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Abel, der Brudermörder.

Von Aug. Sach.

Als Waldemar II gestorben war (28. März 1241), erhob sich zwischen seinen Söhnen, dem Könige Erich und dem Herzog Abel von Südjütland, ein Streit, der lange Jahre ihre Länder verheerte. Denn Abel, den der Graf Adolf zum Vormund seiner jungen Söhne eingesetzt hatte, wollte seinem Bruder keine Hilfe gegen seine Schwäger leisten und ihm überhaupt keine Dienste schuldig sein. Aber Erich zwang ihn durch Heeresmacht, daß er ihn für sein Herzogtum als seinen Herrn anerkannte. Darauf schwuren sie einander mit starken Eiden stete Freundschaft und Brüderlichkeit, stellten Siegel und Briefe aus und gaben von jeder Seite 20 Ritter als Geiseln zur Sicherheit des Vertrages. Aber Abel schied nicht versöhnt von seinem Bruder. Auf der Residenz seiner Ahnen, der Jürgensburg zu Schleswig, wartete er auf die Stunde der Rache. Hier sammelten sich alle, die mit dem Könige unzufrieden und seinen Nachstellungen entkommen waren. Die erbittertsten Feinde Erichs umgaben den Herzog und waren seine nächsten Getreuen. Plötzlich lief die Nachricht ein, daß Graf Johann mit großer Heeresmacht von Holsten vor Rendsburg stehe, das der König trotz des früheren Vertrages noch immer besetzt hielt. Erich eilte zum Entsatze des wichtigen Platzes herbei und gedachte auf dem Wege eine Zeitlang bei seinem Bruder zu verweilen.

Es war am 7. August 1250, als der König mit wenig Begleitern in Schleswig einzog und von Abel freundlich auf seiner Burg auf der Möweninsel empfangen wurde. Den Sommerabend brachten sie in einem kleinen Hause zu, das an der Brücke lag, welche die Insel mit dem Festlande verband, und vertrieben sich die Zeit bis spät in die Nacht beim Würfel- und Brettspiel. Eben war Erich in ein Spiel mit einem Ritter vertieft, als Abel plötzlich hereintrat und das Gespräch auf ihre früheren Zwistigkeiten brachte. »Gedenkst du noch der Zeiten,« schrie er, »wo du Schleswig plündertest und meine Tochter nackt und bloß ins Elend jagtest?« »Sei getrost!« erwiderte der König, »ich habe noch so viel, daß ich deiner Tochter wieder zu neuen Schuhen verhelfen kann.« Diese Worte aber reizten noch mehr den Zorn Abels; er erklärte den König für seinen Gefangenen und übergab ihn einem Ritter mit der Weisung, ihn wegzuführen, wohin er wolle. Dieser ließ ihn ergreifen, fesseln und in ein Boot bringen, das unter der nahen Brücke bereit lag. Man ruderte mitten auf die Schlei nach Osten zu. Bald aber hörte man starke Ruderschläge und laute Stimmen hinter sich. Der König selbst ward aufmerksam und wandte sich mit Fragen an seine Begleiter. Gleich darauf bemerkten sie die Umrisse eines Bootes, das sich ihnen rasch näherte. Der König erkannte in dessen Führer seinen Todfeind Lauge Gudmundson und sah sich einem sicheren Tode preisgegeben. Auf seine dringende Bitte ward ein Priester aus der Nähe von Missunde herbeigeholt, dem er dann mit angsterfülltem Herzen beichtete. Darauf erschlug ihn Gudmundson mit eigener Hand und ließ den Leichnam mit Ketten beschwert in die Schlei senken. Bald aber fanden Fischer die Leiche und begruben sie. Doch als Abel dies erfuhr, ließ er sie wieder ausgraben und endlich feierlich im Dome zu Schleswig beisetzen. Dann schwur er mit 24 Rittern starke Eide, daß er den Tod seines Bruders nicht befohlen habe, sondern daß des Königs Feinde ohne sein Vorwissen den Mord vollzogen hätten. Die dänischen Großen glaubten seinen Worten und wählten ihn zu ihrem Könige.

Kaum fühlte Abel sich sicher auf dem dänischen Thron, als er einen Zug gegen die Friesen vorzubereiten begann, weil sie sich weigerten, ihm Zins und Steuer zu zahlen. Er hegte aber auch einen alten Zorn gegen die trotzigen Bewohner der Utlande (Außenlande), die als sogenannte Königsfriesen ihn als Herzog nicht hatten anerkennen wollen, und gedachte, sie mit der Macht seines Reiches in einem Feldzuge zu unterwerfen.

