Karl Simrock
Der Rhein
Karl Simrock

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Das vulkanische Rheintal

Wir haben die beiden oberen Stromstrecken – von Basel bis Bingen und von Bingen bis Koblenz – als breiteres und engeres Rheintal unterschieden; für die dritte Strecke, von Koblenz bis Bonn, wo sich das Tal bald erweitert, bald verengt und die Reize beider oberen verbindet, wären wir um ein wohllautendes Prädikat verlegen, wenn uns jenes des vulkanischen Rheintals nicht aushelfen würde. Es sieht zwar von Weite und Enge ab und bezieht sich lediglich auf die natürliche Entstehung des Strombeckens, die von jener der beiden oberen Teile völlig verschieden ist. Der neptunische Ursprung des Rheinischen Schiefergebirges, das der Strom zwischen Bingen und Koblenz zerreißt, ist von uns mehrfach besprochen worden, dasselbe zieht sich zwar viel tiefer hinab, es bleibt im Engersgau, Maifeld, in der Eifel usw. immer noch vorherrschend; doch haben es hier unterirdische Gewalten durchbrochen und kühne, trotzige Felsengebilde aus dem Schoß der Hölle emporgeschleudert. Allerdings umgeben auch das breitere Rheintal Höhen, die das Wasser nicht geschaffen hat: im Hegau, im Breisgau, im Schwarzwald, in der heiteren Pfalz sind aus dem inneren Brand der Erde gewaltige Felsmassen aufgeschossen, worunter der Porphyr des Donnersbergs die imposanteste ist; aber entweder gehören sie gleich diesem einer früheren Erdperiode, einem älteren Vulkanismus, an, deren Gebilde man unter dem Namen der plutonischen den späteren vulkanischen entgegensetzt, oder sie treten nicht so nahe an den Rhein, daß sie von ihm aus in seiner Eigentümlichkeit zu erkennen wären. Anders ist es zwischen Koblenz und Bonn, wo wirkliche Vulkane, die vor Jahrtausenden Ströme von Lava, Traß und Bimsstein ergossen haben, oder doch entschieden vulkanische Felsengebilde beide Ufer des Stroms einsäumen. In der Eifel, im Mayengau und im Siebengebirge ragen die Firste und die schön gestalteten Kämme der Basalt- und Trachytgebirge über die traurigen Schieferzüge hoch hervor und beleben die Landschaft mit malerischen Reizen, denen die oberen Stromstrecken nichts entgegenzusetzen haben. Nur das Nahetal mit seinen Porphyrfelsen würde den Wettstreit annehmen dürfen, wenn es einen Fluß hätte wie den Rhein. Wären wir an strenge Logik gebunden, so hätten wir freilich das breitere Rheintal plutonisch, das engere neptunisch oder aber das vulkanische in bezug auf Weite und Enge ein gemischtes nennen müssen.

Zwischen Koblenz und Andernach hat der Rhein flache Ufer; im Engersgau rechts wie links im Maifeld ziehen sich die Berge in weiten Halbkreisen zurück. Der Bogen, den sie im Engersgau bilden, zeigt dem Blick weder First noch Kämme; nur wohin er nicht reicht, weiter rechts gegen die obere Lahn, ist das rauhe Plateau des Westerwalds von Basaltzügen durchsetzt, die sich jedoch weder so imposant erheben noch so schön gruppieren wie jenseits im Maifeld und weiter unten im Siebengebirge. Die Entstehung jenes geräumigen Bergkessels erklären die Geologen durch die Annahme, daß der Rhein einst mit der Mosel zwischen Koblenz, Mayen und Andernach einen zweiten großen See, wie jenen ersten oberhalb Bingen, gebildet, dann aber, vielleicht infolge starker Eruptionen der Eifelvulkane, den Damm bei Andernach durchbrochen und sein Bett weitergewühlt habe.

 


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