Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Der Sachsenwald.

Von Johannes Schmarje.

Das größte Waldgebiet der Nordmark ist der Sachsenwald. Dieser uralte, schöne Wald, in dem Fürst Otto v. Bismarck seinen Lebensabend zubrachte, und dessen Wipfel nun über seiner Grabstätte rauschen, bildete einst das umstrittene Grenzgebiet zwischen dem Sachsenstamme, der in Stormarn (= große Mark) seßhaft geworden war, und dem östlich wohnenden Slavenstamm der Polaben. Zahlreiche Hünengräber und Riesenbetten, die sich im Walde selbst oder an seinem Rande befinden, verleihen der Landschaft ein interessantes Gepräge. Sind sie Zeugen von Fehden, die hier einst um den Besitz des Grenzgebietes ausgefochten wurden? In alten Zeiten hatte der Wald unstreitig eine noch größere Ausdehnung als jetzt. Westwärts erstreckte er sich über die Bille hinaus und ostwärts bis an die Delvenau, weshalb die Slaven ihn Delvundez, d. i. Delvenau-Wald, nannten. Seine jetzige Gestalt erhielt er indessen wahrscheinlich schon in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Sie gleicht einem mit der Spitze nach Norden gerichteten Dreieck, dessen nordwestliche Seite von der Bille und dessen nordöstliche von einer Linie gebildet wird, die sich an den Gemarken der Dörfer Kuddewörde, Kasseburg, Möhnsen und Schwarzenbek entlang zieht. Als Grundlinie mag die ostwestlich verlaufende Chaussee Bergedorf-Schwarzenbek angesehen werden. Sie wird allerdings nur von den Ausläufern des Sachsenwaldes berührt. Der eigentliche Sachsenwald bedeckt eine Gesamtfläche von 6175 ha mit einem Umfang von reichlich 40 km. Der Wald wird von Chausseen und zahlreichen Wegen durchschnitten. Von Osten nach Westen durchfließt ihn die Au, die sich bei Aumühle in die Bille ergießt. Das anmutige Tal dieses Bächleins begleitet die Berlin-Hamburger Eisenbahn, die den Wald durchquert.

Seit 1228 gehört der Sachsenwald zu Lauenburg. Die Herzoge blieben freilich nicht immer im ungestörten Genuß ihres Besitzes; denn die Hansestädte Hamburg und Lübeck erhoben Ansprüche auf einen Teil des wertvollen Waldes. Erst als nach dem Tode des Herzogs Julius Franz, des letzten Askaniers, Lauenburg an Braunschweig und darauf an Hannover fiel, mußten die Hansestädte ihre Ansprüche auf den Wald notgedrungen aufgeben. Den Waldbauern wurden von den landesherrlichen Besitzern dagegen die weitgehendsten Gerechtsame eingeräumt. Sie hatten z. B. freie Weide für ihr Vieh und die Nutzung des Weichholzes (dazu gehörten alle Bäume außer Eichen und Buchen) zum Meilerbetrieb. Diese Gerechtsame, die zu einer Waldverwüstung führen mußten, wurden später abgelöst und aufgehoben. In früheren Zeiten wurde der Sachsenwald auch zur Schweinemast benutzt. Im Spätherbst tummelten sich oft Tausende der Rüsselträger in den Waldgründen, um sich an der Eicheln- und Buchenmast zu feisten. Die Mast wurde an den Meistbietenden verpachtet. Selbst die Hamburger hatten das Recht, ihre Schweine in den Wald zu treiben. Als ihnen dieses Recht bestritten wurde, entstand der sog. Schweinekrieg. Von jeher ist der Sachsenwald wegen seines Wildreichtums berühmt gewesen. Noch jetzt soll ein Bestand von über 1000 Edelhirschen vorhanden sein. An jagdbaren Tieren birgt der Wald außerdem zahlreiche Rehe, Hasen und hin und wieder auch Dachse. Der frühere große Bestand an Schwarzwild ist dagegen sehr zusammengeschmolzen. In dem eingehegten Brunstorfer Revier werden etwa noch 100-150 Wildschweine gehalten. Der reiche Wildstand wurde den anliegenden Dorfgemeinden oft sehr lästig; kein Wunder, daß die Wilddieberei in Blüte stand. In den 30er Jahren des 18. Jahrhunderts wußte man viel von den kühnen Taten des Wilderers Eidig zu erzählen, dem von den Waldbauern in jeder Weise Vorschub geleistet wurde, und um dessen Haupt sich ein ganzer Sagenkreis wob.

Der vorherrschende Baum des Sachsenwaldes ist die Buche, die hier allerdings nicht die stattliche Höhe und Schönheit ihrer Schwester auf dem fruchtbaren Boden des Ostens erreicht. Auf lehmigem Boden sind schöne Eichenbestände, auf sandigem Boden herrscht Nadelholz vor, und in den sumpfigen Niederungen des Sachsenwaldes gedeihen Erlen, Birken und Sahlweiden. Durch Fürst Bismarck wurde eine planmäßige Forstwirtschaft eingeführt. Zur Verwertung der Walderzeugnisse legte er in Friedrichsruh eine große Sägerei an, in der Faßdauben, Pflasterklötze, Gruben- und Parketthölzer sowie Bohlen und Balken hergestellt werden.

1871 fiel das im Amte Schwarzenbek belegene lauenburgische Domanium als freies, unbeschränktes Eigentum an Kaiser Wilhelm I. Am 24. Juni desselben Jahres überwies der Kaiser seine Herrschaft Schwarzenbek, deren Hauptbestandteil eben der Sachsenwald ist, dem Fürsten Bismarck »in Anerkennung seiner großen Verdienste um das Vaterland als eine Dotation zum Eigentum«. Im Jahre 1763 ließ ein Graf Friedrich zur Lippe, der die Jagd des Sachsenwaldes gepachtet hatte, ein Jagdhaus an der Au erbauen, das er Friedrichsruh nannte. Nach dem Abbruch dieses Hauses wurden dort drei Wirtshäuser erbaut; das schönste derselben hieß Fraskati, im Volksmund: Freßkate. Dieses ließ Fürst Bismarck zu einem Herrenhause ausbauen, und hier verbrachte der Reichskanzler nach seinem Austritt aus dem Staatsdienste seinen Lebensabend. Friedrichsruh aber wurde zu einem Wallfahrtsort, der jährlich von Tausenden besucht wurde, die das Bedürfnis fühlten, dem großen Manne ihre Verehrung und Dankbarkeit zu bezeugen. An der Südseite der Bahn, dem Herrenhause schräg gegenüber liegt das Mausoleum, in dem er mit seiner Gattin beigesetzt ist.

Aus: Johannes Schmarje, Die Provinz Schleswig-Holstein.
»Landeskunde Preußens« Heft 5. (Stuttgart, W. Spemann.)


 << zurück weiter >>