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Zweiundzwanzigstes Kapitel

Jawohl, er konnte es. Aber nach der wilden, sinnlichen Gewalttätigkeit seines Wesens wurde es etwas von dem traumhaft himmlischen Ineinanderfließen Damians und Sessis ganz Verschiedenes.

Auf seinem täglichen Schulweg von der Vogelsdorfer Straße zur Haltestelle der Straßenbahn auf dem Schloßplatz ging er durch eine schmale Nebengasse, die nur auf einer Seite mit kleinen, meist einstöckigen Häusern bebaut war. Auf der anderen Seite, hinter einem einfachen Holzzaun, dehnte sich die weiträumige gräfliche Schloßgärtnerei. Da bereitete es denn Reinhard Freude, durch den Zaun im Vorbeigehen die Blumenpracht des Gartens zu sehen, in dem die Ausschmückung des Kurparks gezogen wurde, und dann und wann stach die Schönheit einer Blüte dem Knaben dermaßen in die Augen, daß er nach sicherndem Auf- und Absehen des Sträßleins durch den Zaun langte und sich eine der schönen Blüten abriß. Abel freilich, so jäh ihn das Aufflackern des sinnlichen Wohlgefallens zu dem Blumenraub trieb, so schnell erlosch auch das Vergnügen an der Blüte. Er genoß ihre Schönheit und den Duft einige Schritte weit und warf sie dann meistens am Ende der Gasse nach der Gansertbrücke hin aufs Pflaster. Und einmal, da er zufällig zurückschaute, sah er, wie ein Mädchen mit langen blonden Zöpfen die weggeworfene Blume aufhob, im Aufrichten, von seinem Blick getroffen, herausfordernd auflachte, die Blüte triumphierend nach ihm hinschwenkte und dann flüchtend in das Häuschen des Ofensetzers Mosig verschwand.

›So eine Krabbe!‹ dachte Reinhard und befreite sich durch ein kurzes Auflachen von dem herausstoßenden Atem.

So konnte es nicht ausbleiben, daß der Junge wieder und wieder geraubte Blumen auf der Straße fallen ließ und dann und wann sich auch das wiederholte, was ihm jedesmal prickelnd durch den Körper lief und den Kopf einnebelte, daß das seltsame Mädchen aus dem Häuschen huschte, die Blume aufhob und mit fliegendem Röckchen lachend zurückwirbelte. Darum ließ der Gartendieb seine Blume immer näher an dem Mosighaus auf die Straße fallen, zuletzt gerade vor der Tür des Hauses, und wenn das Mädchen daheim war, holte es sich die Blüte immer zutraulicher, zuletzt mit verlockender Liebenswürdigkeit, und manches gepfefferte Scherzwort platzte zwischen den beiden hin und her. Darum drängte es den aufgeregten Reinhard, dies Blumenspiel auch außerhalb seiner Schulgänge zu treiben, und einmal, gerade zur Mittagszeit, als die Glocke des nahen Kirchturms läutete und das Sträßlein vollkommen menschenleer war, näherte sich Reinhard dem Mosighause so langsam, daß er von innen her beobachtet werden konnte, legte seine Blume gerade auf die Türschwelle und trat einen Schritt zur Seite. Was er klopfenden Herzens erhofft hatte, geschah. Das aufgezündete frühreife Mädchen, das allein im Hause war, da Vater und Mutter außerhalb arbeiteten, hatte das Herannahen Reinhards wohl gesehen, weil sie seit langem nach dem hübschen, kecken Jungen ausspähte. Kaum hatte Reinhard die Blume auf die Schwelle gelegt, so öffnete sie jäh die Tür und griff nach der Blüte. Da schnellte der Junge herum und packte sie am Handgelenk. Sie erhob sich wie aufgeschossen und zischte ihn wütend an: »Was bildst du dir denn ein?« ließ aber ihre Hand in seinem Griff. Ihre keimenden Brüstlein flogen unter dem Mieder, und ihre blauen Augen brannten sich auf das erblaßte Gesicht des dunklen Jungen. Reinhard war wie abgeschlagen, ließ ihre Hand nicht los und lächelte vorerst ganz hilflos. Dann sagte er mit ausgetrockneter Stimme, aber sehr sanft: »Dummes Mädel, ich will bloß wissen, wie du heißt.«

Sie riß sichernd das Gesicht nach dem engen Flur zurück, als fürchte sie, daß jemand komme, dann antwortete sie patzig: »Das geht dich gar nichts an – Agnes!«

»Also, liebe Agnes, komme heute abend hinter den Schloßgarten. Da will ich dir alles sagen, ja?« sagte Reinhard und wartete eine Weile.

Das Mädchen aber stand mit schlaff herabhängenden Armen regungslos da, starrte ihn an, und die Tränen fingen an, ihr aus den Augen zu laufen.

Da drückte ihr Reinhard die Hand, sagte kurz und bestimmt: »Um acht«, und sprang davon.

So schön fing die Liebe Reinhard Neefes zu Agnes Mosig an, denn der erste Pate des jungen Herzens ist allemal Gott selber, wenn auch der andere nächtliche Helfer mit an dem himmlischen Gericht rührt, bei einem weniger, bei dem anderen mehr, so daß die Speise fast nie einen rein göttlichen Geschmack hat. Und das erste Schwärmen der beiden halbflüggen Vögel an demselben Abend hinter dem Schloßgarten, das an kleinen Wiesentümpeln vorbei bis an den Waldrand der Kummerhardte ging und erst endete, als der erste Nachtstern über den Riesenkamm ins Dunkel blinzte, war auch schon kein reines Engelslied, sondern dann und wann spürten die jungen, vorwitzigen Menschen einen Hauch der Schwüle durch sich hingehen, der sie tief erschreckte und heiß beglückte, so daß sie sich in einem Zwiespalt trennten, der sie aneinander band.

Reinhards späte Heimkunft in der Vogelsdorfer Straße ging leichter vonstatten, als er gefürchtet hatte, denn sein Vater war nicht zu Hause, und die gute Mutter nahm seine Lüge mit schonendem Vorwurf auf, fütterte ihn schnell und half ihm eilig ins Bett, damit der heimkehrende Vater nichts von seinem Verfehlen merke. Als der Junge allein in der Nacht lag, falteten sich wohl gewohnheitsmäßig seine Hände zum Gebet, aber in seinen Worten wirbelte doch alles auf, was sich zwischen ihm und dem Mädchen ereignet hatte. Die frommen Worte erloschen, ohne daß er es merkte, und verwandelten sich in das brünstige Flüstern des Namens »Agnes«. Das Mädchen hieß so wie seine Mutter. Das kam ihm erst jetzt zum Bewußtsein und wurde von ihm wie eine Rechtsprechung seiner unbegreiflichen Lust empfunden. »Jawohl, du dämlicher Damian. Was du kannst, bringe ich schon lange fertig«, lachte er höhnisch beglückt.

In diesem Augenblick stieß der Vater polternd die Flurtür auf.

Da nahm sich Reinhard zusammen, kehrte sich stockstill zur Wand, lispelte noch einigemal »Agnes« und schlief ein.

