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Marsch- und Geestbauer.

Von K. v. d. Eider.

Herr – Lehnsmann!« schallte es über den Hofplatz des Lehnsmanns Kätels zu Olderswort und noch einmal in langgezogenem Tone: »Herr Lehnsmann!«

Eine dicke Magd in kurzgeschürztem Rock stand in der Hoftür; sie hielt den bloßen Arm über die Stirn und schaute blinzelnd nach ihrem Herrn aus.

Da kam er die Trift herauf, ein Hüne von Gestalt, groß, breitschulterig, mit einem Ansatz von Leibesfülle. Er beeilte sich nicht sonderlich, mit großen, langsamen Schritten kam er näher.

»Herr Lehnsmann, da ist einer, der Sie sprechen will!« rief Stina ihm auf gut plattdeutsch entgegen.

Der Lehnsmann tat im Näherkommen noch einen ordentlichen Zug aus seiner kurzen Pfeife. »Wer ist da?« fragte er.

»Einer von der Geest. Herr Lehnsmann hat schon ein paar Bullen und Jungvieh von ihm gekriegt. Ich glaube, er heißt Schwart oder auch Witt.«

»Gröhn,« sagte der Lehnsmann. Ein Lächeln flog über das gebräunte, nicht unintelligente Gesicht des Ortsvorstehers.

»Ja, Gröhn, Klas Gröhn aus Wisch.«

»Wo ist er? Auf der Diele?«

»Nein, uns' Herr, die Vordiele wurde gerade geschrubbt; es ist doch Sonnabend heute.«

»Na, und –?«

»Ja, in der Wohnstube war gerade uns' Frau bei zu ölen; da haben wir ihn in die beste Stube genötigt. Ich wußte nicht, wo ich anders mit ihm hinsollte.«

»Deern, du bist wohl närrisch! Meinst du, ich halte mir die beste Stube für die Geestbauern? Konntest ihn ja mitnehmen in den Stall; er konnte sich ja was mit den Ochsen erzählen.«

»Das wollte ich auch zuerst; aber er hatte einen feinen, schwarzen Rock an und gewichste Stiefel.«

»Das ist einerlei, ein Geestbauer bleibt ein Geestbauer, und wenn er Lackstiefel anhätte.« Mit diesen Worten schob Lehnsmann Kätels sich an der Magd vorbei zur Tür hinein.

In der besten Stube, der Staatsstube des friesischen Bauern, sah es nicht sehr behaglich aus. Sie war ungeheizt und jedenfalls lange nicht gelüftet. Die roten Ripsmöbel trugen bunte Kattunüberzüge, die Rouleaus waren heruntergelassen, und in einer Ecke des Zimmers waren die Winteräpfel aufgeschüttet und verbreiteten einen säuerlichen Modergeruch.

Die Ungemütlichkeit des Zimmers schien sich auch dem Gaste mitgeteilt zu haben. Der kleine, dicke Mann mit dem roten Bulldoggengesicht saß unruhig auf einem der ungastlichen Stühle und drehte die Daumenmühle abwechselnd nach rechts und links. Sein eigener Rock schien ihn zu beengen. Daheim auf seinem Hofe ging er meistens in Hemdsärmeln, und er hatte die Gewohnheit, wenn er sprach, die Daumen in die Ärmellöcher der Weste zu stecken; so fühlte er sich als Herr.

Das ging hier nicht an. Er hatte den schwarzen Rock an, einen Rock, der mindestens zwölf Jahre alt war, und der nicht wie sein Besitzer mit den Jahren an Breite zugenommen hatte. So saß Klas Gröhn denn in etwas steifer Haltung auf seinem Stuhl und besah seine großen, arbeitsrauhen Hände und räusperte sich vor Ungeduld.

»Bleiben Sie sitzen, Gröhn, bleiben Sie sitzen!«

Geräuschvoll wie immer trat der Lehnsmann ein und zwang mit einer Handbewegung den anderen in seine alte Stellung zurück.

