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Sechzehntes Kapitel

Den ganzen Winter über versuchte es Jochen Maechler nur einigemal, der Innenverdämmerung seines Wesens durch eine Fluchtreise auf den Wilkauer Feldern zu entfliehen, mußte es aber immer nach einigen hundert Schritten aufgeben, da er bis an den Beinschluß in den Schneemassen versank und Mühe hatte, sich in seinen eigenen Stapfen nach Wilkau zurückzuarbeiten.

Einst gegen das Ende des Winters, da der harsche Geselle sich kaum mehr des Gesummes der warmen Winde erwehren konnte, die ihn aus allen Gegenden umspielten, kam Jochen um den Abend herum wieder einmal vom Felde herein. Sein Spaziergang war trotz des Wetterwechsels, der doch fühlbar in der Luft hing, nichts als fast nur ein Schneetreten gewesen, das ihn nicht vorwärts brachte. Dazu steckte ihm der nahende Frühling dergestalt in den Knochen, daß es ihm war, als sei sein ganzer Körper mit Steinen vollgepackt. Das Gehen wurde ihm schwer, denn die Beine schienen richtig in allen Gelenken eingerostet zu sein, daß er Mühe hatte, sie zu bewegen. Im tiefen Schlummern traf er endlich in Wilkau ein, wischte sich den Schweiß von der Stirn und atmete erlöst auf, als er die feste Straße unter den Füßen fühlte. Allein, es war wie vernagelt, an ein forsches Vorwärtskommen war auch hier nicht zu denken. Sein Gehwerk gehorchte ihm sehr widerwillig, und wenn er es dennoch in seine Gewalt bekommen wollte, wurde ihm schwindlig, daß er sich sogar des Taumelns nicht ganz erwehren konnte. Deswegen bog er, um nicht in diesem Zustande über den Schloßplatz zu müssen, an der katholischen Kirche ab, um über die Gansertbrücke und zwischen den Gärten in sein Haus zu gelangen. Aber am Langen Hause ging es gar nicht mehr, und wohl oder übel blieb ihm nichts übrig, als sich auf den Stufen niederzusetzen, die zum Langen Hause emporführten. Die wenigen Menschen, die vorübergingen, stutzten wohl, als sie den Meister auf der Treppe hocken sahen, redeten ihn aber nicht an, weil sie wußten, daß sie von dem einirdisch gewordenen Manne doch keine Antwort erhalten würden. So gab sich der Gerber ungestört dem Genuß seiner seltsamen, unerwarteten Müdigkeit hin. Gemach ließ das Summen in seinen Gliedern nach, und eine Gelöstheit kam über ihn, in der etwas Geheimnisvolles war, wie der lautlose, ungehörte Schritt des nahenden Schlafes. Der verwandelte sich bald in ein wehendes Gehen im Innern des Langen Hauses, das eine Treppe niederstieg und, über einen kurzen Flur herkam. Dann ging die Tür auf. Aber zwischen dem Auf- und Einschwung ertönte von drinnen der Ruf: »Sessi!« So bänglich liebevoll und warnend, daß der Gerber bis in seine Seele erschrak. Aber, ehe er sich von dieser Erschütterung erholen konnte, fühlte er das Streichen der Kleider einer hohen Mädchengestalt neben sich vorüberwallen und hatte die Empfindung, als fahre ihm eine Hand hauchleise, begütigend über den Kopf.

Da sprang der Gerber auf die Füße und sah sich um. Aber Treppe und Straße waren leer bis auf eine alte Frau, die gebeugt, vor sich hinstarrend, an dem Meister vorüberging, ohne nach ihm hinzusehen. Er faßte sie an der Achsel.

»He, haben Sie nicht eben jemand hier aus dem Langen Hause kommen sehen?« fragte er leise.

Die Alte fuhr erschreckt zusammen, starrte ihn einen Augenblick an, tippte mit dem Finger an die Stirn, lachte höhnisch auf und ging ohne Antwort weiter.

»Jaja«, murmelte Jochen Maechler, »ganz recht, eine verrückte Welt.«

Dann bog er entschlossen, festen Schrittes in die Trennsdorfer Straße zurück und ging nun doch, um das Geschehene ins Unrecht zu setzen, über den Schloßplatz nach Hause. Er ahnte nicht, daß er einen Traumblick in eine ferne Zukunft getan hatte, war aber im Innersten trotz seiner Gegenwehr so davon berührt, daß er seiner Frau nichts sagen mochte und mit beiläufigen, kargen Worten wieder von einem nötigen Geschäftsgang und dem scheußlichen Wetter sprach, das man endlich bis in den Hals hinein satt habe. Das Christel blinkerte ihn mit vergnügter Listigkeit an, und Damian machte sich mit solch herzlichem Vertrauen um ihn zu tun, daß er ihm mit der Hand leise über die blonden Haare fuhr. Als er aber dabei denken mußte, daß »Sie« ihm so über den Kopf gestrichen hatte, wiederholte er die Liebkosung nicht mehr.