Mit den Inseln zerfiel das Gebiet der Friesen in 13 Harden (Hundertschaften); es waren die Dreilande Eidersted, Everschop und Utholm, aus denen allmählich die jetzige Halbinsel Eidersted (Eidergestade) zusammengedeicht ist; die Fünfharden oder das vormalige Nordstrand, dessen Überreste die Inseln Nordstrand, Nordstrandisch-Moor, Pelworm und einige Halligen bilden; die drei Inselharden von Sylt, Föhr, Amrum und drei Festlandsharden, die ungefähr den jetzigen Kreis Tondern umfassen. Die Marschen, die damals noch ohne die »goldenen Ringe« starker Winterdeiche größtenteils unbedeicht oder unter Sommerdeichen lagen und von zahlreichen Meeresarmen und Wasserläufen durchschnitten leicht unter Wasser gesetzt werden konnten, waren für fremde Heere schwer zugänglich. Deshalb begann Abel mitten im Winter, als alle Gewässer und Moore fest zugefroren waren, seinen Zug und lagerte zum Schrecken der Friesen auf der Vorgeest an der Mildenburg, um über die mit Eis bedeckte Eider zu rücken. Aber die Friesen, um das Bild ihres heiligen Christian, das auf einem Wagen dahergeführt ward, geschart, zogen ihm entgegen über den Deich auf das Eis und gelobten, wenn sie den Sieg gewännen, so wollten sie den heiligen Christian mit dem allerbesten Golde beschlagen lassen. Und es geschah, wie ihre alte Chronik erzählt, daß Gott den Friesen Gnade gab und plötzlich so starker Regen vom Himmel fiel, daß sie kaum ihren Heiligen von dem berstenden Eise retten konnten. Während so die Friesen in großen Ehren nach Hause zogen, mußte Abel eiligst unter starken Verlusten seinen Rückzug antreten, um aus der gefährlichen Marsch herauszukommen. Aber schon in dem heißen, alle Marschgräben austrocknenden Sommer stand er wieder mit großer Macht an der Mildenburg, wo Schiffe bereit lagen, das Heer die Eider hinunterzufahren. Südlich von Oldenswort schlug er sein Lager auf und verheerte und brandschatzte alles umliegende Land. Die Not der Außenlande rief die Stammesgenossen auf ihrer alten Thingstätte, am Bauermannswege, zusammen, wo sie alle aus einem Munde riefen, daß der große Kaiser Karl ihre Voreltern durch seine kaiserliche Macht freigegeben habe, und ehe sie König Abel huldigen oder Schatz und Zins zahlen wollten, wollten sie alle darum sterben oder König Abel sollte sterben. Darauf richtete jede Harde ihr Banner auf und um 7 Fahnen geschart zogen sie dem königlichen Lager zu. Eben begann es zu tagen, und der König war im Begriff, sich zurückzuziehen, als die Friesen vor seinem Lager erschienen. Mit Zurücklassung aller Beute und in der größten Unordnung wich Abel rasch mit dem Heere zurück, um sich auf seinen Fahrzeugen einzuschiffen. Aber eben war die Zeit der niedrigsten Ebbe, und die Schiffe saßen auf dem Grunde. Da eilte der König weiter auf dem Deiche vorwärts, um den Übergang über die Eider zu gewinnen. Aber schon hatten die Friesen den Milderdamm besetzt, der durch die Niederung ging, die Eidersted mit dem Festlande verband, als das Heer des Königs hier in der größten Unordnung anlangte. Das ganze Heer ward vernichtet, und ein edler, freier Friese, ein Wagenzimmermann aus Pelworm, Wessel Hummer genannt, spaltete dem flüchtigen Könige mit seiner Streitaxt das Haupt. Das geschah am 29. Juni 1252. Die Leiche des Brudermörders und die seiner Gefährten blieben auf dem Schlachtfelde unbeerdigt liegen zum Fraße für Wölfe und Raben.

Im Widerstreit mit der beglaubigten Geschichte läßt dagegen die spätere schleswigsche Volkssage Abel in einem Sumpf des Pöler Geheges nahe bei Gottorp an einer einst dem Gotte Wodan geheiligten Stätte begraben werden und ihn dann, als Vertreter des »watenden« Sturmgottes, als wilden Jäger, die Lüfte durchstürmen.

Aus: Aug. Sach, Schleswig-Holstein in geschichtlichen und geographischen Bildern. Halle a. S., Buchhandlung des Waisenhauses.


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