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62. Autofahrt von Akureyri nach Reykjavik mit den Kindern des Ministerpräsidenten. Nächtliches Abenteuer. – Abschied von der Feuerinsel.

Wir waren schon über einen Monat in Akureyri und mußten jetzt daran denken, das schöne und für mich so erinnerungsreiche Nordland zu verlassen und die Rückreise nach Reykjavik und von dort nach dem Festlande ins Werk zu setzen.

Während ich gerade am Überlegen war, wie unsere Reise nach Reykjavik am besten einzurichten wäre, kam der Herr Ministerpräsident Tryggvi Thorhallsson, der immer noch in Akureyri weilte, zu mir und sagte:

»Ich höre, daß Sie daran sind, nach Reykjavik zurückzufahren.«

»Ja, Herr Ministerpräsident, ich bin eben mit dem Reiseplan beschäftigt.«

»Dann erlauben Sie mir, Ihnen einen Vorschlag zu machen. Nach ein paar Tagen schicke ich meine beiden Kinder in meinem Auto nach Reykjavik zurück. Der Herr Regierungsvertreter Pall Pálmason fährt mit. Da das Auto groß ist, hat es Platz genug auch für Sie und Ihren Gefährten. Ich lade Sie also ein, mitzufahren, wenn es Ihnen angenehm ist.«

»Das würde uns beiden außerordentlich angenehm sein.«

»Nun, dann ist die Sache abgemacht.«

Ich dankte dem Herrn Ministerpräsidenten herzlich für dieses Anerbieten, das eine höchst angenehme Lösung der Reisefrage brachte.

Die beiden Kinder des Ministerpräsidenten waren mir wohlbekannt. Es war der dreizehnjährige Thorhall und seine etwa vierzehnjährige Schwester Valgerd, zwei liebe, verständige, frisch-fröhliche Kinder.

Auch den Herrn Regierungsvertreter Páll Palmason kannte ich. Er war ein sehr vornehmer, liebenswürdiger Herr.

 

Die letzten paar Tage vergingen mit Abschiednehmen; ich ließ ja so viele liebe Freunde zurück.

Als alles bereit war, fuhren wir am frühen Morgen aus dem lieblichen Städtchen Akureyri hinaus. Mir war das Herz schwer, und auch für Viktor war das Scheiden nicht leicht.

Wie verschieden war diese Reise von derjenigen im Flugzeug! Damals drei Stunden nur, jetzt volle drei Tage.

Vom Auto aus konnten wir die wunderbaren Naturschönheiten des Landes eingehender betrachten und auf uns wirken lassen.

Wir waren übrigens zu Anfang der Reise nicht allein: ein zweites Auto, mit Reisenden voll besetzt, folgte unserer Spur, weil der Chauffeur die Wege nicht so gut kannte wie der unsrige. Doch jenes konnte mit unserem schnellen Wagen nicht Schritt halten; und so war es nach einem halben Tage aus unserem Gesichtskreis verschwunden.

Den ganzen Vormittag fuhren wir rasch dahin. Die Stöße und Erschütterungen des Wagens machten aber die zwei Kinder krank. Wir nannten das Übel »Seekrankheit«, denn es war genau dieselbe Krankheit, die man bei starkem Wellengang auf den Schiffen bekommt. Die wohlerzogenen Kinder waren sehr geduldig und klagten nicht ein einziges Mal. Nur baten sie ab und zu den Chauffeur, einen kurzen Halt zu machen. Dann sprangen sie aus dem Wagen, entfernten sich ein wenig und kamen nach kurzer Zeit erleichtert zurück.

Ich hatte Mitleid mit ihnen und sann auf Abhilfe. Es kam mir ein guter Gedanke.

Ich hatte ein Schächtelchen mit den bekannten Wyberttabletten in der Tasche, die man hauptsächlich gegen Husten und Heiserkeit mit gutem Erfolg gebraucht. Warum sollten sie nicht auch einmal gegen die »Seekrankheit« gut sein? Besonders, wenn man einen starken Glauben an ihre Wirksamkeit hat.