Es kam so, wie es nach dem sinnlich wildernden Wesen Neefes und dem vorzeitig weiblichen Aufjächen des Mädchens nicht anders sein konnte, die beiden taumelten nach kurzer Zeit in eine hitzige Brunst, aus der sie nicht herausfanden. Denn wenn auch Reinhard Neefe aus der Erschöpfung der Lust in die Qual der Reue über seine Sündhaftigkeit fiel und mit Gebetspeinigung gegen die fleischliche Schwäche vorging, und wenn auch Agnes Mosig niedergeschlagen, voll Scham fern an ihm hinhuschte, bald wurden sie wieder von der unterirdischen Teufelei zueinandergerissen und tranken die wilden Ausschreitungen, vor denen sie bebten, mit maßloser Begier. Neefes Beichtgang nutzte nichts. Das Sakrament erlöste ihn nicht, sondern wirkte bei seiner Willensschwäche nur wie Gift in der Wunde seiner Zerknirschung. Seine Leistungen in der Schule gingen zurück, und er hatte nicht die Kraft, sich zu gesammeltem Fleiß aufzuraffen, während Damian Maechler heiter lächelnd auf seinem fernen Weg unerreichbarer Beseligung ging. In dieser großen Not überfiel Neefe die väterlicherseits ererbte Finsternis so tief, daß er in blinde Rachsucht hinaufgeschleudert wurde. Denn als dieser Gedanke wie ein fahler Blitz in ihm aufleuchtete, sah er einen Ausweg aus seiner dunklen Verwirrung. Wer war schuld, daß er in die Netze dieses unseligen Mädchens geraten war, wenn nicht Damian Maechler und seine Liebe zu Susanne von Schillingkhoff?

Diese beiden verlogenen Schleicher wußten sich mit einem undurchdringlichen Heiligenschein zu umgeben, hinter dem doch sicher sich all das ereignete, an dem er und das Mädchen so unsäglich litten und immer tiefer gezogen wurden. Es war nötig, Damian die schöne Larve der Tugend vom Gesicht zu reißen, damit er zur Klarheit erlöst und er, Neefe selber, von dieser verfluchten Last befreit würde. Von diesem Plan, dessen geheimster Kern doch nur die eifersüchtige Liebe Reinhards zu Damian war, kam der umgetriebene Sohn des Grubeninspektors nicht mehr los. Mit umsichtiger Verschlagenheit legte er Fäden zu der Szene, durch die er Damian in seine Gewalt bekommen mußte. Der merkte an Neefes erschlafftem Gesicht, den Augen, die aus glanzloser Müdigkeit in hektische Hitze schössen, und vor allem an seinem fahrigen Wesen und der Scheu, ja geradezu Furcht, mit der er sich vor ihm zurückhielt, schon wochenlang, daß er unter einer geheimen Pein litt, und machte dann und wann den vorsichtigen Versuch, ihm zu helfen. Das hatte nun wenig Erfolg, denn entweder schüttelte Neefe nur stumm und trübsinnig den Kopf oder schnellte Damians gütiges Mitleiden mit bösem Hohngelächter von sich ab.

»Was bildest du dir denn ein?« fragte er zum Schluß wütend, sprang von seinem Sitz auf und lief auf die vordere Plattform des Wagens. Denn diese Zusammenstöße ereigneten sich fast nur auf der Elektrischen, weil es zu einsamen Feldgängen der beiden nie mehr kam.

Wegen der offenen Feindseligkeit ihrer Väter waren die gegenseitigen Besuche unmöglich, und die beiden Jünglingsknaben hatten einen schrillen Geierpfiff auf den Fingern in der Nähe des Hauses als Einladung zu einer Feldstreife verabredet.

Seit Wochen gellte kein Pfiff mehr, weder auf der Feldgasse noch auf der Vogelsdorfer Straße.

Am Tage der Entscheidung setzte sich Reinhard ganz nahe an die Seite Damians, und nachdem er zwei, drei Stationen lang blaß, mit gesenktem Kopf und festverschlungenen Händen ohne ein Wort dagesessen hatte, zupfte er zaghaft Damian am Ärmel und flüsterte ihm in das herabgeneigte Ohr:

»Du, das geht nicht mehr so weiter, und mit dem Pfeifen ist's nicht zu machen. Wir müssen uns einmal ordentlich sprechen. Komme heute nachmittag um fünf in die Gartenstraße und pfeife leise vor der Haustür des Ofensetzers Mosig. Da bin ich um diese Zeit. Alles andere wird sich dann finden.«

Die Bahn klingelte und stand knirschend. Reinhard war leichenblaß geworden und sprang auf. »Also um fünf Uhr«, rief er im Hinausstürmen noch einmal über die Achsel und lief wie gehetzt den Schloßplatz hinauf.

Mit geheimem Widerwillen machte sich Damian auf den Weg. Als er in die Gartenstraße einbog, schlug die Turmuhr der nahen katholischen Kirche eben die fünfte Stunde. Vor dem Mosigschen Hause, um das in ganz Wilkau allerhand Verfängliches gemunkelt wurde, wartete er unschlüssig eine Weile. Aber die Tür blieb zu, und in dem Hause regte sich nichts. Deshalb blieb Damian nichts übrig, als der Verabredung gemäß leise zu pfeifen, einmal und nach einer Pause wieder und wieder. Allein nichts geschah. Es blieb still. Darum öffnete Damian endlich vorsichtig die Tür, schloß sie leise hinter sich und wartete in dem engen Flur, der nur von einem Rundscheibchen oben in der Haustür kümmerlich erleuchtet wurde. Vor ihm eine niedrige Stubentür, rechts und links eine. Alles lautlos bis auf ein unterdrücktes Geflüster von zwei Stimmen, einer tiefen männlichen und einer hohen weiblichen, hinter der mittleren Tür gerade vor ihm, leidenschaftlich und immer leidenschaftlicher, bis plötzlich ein Gepolter erfolgte und die weibliche Stimme in ein lachendes Kreischen ausbrach. Da sprang Damian, ohne sich zu besinnen, hin und riß die Tür auf.

Da lagen beide, das Mädchen mit heraufgerissenen Röcken, auf dem löcherigen, alten Sofa, in solch gieriger Besessenheit aneinandergeklammert, daß sie das Aufknallen der Tür und den Hereinsprung Damians nicht gehört hatten.

»Pfui!« schrie der entsetzte Maechlersohn, packte Reinhard am Kragen und schleuderte ihn zur Seite, daß er auf dem Boden zusammenbrach.

Agnes Mosig stotterte hauchend »Jesus Maria« und huschte zusammengeduckt, wie in der Furcht vor Schlägen, durch die Tür, die Damian hinter ihr schloß. Als er sich umdrehte, stand Reinhard Neefe wieder auf den Beinen, straff, drohend aufgereckt, die gefausteten Hände an steifen Armen, und sah ihn mit lodernden Augen, wie im Ansprung, an.

Damian musterte ihn mit lächelnder Verachtung ruhig vom Kopf bis zu den Füßen, schüttelte aufs tiefste erschüttert den Kopf, sah lange zu Boden und murmelte dabei: »Ekelhaft.«

Als er sein Gesicht wieder hob, stand Reinhard immer noch so gereckt und frech wie vorher da.

»Hast du das gewollt?« fragte Damian bebend.