Auf solche Weise wurde Jochen Maechler innerlich immer wehrloser und widerstand kaum mehr dem Wogen, das aus der lebendigen Nacht der Vorfahren sich in sein Leben schwemmte, wie er es nicht hatte hindern können, daß aus dem Lande der Zukunft ein zwitteriges Fluglicht sein umschummertes Bewußtsein auf der Treppe des Langen Hauses getroffen hatte. Schweigend und versunken trieb er mit seinen beiden Gesellen das Handwerk, als gebe es für ihn auf der ganzen Welt nichts als Häute kaufen, scheren, walken und zurichten. In der Nacht hörte ihn Christel wieder eifrig am Schreibschrank mit dem Gelde schwirren und dann auf leisen Sohlen über die Stiege hinauf närrisch durch das Haus schweifen.

Nur dann und wann, als das Grün schon anfing, auf der Erde heimisch zu werden, machte er an besonders günstigen Abenden auf der Feldgasse seine Gänge bis zur Heidewasserbrücke und der Glaeserschen Gärtnerei, wo er auch manchmal nach alter Gewohnheit an dem eisernen Gartentor stehenblieb und gleichmütig über die Beete schaute, die schon tüchtig zur neuen Pflanzung bereitet waren. Sowie aber aus dem Hause Stimmen aufklangen oder Menschen hin und wider gingen, wandte er sich ab und trödelte die Feldgasse hinunter.

Da blieb es denn nicht aus, daß Jochen Maechler auch auf diesen engen Gängen zu seinem inneren Vertauchen kam. Zwar führte es ihn nicht mehr wie früher an die tote Dünenküste und das unbewegliche erloschene Graumeer, nein, in dem Maße, wie die Sonnenwärme immer stärker in alle Lebensadern sich ergoß, die Bäume schon mit jungem Grün einander zuwinkten, überkam den Meister dann und wann eine merkwürdige, wie schlafwandlerische Erwartung ähnlich jener traumhaften vor Wochen auf der Treppe des Langen Hauses, und ein unsichtbares Wesen tauchte neben ihm auf, daß ihn wieder wie damals eine rätselhafte Erschütterung anfiel. Und jedesmal, wenn er an dem Glaeserschen Tor gestanden hatte, war diese Bewegung in ihm besonders stark. Um sich dagegen zu wehren, unterließ er seine Hin- und Widergänge auf der Feldgasse ganz und suchte auf dem früheren Werkplatz der Gerberei über der Feldgasse am Heidewasser den Ort, ungestört in das ferne, ungewöhnlich Unfaßbare zu kommen, das seit seiner frühen Kindheit sein tiefstes Inneres bewegte und erfüllte. Den alten Werkplatz hatte einst sein Vater für seine Frau Lotte, Jochens Mutter, in ein Blumengärtlein umwandeln lassen und längs des Weges dichtgestellte Fichten gepflanzt, um den Platz gegen die neugierigen Blicke der auf der Feldgasse Vorübergehenden zu schützen, damit sich Lotte in den Stunden dunkler Gemütsbedrängtheit dorthin ungestört zurückziehen könne. Und wie der damalige kleine Jochen als winziger Philosoph ohne Gedanken öfters auf den Blumenwerkplatz geschlichen war, wenn seine Mutter ihn verlassen hatte, so suchte jetzt derselbe Jochen als überreifer Mann das baumgeschützte Plätzlein auf. Freilich, in den vierzig Jahren, die seitdem vergangen waren, hatte sich das Blumengärtlein in einen Bleichplan verwandelt, und der Gerber konnte nun ungehindert seine Umgänge machen, wie es ihm gut dünkte. Das ging oft bis in die beginnende Nacht hinein, weil die Tage immer wärmer wurden, und Christel stellte dann sein Abendbrot auf die Seite und wartete, bis ihr Jochen mit dem »Wolkenschieben«, wie sie sein Gehaben lächelnd nannte, fertig war und von selbst anrückte.