»Man immer sitzen bleiben. In die Wohnstube dürfen wir nicht hinein, da gehen die Frauensleute zu kehr, schrubben und ölen und Gott weiß, was. Ja, wenn die Frauensleute das Reinmachen in den Kopf kriegen! Stopfen Sie sich die Pfeife, Gröhn, es ist ein echter schwarzer G, Gebrüder Kramer. Was? Sie haben die Pfeife zu Hause gelassen? Na, denn einen lüttjen Köm. Sti–na, die Flasche!«

»Machen Sie sich doch keine Umstände, Herr Lehnsmann.«

»Ach was, Umstände! Was gibt es Neues in der Wisch? Was macht das Viehzeug?«

»Alles gut zuwege, Herr Lehnsmann – wenn Sie mal wieder einen Bullen brauchen –«

»Ne, ne, lieber Gröhn, kein Mangel, kein Mangel. Frauensleute brauchen wir, deftige Frauensleute.« Er schlug sich auf die Knie, daß es klatschte und lachte geräuschvoll über den selbstgemachten Witz. Erst als der andere ihn verdutzt ansah, merkte er, daß er nicht verstanden worden war. Er klopfte ihn auf die Schulter und fügte gewissermaßen erklärend hinzu: »Wenn Sie mal ein paar trächtige Milchkühe haben, die könnte ich gebrauchen, aber keine englischen, keine englischen! Die sind nur fürs Auge. Was tue ich mit der Schönheit! Hab' ich recht, Klas Gröhn?«

Klas Gröhn nickte nur; er war offenbar nicht ganz bei der Sache. Endlich nahm er den Griff seines Handstockes, den er zwischen den Knien hielt, aus dem Munde und fragte ganz unvermittelt: »Nächstens haben Sie hier Pastorenwahl?«

»Jawohl, jawohl.« Der Lehnsmann nickte eifrig. »Was wir da für einen Kerl kriegen, soll mich verlangen. Wir gehen freilich nur in den Festtagen mal zur Kirche; wir Bauern können ja nicht deswegen alle Sonntage anspannen. Aber wenn ich dann mal in die Kirche gehe, dann will ich auch einen ordentlichen Mann vor mir auf der Kanzel sehen, keinen Waschlappen.«

»Ich verstehe, so einen wie den Pastor Hinrichs; der war wohl sehr beliebt?«

»Beliebt? Ja, das weiß ich nicht. Für gewöhnlich kam man ja nicht mit ihm zusammen. Aber er war ein guter Pastor, alles, was recht ist. Wenn der auf der Kanzel stand, dann stand er über einem. Und im gewöhnlichen Leben war er bescheiden wie ein Kind. So einen bekommen wir schwerlich wieder. Bloß von der Landwirtschaft verstand er nichts, rein gar nichts.«

»Das wäre!«

»Ja – er ist ja nun tot, und es ist auch gewiß nichts Schlechtes, was ich von ihm rede; aber wahr ist's: auf der Kanzel war er ein Mann, jedoch für die Welt – nicht zu brauchen, nicht zu brauchen!«

»Das wäre!«

»Ja, ja. Und die Frau Pastor, sie ist ja nun schon alt und grau, aber nicht plietscher als ein dreijähriges Kind. Manche Leute sind förmlich darauf ausgegangen, sie anzuschmieren. Erst neulich kam der Husumer Schlachter hier vorbei; das war, als der alte Pastor noch lebte. Er brachte uns einen Mörbraten; den esse ich ganz gern mal, wissen Sie, nicht zu rot gebraten, aber so recht saftig. Na, um kurz zu erzählen, ich sage zu Henn Alsen: ›Was hat Er denn da für ein Stück Fleisch in dem Wagen? Da steckt ja der Kinderkopfsknochen drin, und aussehen tut es, als war' es von einem Franzosen.‹ – ›Ja,‹ sagt Henn, ›das kriegt die Frau Pastor. Da kann ich gern das schlechteste Stück von einem Biest anbringen, das nächstemal sagt sie doch: ›Ach, Alsen, ein prachtvolles Stück Fleisch war es, unsere alten Zähne wollen nur nicht recht mehr.‹ – So ging es überall, für den Pastor war das Schlechteste immer noch gut.«