Ich nahm das Schächtelchen aus der Tasche und sagte zu den Kindern: »Ihr werdet unverzüglich geheilt werden, wenn ihr ein paar solcher Würfel nehmet. Nur dürft ihr nicht ungläubig sein, sondern müßt fest an die Wirksamkeit des Heilmittels glauben.«

Sofort nahm jedes Kind ein paar Tabletten in den Mund, und von der Stunde an waren sie vollständig geheilt.

Wie war ich doch glücklich, daß es mir gelungen war, die guten Kinder durch diese unschuldige Suggestion von ihrem Übel zu befreien!

Auch diese Reise gestaltete sich wieder reizvoll wegen der Naturschönheiten der Gegenden, durch die wir fuhren. Fortwährend hohe Berge, tiefe fruchtbare Täler, große Flüsse und kleine Bergbäche, dann weit ausgedehnte Wiesen und Weiden, wo kräftige Rinder, Pferde und Schafherden grasten.

So verging der Vormittag. Ab und zu stiegen wir aus, um uns irgend einen Bauernhof kurz anzusehen.

An einem dieser Bauernhöfe wollten wir versuchen, ein kleines Mittagessen zu bekommen oder wenigstens Milch. Als wir aber hinkamen, war kein Mensch zu sehen. Wir klopften kräftig an der Türe.

Gleich kam ein Büblein von sechs oder sieben Jahren heraus. Der Kleine machte verwunderte Augen, als er die Reisegesellschaft vor sich sah, sagte aber nichts.

»Willst du deinen Vater oder deine Mutter holen?« bat ihn der Chauffeur.

Der Kleine schüttelte den Kopf.

»Warum willst du das nicht?« fragten wir.

»Sie sind dort draußen«, sagte er, indem er mit der Hand in die Ferne zeigte.

»Sie sind am Heuen«, sagte uns Viggo (das war der Name unseres Chauffeurs).

Er wandte sich wieder an das Kind: »Willst du nicht einen Erwachsenen holen?«

»Es ist niemand da. Alle sind am Heuen.«

»Wie? Alle fort! Wer hütet denn den Hof?«

»Ich«, sagte der sechsjährige Kleine selbstbewußt.

Da war nichts zu machen. Wir mußten weiter. Der kleine Hausherr war zu jung, um uns selber etwas auftischen zu können.

Viggo sagte: »Um 6 Uhr werden wir die kleine Stadt Blönduós erreichen. Dort werden wir ein gutes Essen bekommen.«

Wir stiegen also wieder ein und fuhren in schnellem Tempo unseres Weges weiter. Wir waren alle ziemlich hungrig, denn 12 Uhr war lange vorbei.

Ich bewunderte die Wohlerzogenheit und Feinfühligkeit der beiden Kinder des Ministerpräsidenten. Sie hatten eine Menge kleiner Eßwaren bei sich: Schokolade, Pralinen, Gebäck, alles von vorzüglicher Güte. Die guten Kinder ließen nicht nach, im Laufe des Nachmittags den Mitreisenden von ihrem Vorrat anzubieten. Sie saßen gerade hinter mir. Öfters wurde mir sanft auf die Schulter geklopft. Das war der kleine Thorhall oder seine Schwester Valgerd, die mir eine Apfelsine, Pralinen oder ähnliche Dinge reichten.

Als ich ihnen einmal sagte: »Aber, liebe Kinder, ihr müßt das für euch behalten«, erwiderten sie: »Nein, Mutter sagte, wir sollten auch den andern davon geben.«

So konnten wir denn durch die Freundlichkeit der beiden Kinder unsern Hunger bis 6 Uhr nachmittags hinhalten.

Zu dieser Zeit hielten wir tatsächlich in dem kleinen Hafenstädtchen Blönduós. Hier bekamen wir ein ausgezeichnetes Essen und ruhten dann aus bis 8 Uhr abends.