An einem klaren Abende am Schluß der Woche, nachdem der Meister seine Gesellen abgelohnt hatte, erwachte in ihm ein besonderes Gelüst nach dem lebensalten Sichverlieren in seine innere Unräumlichkeit, das wieder wie ein Erwarten ihn erfüllte, so, daß er eher als sonst sich nach dem Werkplatz zu in Bewegung setzte. Die alte Gewohnheit lenkte, ihm unbewußt, seine Füße ein Stück auf den Weg zum Glaeserschen Gartentor. Aber bald merkte er seinen Irrtum, machte kehrt und schlüpfte zwischen den eng gestellten Fichten auf seinen Träumeplatz. Dabei streiften ihn die Zweige der Bäume dergestalt, daß es dem Gerber war, als würde er von einem Menschen berührt. Als er auf dem Werkplatz stand, schaute er sich verwundert lächelnd um, ob nicht doch jemand ihm durch die Fichten nachgedrungen sei. Aber nichts nahte sich ihm, nichts, niemand kam. Die Fichten bewegten nur noch sanft ihre Zweige. Er war ganz, ganz allein auf der Welt. Sein Christel schaute nach einer anderen Gegend des Lebens, Damian nach, der auf ein anderes Dasein zu und von ihm weg drängte. Aber dieser tiefe Lebensgram hatte sich in schwerem Ringen zur Melancholie gesänftigt, die er förmlich genoß in dem gesegneten Frühlingsabend, der ihn aus allen Bäumen mit Vogelflattern und Zwitschern überschüttete und vom Riesengebirge mit Abendgewölk, wie eine goldene Mauer, zu ihm hersah. Zuletzt setzte er sich, des Wandelns müde, wie früher als Junge auf die Steifmauer und sah dem Heidewasser zu, das mit behaglichem Klimpern seine kleinen Wellen unter ihm hintrieb.

Es kamen auch Vögel, die es an den Bach herantrieb, entweder um den letzten Abendtrunk zu tun oder um von Stein zu Stein, die da und dort aus dem Wasser ragten, ein neckisches Spiel zu treiben, das bei den meisten, wie konnte es auch in diesem abendlichen Frühlingsglühen anders sein, von Verliebtheit nur so strotzte. Wasserstare schmätzerten und huschten. Rotschwänzchen tauchten auf und verschwanden. Finken ließen sich zu einem schnellen Schluck aus den Bäumen und verschwanden wieder hinauf ins Laub, wo der und jener, wie um die erfrischte Kehle zu proben, sein seliges Gesetzlein schmetterte und dann im Grün einem lockenden Weibchen nachjagte. Am buntesten trieb es ein Bachstelzenpaar, das wohl nicht weit weg in der Ufermauer schon ein Heimatloch ausgekundschaftet hatte. Bald stoben sie wie hitzige Feinde gegeneinander, bald saßen sie entfernt wie ganz Fremde, jeder auf seinem Stein, trippelten und wippten mit den Schwänzchen; bald schleuderte die Brunst das Männchen mit schrillem Schrei über das Weibchen hin, das sich gleichgültig duckte; bald tänzelte der Bachstelzerich am Uferstreifen vor seiner Erwählten, lockerte die Flügel, spreizte fächerartig den Schwanz und fegte so leidenschaftlich um das Weibchen, daß der Sand stob. Dabei umschillerte er die Begehrte mit einem so vielfältigen Liebeslied, wie Jochen es noch nie im Leben von einer Bachstelze gehört hatte. Der Singsang des verliebten Vogels war so aufregend zu sehen und zu hören, daß es dem einirdischen Gerber dann und wann in Erwartung den Atem versetzte. Und als die beiden dann nach der glücklichen Verschmelzung einträchtig davonflogen, sah ihnen der verloren einsame Mann mit großen Augen nach, während das Schwelgen und Schluchzen des Liebesgesanges in seinem Ohr noch forttönte.

In dieser Verzauberung saß Jochen Maechler bis in die Nacht hinein und wagte nicht, sich zu rühren, um den Schimmer nicht zu versehren, der in ihm blühte.

Als er mit einem Ruck zu sich kam, griff er neben sich auf die Mauer, und als er enttäuscht den Platz leer fand, sah er suchend umher. Aber überall war nichts als tote Nacht, in der nur das leise eintönige Rieseln der Baumkronen lebte.

Nein, doch nicht! Nahten nicht draußen auf der Feldgasse vorsichtige Schritte? Hielten an, kamen zögernd näher, und dann zwängte sich wer durch die Fichten, daß Maechler die Zweige schnellen hörte. Der Gerber sprang auf, lauschte angestrengt und tat einen Schritt vorwärts.

Da fragte eine Mädchenstimme flüsternd, stockend und furchtsam.

»Lieber Herr Maechler ... Herr Maechler ... sind Sie da?«

»Was denn?« fragte der Meister, wieder in sein aufgerührtes Blut getroffen, streckte die Arme vor sich und ging auf die Stimme zu. Nach ein paar Schritten griffen seine Finger an einen vollen Busen. Er faßte zu, und das Mädchen kicherte leise, aber glücklich auf.

»Ach, Sie sind's, Kathinka«, sagte er und gab sie zögernd frei. »Was wollen Sie denn hier?«

»Ach, Herr Maechler, Sie tun mir so leid. Ich kann's Ihn' gar nich sagen. Immerfort müssen Sie sich also 'rumtreiben. Niemand kümmert sich um Sie. Und wie Sie heute wieder aufs Tor zukamen, da hat mir's einen Stich gegeben, daß ich's nicht mehr aushielt. Lieber, armer Herr Maechler.«

So überstürzte sich das Mädchen hauchleise, heiß, ja manchmal fast schluchzend, und drängte sich an den Gerber, der fassungslos zuhörte.