»Jawohl!« schrie Neefe gepreßt.

Auf diesen Schrei entschlossener Bosheit wich auf einmal auch der letzte Schimmer seliger Verklärtheit, wie von einem Todesstoß, aus dem Gesicht des blonden, hohen Jungen, und er mußte nach der Sofalehne greifen, weil alles um ihn schwankte.

Reinhard aber, als er sah, wie aller Glanz seines Gesichtes und der blauen Augen verblaßte, sackte innerlich zusammen. Die Reue, nach der er in den Wochen vergeblich gerungen hatte, fiel wie ein Stier siegreich über ihn her, daß er vor Scham sein Angesicht verbarg. Er stürzte auf die Knie und stotterte:

»Damian, ich bitte dich um Gottes willen um Verzeihung. Du hast mir das Leben gerettet. So wahr ein Gott im Himmel ist, werde ich dir, wenn es sein muß, ein gleiches tun. Komm, gib mir den christlichen Versöhnungskuß.«

Damit sprang er auf und näherte sich Damian mit ausgebreiteten Armen.

Allein er drang gegen einen Menschen vor, den die vollkommene Verachtung vor soviel Erbärmlichkeit dermaßen übermannt hatte, daß sein Gesicht eine einzige glühende Finsternis war. Mit zusammengebissenen Zähnen, um nicht auszuspucken, wich er vor Reinhard zurück. Als er nicht mehr weiter konnte, hieb er ihm ein paar Ohrfeigen ins Gesicht und verließ, an dem Taumelnden vorbei, Stube und Haus.

Diese furchtbare Zerstörung, die schicksalsnotwendig zwischen Damian Maechler und Reinhard Neefe aufgebrochen war, sollte ihr Leben lang nicht mehr ganz heilen.

Damian lag nach den wilden Geschehnissen im Mosighaus tagelang ohne Schlaf und Nahrung unbeweglich, das Gesicht gegen die Wand gekehrt, mit geschlossenen Augen im Bett, so, als sei die rätselhafte Krankheit wieder in ihn zurückgekehrt, die ihn in der kindhaften Jugendzeit einst ganz nahe an die Tür des Todes geschoben hatte. Wenn er die Lider nur einen Spalt öffnete, stand grell die hündische Scheußlichkeit zwischen Reinhard und dem Mädchen vor ihm. Allen, auch seiner Mutter gegenüber, verharrte er in Schweigen, das nicht zu brechen war. Denn er spürte, daß er unweigerlich hätte schreien müssen, wenn er der Versuchung zu reden erlegen wäre. So waren alle liebkosenden Worte, alle Tränen der armen Christel umsonst. Als sie gütig fragte, ob man nicht doch lieber den Arzt holen solle, stieß er ein solch grelles, qualvolles »Nein!« aus, daß sie leise hinausging. Bekümmert, aber doch unversehrt in ihrem unergründlichen Vertrauen auf das reine Wesen ihres lieben Damian stieg sie die Treppe hinunter.

Sie traf ihren Mann am Fenster der Wohnküche abgekehrt sitzend, im Brüten versunken. Als sie eintrat, wandte er sich ihr schwerfällig zu, ohne aufzustehen.

»Na?« fragte er dunkel.

Christels Ratlosigkeit zeichnete sich tiefer in ihr Gesicht. »Wieder nichts«, sagte sie abgeschlagen, »kein Wort.« Der Gerber senkte nur den Kopf und murmelte: »Nu, jaja«, das heißen sollte: das hab' ich mir gedacht.

Doch hob er dann den Kopf und fragte: »Nicht ein Wort, Christel?« Und als sie nur mit einem Kopf schütteln antwortete, drängte er weiter: »Nicht? Auch nicht Sessi?«

Sein Weib starrte ihn sprachlos an und fragte dann aufs tiefste betroffen:

»Du, Jochen, was willst du denn damit sagen, he?«

Statt zu antworten sprang der Gerber vom Stuhl auf, brach in höhnisches Lachen aus und verließ reißend schnell die Stube. Denn in ihm stand es fest, daß mit dieser neuen Erkrankung Damians das von ihm lange geahnte Unglück seiner Familie beginne und niemand anders im Hintergrund stehe als dieses Mädchen Sessi, das einst mit ihrem wilden Vater in sein Haus eingedrungen, ihm später erschienen war, als er erschöpft auf den Stufen des Langen Hauses gesessen hatte, und seinen Jungen dergestalt hexenhaft umnebelte, daß er immer und immer wieder dieses blöde, unsinnige Sessilied sang.

Nach drei Tagen war wohl das geile Brunstbild im Mosighause vor Damians Augen, wenn er sie öffnete, verblichen, dafür aber hatte ihn das Grauen vor der Fäulnis und vor der Zersetzung der ganzen Welt gepackt, denn die Erkenntnis der Jugend im guten und bösen ist Übertreibung. Allein er war ja kein Junge mehr. Die abgelaufenen Jahre hatten ihn wach gehämmert und stärker gemacht. Als er den grauen, bodenlosen Abgrund des Nichtseins unentrinnbar auf sich zukommen sah, sprang er entschlossen zurück.

Am frühen Morgen des vierten Tages seiner stummen Qual hörte Frau Maechler von dem Flur aus, wo sie lauschend stand, in Damians Stübchen Stühlrücken und bald danach energische Schritte. Sie traute ihren Ohren kaum und flüchtete in aufquellender Freude und auch aus Furcht vor einer neuen Wendung zum Schlimmeren in die Wohnküche. Dort machte sie sich am Ofen zu schaffen, so als gelte es, wie sonst immer in guten Tagen, für Damian das Frühstück herzurichten. Sie tat alles in fliegender Eile mit Herzklopfen der Hoffnung und Not und strich sich immer wieder über den Kopf, weil sie die Empfindung hatte, die Haare hingen ihr in die Stirn. Da hörte sie Damian fest die Treppe herunterkommen und beugte sich in Verlegenheit tief über die Platte.

Die Tür ging auf, Damian warf seine Schulmappe auf den Tisch, und ehe sich das Christel umdrehen konnte, wurde sie von hinten umschlungen, herumgedreht und leidenschaftlich geküßt.

»So, Mutter, nun ist's vorbei«, sagte Damian, »ich war krank. Woran, weiß ich nicht, und bitte, frage auch nicht; aber ich hab' überwunden.«

Er sprach fliegend, aus beklemmter Brust, wie nach einem gewalttätig-schnellen Rennen, und nicht mehr in den Kinderlauten, sondern mit männlich überschnappender Stimme, so daß Christel ihn erstaunt ansah, aber dann jubelnd umschloß.

»Mein Damian, lieber Damian«, flüsterte sie an seinem Halse, als er bei dem neuen Umfangen sie bat, ihm alles zu vergeben, was er etwa aus dem Trubel heraus gesprochen oder getan hatte, durch den er getrieben worden war.

Dann schlang er das Frühstück aufs eiligste hinunter, weil es höchste Zeit in die Schule war, fragte im Weggehen nach dem Vater, der schon in der Werkstelle war, ließ ihn herzlich grüßen und stürmte schnellfüßig durch das Vorgärtchen auf die Feldgasse, von wo aus er noch einmal winkte.