»Khm, khm, ja, was ich sagen wollte.« Klas Gröhn räusperte sich, er suchte nach einem Übergang zu dem, was er sagen wollte.

Der Lehnsmann kam ihm zuvor. Er war gerade in bester Redelaune und froh, daß er einen Zuhörer gefunden hatte; er ließ sich das Wort nicht so leicht nehmen. »Ich will Ihnen doch mal erzählen, was mir passiert ist mit unserem alten Pastor. Es sind ja schon viele Jahre her, aber mir ist gerade so, als wär' es erst heute oder gestern passiert. Es war, als unser Jüngster getauft werden sollte, der nachher am Rachenkrupp gestorben ist – jetzt hat man ja ein neues Mittel dagegen –, na, kurz zu erzählen – ich hole also unseren Pastor Hinrichs zur Taufe. Die Frau Pastor war ja auch mit eingeladen; aber sie kam nicht mit, sie war nicht dafür. Also, es war gerade im Frühjahr, und die beiden Braunen waren ein bißchen briemsch. Sie kennen sie ja; ein paar echte Dänen. Na, ich glaube, der Hafer steckte ihnen noch in den Knochen. Ich denke bei mir: Wenn es man gut geht! Denn als ich hinfuhr, hatte ich Last, sie zu halten. Wir fahren also ab. Ich sitze auf dem Bock, vor mir unters Leder habe ich das Taufgeschirr und den Somari, und hinter mir auf dem Stuhle sitzt mein Pastor und hat die Hände über den Bauch gefaltet – er war so recht behäbig – und macht ein recht vergnügtes Gesicht. Es ging ja alles gut, bis wir zum Dorfe hinaus waren. Da langen die Pferde wahrhaftig an, löpsch zu laufen. Mit einem Male gehen sie mir durch die Wicken, da gab es kein Halten und Möten. Na, das hoppte nicht schlecht, man fiel bald auf die rechte, bald auf die linke Seite, bald an die Grabenkante, bald an den Chausseebock. Jeden Augenblick denke ich: Na, nun kippt die Kiejohle um, und wir liegen im Graben. Mit aller Macht halte ich noch die Zügel – ich habe Kraft, das können Sie mir glauben. – Da, als wir näher an den Hof 'rankommen, an unsere Trift, da werden sie sachter, und ich kriege die Biester wieder in die Macht. Da drehe ich mich denn nach meinem Pastor um und denke, ob er wohl noch lebt, ob er wohl vor Schreck in Ohnmacht gefallen ist, weil er gar nicht schreit und lamentiert. Als ich mich umdrehe – was meinen Sie? – da sieht mich der Alte seelenvergnügt an, ist ganz kandidel, hat sich ordentlich nach hinten übergelegt und sagt: ›Da haben Sie mal flott gefahren, Lehnsmann, Sie verstehen es. Schade, daß es schon vorbei ist?‹ – Was sagen Sie dazu, Gröhn? Er hat gar nicht mal gemerkt, daß die Pferde löpsch liefen. Flott gefahren! Haha! Dazu sind wir Bauern doch viel zu sehr auf unser Pferd und Wagen bedacht, als daß wir Galopp führen, was?«

»Da haben Sie recht, Herr Lehnsmann. Ich denke, es wäre ganz gut, wenn Sie hier mal einen Pastor kriegten, was ein Bauernsohn ist.«

»Kriegen wir nicht, kriegen wir nicht, Gröhn. Wir Bauern lassen doch unsere Jungens nicht Pastor studieren.«