»'s ist gut, liebes Mädel, jaja. Und jetzt geh nach Hause.« Maechler atmete nach einer Weile tief auf, strich dem Mädchen liebreich über die Wange und drängte sie durch die Fichten auf die Straße.

»Darf ich wiederkommen, Herr Maechler?« fragte sie leise.

Der Gerber brummelte etwas und schob sie auf die Gärtnerei zu.

Das Gerberhaus war schlafstill. Ohne Licht zu machen, schlich er durch Flur und Wohnküche in das Schlafzimmer, horchte nach seinem tief atmenden Weibe und kroch dann lautlos in sein Bett. Kaum, daß er sich gestreckt hatte, so fiel ein Blutstrubel über ihn, den er noch gar nicht kannte. Mit solcher Gewalt überschwemmte er ihn, als breche er von außerhalb seiner Wesensgrenzen los, so, als habe er, Maechler selbst, auf seinen geheimen einsamen Fluchtstreifen langsam die Staudämme der Fluten abgegraben, die jetzt über ihn herbrachen. »Unsinn, verfluchter Unsinn«, sann er in verächtlicher Gegenwehr, »das war doch bloß die Glaesermagd!« Aber es half ihm nichts. Es wirbelte ihn unausgesetzt, bis er auf dem Schlafgrund angelangt war.

Wirklich niemand anders als Kathinka, die Magd des Gärtners Glaeser, hatte den Gerber auf dem Werkplatz am Heidewasser besucht. Dasselbe, kaum sechzehnjährige Mädel war es, die in der schwersten Zeit des Zerwürfnisses zwischen Maechler und dem Inspektor Neefe einst auf der Feldgasse tolpatschig das Christel von dem Unglückssturz Neefes über die Treppe in den Hausflur unterrichtet hatte. Seitdem Kathinka dem Gerberhause diesen nach ihrer Meinung großen Dienst erwiesen hatte, fühlte sich das kindlichbäuerliche Gemüt mit Maechler und seiner Frau auf sonderliche Weise verbunden, zumal das frische Christel die magdlichen Huldigungen Kathinkas in gutmütiger Heiterkeit nicht nur annahm, sondern dem Mädchen dann und wann gar einen scherzhaften Zuruf gönnte. Der mächtige, ernste Meister aber quittierte ihre Grüße stets mit wohligem Schmunzeln.

So fühlte sich Kathinka durch die Auszeichnung des gerberlichen Ehepaars recht heimisch auf der einsamen Feldgasse und hatte in der Glaeserschen Gärtnerei ausgehalten, obwohl ihr ihr Dienstherr, ein galliger Sparstößer, ja Geizkragen, die Arbeit recht sauer machte und die unansehnliche, aber vermögende Frau giftig hinter ihr herkeifte, seitdem sich das Pumpelchen immer voller in eine schmucke, männergriffige Dirne verwandelte. Sie ließ die scheelsüchtige Frau, an der wohl auch der Rattenzahn geheimer Eifersucht nagte, bei ihren schlechtverbrämten Sticheleien und genoß mit echt weiblicher Schadenfreude manch heißen Augenschuß des Gärtners über ihre prallen Reize hin. Zudem hielt sie sich hin und wieder durch das Vergnügen mit einem strammen Burschen schadlos für die vielen Quälereien, denen sie ausgesetzt war. An ihrer Zuneigung zu dem Gerber und seiner Frau hielt sie wie an einem schicksalhaft-gnadenvollen Vermächtnis fest.

Gerade in der Zeit, als man im Maechlerhaus unter der Verfinsterung durch die unbegreifliche Krankheit des kleinen Damian litt, bezeigte sie der Gerberfamilie ihre herzliche Anteilnahme an der schweren Heimsuchung, indem sie der Frau tausend gute Ratschläge zutrug, die sie unter den Leuten erkundet hatte, auch brachte sie manches Heilkraut aus dem Garten und war richtig niedergeschlagen, als trotz aller ärztlichen Kunst der arme Knabe, offenbar unaufhaltsam, mit jedem Tage näher an die Grube gerückt wurde. Der Anblick der langsamen Zerstörung des Meisters, an dem sie mit heimlicher Verehrung hing, weil er so stark, unbezwinglich und unnahbar war, erschütterte Kathinka dermaßen, daß sie oft in der Nacht in ihre Kissen weinte. Und als gar nach der Genesung Damians trotzdem die Verschüttung Maechlers nicht aufhörte, sondern eher zunahm: sein Irrgehen in Feldern und Wäldern, durch fremde Dörfer, oft bis in die Nacht, immer ganz allein, in sich gekehrt, daß viele Wilkauer glaubten, es fange schon an, in ihm zu spinnen, und da sich niemand des umgetriebenen Mannes annahm, selbst seine Frau nicht, bemächtigte sich des Mädchens ein solch mitleidiges Erbarmen, daß sie darüber grübelte, wie dem armen Mann zu helfen sei. Aber sie fand lange nichts, und das Mitgefühl erfaßte ihr Herz immer heißer und tiefer, denn sie sah ihn doch oft ans Glaesersche Tor kommen, sehnsüchtig in den Garten schauen und dann abgeschlagen wieder davongehen. »Vielleicht bin ich es, die ihn erlösen kann.« Dieser Gedanke blitzte einst wie eine selige Erleuchtung in Kathinka auf. Das Stürmen des jäh hereinbrechenden Frühlings zündete dieses Feuer ihres mitleidigen Herzens dermaßen auf, daß sie ungesäumt wie mit geschlossenen Augen taumelnd und in einer Angst, die sie doch selig trieb, diesen Entschluß auch ausführte. Als sie von dem nächtlichen Besuch Maechlers auf dem Werkplatze in ihr Bett zurückkehrte, fühlte sie das Streicheln seiner Männerhände in ihrem ganzen Leibe, daß sie das Deckbett umarmte und inbrünstig an die Brust drückte.