So sprang Damian entschlossen auf seine alte Bahn, von der er durch den dunklen Stoß auf Augenblicke geschleudert worden war, blasser als sonst, aber in einen vorzeitigen Ernst gereckt, der seine großen blauen Augen manchmal schwermütig überschattete.

Reinhard Neefe war durch seine vollkommene Niederlage im Mosighause, die doch sein vollkommen wilder Sieg über Damian hatte werden sollen, nach der unbeherrschten Leidenschaftlichkeit seines Wesens mit einem Knall in die Kirche geschleudert worden. Durch eine Generalbeichte hatte er in förmlicher Reueraserei alle Sündhaftigkeit aus sich herausgerissen und war zerknirscht auf seinen Schulweg zurückgetaumelt, erfüllt und getragen von einer steten Sucht nach Abtötung.

Mit niedergeschlagenen Augen ging er an Damian vorüber, blieb auch, wenn er ihn in der Straßenbahn sitzen sah, auf dem Vorraum draußen stehen, vermied die Gartenstraße, betrat demütig wie ein Unwürdiger die Schulklasse und ließ alle Hänseleien seiner Mitschüler mit einem Lächeln der Duldung über sich ergehen, daß sich nach kurzer Zeit auch die Robusten ihrer Roheit schämten und den komischen »Heiligenkauz« ungestört ließen.

Damian aber fand sich langsam auf die hohen, verschwiegenen Himmelswege seiner verehrenden Liebe zu Sessi zurück, nur manchmal gestört durch den Anblick Reinhards. Dann legte sich die lachende, bereite Geilheit Agnes Mosigs als ein Schatten vor das Bild Sessis, so daß er vor Scham sich noch mehr von ihr zurückhielt, ja nicht einmal an sie zu denken wagte, um sie nicht zu versehren und zu beschmutzen. Aber merkwürdig, das Seelenbild der Wirklichkeit seiner himmlischen Liebe zu Sessi war so stark, von solch traumhafter Überredungskraft, daß es durch die lange Entsagung nicht schwächer, sondern stärker und stärker leuchtete und der brutale Akt im Mosighause in der Erinnerung immer weiter aus ihm hinausrückte und endlich als erbärmliche Verzerrung der Welt, an der er nicht schuld war, verschwand. So atmete er erleichtert auf und faßte den Mut, Sessi nicht mehr nur aus der Ferne mit den Augen zu folgen, sondern ihr wieder nachzugehen.

Obwohl er angestrengt auf die Versetzung in die Obersekunda hinarbeitete, wurde diese selige Sehnsucht nach Sessi durch den Frühling wachgehalten und immer stärker angespornt. Am Zacken schmetterten schon Finken ihr Angriffslied, das Meisengeigen huschte durch die umgrünten Bäume, Lerchen schossen da und dort Liederraketen kerzengerade in den Himmel, und im Walde begann sogar der Specht seine Liebestrommel zu rühren. Da die Natur solcherweise Damian in seiner Jünglingsscheu zu Hilfe kam, wurde die Entfernung immer kleiner, in der er Sessi zu folgen wagte.

Am Tage nach der glücklichen und mit Auszeichnung erfolgten Versetzung in die Obersekunda, als Damian in entschlossener Ungeduld durch die Felder schweifte, sah er das geliebte Mädchen einsam und versunken am Ufer eines der Grandorfer Teiche sitzen und über seinem Spiegel träumen, in dem der Flug der weißen Frühlingswolken auftauchte und verging. Geräuschlos näherte er sich ihr von hinten und legte seine Hände leise auf ihren Scheitel. Sie fuhr erschreckt herum, sah ihn scharf an und zuckte einen Augenblick in die Entschlossenheit hinein, aufzuspringen.

»Verzeihe, Sessi, daß ich dich erschreckt habe«, sagte Damian unsicher.

Da verschwand mit eins die Schärfe aus ihrem Blick, und ihr Gesicht blühte errötend auf.

»Nun, nun freilich«, antwortete sie leicht schmollend, »du warst lange fort.« Dabei rückte sie etwas zur Seite, ihn damit zum Niedersitzen einladend. Damian nahm Platz und ergriff ihre Hand, die sie ihm willig überließ.

»Sei mir nicht böse, liebe Sessi ... liebe Sessi«, sagte er selig und wußte schon nicht mehr weiter. Das Mädchen sah seine glückvolle Ratlosigkeit und half ihm, indem sie von der Schönheit des Teiches, der Bäume und des Gebirges zu reden begann und nach einem leisen herzlichen Druck ihm ihre Hand entzog. Da kam Damian zu sich und erzählte ihr, daß er ein paar Tage krank gewesen sei und dann angespannt auf die Versetzung habe hinarbeiten müssen. »Aber das ist alles glücklich überwunden, und seit gestern bin ich Obersekundaner.«

Dann redeten die beiden lange die innigen Belanglosigkeiten Liebender, die so schön und leuchtend sind wie Wölkchen, die vor der Sonne hergehen. Aber ihre Worte hatten einen Schicksalssinn bekommen; denn Damian war kein Knabe mehr, sondern ein Jüngling geworden, und Sessi blühte in die Anfänge ihres Reifwerdens hinein.

Als sie auseinandergingen, küßte ihr Damian ritterlich die Hand, und Sessi sank mit dem Blick ihrer Augen in ihn hinein.

Auf dem Nachhauseweg war Damian fortwährend von dem klingenden Rausch befangen, in den ihn das Wiederfinden Sessis versetzt hatte, so daß er, losgelöst von allem, wie in tiefem Sinnen hinging. Aber es war kein Sinnen, sondern ein Schwelgen in glückhaften Klängen, Bildern und Rhythmen, die aus der Tiefe seines Wesens über ihn fluteten, bis sie sich in den Worten eines Gedichtes klärten, das er in den letzten Tagen gelesen hatte: »Den Schmerz verlorner Tage bedeckt ein frischer Kranz.« Denn er liebte seit je Verse; doch nicht aus Literaturbedürfnis, sondern aus musischer Hingabe und dem Glauben an ihre überirdische Kraft. Die Worte strömten aus seinem Innern hervor und gingen hauchleise über seine Lippen, daß er einem versunkenen Frommen ähnlich sah, der im Gehen betet. So reifte Damian dem unbegreiflichen Lebensschicksal mit Sessi entgegen, das seine unentrinnbare Wesensheimat wurde, obwohl er es nicht zu verstehen und zu enträtseln wagte, weil es ihm so hoch und unerreichbar erschien.

Deshalb verfiel er, um dieses geliebten Wesens ganz würdig zu werden, auf einen Gedanken, dessen wohl nur ein deutscher Jüngling fähig ist: aus fernen, abgeschiedenen Himmeln sich Sessis zu bemächtigen, die ihm irdisch unerreichbar war. So warf er sich auf das Studium der Sprache wie der Lebens- und Geisteswelt der alten Griechen, und je tiefer er eindrang, um so fester wurde sein Glaube, daß nur jene Welt die hochgeschwungenen, selbstgewachsenen Männer besessen hatte, denen er ähnlich werden wollte, und nur in den Frauen jener Zeit war das Urbild seiner Sessi enthalten.