Als wir dann um 8 Uhr abfuhren, sagte Viggo: »Wenn wir jetzt so schnell wie möglich fahren«, hoffe ich, »daß wir etwas vor Mitternacht, vielleicht sogar schon um 11 Uhr, den Hof Graenamýri erreichen. Dort werden wir zu Nacht speisen und wohl auch übernachten können.«

Wir freuten uns über den guten Reiseplan. Es sollte aber ganz anders kommen …

Unser Auto sauste jetzt wie der Wind dahin auf ausgezeichneten neuen Autostraßen. Doch infolge der großen Geschwindigkeit wurden zuweilen von der Straße durch die wie rasend kreisenden Räder gegen den metallenen Benzinbehälter Steine geschleudert. Wir hörten von Zeit zu Zeit den scharfen Knall der aufschlagenden Stücke, schenkten dem aber keine weitere Bedeutung.

Um ½11 Uhr nachts kamen wir nach dem Golf Hrútafjördur. Der ganze Himmel war mit dichten Wolken bedeckt. Infolgedessen war es sehr dunkel geworden.

Die guten Autowege hörten jetzt auf. Wir mußten fernerhin auf sehr schlechten, holperigen Wegen fahren. Zunächst war der Abhang einer Bergkette zu erklimmen, dann mußten wir in ziemlicher Höhe der Flanke der Bergkette entlangfahren. Rechts, tief unter uns, lag das Meer, links aber stiegen die Berge hoch empor.

Es ging eine Zeit lang äußerst langsam vorwärts. Bald fuhr das Auto in eine Bergschlucht hinunter, überquerte dann einen Bergbach, fuhr wieder den Hang hinauf – und das alles im Finstern. Dabei war der Weg so uneben, daß der Wagen oft in ein Loch geriet und eine Weile stecken blieb. Doch immer gelang es Viggo, ihn wieder herauszubekommen.

Noch unheimlicher für uns waren aber die Schwankungen nach den Seiten. Oft neigte sich das Auto so stark nach einer Seite, daß es uns wie ein Wunder erschien, daß es nicht vollständig umfiel. Viggo machte uns Mut und sagte, er habe schon öfters Schlimmeres erlebt.

»Es würde aber doch nicht angenehm sein«, meinte der Herr Regierungsvertreter, »wenn wir in dieser Finsternis plötzlich ins Meer hinunterstürzten.«

Oft meinten wir nämlich am Rand eines steilen Abgrundes zu sein und konnten in der Tiefe die Brandung der Meeresfluten deutlich hören.

»Nichts zu fürchten. Es geht alles gut!« tröstete uns der mutige und außerordentlich geschickte Viggo.

Wir fuhren aufs neue in ein scharf eingeschnittenes Tälchen hinunter und darauf in das Bett eines reißenden Bergbachs. Das Wasser spritzte durch das halbgeöffnete Fenster in den Wagen herein. Es gelang, über den Bach hinüberzukommen.

Als wir aber an der andern Talwand hinansteigen wollten, blieb plötzlich das Auto stecken. Auch das Licht ging aus.

Alle Anstrengungen des tüchtigen Führers waren umsonst. Das Auto stand und rührte sich nicht mehr.

Wir stiegen alle aus, und wie dunkle Schatten in der finstern Nacht umringten wir das versagende Auto und suchten den Grund dieses Stockens herauszufinden.

Viggo holte große Steine und legte sie unter die Räder, damit der Wagen nicht wieder in den Bach zurückrolle.

»Guter Gott! Was ist da anzufangen?« fragte eines der Kinder.

»Nur Geduld! Das werden wir bald heraushaben«, sagte Viggo.

Er tastete im Finstern mit den Händen den ganzen Motor ab, ohne den Grund des Unheils zu finden. Dann entfernte er mit Händen und Füßen die Steine und den Sand unter dem Benzinbehälter, um dort etwas Platz zu schaffen. Und nun legte er sich auf den Rücken und schob sich, so gut es ging, auf dem Boden unter den Wagen.