Schon in der andern Nacht war sei wieder bei ihm auf dem Werkplatz.

Die Besuche wiederholten sich und lösten in Jochen Maechler, der in rastlosem, monatelangem Ringen eine Lebenshoffnung, ja die ganze Welt von sich weggedrängt hatte, dieselbe Brunst aus, die einstmals seinen Vater aus ähnlicher Lebensnot in die Arme der Paula Großmann aus der Bradlerbaude gestürzt hatte. Denn das Schicksal der Väter wiederholt sich im Leben der Söhne, abgewandelt durch deren andersgeartetes Wesen.

*

Während sich der Gerber wehr- und hilflos und doch wie einer befreienden Erlösung diesem wilden Strudel seines Blutes überließ, merkte sein Christel wohl, daß die Ratlosigkeit und das Irregehen in Lebensverfinsterungen ihren Jochen wieder stärker erfaßt hatte, sah aber den Wirbeln, die ihn umtrieben, zunächst noch gelassen zu, weil sie glaubte, sie rührten nur von einer neuen Welle des Verdrusses darüber her, daß in den nächsten Tagen Damians Wiederanmeldung in die Schule erfolgen sollte. Im Herzen freilich litt auch sie zur gleichen Zeit unter einer Dunkelheit, in die sich merkwürdigerweise ebensosehr wegen Damian wie wegen Jochen verstrickt fühlte, über die sie sich zwar zu lächeln bemühte, die sie aber doch nicht zu überwinden imstande war.

Als sie am Tage der Wiederanmeldung des Jungen in der Schule allein auf dem Heimwege war, überfiel sie diese doppelte Beladenheit dermaßen, daß sie sich ihrer nicht mehr erwehren konnte und in ein bohrendes Grübeln versank. Durch die vielen Gebresten der langen Krankheit war ihr Damian gleichsam wieder zum Brustkind geworden, so daß sie alle Stunden und Augenblicke des Tages, ja der Nacht, die ganze Welt, sogar sich selbst nur durch ihn erlebte. Nun hatte die Schule den Jungen weggeschluckt, und sie bangte vor den vielen langen Stunden der Einsamkeit ohne ihn. Und ihr Jochen? Was hatte sie denn noch von ihm? Bis tief in die Nacht hockte er auf dem Werkplatz. Bei diesem Gedanken packte sie eine ihr unerklärliche Besorgnis, die sie richtig würgte. Sie kam über beides nicht hinweg, geriet sogar mit jedem ihrer absichtlich verlangsamten, bedachtsamen Schritte immer tiefer in ihre inneren Verwickelungen, und es half ihr auch nichts, sich an die herzliche Freude Damians zu erinnern, von der der Junge ergriffen worden war, als sie auf dem Hinweg zur Schule Reinhard Neefe, seinen Freund, trafen, den er in den ersten Verfinsterungen der Krankheit einst so schroff von sich gewiesen hatte. Rein glücklich war Damian gewesen, so, als müsse die Verletzung wiedergutgemacht werden, die er ihm damals angetan hatte. Und diese Freude erwies sich bald als keine Überrumpelung seines Herzens aus schwächlicher Weichheit oder Klugheit, sondern als echt. Denn da der Hauptlehrer der glücklichen Mutter die Versetzung Damians in die nächsthöhere Klasse verkündete, nahm der Junge das nicht mit stolzer Freude entgegen, sondern war erschrocken, ja traurig und brach zuletzt in Tränen aus, weil er durchaus in die Klasse wollte, in der sein Freund Reinhard Neefe sitze. Kopfschüttelnd willigte der Hauptlehrer in das leidenschaftliche Begehren des Gerberjungen ein, und die Mutter, da sie jetzt auf dem Heimwege dieser Szene gedachte, wurde aufs neue von einer solchen Rührung über die schöne Tat Damians ergriffen, daß sie fühlte, wie ihr die Tränen in die Augen traten. Um sich zu bezwingen, hob sie entschlossen den Kopf und blickte in die Welt.