In seinem ungeduldigen Fleiß genügte ihm bald der langsame Fortschritt des schulmäßigen Unterrichts nicht mehr, und er begann, gleich einem Entdecker, auf gut Glück schnellere Wege voreilig einzuschlagen, um in die Ideenwelt jenes Altertums einzudringen. Besonders Plutarch tat es ihm an, und immer, wenn er sich in seine Schriften vertiefte, hatte er die Empfindung, mit erlauchten Geistern zu einem olympischen Gastmahl gelagert zu sein. Schon in diesem Anfang geisterte ihn jene Schwärmerei für Perikles an, die ihn später ganz gefangennehmen und auf vielverschlungenen Wegen sein Lebensschicksal so stark beinflussen sollte.

Indes Damian Maechler sich auf so hohen Sonnenwegen ganz in den romantisch-geistigen Dienst um Sessi verlor und Reinhard Neefe auf der Flucht vor dem unterirdischen Wühlen seines Wesens immer tiefer in die Kirche gedrückt wurde, nahm keiner der beiden Jünglinge etwas von dem allgemeinen Stocken und den Überstürzungen wahr, die fast auf der ganzen Erde und so auch in Deutschland das Herannahen einer Katastrophe anzeigten. Die Scheidung der Stände und Klassen wurde krasser, Arbeiter und Unternehmer rangen in erbitterten Kämpfen um die Vorherrschaft, die Beamten sahen auf die Bürger herab, Land und Stadt verstanden sich nicht mehr, die Bauern wurden von Spekulanten ausgesogen, das Geltungsbedürfnis zersetzte die Stände der akademisch Gebildeten zu Cliquen, die eifrig auf Distanz hielten. Die Menschen trauten einander nicht. Dabei fehlte das hohe, überpersönliche Allgemeine, das Erhabene, in das alle durch überzeugten Glauben emporgehoben werden. Religion schmeckte man nur als Kirchengläubigkeit und geriet in einen Widerstreit von Konfessionen, politischen Parteien und Sekten, in eine Zersplitterungsseuche, deren Ende gar nicht abzusehen war.

Dieser Gibli, dieser Wüstenwind der Welt, hatte eingesetzt. Die Menschheitssonne hing hinter Wolken mit verschleiertem Licht. Überall fuhr von irgendwoher ein Luftstoß auf, trieb den Moralstaub durch die Gassen der Dörfer und Straßen der Städte und rüttelte bisweilen an Türen und Fenstern, daß sich die Menschen in ihren Wohnungen und Geschäften nicht mehr sicher fühlten und bei voller Gesundheit an einer seelischen Atemnot litten, die sie sich nicht erklären konnten. Ein unbegreiflicher Druck lag auf allen. Die Kauflust fing an zu versiegen. Die Warenlager in den Fabriken häuften sich, die Berufe waren überfüllt.

Diese allgemeine Betroffenheit, ja Bedrückung empfand der nach dem Scheitern seiner Daseinshoffnung ganz in sich versunkene Jochen Maechler besonders tief – er, der auf Grund seines Wesens immer mehr und mehr um das Vertrauen in den Halt und die Sicherheit aller Einrichtungen, ja um den Glauben an die Menschen gekommen war und doch nicht die Kraft zur Weisheit und zu wirklichem Frommsein besaß. Von Zeit zu Zeit wurde die Verschlossenheit seines unräumlich versenkten Geistes gesprengt, daß er, wie aus dem Blauen heraus, Klagereden gegen sein Christel über Menschen- und Zeitnot von solcher Unenträtselbarkeit und Tiefe führte, daß die Frau an die Unbegreiflichkeit jener Reden erinnert wurde, die er ehemals im Traume der Nächte gehalten hatte und die dann von selbst spurlos aus seinem Leben verschwunden waren. Darum hörte sich das lebensüberlegene Christel diese Ausbrüche Jochens, die wie im Krampf sich herausschleuderten, ruhig an. Er redete von den Wahnhäusern der Staaten, von der Dunkelheit, die hinter jedem her ist und gegen die wir uns nur mit der Fliegenklatsche unseres Verstandes wehren. Und wenn er so leidenschaftlich zu seinem Christel geredet hatte, drückte er sich heimlich aus der Stube über die Bodenstiege in seine geheime Kammer.

Nach einer Weile kehrte er ganz verändert wieder in die Wohnküche zurück, trat von Fenster zu Fenster, trommelte lustig an die Scheiben, pfiff dazu leise durch die Lücken seiner langen, gelben Zähne und ließ sich dann mit höhnischem Auflachen in den Lehnstuhl fallen, in dem er nach kurzer Zeit einschlief, so einschlief, als stürzte sich ein Lebensmüder in einen tiefen Teich, dessen Oberfläche sich sofort wieder zum ruhigen glatten Spiegel glättet.

Diese Vorkommnisse begannen gegen das Ende des Jahres 1912 und nahmen langsam, aber so unmerklich zu, daß die Frau glauben durfte, die rätselhafte Beladenheit ihres undurchsichtigen Mannes werde wohl wieder von selbst aufhören, nachdem sie ihn eine Weile unterjocht hatte.

Zu Beginn der Weihnachtsferien kam Damian durch die Feldgasse gejagt, stürzte glückstrahlend in die Stube, zog das Zeugnis aus der Büchermappe und breitete es mit jubelndem Ausruf auf den Tisch: »So, da habt ihr's, und im April ist das Abitur!« Das Christel las es und fiel dann glücklich ihrem Jungen um den Hals.

Auch Jochen machte sich über das Schriftstück her, las es langsam und gründlich und wurde bei jeder der guten Zensuren immer starrer und grauer im Gesicht. Dann schob er es langsam über den Tisch hin, Damian zu, sah ihn lange forschend an und sagte unter schwerem Ausatmen: »Ja, das ist wirklich gut. Das muß man sagen«, machte eine Pause und fuhr dann leise fort: »und wenn du die Abgangsprüfung gemacht, das heißt bestanden hast, was soll dann werden, du, mein Sohn?«

»Nun«, antwortete Damian glücklich, »da gehe ich halt auf die Universität nach Breslau und studiere alte Sprachen!«

Da erhob sich Jochen Maechler, fahl im Gesicht, ungefüge, wie ein großes schweres Tier zum Sprung ausholt, und seine Augen flimmerten, daß Damian von einem Bangen überfallen wurde. Aber mit einem gewaltsamen Ruck sackte der Gerber in sich zusammen, wankte einen Augenblick, hielt sich jedoch mit beiden Händen so fest an der Tischkante, daß die Fingerknöchel weiß wurden.

Dann bemächtigte sich seines Gesichts ein abgetriebenes, hilflose? Lächeln, und während er sein Haupt schüttelte, sagte er mit versonnener Stimme mehr zu sich selbst: »Merkwürdig, als du geboren warst, wollte ich dich Dietrich nennen, daß du ein Schlüssel wirst, dem kein Schloß zu widerstehen vermag. Eigentlich freilich meinte ich nur das Gerberschloß. Aber dein Großvater gab das nicht zu. Er wollte durchaus einen Damian haben. Da ist es halt so gekommen. Ich kann nichts dafür.«

Den letzten Satz sprach er hauchleise und wandte sich still der Tür zu. Obwohl sich das Christel und Damian in liebevoller Bestürzung Mühe gaben, ihn der alten Lebensverdunklung zu entreißen: es nutzte nichts. Er hörte sich alles ruhig, ohne ein Wort an und ging langsam aus der Stube. Am Mittag kam er nicht zu Tisch und konnte auch nirgends im Hause gefunden werden.

