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36. Ankunft des englischen Riesenflugzeugs. – Der Besuch auf dem französischen Kriegsschiff »Suffren«.

Das Menschengewühl in den Straßen und am Hafen erschien uns noch größer als am Vormittag. Eine Menge isländischer Polizisten, in langen weißen, mit blauen Rändern versehenen Mänteln sorgten für die Ordnung. Als wir am Kai waren, entstand auf einmal eine große Bewegung unter den Leuten. Alle wandten sich nach der Meeresseite. Wir taten dasselbe, in der Annahme, daß wieder ein fremder Dampfer herankomme. Es war jedoch nirgendwo auf dem Meere ein Dampfer zu erblicken.

»Wonach schauen denn die Leute?« fragte mich Viktor.

Gleich darauf aber stieß er einen Ruf der Verwunderung aus, faßte mich am Arm und rief: »Wir müssen nicht aufs Meer, sondern hinauf nach den Wolken schauen …!«

Wirklich, ein Riesenvogel kam von der Meeresseite her hoch in der Luft. Kein Zweifel, es war das angemeldete englische Riesenflugzeug!

Wir blieben stehen gleich den andern Leuten und folgten mit bewundernden Blicken den Bewegungen des märchenhaften Ankömmlings. Das Geräusch der Motoren wurde erst schwach hörbar, dann immer lauter. Das Flugzeug senkte sich endlich, als es näher gekommen war, seine Motoren verstummten, und es machte spiralförmige Bewegungen über dem Hafen. Dann schwebte es fast unbeweglich über dem englischen Schlachtschiff. Flaggen und Fahnen wurden auf der »Rodney« hochgezogen. Gleichzeitig hörte man laute Hurrarufe der englischen Matrosen. Die Besatzung des Flugzeuges blieb ihren Landsleuten die Antwort nicht schuldig. Nach ein paar Minuten zog sich das Flugzeug wieder etwas seewärts und ließ sich in gelassener Ruhe auf das Wasser hinunter, bis es wie ein Riesenvogel in den Fluten schwamm und sich von ihnen schaukeln ließ.

»Das war ein Ereignis«, sagte Viktor, »und ich bin froh, daß es uns nicht entgangen ist.«

Noch manches zog auf dem Spaziergang unsere Aufmerksamkeit auf sich, bis wir wieder nach Landakot hinaufgingen.

 

Für den Abend aber war der Besuch auf dem französischen Kriegsschiff fällig.

Um die festgesetzte Zeit begab sich der Herr Bischof mit uns an den Hafen zur Landungsstelle. Da lag schon die prächtige französische Schaluppe, die uns aufnehmen sollte. Ein französischer Offizier sprang ans Land und begrüßte den Bischof sowie uns, seine beiden Begleiter, höflichst. Dann half er den Gästen in die Schaluppe und lud sie ein, in einem eleganten, rotbehängten Pavillon Platz zu nehmen.

Sofort wurde der Befehl zur Abfahrt gegeben, und das Fahrzeug steuerte bei herrlichem Sonnenschein rasch aufs Meer hinaus. Pfeilschnell schoß es durch die unruhigen Wellen dahin auf das stolze Kriegsschiff zu. Nach etwa zehn Minuten legten wir dicht neben der grauen eisernen Wand der »Suffren« an. Einige der Matrosen hielten mit ihren Bootshaken die Schaluppe fest, damit die Gäste die herabgelassene Fallreepstreppe ohne unangenehmen Zwischenfall besteigen konnten. Der Offizier war uns behilflich, die unterste Stufe zu besteigen. Auf der Treppe schon kam uns der Schiffskommandant entgegen und geleitete uns auf das Deck. Dort hatten sich die Schiffsoffiziere zu unserem Empfang aufgestellt und begrüßten die Ankömmlinge mit Freundlichkeit. Etwas zurück stand das Trompeterkorps des Schiffes in strammer Haltung. Auf ein gegebenes Kommando spielten sie dem Bischof zu Ehren einen kurzen, lebhaften Militärmarsch. Der Bischof dankte den Matrosen mit freundlicher Kopfbewegung.

Alsdann begann die Besichtigung des Kriegsschiffes. Der Kommandant übernahm die Führung durch das prachtvolle Schiff, zeigte seinen Gästen alles, was ihr Interesse gewinnen mochte, und gab bereitwillig alle gewünschten Erklärungen.

So besichtigten wir die Riesenkanonen des Schlachtschiffes. Da mußten wir staunen, als wir sahen, mit welcher Leichtigkeit diese schweren Kolosse nach allen Richtungen hin gedreht und bewegt werden können.

Dann wurden die großen Flugzeuge der »Suffren« gezeigt. Durch einen sinnreichen Mechanismus konnten sie vom Schiffe her in die Luft hinaus – sozusagen – abgeschossen werden. Auch in die unteren Räume des Kriegsschiffes wurden wir geführt und sahen dort wahre Wunder der modernen Kriegstechnik.

Am Schluß der Besichtigung geleiteten uns der Kommandant und die Offiziere in einen geräumigen Salon. Hier kam eine angenehme, heitere Unterhaltung in Gang. Die Offiziere erzählten allerlei von ihren Meeresabenteuern.

Auch der Bischof, der die französische Sprache vollkommen beherrschte, erzählte lange und außerordentlich anregend von seiner Tätigkeit in Algier und in den andern französischen nordafrikanischen Kolonien, wo er früher als junger Geistlicher gewirkt hatte.

Ich meinerseits mußte auf manche Fragen über mein Vaterland antworten und einiges über isländische Verhältnisse erzählen.

Die Unterhaltung war in bestem Gange, da kam ein diensttuender Matrose mit einer Platte, auf der Champagnerflaschen nebst Gläsern standen …

Während der jetzt folgenden vornehmen Bewirtung wandte sich plötzlich der Kommandant an mich mit der von Viktor so gefürchteten Frage:

» Et votre jeune compagnon, d'où est-il?« (»Und Ihr junger Gefährte, woher ist er?«)

Wie abgemacht, beeilte ich mich zu antworten:

» C'est un jeune collégien de Fribourg.« (»Er ist ein junger Gymnasiast aus Freiburg.«)

» Et son uniforme?« (»Und seine Uniform?«)

» C'est son uniforme de collège.« (»Es ist seine Gymnasiastenuniform.«)

Und dann lenkte ich das Gespräch rasch auf andere Dinge.

So war also Viktor, wie ich vorausgesehen hatte, in den Köpfen unserer freundschaftlichen Wirte unzweifelhaft zu einem Schweizer geworden.

Nach längerem Beisammensein verabschiedete sich der Bischof herzlich von dem Schiffskommandanten und den Offizieren. Ich und Viktor schlossen uns an. Dann stieg der Bischof und wir die Schiffstreppe hinunter, um wieder in der Schaluppe Platz zu nehmen zur Rückfahrt in den Hafen. Der gleiche Offizier begleitete uns wie bei der Herfahrt.

Ein letzter Dank und ein kräftiger Händedruck – und unser Besuch auf der »Suffren« war zu einer außerordentlich schönen Erinnerung geworden.


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