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60. Mödruvellir. – Skipalón. In der Gefolgschaft des Bürgermeisters von Akureyri.

Ende Juli fanden zwei Ausflüge statt, die großen Eindruck auf mich machten. Zuerst fuhr ich nach dem Gute Mödruvellir im Hörgártal und einige Tage später nach Skipalón.

Auf Mödruvellir war ich ja geboren und dort hatte ich meine ersten Knabenabenteuer erlebt, die ich im Buche »Sonnentage« geschildert habe.

Von Mödruvellir war ich oft nach Skipalón gefahren. Auf einer dieser Fahrten wurde ich mit meinem Freunde Baldur und unserem Knecht Gudmund von Eisbären angegriffen. Davon erzähle ich im Buche »Auf Skipalón«.

Man kann sich denken, welch ungeheure Freude ich hatte, diese Orte wiederzusehen.

In Mödruvellir fand ich die alten Gebäude nicht mehr vor. Sie waren alle durch Feuersbrünste vernichtet und dann neu aufgebaut worden. Auf der Stelle, wo ich geboren war und wo ich die ersten Jahre meines Lebens gewohnt hatte, standen jetzt nette moderne Häuser.

Dort wohnte der Pfarrer der ganzen Gegend, Herr Pastor Sigurdur Stefánsson, mit seiner jungen Frau. Er war nicht zu Hause, als wir ankamen. Wir wurden daher an der Haustüre von seiner Frau empfangen und gebeten, einzutreten.

Ich sagte ihr, ich wolle nicht stören, besonders da der Hausherr abwesend sei. Ich würde deshalb vorziehen, ganz allein einen Rundgang draußen zu machen. Ich würde mich sehr leicht zurecht finden.

»O nein«, sagte die freundliche Dame, »allein dürfen Sie nicht herumgehen. Ich werde sofort meinen Mann durch einen Boten holen lassen. Er wird Sie dann überall hinführen und Ihnen alles zeigen, was Sie zu sehen wünschen. Unterdessen müssen Sie aber hereinkommen und sich stärken.«

Ich kannte meine Landsleute. Hier war jede Widerrede unnütz. Die Gesetze der Gastfreundschaft mußten erfüllt werden.

Wir wurden also mit dem besten, was die besorgte Hausfrau bieten konnte, bewirtet.

Ich merkte sofort, daß die Pfarrersgattin hochgebildet war. Später erfuhr ich, daß sie nicht allein das Gymnasium absolviert, sondern nachher noch mehrere Jahre auf der Universität studiert hatte.

Sie war schon Mutter und hatte ein kleines Kind, das ungefähr ein Jahr alt war. Während wir in dem netten Besuchszimmer saßen, wurde das Kind von einer Magd hereingebracht. Das liebe, kleine Geschöpf war nicht im mindesten bange vor den fremden Gästen, die da saßen. Es streckte die Ärmchen nach uns aus, besonders nach dem jüngeren Gast, und in ganz kurzer Zeit war Viktor sein besonderer Freund geworden. Das schöne, lebhafte kleine Kind verlangte so sehr nach ihm, daß er sich schließlich neben die Wiege setzen mußte, um mit der kleinen Unschuld zu spielen.

Als der Herr Pfarrer nach Hause kam, nahm er sich auf das liebenswürdigste unser an und durchwanderte mit uns die ganze Umgebung des Hofes.

Wie in Akureyri beim »Paulshaus«, so erkannte ich auch hier all die vielen Einzelheiten um den Hof herum und schwelgte nun wieder in den wundervollen Erinnerungen an meine früheste Jugendzeit.

Die herzliche Freundlichkeit dieser guten Familie fügte zu den vielen Dankesverpflichtungen eine neue.

 

Es vergingen ein paar Tage, da fuhr ich nach dem Hofe Skipalón. Mein Besuch verlief dort ähnlich wie in Mödruvellir; auch dort wurde ich freundlichst aufgenommen.

Ich war erstaunt, die dortigen Gebäude in genau demselben Zustande wiederzufinden, wie sie vor sechzig Jahren waren. Nur hatte man etliche neue Bauten neben den alten aufgeführt.

Von den ehemaligen Kindern, mit denen ich in meiner frühesten Jugend auf Skipalón gespielt hatte, lebte nur ein einziges noch. Es hieß Pálina Bjarnadóttir. Pálina hatte aber Skipalón verlassen und wohnte jetzt in Akureyri. Natürlich besuchte ich sie und sprach viel mit ihr. Sie erinnerte mich daran, daß ich vom Jahre 1863 an öfters nach Skipalón auf Besuch kam, und zwar gewöhnlich getragen von unserem Knecht, dem starken Gudmund. Immer hätte ich meine Harmonika bei mir gehabt und darauf den Kindern vorgespielt. Sie hätten dann dazu getanzt. Damals war die gute Pálina zwölf Jahre alt; unterdessen ist sie 83 Jahre geworden.

Meine Besuche auf Mödruvellir und Skipalón stimmten mich etwas traurig. Ich fühlte, daß es wohl das letzte Mal war, daß ich diese Stätten meines jugendlichen Glückes sah und besuchte.

 

Der Herr Bürgermeister von Akureyri war unermüdlich besorgt, mir Freude zu machen.

Eines Tages bei herrlichstem Wetter nahm er mich und auch Viktor mit auf einen Ausflug in die südwestlichen Berge. Fast der ganze Stadtrat, etwa zwölf Mann, fuhr mit und außerdem auch noch die Frauen und Kinder.

Mehrere Autos brachten uns ans Ziel unseres Ausfluges, und auf einer wunderschönen, blühenden Wiese neben einem Fluß schlug man das Lager auf. Ein Zelt war mitgenommen worden, und die Frauen sorgten für eine ausgezeichnete Bewirtung.

Es wurde photographiert, auch kleine Reden gehalten. Einer der Herren vom Stadtrat schied gerade an diesem Tage nach einer langen Reihe von Dienstjahren aus der Körperschaft aus. Es wurde ihm vom Bürgermeister mit einer Ansprache eine goldene Uhr im Namen aller Mitglieder überreicht.

Am Abend spät kamen wir nach Akureyri zurück. Ich hatte große Freude an dieser Tour gehabt, denn ich war auch in jener Gegend oft als kleiner Junge auf meinem Pferd Grani herumgeritten und kannte alle Örtlichkeiten.

Ein anderes Mal nahm uns der Bürgermeister sogar auf eine längere Reise mit, die ein paar Tage dauerte.

Da fuhren wir im Auto durch gänzlich neue Gegenden, wo ich früher nie gewesen war.

Auf dieser Tour sahen wir wiederum einen der schönsten unter den vielen Wasserfällen Islands, den Godafoß (d. h. Götterwasserfall).

Viktor machte die Reise abwechslungsweise bald zu Pferde, bald im Auto, wie es ihm gerade paßte.


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