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Der Donn.

Von Klaus Harms.

Nach Mai 1784 zogen meine Eltern nach St. Michaelis Donn, eine kleine Meile von Fahrstedt entfernt. Ich saß bei unserer Einfahrt in dieses Dorf auf einem Koffer, freute mich, aber mit Bangen über die große Zahl der Knaben beieinander: »wenn es mir nur gut ginge unter ihnen«, und über die hohen Berge, die ich nun ganz von nahem sah und nächsten Tages besteigen wollte. Hier will mein St. Michaelis Donn etwas beschrieben werden und der hohe lange Berg daneben.

Der St. Michaelis Donn ist nämlich eine Sandstrecke zwischen Marsch und Geest, unterhalb einer meilenlangen Anhöhe, deren Fuß, der Donn und andere Distrikte, die ebenfalls Donn heißen, wie von der Anhöhe abgespülter Sand erscheint. Donn, früher geschrieben Donnen = Dünen; St. Michaelis, weil die Kirche dieses Donnes, früher und noch bis jetzt auch Rethdieker Donn genannt, dem heiligen Michael geweiht ist. An Stellen erscheint auch einige Fuß unter dem Sande hier Marsch, dort Moor, an welchen letzteren Stellen man allenfalls in der Küche Torf graben könnte. Dieser hohe Geestrücken mag ein paar Häuser hoch sein, und von dem St. Michaelis Donn, dem Kirchdorfe gegenüber, da auch eine Mühle steht, hat man eine Aussicht über eine weite Marschgegend. In späteren Jahren manchmal auf dieser Mühle stehend und in die volle, reiche, schöne Marsch hineinsehend ist mir der Spruch zugegangen: »Und zeigete ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit.« Fahr' ich fort, hier mein Naturgefühl anzugeben, indem diese Gegend nach dem gewöhnlichen Urteil zu den allertraurigsten des Landes gehört, und es manchmal für mich bedauert worden ist, daß ich in einer so schlechten Gegend aufgewachsen wäre. O, was wollt ihr doch mit eurer schönen Natur! Einmal: die größere Hälfte, der Himmel mit Sonne, Mond und Sternen, ist daselbst, wie ihr einräumt, ebenso schön wie anderswo und überall; aber dann: eine solche Aussicht, nicht in ein leeres sondern in ein volles Land, solche Äcker mit ihren Früchten, solche Weiden mit ihrem Vieh, solche Häuser und Scheunen – wo seht ihr die? Und wenn Wasser nicht fehlen darf: eben bei meinem Donn findet sich ein See, der den Knaben, der bisher nur Gräben und Fleten gesehen hatte, ein großer schien. O, welche Naturfreude habe ich an und in diesem See gehabt, und in seinem Reth (Rethdieker Donn), das ihn zur Hälfte umkränzte! Ich weiß keine Stelle, da ich reinere, tiefere Freuden dieser Art empfunden habe, und – nun kann es ja nicht mehr geschehen, ich hab' es zu lange verschoben – wie manchmal hab' ich mir vorgenommen in meinen höheren Jahren, diese Plätze noch einmal in meinem Leben zu besehen und zu betreten! – Wollet ihr Wald? Nun, Hölzungen fanden sich auch in einiger Nähe: das Holz bei Hopen, bei Frestedt und die Windberger Hese, den Namen tragend vom heidnischen Gotte Hesus. – Innerhalb dieses Donns gab es hin und wieder Sandhügel, mit Gras bewachsene, auf welchen, unter welchen, zwischen welchen man so schön spielen konnte. Und dann die Marsch dicht daran, wo man sich im Springen über die Gräben ergötzen und üben konnte!

Aus: Klaus Harms, Lebensbeschreibung.
»Bibliothek theologischer Klassiker« Bd. 7. (Gotha. F. A. Perthes.)


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