Klas Gröhn hüstelte verlegen. »Na ja, hier in der Marsch mag das wohl nicht in der Mode sein, aber bei uns auf der Geest studieren viele Bauernsöhne. Mein Jung' ist vergangenen Monat Pastor geworden.«

»Was, Ihr Junge ist Pastor geworden? Alle bonnör! Welcher ist es, der Älteste?«

»Nein, der kriegt doch den Hof, der andere ist es, der Detlef.«

»So, so, den haben Sie studieren lassen. Hätt' ich nicht getan, hätt' ich nicht getan. Bauer bleibt Bauer!«

»Ach Gott ja, Sie haben ja recht, Herr Lehnsmann, aber es war ja mit dem Jungen rein gar nichts anzufangen. Den ganzen lieben Tag schmökerte er in den Büchern herum, und wenn ich ihn hinausjagte und nachher dachte, er wäre beim Futtern oder Misten, dann lag er in der Bodenluke und kiekte in die blaue Luft. Er hat was von seiner Mutter. Sie wissen wohl, Herr Lehnsmann, was meine Frau ist, die ist ein bißchen schnaksch. Ich will nicht sagen, daß sie ihren Verstand nicht hat. Gott bewahre! Nein – aber ein bißchen bedenklich ist sie und ein bißchen menschenscheu. Wenn irgendein Fremder über den Hof kommt, dann läuft sie in ihre Kammer und kommt nicht eher heraus, bis er fort ist – davon hat auch der Junge etwas abgekriegt. Was soll man nun mit solchem Bengel machen? Ich wollte ihn erst Schulmeister werden lassen, weil das doch lange nicht so viel kostet; aber er ist man schmal von Brust; ich glaube, den ganzen Tag auf die unartigen Gören herumzuhauen, das hätte er auf die Dauer nicht ausgehalten. Ich sagte mir: Wenn es auch ein bißchen mehr kostet, nachher hat er doch als Pastor sein ruhiges Brot.«

Lehnsmann Kätels rückte seinen schweren Körper unruhig auf dem Stuhle hin und her, nickte mit dem Kopfe und tat hastige Züge aus der kurzen Pfeife. Er, der Vielredende, der überall das große Wort führte, war nicht gewohnt, so lange zuzuhören. Er schüttelte den Kopf, »Hätt' ich nicht getan. Warum ließen Sie den Jungen nicht Advokat werden oder Doktor, da war er doch mehr zwischen Menschen und konnte auch mehr Geld verdienen. Geld, das ist die Hauptsache!«

»Das ist man so 'ne Sache.« Klas Gröhn kraute sich hinter den Ohren. »Vor den Advokaten habe ich bannige Manschetten. Soll ich nun nachher bange sein, wenn mein Sohn über den Hof kommt, daß er mir was ans Zeug flicken will? Ne, ne! Und Doktor, ja, das wollte der Junge ja gerade werden, mit Gewalt, mit Händen und Füßen wollte er Doktor werden. Aber was für einer? Nicht für die Krankheiten, nein, bloß für die Wissenschaften und die Titulatschon. Was meinen Sie, Herr Lehnsmann, wenn dann ich oder meine Altsche mal krank werden, dann kann er einem nicht mal ein Rezept verschreiben; dann ist er ein Doktor und doch wieder keiner. ›Ne,‹ sage ich, ›entweder ziehst du die blaue Jacke an und gehst in den Stall, oder du wirst Pastor. Punktum – streu Sand auf!‹ Da hat er denn Einsicht gehabt. Vergangenen Sonntag hat er seine Einführungspredigt als Pastor gehalten. Es war eine sehr feine Predigt; der Herr Generalsuperintendent und der Herr Propst waren auch dabei. Na, er ist ja auch hellisch klug und ist viel in der Welt herumgekommen. In Husum ist er auf die Schule gegangen, dann war er unten in Deutschland; sogar in Berlin ist er gewesen, wo der Kaiser sein Schloß hat. In Berlin –«

