, altersschwach, auf den Stab gestützt.

Friedrich wendete sich zum Dessauer, der seine flatternden Stirnmähnen etwas von den Schläfen zurückstrich, um seinem broncirten Gesicht einen mehr sauberen, festlichen Ausdruck zu geben. »Einer meiner tapfersten Offiziere, von Seidlitz,« sagte er vorstellend, 407 »und mein Liebling, meine falsche Nonne, Agnes von Walmoden.«

»Gott zum Gruß, wackeres Mädel! Allerliebst . . erinnert mich an mein liebes Weib, als sie noch Apothekerstochter in Dessau war, eine ganz so muntere Hexe mit solchen Blitzaugen! Ein Sakramentsmädel, hat den Pfaffen gut eingeheizt. Blitz und Schlag! Mit einer Schwadron solcher Frauenzimmer könnte man Schlachten gewinnen!«

Friedrich aber sagte zu Arthur: »Ich gratulire zum heutigen Tag – Herr Rittmeister von Seidlitz! Und auch ein Hochzeitsgeschenk hoffe ich zu machen, das Euch willkommen sein wird. He, kleiner Morgenstern!«

In vollstem Staat drängte sich der kleine Doctor durch die baumlangen Offiziere, die den Dessauer umstanden:

»Er hat mich eingeweiht in die Intriguen der Jesuiten, die einen der wichtigsten und entscheidendsten Zeugen verschwinden machten, der den Prozeß gegen die Pogarell zu Gunsten der Seidlitz entschieden hätte; Er hat die Adresse dieses Zeugen aufgeschrieben. Minister von Podewils – ich kassire das Urtheil des Breslauer Gerichts und verweise den Prozeß vor mein Kammergericht in Berlin. Ich müßte nichts verstehen von Justizsachen, wenn dies Gericht nicht dem jungen 408 Brautpaar nachträglich zu einer glänzenden Aussteuer verhelfen sollte. Auch mit Ihm, kleiner Doctor, bin ich zufrieden, ich werde dafür sorgen, daß Ihm der gute Rath dieser Stadt, der Ihm ja so wohlwollend gesinnt ist, eine lebenslängliche Pension zukommen läßt.«

Und, das Glas erhebend, fügte Friedrich hinzu:

»Der König von Preußen trinkt auf das Wohl des jungen Brautpaares!«

Ein schmetternder Tusch folgte den Worten des Monarchen und noch lange wogte der rauschende Festjubel um die Glücklichen, deren Hochzeitskerzen am hellsten brannten, als schon draußen alle Lichter der Stadt Breslau erloschen waren.

 


 

Für das Menschenleben giebt es nur einen Abschluß: den Tod! Doch wir folgen den Geschicken des Helden nur bis zu einer entscheidenden Wendung, welche einen Abschluß für seine Entwickelung bildet, und lassen dann den Vorhang fallen. Ausplaudern aber müssen wir doch noch, was über das fernere Geschick unserer Hauptgestalten die Chronik berichtet.

Nach langen Jahren kam ein Schwenckfelder zu Arthur, der inzwischen die Güter seines Vaters übernommen hatte, und brachte ihm Grüße von Emanuel, der an dem großen Strome des fernen Westens seine 409 Hütte aufgeschlagen und eine Gemeinde gegründet hatte, ein Patriarch des Urwaldes, gleich willkommen in der Hütte des Hinterwäldlers, wie in dem Wigwam des wilden Mannes, ein Prediger des Friedens, der Versöhnung. Noch hatte er sich die Frische des Lebens bewahrt, wie sie aus der Tiefe geistigen Wesens unversiegbar hervorbricht; mit Wehmuth dachte er an die Geschicke der Vergangenheit; fest im Herzen aber hielt er den Glauben an eine bessere Zukunft der Menschheit.

Pater Nikolaus blieb verschollen; man erfuhr nie, ob die preußische Militärjustiz das Todesurtheil an ihm vollzogen, ob sie ihn in den Kerker geworfen, ob er sich selbst das Leben genommen hatte.

Nach zwei Jahren erhielt Arthur die Anzeige des Ehebündnisses, welches Sigismund von Reideburg, Oberamtsassessor a. D., mit Fräulein Hedwig von Gutzmar geschlossen hatte. Das Fräulein hatte inzwischen eine große Erbschaft gemacht, und so hielt es Sigismund für angemessen, das Gänseblümchen für immer in seinen Garten zu verpflanzen. Böse Zungen behaupteten freilich, daß auch die Komödienmeisterin als üppige Centifolie in demselben fortblühe.