Hier tastete er an dem Behälter herum, bis er auf einmal laut rief: »Ich hab's gefunden!«

Er befreite sich aus seiner unbequemen Stellung und erklärte uns, was los war.

Wir machten lange Gesichter, denn es war schlimm genug.

»Der Benzinbehälter ist leer«, sagte er. »Als wir auf der neugebauten Straße dahinsausten, schlugen zuweilen Steine an die untere Wand. Einer hat den Schraubenzapfen beschädigt, so daß das Benzin langsam auslaufen konnte.«

»Also sitzen wir hier oben am Berge fest«, sagte ich.

»Ja, ohne Benzin kommen wir nicht einen Schritt weiter. Wir müssen uns also unbedingt welches verschaffen.«

Als Antwort entstand ein vielsagendes Schweigen.

»Herr Regierungsvertreter, kennen Sie diese Gegend?« fragte Viggo nach einer Pause.

»Nein. Es ist das erste Mal, daß ich hier bin.«

»Nun gut. Das einzige, was ich weiß«, fuhr Viggo fort, »ist, daß irgendwo vor uns ein Bauernhof liegt. Er heißt Stadur. Nur kann ich in dieser Dunkelheit nicht genau bestimmen, wie weit er entfernt ist. Es können fünf, zehn oder noch mehr Kilometer sein. Es bleibt nur das eine übrig: Ich gehe zu Fuß auf dem Weg vorwärts, bis ich den Hof finde. Ich werde dort um einen Eimer Benzin bitten und komme dann hierher zurück. Unterdessen müssen alle beim Auto bleiben und auf mich warten. Nachher wird sich das weitere von selbst ergeben.«

Er schloß das Auto zu und ging. Viktor sprang ihm nach und rief: »Sie brauchen einen Helfer. Ich gehe mit!«

Viggo nahm ihn freudig an. Beide entfernten sich und waren nach einigen Sekunden im Dunkel verschwunden.

Nun standen wir da: Herr Páll Pálmason, die zwei Kinder und ich.

»Es wird wahrscheinlich lange dauern, bis die beiden zurückkommen«, bemerkte nach einer Pause Herr Páll Pálmason. »Ich vermute aber, daß auch hier etwas höher auf dem Berg ein Bauernhof liegt. Ich will hinaufgehen und nachsehen. Ich bitte Sie, Herr Jón Svensson, nehmen Sie sich so lange der Kinder an.«

Ich versprach es, und der Herr Regierungsvertreter ging.

In einsamer, fremder Gegend und bei Nacht blieb ich mit den Kindern allein beim Auto zurück. Wir gingen plaudernd am Rande der kleinen Schlucht, wo das Auto stand, auf und ab.

Lange, lange Zeit verging – uns wenigstens kam es so vor –, und niemand von den drei andern kam zurück.

»Es ist doch merkwürdig«, sagte schließlich der kleine Thorhall, »wie lange es dauert. – Aber Viggo und Viktor müssen wohl sicher auf dem Rückweg zu uns sein. Sollten wir ihnen nicht entgegengehen?«

»Ja, das machen wir«, stimmte Valgerd zu.

Da ich nichts dagegen einzuwenden hatte, gab ich den Wünschen der Kinder nach. So machten wir uns denn alle drei auf den Weg und ließen das Auto allein. Öfters machten wir halt, horchten und versuchten die Dunkelheit mit dem Blick zu durchdringen. Aber wir hörten und sahen nichts. Keine Spur weder von Viggo noch von Viktor.

»Wir wollen einmal rufen«, sagten die Kinder.

»Hallo! Hallo!« riefen wir in die finstere Nacht hinein. Darauf horchten wir; es kam aber keine Antwort.

»Dann müssen wir eben weiter gehen«, sagte Thorhall.

Wir gingen und gingen – und riefen und riefen. Doch alles umsonst.