»In Berlin? War ich auch, lieber Gröhn, war ich auch. Vor ein paar Jahren, damals als die Mastviehausstellung war. Hab' auch 'ne Auszeichnung bekommen. Da hängt sie unter Glas und Rahmen. Ich hatte ein paar Bullen da. Ei, das waren Kerle! Unter uns, Gröhn, es ist nichts los mit Berlin. Bloß Häuser und Menschen. Was hat man davon? ›Unser Willem‹ war gar nicht da. Und das Essen – ich hab' mich die drei Tage nicht einmal satt gegessen. Sehen Sie, da auf der Kommode liegt noch das Rundstück, das ich meiner Altschen als Andenken von Berlin mitgebracht habe, damit die Frauensleute auch mal einen Begriff davon haben, wie es in der Welt hergeht. ›Knüppel‹ sagen sie in Berlin zu diesem Backwerk; nicht größer als mein Daumen ist es. Und von ein paar solcher Dinger und einem kleinen Klecks Butter soll ein gesunder Mensch satt werden, wenn er morgens aufsteht und die ganze Nacht hindurch nichts gegessen hat. Nein, da lob' ich mir ein paar Rundum Schwarzbrot mit Speck zum Kaffee. Ich bin auch in ein paar Resteratschons gegangen; ich hatte mir es in den Kopf gesetzt, ich wollte satt werden. Aber was meinen Sie, da kriegt man bloß eine oder zwei Kartoffeln zum Fleisch und dann trocken Brot in 'nem kleinen Korb. Trocken Brot zum Fleisch! Trocken Brot, so wahr ich hier sitze.«

»Ja, ja,« nickte Klas Gröhn. »Dick und fett ist mein Junge da auch nicht geworden; aber ich glaube, bei ihm setzt es nicht an. Na, nun ist er ja Gott sei Dank aus dem gröbsten; wenn er nun man erst 'ne gute Stelle hätte. Darum wollte ich den Herrn Lehnsmann bitten, ob der Herr Lehnsmann nicht ein gutes Wort für ihn einlegen könnte, daß er mit auf die Wahl kommt.«

Jetzt war es heraus. Jetzt hatte Klas Gröhn sein Anliegen vorgebracht.

Der Lehnsmann tat einen kurzen Pfiff durch die Zähne. »Ach, das ist Ihr Junge, der sich gemeldet hat, der Gröhn. Ja, es sind ja eine ganze Menge. Es ist ja auch ein schönes Pastorat; mit Landheuer, und alles in allem steht sich der Pastor beinahe auf zehntausend Mark im Jahre. Ja, wir können uns das leisten. Aber ob Ihr Sohn da ankommen wird, ist die Frage. Bei dem Kollegium habe ich es ja in der Hand. Daß er mit auf die Wahl kommt, dafür kann ich schon sorgen. Aber nachher habe ich auch bloß eine Stimme, wenn sich auch wohl manch einer danach richtet. Das beste wäre, wenn er ein paar Tage vorher bei den Bauern herumginge zu kuren; das ist hier so Mode. Dann braucht er auch hinterher keine Visiten zu machen. Die Arbeiter richten sich ja nach ihren Bauern, und wenn er gut anspricht, dann kann etwas daraus werden. Warum nicht?«

»Ja, das soll er machen, bei den Bauern herumgehen; dazu ist er nicht zu gut. Auch vielen Dank, Herr Lehnsmann.«

»Kein' Ursach', kein' Ursach'! Sagen Sie mal, hat er schon eine Frau?«

»Nein, noch nicht, aber es geht los, sobald er eine Stelle hat. Er ist versprochen mit Frau Todsen ihrer Tochter aus Husum. Die Alte hat das Papiergeschäft auf der Twiete. Sie ist 'ne ganz rare Deern und kriegt auch einen netten Groschen Geld mit. Die Alte hat was zusammengeschrapt, die hat Moses und die Propheten.«