So verschollen Jochen Maechler an diesem Tage aus der Stube irgendwohin gegangen war, blieb er die ganzen Feiertage, zu Weihnachten und Neujahr. Am ersten Schultage Damians blieb er im Bett liegen, und als das Christel nachsah, was mit ihm los sei, traf sie ihn, die Arme unter dem Kopf verschlungen und mit großen Augen ruhig in die Höhe schauend. Er regte sich nicht beim Eintritt seiner Frau und Versehrte seine Haltung auch nicht durch die geringste Bewegung, als sich das Christel zu ihm auf den Bettrand setzte und angehaltenen Atems auf ein Wort von ihm wartete.

Endlich sagte er, ohne die Arme unter dem Kopf wegzuziehen oder das Gesicht ihr zuzuwenden, gerade in die Höhe über sich:

»Es ist gut, Christel, daß du nicht sagst, was in dir vorgeht, denn dem rechten Menschen ist das Inwendige des andern ein Brunnen, der immer zum Schöpfen offensteht. Ich weiß alles. Du wunderst dich, daß ich noch nicht aufgestanden bin und die Gesellen auch noch nicht gekommen sind. Ich habe sie beide entlassen. Vor der Hand ruht das Handwerk, wie lange, das wird sich zeigen. Das Geschäft ist zurückgegangen. Ich habe so viel Leder auf dem Lager, daß ich's entweder verschleudern müßte, um Platz zu schaffen oder immer neues fertigzumachen, bis es mir das Dach in die Luft drückt.«

Jochen Maechler machte eine Pause, und Christel war es möglich, zu Wort zu kommen:

»Ja, lieber Mann, was soll denn werden, wenn –« Der Gerber ließ sie nicht ausreden, nahm seine Arme unter dem Kopf vor, und mit nachsichtig-überlegenem Lächeln vollendete er die Bedenken seiner Frau:

»Wenn das Geschäft einigermaßen geht, langt der Verkauf unseres Lagers für unser Auskommen gut ein Vierteljahr. Da ist Damian in Rehberg dann fertig, und wir können sehen, was weiter wird.«

Er schwieg einen Augenblick und sah seiner Frau tief in das betroffene Gesicht.

»Jaja, liebes Christel«, sagte er weiter, doch nun mit einem erzwungenen Lächeln, und trommelte mit den Fingern auf dem Deckbett, »es gibt Musik, die lange dauert und noch spielt, wenn wir glauben, daß sie zu Ende ist. Laß gut sein! Ich roste indes nicht ein, und du bleibst auch im Gange. Der Lederberg muß aufs genaueste sortiert werden. Das ist meine Arbeit. Die Ausschnittstube besorgst du. Fehlen wird uns nichts. Es rumpelt in Deutschland und in der ganzen Welt, Christel. Jaja. Ich habe inwendige Ohren. Bald kommt das große Schermesser. Wie Gott will!«

Die letzten Worte sprach Jochen Maechler zögernd, mit beladener Stimme, und die Falten in seinem großen Gesicht gruben sich tiefer. Als er aber das Erschrecken seiner Frau sah, richtete er sich mit einem Herauslachen auf, schlug mit der Rechten lustig aufs Deckbett und rief launig:

»So, mein liebes Christel, haben wir die Lebensfelle geschweift, hahaha! Und nun richte mir das Frühstück!« Er schob rüstig die Beine zum Aufstehen aus dem Deckbett, und die Frau ging mit erzwungenem Lächeln in die Küche, denn sie erkannte, daß das drohende Bohren in ihrem Mann noch nicht erloschen war und das letzte Hoffen Maechlers mit einer Verzweiflung Wand an Wand in ihm lebte.

*

Auf diese Weise lief das Leben in dem Gerberhause auf der Feldgasse zu Wilkau weiter. Der Meister ging wie die Jahre vorher abseits, gütig und fleißig seiner Arbeit nach. Keinem fiel er beschwerlich, aber keiner auch fühlte sich von ihm herzlich angerührt, geschweige denn erhoben, erfüllt. Es war ein gelassenes Bangen um ihn, an dem niemand zu rütteln wagte, weil man es für unabwendbar betrachtete, bis nicht durch das glücklich bestandene Abitur Damians alle verrammelten Lebenstüren des Gerberhauses für Sonne und frischen Wind aufgerissen wurden. Der Sohn war nur noch für seine Arbeit vorhanden, und das Christel diente ihm voll heimlich glückhafter Mutterliebe in diesem Ringen zum Licht und der Befreiung aller. In den Tagen der Prüfung war das ganze Haus fast atemlos in Spannung, und der Gerber kam nur selten aus den Kammern herunter.

Am 14. April fiel die Entscheidung, und Damian stürmte in die Stube, wo Vater und Mutter in Erwartung am Tisch saßen. Mit fliegender Stimme verkündete er ihnen, daß er die Prüfung mit Auszeichnung bestanden habe. Das Christel war wie starr vor Glück, und die Tränen der Freude strömten ihr so aus den Augen, daß sie nichts sehen konnte und ratlos auf dem Tisch umhergriff. Der alte Maechler nahm seine Kappe vom Kopf und zerknüllte sie verfärbten Gesichts in seinen großen braunen Händen. Aber im nächsten Augenblick hatte sich die Maechlerin vom Sturz in das Glück erholt, sprang auf und flog ihrem Jungen an die Brust.

»Liebster Damian, ich danke dir aus Herzensgrund und beglückwünsche dich. Denn nun ist aller Kummer von uns genommen«, so sprach sie ergriffen, überstürzt, und küßte und streichelte ihn immerzu in hingerissener Liebe. »Sieh, wie der Vater glücklich ist, daß er sprachlos dasitzt. Nun wird er wohl nichts dawider haben, daß du studierst.«

Damian machte sich aus ihrer Umarmung los, um zum Vater zu treten. Ehe er ihn erreicht hatte, schrie Jochen unförmig: »Christel, das Schermesser!«, brabbelte noch etwas durcheinander, sackte zusammen und fiel mit dem Kopf auf den Tisch. Durch Rütteln und unter Anwendung von Wasser kam er bald wieder zur Besinnung, sah sich verwundert in der Stube um, blickte die beiden ratlos an, als begreife er nicht, was sie von ihm wollten, und fuhr sich dann verstehend über die Stirn.

»Ach so«, sagte er nach einigem Sinnen mit müder Stimme, »jaja, jetzt weiß ich, du bist ja durchgekommen und willst studieren – – – Ich hab' halt vor Freude den Verstand verloren. Nimm mir's nicht übel, Damian.«

Der erschütterte Sohn beugte sich zu ihm herab, und Jochen Maechlers bebende Lippen drückten etwas wie einen Kuß auf seine Wangen.