Hofrath Morgenstern wurde in der That ein Pensionär des Breslauer Rathes, der früher den kleinen wühlerischen Doctor am liebsten an Pranger 410 und Staupsäule gestellt und durch den Büttel hätte auspeitschen lassen.

Auch die andere Vorherverkündigung des Königs ging in Erfüllung. Das Kammergericht kassirte, auf Zeugniß des Försters Obernik, das Breslauer Urtheil und sprach der Familie der Seidlitz die Erbschaft des Grafen Reichenbach zu. Isabella hielt indeß die dem Kloster gemachte Schenkung mit Hingabe ihres eigenen früheren Vermögens und der Zuwendungen der reichen Domtanten aufrecht, welche beide noch so lange lebten, daß die Welt es müde wurde, auf ihren Tod zu warten, und dieser zuletzt eintrat, ohne daß sich irgend Jemand mehr darum bekümmerte. Was aus Tulifäntchen und Jocko geworden, darüber schweigt die Chronik.

Von der Oberin des Ursulinerklosters aber, von Isabella von Pogarell, berichtet sie, daß dieselbe von großer Frömmigkeit und Pflichttreue und unnahbarer Hoheit gewesen sei, eine der stolzesten und bedeutendsten Erscheinungen im Klosterleben Breslaus, und daß sie der Erziehung der Jugend eine besondere Fürsorge gewidmet habe. An einzelnen Tagen blieb sie allen unzugänglich; die Nonnen des Convents behaupteten, daß sie da himmlische Erscheinungen habe; doch es ist wahrscheinlicher, daß sie da den Erinnerungen ihrer Jugend eine stille Todtenfeier weihte, für die sie dann 411 die Heiligen um Vergebung bat, daß sie des schönen Jünglings gedachte, dem einst ihr Herz gehört hatte, und des feurigen Priesters, dem sie Leib und Seele in den Verzückungen sündiger Andacht hingegeben hatte.

Agnes und Arthur lebten glücklich in jener reizenden Hügellandschaft, welche sich zu den Füßen des waldbedeckten Eulengebirges erstreckt, geliebt und geachtet von allen, hoch und niedrig. Noch mehrfach hatte Agnes schwere Monate der Angst zu überstehen, denn nochmals in diesem und in einem zweiten Kriege kämpfte Arthur für König Friedrich. Dann aber lebte er ganz der Natur, seinem reizenden Weibe, den Kindern, welche diese Ehe beglückten, und der Sorge für seine Güter und die ihm anvertrauten Unterthanen, in Zeiten der Noth und Armuth freigebig und gütig, ein Schüler jenes Evangeliums der Menschlichkeit, dessen Prediger im fernen Urwald weilte. Wo aber in den Kreisen der Gutsnachbarn mit dem ganzen Zauber einer unverwüstlichen Jugend und Schönheit Agnes erschien, da ging es von ihr aus wie ein geistiges Leuchten oder eine Flamme der Begeisterung; denn sie blieb durch allen Wechsel der Geschicke eine treue Anhängerin des großen Königs und Niemand wagte ihn anzugreifen, wenn sie zugegen war, nicht aus Furcht vor der Schärfe der Entgegnung, sondern aus Scheu, ein so liebenswürdiges 412 Wesen zu kränken. Keine der Frauen und Mädchen der Umgegend beneidete sie um ihren Geist und ihre Reize, und wenn wir dies Unglaubliche berichten, so verkünden wir damit zugleich das glänzendste Lob, das einer hervorragenden Frau gezollt werden kann; denn es beweist, daß noch größer als alle ihre anderen Vorzüge ihre Bescheidenheit und Herzensgüte sind. Die Armen aber segneten die anmuthige Gutsherrin, die stets an ihren Krankenbetten helfend erschien, sich in die kleinen Freuden des Volkes mit ungesuchter Hingebung mischte, für jeden Namen eine Erinnerung, für jede Noth eine Gabe, für jedes Leid eine Thräne hatte.

Und so lebten die glücklich Vermählten im Banne des schwarzen Adlers, der einst den Jüngling unlösbar gefesselt und der das schöne Schlesierland zu seinem Gedeihen und Ruhm für alle Zukunft an das Geschick des glorreich aufstrebenden Preußens knüpfte.

 


 


 << zurück