Da sah sie nicht allzu weit vor sich Frau Neefe, den Einkaufskorb am Arm, dieselbe Straße gehen. Im Augenblick fiel es Christel heiß auf die Seele, wie sie es hatte geschehen lassen können, daß das Steiglein zu der sanften Agnete durch die Krankheit Damians fast zwei Jahre lang in Vergessenheit geraten war. Offenbar hatte sich Agnete selbst getroffen gefühlt, daß die Besuche ihres Jungen Reinhard am Anfang der Erkrankung Damians von diesem so leidenschaftlich abgelehnt worden waren. So hatte sich die zarte, scheue Seele selbst von dem Gerberhause, vor allem von Christel zurückgehalten. Daß die feindselige Scheelsucht ihres Mannes gegen den Gerber dazu beigetragen hatte, seitdem Agnete den Weg in die Feldgasse zu verlegen, versteht sich von selbst. Allein beide Frauen litten geheim unter der Trennung, die sanfte Agnete in verborgener Trauer, Christel in impulsiver Aufwallung, sooft sich die Not und Sorge um das Leben ihres kranken Jungen nur etwas lichtete.

Ohne zu bedenken, wo sie sich befand, rief Christel daher jetzt laut und glücklich: »Agnete!« und begann ihr nachzulaufen. Die Angerufene wendete ihr Gesicht, zuckte zusammen, änderte die Richtung ihres Ganges und eilte scheu auf die Gansertbrücke zu. Aber das leidenschaftliche Christel ließ sich davon nicht beirren, sondern lief nur noch schneller und erreichte die Flüchtende kurz vor dem Langen Hause, faßte sie am Arm und brach mit abgetriebenem Atem in fröhliches Lachen aus:

»Nu, guten Morgen, liebe Agnete! Da muß man sich ja die Kränke anpreschen, um dich zu erwischen«, sprach sie in ausbrechender Herzlichkeit.

Die Angeredete war von dem Überfall dermaßen glücklich überrascht, daß sie verschämt den Kopf senkte und hilflos lächelte. Dann hob sie das Gesicht, faßte die Hand ihrer stürmischen Freundin, die sich ihr so beharrlich wiederschenkte, und sagte in tiefer Ergriffenheit, ganz schlicht und leise:

»Mein liebes Christel.«

Frau Maechlers Gesicht strahlte richtig, und die Augen liefen ihr über, als sie ebenso erschüttert erwiderte:

»Ich danke dir, du Liebe, Gute.«

Dann gingen die beiden Wiedergewonnenen und setzten sich, um zu verschnaufen, auf die Bank an dem alten schönen Brunnenhaus. Ihre Herzen öffneten sich nach der langen erzwungenen Trennung, und Christel erzählte in fortwährender Beglückung am Ende von dem so herrlichen Wiederfinden ihrer beiden Jungen.

Darauf saßen die beiden Mütter eine lange Weile schweigend in der Sonne dieser schönen Knabenliebe, durch deren Neubeginn auch sie wieder zusammengeführt worden waren.

Da schlug die Uhr der benachbarten katholischen Kirche die zehnte Stunde, und beide erhoben sich, erschrocken über die versäumten Hausfrauenpflichten.

»Auf baldiges Wiedersehen in der Feldgasse, liebe Agnete«, sagte zum Abschied Frau Maechler herzlich, »und hoffentlich dauert's zwischen uns und den beiden Jungen das ganze Leben.«

»Hoffentlich. Jaja.«

Agnete sagte es leise und zaghaft.

*

Zu Hause angekommen, faßte Christel, gestärkt durch die wiedergewonnene Freundschaft mit Agnete, den Entschluß, koste es, was es wolle, hinter die Ursache zu kommen, warum ihr Mann bis in die tiefe Nacht auf dem Werkplatz bleibe.

So schlich sie sich noch am späten Abend desselben Tages, als es schon langsam auf Mitternacht ging und Jochen auch heute wieder nicht nach Hause gefunden hatte, auf den Werkplatz und lugte lauschend durch die Fichten. Dort waren Jochen und Kathinka eben so tief ineinander geraten, daß sie schon keuchend am Rand der letzten Feuergrube rangen. Da riß das empörte Christel die Fichten zur Seite, stürzte sich auf die brennende Magd, packte sie bei den Haaren, ohrfeigte »das verfluchte, unverschämte Mensch« und trieb sie mit Schlägen und Stößen durch die Bäume auf die totenstille Feldgasse, über der eben die Glockenschläge der zwölften Stunde friedevoll hinschwangen. Davon kam Christel gleichsam wieder zur Besinnung. Die sanften, wohllautenden Töne überströmten ihr Herz, das noch von dem schönen Wesensklang Agnetes lebendig durchschimmert war, und sie wurde sich erschüttert ihrer unverrückbar tiefen Liebe zu dem armen Jochen bewußt, den sie in ihrer Verzückung der Mutterliebe viel zu lange schon sträflich mit seinen Gramwirbeln allein gelassen hatte. Ja, sie war wohl mit dafür verantwortlich, daß ihr Mann neben das eheliche Gleis geraten war.