Den übrigen Teil des Tages streifte Damian in Wilkau und seiner Umgebung ruhelos umher, Sessi zu treffen und ihr den glücklichen Ausgang der Schlußprüfung zu verkünden. Je länger er vergeblich nach ihr suchte, desto beglückender sah er das Glänzen ihrer großen dunklen Augen und das Strahlen ihres schönen Gesichtes leibhaft vor sich, so daß das Niederdrückende, das sich im Hause seiner Eltern ereignet hatte, schattenhaft in ihm zurücktrat. Allein, als er im tiefen Dämmern von der ergebnislosen Fahndung nach Sessi in das Gerberhaus entmutigt und abgetrieben zurückkehrte, fiel das Dunkle wieder über ihn her. Er traf seine Mutter allein in der Stube. Sie saß versunken in einer Ecke in der unerleuchteten Wohnküche und rührte sich auch bei seinem Eintritt nicht aus ihrer Beladenheit. Als er fordernd sein »Guten Abend!« rief, trat sie aus dem tiefen Winkelschatten, wo sie auf einem Stuhle gesessen hatte, zehenfüßig leise auf ihn zu und bat ihn flüsternd, nicht laut zu sprechen, um den Vater nicht zu wecken, der, noch sehr mitgenommen, nebenan im Bett liege. Dann zupfte sie ihn am Ärmel und ging diebsleise über die Stube aus der Tür. Damian folgte ihr ebenso vorsichtig und drückte geräuschlos die Tür ins Schloß. Im Vorgärtchen umarmten sich die beiden und lauschten handverschlungen in die Nacht, als erwarteten sie von irgendwoher aus dem Unermeßlichen Hilfe.

Da klang aus dem Schlafzimmer Maechlers Stimme. Das Christel schrak zusammen und gab Damian einen Kuß.

»Er darf dich jetzt nicht sehen. Geh auch du schlafen. Gott mit dir«, flüsterte sie und schlüpfte eilig ins Schlafzimmer. Damian stieg lautlos in seine Mansarde.

Am andern Morgen war dem Gerber fast nichts von den überstandenen Störungen anzumerken. Nur seine Stirn war richtig zerknittert, und seine Augen gingen geduckt in den Höhlen umher. Daß er keine Miene machte, an seine tägliche kleine Arbeit, das Ledersortieren, heranzugehen, sondern behaglich müßig in der Stube umhersaß oder durch den kleinen Garten trödelte, deutete sich das Christel als eine Anregung, diesen Tag feierlich zu begehen, und gab sich Mühe, das Mittagsmahl reicher zu gestalten und mit einem Strauß der ersten Frühlingsblumen zu schmücken. Allein das wagte sie nicht, Jochen Maechler an das Heraufholen einer Flasche Wein zu mahnen, weil sie fürchtete, ihn damit in seine Zerrüttung zurückzutreiben. So ging das Mittagessen gedrückt und mit leeren Reden hin. Maechler aß ausreichend, zog sich die Weste herunter, stand prustend auf und machte Miene, im Schlafzimmer zu verschwinden. Da gab das Christel Damian unauffällig ein Zeichen, von dem zu reden, was er ihr heimlich anvertraut hatte. Und Damian sagte verlegen:

»Du, Vater.«

Maechler, der schon die Hand nach dem Türdrücker gehoben hatte, ließ davon ab und drehte sich nach seinem Sohne um und fragte, nicht unwirsch, sondern ruhig:

»Na, was hat's, oder was willst du?«

»Weißt du, Vater, aber ich bitte, nimm's nicht übel. Es ist Sitte, daß die Abiturienten vor dem Auseinandergehen abends zu einem Abschiedstrunk zusammenkommen, und ich möchte, wenn du es erlaubst, mich davon nicht ausschließen.«

Maechler sah ihn groß an, als rede Damian von etwas längst Vergessenem.

»Hm, hm. Jaja«, antwortete er dann, in seinem Gedächtnis suchend. Aber da hatte er es erwischt und fuhr erleichtert fort:

»Ach so, jaja, Abiturient! Natürlich, mein Junge, wo denkst du denn hin! Freilich mußt du dabei sein. Aber feste. Wer ›a‹ gesagt hat, muß auch ›b‹ sagen. Damit griff er in die Tasche und reichte ihm ohne nachzusehen lachend mehrere große Geldstücke.

»So, das ist mein ›b‹, das ich dazu sage, hahaha! Und viel Vergnügen.«

Mit einem ermunterndem Klaps auf seine Achsel verschwand er hinter der Tür.

*

Als Damian nach einem reichlichen Abendbrot sich zur Fahrt nach Rehberg fertiggemacht hatte und mit der Mutter zögernd in der Wohnküche stand, weil er noch vorher dem Vater für seine Güte danken wollte, half ihm das Christel über die Bewölktheit des Gemütes mit gutem Zuspruch hinweg.

»Du willst dem Vater guten Abend sagen«, sprach sie. »Kümmer dich nicht. Er ist irgendwo im Haus oder in der Werkstelle. Wo, weiß ich nicht, und er will auch von niemand gefunden werden. Fahr du ruhig. Ich werd' ihn von dir grüßen. Nimm's ihm nicht übel. Du solltest sein Nachfolger im Gerberhaus werden. Und du kannst es doch beim besten Willen nicht. Ja, darfst es gar nicht. Da ist dem lieben Vater alles zerschlagen, und er sitzt in irgendeinem Winkel, weil er sich nicht anders helfen kann. Aber kümmer dich nicht. Er ist ein starker Mann, und wenn es ihm auch schwer wird, er kommt darüber hinweg. Laß nicht den Kopf hängen. Denk an deine Mutter, die glücklich ist darüber. Gib mir einen Kuß und lach und singe; denn du bist auf dem Wege, nach dem du dich gesehnt hast.«

Damian umarmte seine Mutter und sprang durch das Vorgartchen auf die Gasse, von wo er noch einmal zurückwinkte.

Die Abschiedskneipe fand in dem Vereinszimmer des damals besten Rehberger Hotels »Preußischer Hof« auf dem Wilkauer Platz statt und unterschied sich in nichts von der üblichen Schlußfeier der Abiturienten, die durch fröhliches Draufgängertum die letzte Schülerbeklemmung abwerfen und sich an studentischen Allüren berauschen, die sie im Hineinspringen als die Hauptsache der akademischen Freiheit empfinden, so daß es nach einigen Stunden schon recht chaotisch herging.

Reinhard Neefe, der auch, obwohl recht gerupft, durch das Examen gekommen war, saß ein wenig vorgeneigt, wie es seit dem geistlichen Umsatteln seine Gewohnheit geworden war. In einer Art gierigen Lauschens verfolgte er alle Vorgänge am Kneiptisch genau, fast hungrig, und brach beim Auffliegen eines besonders blühenden Blödsinns wie die anderen in Gelächter aus, das bei näherem Zusehen doch einen geheimen hämischen Zug hatte. Die Hände hielt er meistens krampfhaft gefaltet, entweder vor oder hinter dem Bierglas, als klammere er sich zur Entsündigung an ein stummes Gebet. Merkte er jedoch, daß ihn jemand beobachtete, so gab er sich im Anlauf zur Frechheit einen energischen Ruck, riß die verschlungenen Hände unwillig auseinander und stürzte sich jäh eine große Lusche Bier in den Hals. Dieser Unwille über seine erzwungene Gedrücktheit überfiel ihn öfter und öfter, so daß er schon ins Schimmern kam, während Damian Maechler, ihm schräg gegenüber, aufrecht, in gelöster Heiterkeit und unbelastet froher Mäßigkeit klaren Auges den Trubel mitgenoß. Neefe empfand das stärker und stärker als absichtliche Beschämung seiner Person und prostete ihn häufig an. In artiger Höflichkeit tat ihm Damian jedesmal Bescheid, während Neefe das Glas ärgerlich auf den Tisch stieß. Da merkte Maechler die beginnende Trunkenheit des unglücklichen früheren Freundes und beschloß, ihn zum Aufbruch zu bewegen, weil er seine Unbeherrschtheit kannte, sobald er sich in Leidenschaft verlor. Deswegen gab er ihm ein Zeichen, auf einen Augenblick mit ihm hinauszugehen.