»Aber das wundert mich doch, daß er eine Frau aus der Stadt nimmt; das ist nicht recht was fürs Land.«

»Ja, mich war das auch erst gar nicht recht, daß er 'ne Stadtdeern freien wollte. Ich sage, das ist nichts mit einer Frau, die so schrecklich gebildet ist, womit man den ganzen Tag hochdeutsch sprechen muß. Man mag doch auch mal ein Wort Platt schnacken. Das ist ja gerade, als wenn man die ganze Woche hindurch die Sonntagskledasche auf dem Leibe hätte.«

Der Lehnsmann nickte verständnisinnig. »Ganz recht, mein lieber Gröhn, ganz recht. Aber nun will ich Ihnen noch eins sagen: Wir leben hier in der Marsch, und das ist lange nicht so, als wenn Sie auf der Geest sind; das ist ein gewaltiger Unterschied. Bei Ihnen in Wisch, da ist der Pastor ein großer, mächtiger Mann. Da heißt es Herr Pastor vorn und Herr Pastor hinten und Herr Pastor von beiden Seiten. Bei uns dagegen wird der Pastor nicht mehr gerechnet als die anderen Leute. Da kommt zuerst der Bauer, und dann kommt er noch einmal, und zum drittenmal kommt er erst recht, und dann kommen erst der Pastor und die anderen an die Reihe. Wir müssen ja einen Pastor haben, der Sonntags den Dorfleuten etwas vorpredigt und Festtags auch mal vor den Bauern spricht, und der nebenbei die Kindtaufen und die Leichen besorgt und auch die Trauungen, was aber man über lang mal vorkommt. Das Dorf hat ja noch keine tausend Einwohner. Für all das kriegt er freie Wohnung, das Pastorat mit anderthalb Morgen Garten und kriegt auch sein gutes Gehalt in Landheuer; das ist doch nicht schlecht, was? Wenn er dann Zeit übrig hat, kann er sich ja mal ein bißchen um die armen Leute kümmern, wenn da mal einer krank oder stuckelig wird. Wir Bauern haben keine Zeit, daß wir uns viel um ihn bekümmern können; wir brauchen ihn auch nicht. Wenn mal Hochzeit oder Kindtaufe ist, muß man ihn ja anstandshalber nötigen und seine Frau auch, aber die braucht nicht mitzukommen, und der Pastor bleibt auch bloß bis nach dem Essen, dann lauern die jungen Leute schon darauf, daß er man geht; sie wollen doch auch ein bißchen lustig sein. Aber Umgang halten wir mit unseren Pastoren nicht, das sage ich Ihnen gleich; das ist uns zu umständlich!«

»Ist auch gar nicht nötig, Herr Lehnsmann. Was braucht ein Pastor Umgang? Der hat ja Frau und Kinder und dann seine Bücher; wenn ein Pastor man Bücher hat, dann kümmert er sich nicht um die Welt. Dis Hauptsache ist doch, daß er sein Brot hat.«

»Das hat er bei uns, das hat er hundertmal und noch Fett dazu.« Bei diesen Worten erhob sich der Lehnsmann. Er hatte auf der Diele ein verdächtiges Klirren von Messern und Gabeln vernommen, und er kannte seine Frau.

Klas Gröhn stand auch auf. »Ich kann mich also auf Ihr Wort verlassen, Herr Lehnsmann? Ich tu' Ihnen gern mal wieder einen Gefallen, und wenn ich etwas von einer guten Milchkuh höre –«

»Versteht sich, versteht sich, lieber Gröhn! Adjüs, und grüßen Sie zu Hause.«

Aus: K. v. d, Eider, Meerumschlungen. (Berlin, F. Fontane & Co.)


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