Mit tränenüberströmten Augen sah sie sich um, konnte aber Jochen nirgends entdecken. Nur gegen das Ende der Feldgasse hin, auf die Heidewasserbrücke zu hörte sie stoßend und schwer Schritte sich entfernen. Wie ein Pfeil flog sie ihnen nach und erreichte ihren Jochen, eben als er in die Trennsdorfer Straße einbiegen wollte. Sie umschnürte ihn stürmisch mit den Armen, daß er nicht weiterkonnte, sondern stillstand und vor sich niederstarrte.

»Liebster Mann«, flüsterte sie innig, »was machst du denn? Sag mir's um Gottes willen.«

Der Gerber rang gegen ihre Umarmung und brachte endlich dumpf und abgeschlagen hervor:

»Fort ... jetzt ist alles ... zerschlagen ... alles ... alles.«

»Dummer Mann, dummer«, hauchte das Christel feurig, packte resolut den schwach sich Wehrenden und drehte ihn nach dem Gerberhause um.

Jochen Maechler wankte wie ein transportierter Verbrecher, und hätte ihn Christel nicht sorgsam und fest untergefaßt, so wäre er einige Male hingeschlagen. Als sie im Hausflur angekommen waren, riß sich der Gerber energisch los und wollte über die Stiege hinauf.

Die Frau erwischte ihn noch an der Jacke.

»Wohin willst du denn?« fragte sie flüsternd.

»Na, das geht doch nicht mehr, daß ich bei dir schlafe, nachdem das passiert ist«, antwortete Jochen.

Christel lachte und bedeckte sein Gesicht mit Küssen.

»Unsinn, lieber, grunddummer Kerl! Wenn du mal was falsch gemacht hast, da ist's doch vorbei. Da brauchst du doch nicht gleich in eine zweite Verrücktheit zu hopsen. Im übrigen habe ich Damian heute morgen in seine alte Stube geräumt, da er wieder in die Schule geht.«

Jochen fiel auf einen Stoß aus seinen unräumlichen Wolken, durch die es ihn wochen- und monatelang getrieben hatte, und brachte lange kein Wort heraus. Dann schnob er wie ein Roß, das los jagt:

»Liebes, hundertliebes Christel, du«, und umarmte sie mit seinen Riesenkräften, als wolle er sie zerdrücken. Das Christel gab sich widerstandslos-glücklich dieser Raserei hin, da sie ahnte, daß sie der Schwur seiner ungebrochenen Treue war.

So hatte ihre helläugige Liebe zu Jochen Christel davor bewahrt, in den gewohnten Eifersuchtstrubel enttäuschter Weiber zu geraten, und ihr die Kraft des Mitleids verliehen, die dem Danebengeratenen liebevoll in sein altes Wesen zurückhalf, nach dem er sich auf seinen Fluchtstreifen so gesehnt hatte.

Auf diese Weise glättete sich der Wirbel überraschend schnell und fast folgenlos, der das Maechlerhaus erschüttert hatte.

Kathinka aber brach am frühen Morgen des anderen Tages einen Streit mit ihrem immer nörgelnden Dienstherrn vom Zaune, warf die Arbeit hin, packte ihre Habseligkeiten zusammen und verließ am halben Vormittag ihre Stelle. Ohne die Feldgasse noch einmal zu betreten, eilte sie nach hinten zwischen den Gärten auf den Bahnhof und verschwand spurlos aus Wilkau.