»Fällt mir gar nicht ein!« rief der Starrköpfige und wurde geradezu ärgerlich, weil ihm andere auch zuredeten.

Der lange Black, der die kleine Schar als Präside durch die ausgelassene Trinkflut steuerte, sah dem Handel eine kleine Weile grienend zu, gab Damian recht, hieb auf den Tisch, sprang auf und gebot Silentium: »Wir sind weit hineinmarschiert, Kommilitonen«, krähte er übermütig, »die grauen Kittel der Schule verblaßten hinter uns in wesenloser Weite, und die Lust zu einem neuen Leben ist in flammenden Zeichen auf jede Stirn geschrieben. Selbst der heilige Neefe hat das Habit seiner bewährten Frömmigkeit ausgezogen. Für eine Weile aus dem Weihkessel gestiegen, will er in tiefer Besinnlichkeit zu uns Unwürdigen sprechen. Ich gebe das Wort unserm hoch würdigen Reinhard Neefe.«

Schallendes Gelächter von allen Seiten folgte. Der Angeulkte wurde kreideblaß und seine Lippen zitterten. Er hieb das Glas auf den Tisch, daß das Bier umherspritzte, sprang vom Stuhle auf und schrie mit überschnappender Stimme:

»Pfui und dreimal Pfui! Hol euch alle der Teufel!« Dann stürzte er taumelnd hinaus und schlug die Tür hinter sich zu.

Mit ein paar langen Sätzen war Damian hinter ihm her und erwischte ihn, als er gerade aus der Hoteltür auf den Wilkauer Platz treten wollte. Mit einem unwirschen Ruck wandte er sich nach Damian und fragte herauslachend:

»Na, haben sie dich auch 'rausgeschmissen?«

»Ach, weißt du, 's ist ja wirklich verrückt.«

Dann redete er ihm gütig zu, daß doch alles nur ein Bierulk gewesen sei, der eben nur der vorgeschrittenen Stunde zugeschrieben werden müsse und nicht tragisch genommen werden dürfe, und während Damian das leise auf ihn einredete, setzte er Neefe vorsichtig die Mütze auf, die er in der Wut am Rechen hatte hängen lassen. »Weißt du, Reinhard, eigentlich ist es auch gut so, daß wir beide Schluß gemacht haben. So sind wir noch anständig über die Treppe heruntergekommen und gehen nun miteinander ruhig nach Hause.«

Damit schob Damian seinen Arm kräftig unter den Neefes und dirigierte ihn über den Wilkauer Platz an der elektrischen Haltestelle vorüber in die Trennsdorfer Straße.

Plötzlich bockte der Bierüberfällige und schrie:

»Nein, nein! Ich muß mich noch beim hochwürdigen Herrn Pfarrer verabschieden. Das geht nicht, daß ich wie ein Landstreicher einfach bei Nacht und Nebel verdufte.«

Damit versuchte er sich mit Gewalt von Damian loszureißen. Der aber hielt ihn wie ein Schraubstock fest und redete ihm gut zu.

»Was denkst du denn, bei Nacht und Nebel. Es ist über eins, und du kannst doch den Pfarrer jetzt nicht aus dem Schlafe trommeln. Komm du ruhig weiter mit. Wir erzählen uns etwas und sind so im Handumdrehen in Wilkau.«

Neefe gab knurrend nach, um seine Selbständigkeit zu betonen, und genoß auch zugleich das Behagen, seinen alten Freund wiedergewonnen zu haben.

Er ließ sich leichter weiterleiten. Von Zeit zu Zeit lachte er lustig auf und sagte:

»Jawohl, hast recht. Es war wirklich gut!«

Drei-, viermal platzte das aus ihm heraus. Sonst ging er stumm, brütend neben Damian hin.

Auf der Heidewasserbrücke versagten ihm unvermutet die Kräfte, daß er stehenbleiben mußte, sich über das Geländer lehnte und gespannt hinunter auf das Flüßlein sah. Damian, der schon am Ende der Brücke stand, beugte sich auch über das Geländer, um zu entdecken, wodurch Neefes Aufmerksamkeit so gefesselt worden sei.

Da hörte er ihn leise weinen und schluchzen, und ehe er sich's versah, fiel ihm der Aufgelöste um den Hals und bedeckte Damians Gesicht über und über mit schleimigen, mißduftenden Küssen.

»Ach, Damian, Freund«, stotterte er dabei, »du verachtest mich immer noch wegen meiner Sünde. Ich gehöre eigentlich da hinunter, zwischen die Steine, unters Wasser. Jawohl. Aber Gott ist gnädig, und so ist mir weiter das Leben geschenkt, zu dem mich damals in dem verfluchten Mosighause dein Freundeszorn geweckt hat. Nie werde ich dir das vergessen. Tausend Dolche der Reue haben mein Herz seitdem durchbohrt ... Aber einmal wird die göttliche Vorsehung es mir gewähren, mein Leben für das deine einzusetzen.«

»Ach, laß doch sein, Neefe!« unterbrach Damian seinen Ausbruch. »Das hopst ja alles schon in der Luft. Gehen wir nach Hause.«

Darauf sprang Neefe zurück und zischte in höchster Wut: »Du lächelst? – Schäm dich deiner Herzenshärte und Überheblichkeit. Pfui, du Menschenhund!« schrie er auf und versetzte Damian einen solch wilden Stoß, daß er in das Heidewasser geschleudert worden wäre, wenn er nicht im Hinabtaumeln das Geländer zu fassen bekommen hätte.

Erschüttert, tief aufatmend stand er bald wieder auf dem Gehsteig und sah Neefe schwankend und Gott um Gnade flehend in der Nacht verschwinden.

Da war es ihm, als rette sich die ganze Menschheit vor ihrem unterhöhlten Wesen unter Anrufung der höchsten Macht, die ihr zum Götzen geworden ist, in Dunkelheit und Nacht.

Sein geliebtes Altertum mit den klaren, mutigen selbstgewachsenen Menschen tauchte vor ihm auf, und als Göttin sah er »seine«, »seine« Sessi züchtig geneigten Hauptes mit ihrem hohen langen Gange als glänzendes Traumbild über die verklärte Erde schreiten, und während er langsam die kurze Feldgasse nach dem Maechlerhause hinging, fühlte er sich von dem Gram seines Vaters losgesprochen, den er nur hätte verhindern können, wenn er bereit gewesen wäre, sein eigenes Leben zu zerstören.


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