Endlich kamen wir an eine neue Talschlucht. Unten rauschte wieder ein kleiner Bergbach. Wir stiegen hinunter. Der Bach war breit und tief. Wir konnten ihn unmöglich durchwaten. Da nahmen wir große Steine und wälzten sie ins Wasser hinein. So konnten wir von Stein zu Stein über den Bach hinüberkommen. Dann klommen wir an der Gegenwand den Weg hinauf und schritten weiter voran. Das Rufen wurde fortgesetzt. Doch leider immer umsonst.

»Jetzt sind wir aber weit von unserem Auto weg. Sollten wir nicht zurückkehren?« sagte Valgerd schüchtern.

»Und wer weiß, vielleicht hat Herr Páll Pálmason einen Hof oben gefunden und sucht jetzt nach uns«, fügte Thorhall hinzu.

Natürlich entsprach ich den Wünschen der Kinder, und so gingen wir rasch zum Auto zurück.

Doch Herr Páll Pálmason war noch nicht da, und das Auto stand in der Einsamkeit an derselben Stelle.

Wir blieben also eine weitere gute Weile an dem Platze stehen. Unsere Lage war unheimlich. Es war schon Mitternacht vorbei. Ich gab mir Mühe, die Kinder bei guter Laune zu halten, und das gelang mir auch.

Überhaupt kann ich den guten Charakter und den Mut der beiden Kinder nicht genug loben. Als sie vorher so sehr unter der »Seekrankheit« litten, kam, wie schon gesagt, nicht die geringste Klage über ihre Lippen, auch später nicht, als sie so lange auf das Essen warten mußten. Und doch fühlen gewöhnlich gerade Kinder den Hunger viel mehr als Erwachsene. Und endlich jetzt, während des langen Wartens in finsterer Nacht, haben die beiden prächtigen Kinder nie den Mut verloren.

Zum zweiten Mal warteten wir ziemlich lange beim Wagen. Da meinten endlich die Kinder: »Sollten wir nicht noch einmal versuchen, Viggo und Viktor entgegenzugehen? Sie können doch nicht mehr so weit weg sein.«

»Gewiß«, sagte ich, »wir wollen es noch einmal probieren.«

Wir gingen also noch einmal denselben Weg, hüpften wieder von Stein zu Stein über den Bergbach, klommen dann wieder die Bergwand hinauf und drangen noch weiter vorwärts als das erste Mal. Auch die Hallorufe wurden kräftig fortgesetzt. Aber immer ohne Erfolg.

Doch plötzlich blieben wir wie auf Kommando stehen … In weiter Ferne hatten wir trotz der fast undurchdringlichen Finsternis auf einmal in der Luft ein helles Licht gesehen, und dieses Licht bewegte sich wohl fünf-, sechs- oder siebenmal von links nach rechts, von rechts nach links hin und her. Dann verschwand es …

Was konnte das sein?

Während wir stillstanden und immerfort nach vorne schauten, erschien Plötzlich das geheimnisvolle Zeichen wieder, um dann nach kurzer Zeit wie vorher zu erlöschen.

Jetzt riefen wir aus Leibeskräften ein Hallo nach dem andern. Und zu unserer unbeschreiblichen Freude hörten wir auf einmal auch von vorne her ein deutliches Rufen. Kein Zweifel, es waren unsere beiden Freunde, die zurückkamen.

Du guter Gott! Wie waren wir froh! Es war aber auch höchste Zeit.

Nun liefen wir noch weiter vorwärts, und nach kurzer Zeit kamen uns drei Männer entgegen! Viggo, Viktor und ein uns unbekannter Bauersmann. Sie trugen zwei Eimer.

Und die Lichtzeichen? Viktor hatte den guten Gedanken gehabt, Papierstreifen aus der Tasche zu nehmen und daraus eine Art Fidibusse zu machen. Diese zündete er mit Streichhölzern, die er glücklicherweise bei sich hatte, an und bewegte dann das brennende Papier in der Luft hin und her, um uns die Ankunft der Rettungsmannschaft anzuzeigen.