*

Der Gärtner Glaeser und die anderen Bewohner des kleinen Badestädtchens erfuhren von dem Grunde der überstürzten Flucht Kathinkas nichts. Deswegen konnte von draußen her kein böswilliger oder scheinheiliger Neugieriger an der Tür des Maechlerhauses rühren und die Erinnerung an die wilde Nacht wachrufen, von der es erschüttert worden war. Der Gerber und seine tapfere Frau aber behandelten sie so, als sei sie gar nicht geschehen. Die Feldgasse schimmerte wie an allen vorhergehenden Tagen im hellen Frühlingslicht. Kein Makel und kein Schatten nistete in ihr. Der nachtwandlerische Drang und Daseinsgram des Meisters hatte sich in dem sinnlichen Nachtwirbel selbst überschlagen und lag hinter ihm wie ein traumhaftes Alpjagen. Ja, die Fluchtreisen durch die wirre Eintönigkeit seiner Lebenssorge waren wohl überwunden, und wenn er sich auch gelegentlich halb nach ihnen umdrehte, so tat er es mit einer Scheu wie vor etwas Unbegreiflichem und wandte sich gleich darauf wieder um so aufatmender seinem neubegründeten tätigen Dasein zu. Diese Last war von ihm abgefallen – und doch gewissermaßen noch immer in ihm. Denn wenn er auch fast wie in früheren Zeiten der bedachtsam umsichtige Hausvater und werkbeflissene Meister war, überall tätig mit anpackte, mit gütigem Ernst die Arbeit seiner Gesellen regelte und langsam aus seinem vollkommenen Schweigen wieder zu der alten kargen Geselligkeit mit ihnen kam, so betrat er doch den Werkplatz nicht wieder, sondern dirigierte das Schweifen der Felle von der Feldgasse her. Auch die Unsicherheit und Scheu gegen seine Frau und gegen Damian vermochte er nicht ganz zu überwinden, so daß das Christel mit dem Versuch anfing, das Dunkel zu durchdringen, von dem sein Wesen in der Tiefe noch erfüllt schien. Aber sie kam damit auch durch vermehrte Zärtlichkeit nicht weit. Denn mehr noch als alle Menschen war Jochen Maechler seit seiner Kindheit ein Wasser, das unterirdisch fortgedrängt wurde, verborgen, voller heimlicher Strudel, aber rein in jedem Tropfen. Darum hörte sie nach und nach ganz auf, mit dem Gedankenkäscher in den verborgenen Fluten seines Wesens zu fischen, und lockerte das Seil der Bindung zwischen ihm und sich wieder ins alltäglich Bequeme wie in früheren Zeiten.

Von Tag zu Tag unbeschwerter ging Christel dafür dem Schimmer nach, den ihre Hoffnung voll Liebe um ihren einzigen Damian wob, während der Vater unauffällig beiseite trat und das in männlicher Gefaßtheit als unumstößliche Sicherheit in sich ertrug, was ihn in den schweren Monaten fast über die Grenzen des Verstandes getrieben hatte, die Überzeugung nämlich, daß die beiden auf einen Weg geraten waren, der unweigerlich, so oder so, in Unglück und Verderben führen müsse. Freilich, das Menschenleben macht Finten und Kapriolen genug, und es war ja doch möglich, die beiden gelangten am Ende mitten in ein Glück hinein. Jedenfalls aber waren sein Christel und ihr merkwürdiger Junge in ein gefährliches, unüberschaubares Schicksal gekettet, und für ihn, den Jochen Maechler, blieb nur das eine übrig, mit seiner ganzen Kraft soviel wie irgend möglich aus der Gerberei herauszuwirtschaften, damit beim Hereinbruch des Unglücks nicht alle zum Bummlerstecken und Bettelsack greifen mußten. Darum verdoppelte der Meister seine Umsicht, erweiterte den Häute- und Fellhandel zu einem wohlfundierten Nebengeschäft und trieb so viel Geld in seinen Schreibschrank, daß er auf der geheimen Kammer in schneller Folge einen um den anderen prall gefüllten Strumpf an die Stangen hängen konnte.

Spare in der Zeit, so hast du in der Not. Diese alte Väterweisheit erfüllte den Meister Maechler, denn er traute dem Glück in seiner Familie so wenig wie der Großmannssucht, von der Deutschland in fast verbissenem Wagemut erfaßt wurde, als die Marokkokrise sich immer deutlicher als eine Niederlage des Reiches, ein Sinken seiner Weltgeltung und eine immer festere Verbindung seiner mißgünstigen Nachbarn auswirkte. Zwar waberte das große politische Weltgeschehen in sehr unsicheren Umrissen an den Gerber Maechler heran. Es trat ihm nur in der kleinstädtischen Erscheinung Wilkaus greifbar vor Augen. Im Flottenverein sprach ein berühmter Redner aus Berlin vor mehr als zweihundert Menschen über den »Weltlebensraum des Deutschen Reiches« und wiederholte, etwas abgewandelt, dasselbe Thema im Kolonialverein an der Hand einer Lichtbilderreihe. Ein großes Konzert im »Hotel de Prusse« vereinte die beiden patriotischen Verbände zu einer pompösen Demonstration, an der auch die höheren Offiziere der Rehberger Garnison teilnahmen. Der Inspektor Neefe schwirrte atemlos planend, dienernd und anfeuernd Tag und Nacht durch Wilkau. Jochen Maechler ging nicht höhnisch, aber in Gelassenheit durch den Trubel und vermied es peinlich, mit diesem schiefen Spreizer und Späßer zusammenzugeraten.

Das Christel legte ihrem Manne wohl aus geschäftlichen Rücksichten die Teilnahme an diesen Darbietungen nahe, erreichte jedoch nicht mehr, als daß Maechler bei dem Buchhändler Siebel im Vorverkauf Einlaßkarten erstand und dann vergaß, hinzugehen. Allein sie war damit schon zufrieden, da sie bemerkte, wie ihr Jochen wieder lebendiger und bewegter auf seinen alten weitabgewendeten Sonderlingswegen wanderte, indes er über die Achsel achtsam allem zusah, was um ihn vorging.


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