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Laterne! Laterne!

Von Jacob Loewenberg.

Noch einmal glänzt wie Goldgeschmeide
die Flut des Stromes leuchtend auf,
da steigt in leichtem Nebelkleide
der Sommerabend still herauf.
Und wie er durch die Gassen schreitet,
aufatmend jede Brust sich weitet.
Es ist, als kläng' ein Friedenswort,
und Lärm und Unrast fliehen fort.

Da kommt's aus Tür und Tor gesprungen,
und ordnet sich in langer Reih,
ein Zug von Mädchen und von Jungen,
ein Käsehoch ist auch dabei.
Wie sie die Köpfchen drehn und wenden,
die Stocklaterne hoch in Händen!
Dann zieht's mit feierlichem Sang
die Straße langsam stolz entlang:
»Laterne! Laterne!
Sonne, Mond und Sterne!
Meine Laterne brennt so schön!
Morgen wollen wir wieder gehn.«

Die Sonne, tief schon in den Fluten,
hört lächelnd noch der Kinder Reih'n:
»Sie kommen schon, ich muß mich sputen«,
und zieht die letzten Strahlen ein.
Der Mond springt hinter Wolkenhaufen:
»Ich will doch heimlich mit euch laufen.«
Ein Stern nur blinzelt ohne Ruh,
dann hält er sich die Augen zu.
»Laterne! Laterne!
Sonne, Mond und Sterne!
Meine Laterne brennt so schön!
Morgen wollen wir wieder gehn.«

Ich schau vom Straßentor alleine
dem Zuge nach mit trübem Sinn;
mir ist's, als zög' in hellem Scheine
dort meine eigne Kindheit hin.
Und mit ihr Traum und Frieden gehen. –
Des Lebens goldne Fäden wehen
leuchtend weiter in schnellem Flug:
Mein Kind, mein Kind singt mit im Zug:
»Laterne! Laterne!
Sonne, Mond und Sterne!
Meine Laterne brennt so schön!
Morgen wollen wir wieder gehn.«

Aus: Jacob Loewenberg, Neue Gedichte.
(Hamburg, M. Glogau jr.)


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