Es war schon gegen 1 Uhr nachts. Wir eilten zu unserem lahmen Auto zurück.

Herr Páll Pálmason war unterdessen auch von seiner nächtlichen, freilich erfolglosen Expedition zurückgekehrt.

Unser tüchtiger Chauffeur hatte mit Viktor den Bauernhof Stadur gefunden. Der gefällige Bauer füllte zwei Eimer mit Benzin und half den beiden, diese den langen Weg bis zum Auto tragen.

Natürlich lud er auch die ganze Reisegesellschaft für den Rest der Nacht zu sich ein.

Der Chauffeur legte sich nun wieder auf den Rücken, schob sich unter das Auto, und mit Hilfe immer wieder angezündeter Streichhölzer gelang es ihm, das Loch im Benzinbehälter mit Tuchläppchen und einem Stückchen Holz so dicht zu verstopfen, daß er die zwei Eimer Benzin behalten konnte.

Sobald alles in Ordnung war, fuhren wir nach Stadur zum Nachtquartier. Um 2 Uhr kamen wir an. Alles war für unsern Empfang vorbereitet: eine gute Mahlzeit und gute Betten.

Am Vormittag des folgenden Tages setzten wir die Reise fort und erreichten ohne besondere Begebenheiten am Abend Thingvellir, wo wir übernachteten.

Am dritten Tag ging es in rascher Fahrt nach Reykjavik.

Den ersten Tag aber und die erste Nacht dieser dreitägigen Autofahrt durch Island werden wir nicht so leicht vergessen.

 

Die kurze Zeit, die ich noch in Reykjavik verblieb, habe ich hauptsächlich dazu benützt, Abschiedsbesuche bei meinen vielen Freunden zu machen. Und auch neue liebe Menschen habe ich in diesen letzten Tagen meines Aufenthaltes kennengelernt.

So wurde ich zum Beispiel eines Tages von dem Herrn Redakteur Valtýr Stefánsson eingeladen. Daß er mich sehr liebenswürdig empfing, brauche ich nicht besonders zu sagen.

Während ich in seinem Hause bei ihm saß, trat ein zwölfjähriger Junge in das Zimmer, kam auf mich zu und sagte: »Guten Tag, Nonni! Ich habe alle Ihre Bücher mit so großer Freude gelesen, daß ich Ihnen ein kleines Geschenk machen möchte.« Dann überreichte er mir ein schön gebundenes kleines Buch.

Tief gerührt von dieser kindlichen Freundlichkeit fragte ich nach seinem Namen.

»Ich heiße Már Árnason«, antwortete er.

Bevor er wegging, nahm er meine Hand und drückte sie fest.

Auch der kleine Már gehört zu den lieben Kindern, die ich immer in Erinnerung behalten werde.

Zum Schluß muß ich noch die große Liebenswürdigkeit hervorheben, die mir auch bei der Abreise von meinen vielen Freunden in Landakot zu Teil wurde.

Die Kinder der dortigen höheren Volksschule und die guten Schwestern des Krankenhauses überschütteten mich förmlich mit allerhand schönen Geschenken. Allen sei auch aus diesem Buche heraus noch einmal herzlichst gedankt.

Als ich endlich mit meinem jungen Freund Viktor an Bord des Dampfers ging, der uns nach dem Kontinent zurückbringen sollte, waren wieder alle meine lieben Gastgeber von Landakot anwesend sowie auch eine Menge anderer Freunde aus Reykjavik.

Unter Winken und Grüßen der Abfahrenden und der Zurückbleibenden löste sich der Dampfer vom Kai langsam los und fuhr in das weite Meer hinaus südwärts.

Wehmut überkam mich. Es war voraussichtlich meine letzte Reise nach Island gewesen, der schönen Feuerinsel am nördlichen Polarkreis.

siehe Bildunterschrift

Reisekarte zu Nonnis zweiter Islandfahrt, von seinem jungen Reisebegleiter Viktor

 


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