Karl Simrock
Der Rhein
Karl Simrock

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Appel und Alsenz

Das zweite Flüßchen, die Appel, entspringt bei den Trümmern des Wildensteins, am grausig wilden Abhang des Donnersbergs. Von Münsterappel aufwärts bildet sie das romantische Münstertal, windet sich dann durch lachende Fluren und fällt Bretzenheim gegenüber in die Nahe. Zwischen Wonsheim und Fürfeld liegt das alte Raubschloß Iben an der Appel mit der wunderschönen gotischen Kapelle, die ich beinahe gewonnen hätte. Der Sohn des wackeren Landstandes und Bürgermeisters von Fürfeld besorgte eben in den Kellern der Ruine den Abstich und war so gastfrei, uns einige Gläser zur Erfrischung heraufzuholen. Der Wein war gut und echt, nur der freigebige Spender zog ein saures Gesicht, als ich ihn für »Appelwein« erklärte. Er behauptete mit Entschiedenheit das Gegenteil und erbot sich zur Wette, deren Preis die von uns so höchlich bewunderte Kapelle sein sollte. Sie wäre mein unbestreitbares Eigentum, wenn nicht ein vorlauter Dritter mein Geheimnis verraten hätte. Denn der Wein war wirklich an der Appel gewachsen. Die Kapelle bildete ursprünglich nur den Chor einer Kirche, welche weggerissen werden mußte, als die Kapelle erbaut wurde, weil beide nicht nebeneinander Platz hatten. Die Burg erbauten die Raugrafen, von denen sie lehnweise an die Marschälle von Waldeck zu Lorch kam, deren Stammburg im Sauertal liegt; von der Sauerburg sieht man ihre Ruinen. Vermutlich waren es die Waldecker, die Iben in den Ruf eines Raubschlosses brachten. Nachmals scheint sie mit anderen raugräflichen Besitzungen an die von Kronberg gekommen zu sein, deren Wappen noch vorhanden sind.

Zwischen der Appel und der Selz ist Flonheim durch seine Steinbrüche bemerkenswert. In der Nähe liegt Armsheim mit schöner altdeutscher Kirche. Auf dem Kirchhof steht ein Grabstein mit eingehauenem Pflug, auf dem eine Taube sitzt. Lange vor dem letzten Krieg lebten hier zwei junge Leute in sehr glücklicher Ehe. Ein zahmes Täubchen war noch aus dem elterlichen Haus her der jungen Frau Liebling, es saß auf ihren Schultern und nahm ihr die Speise aus dem Mund. Eines Morgens bat sie den Mann, nicht aus dem Hause zu gehen, weil sie eine unerklärliche Bangigkeit fühle. Es war gerade ein schöner Tag zur Saat, den der fleißige Landmann nicht versäumen wollte. Doch versprach er sein Werk so schnell als möglich zu fördern. Er hatte etwa zwei Drittel Samen untergebracht, als das weiße Täubchen ihn ängstlich umflatterte und, weil er's nicht merken wollte, sich auf den Pflug setzte und die Flügel schlagend ihn wie bittend anblickte. Endlich flog sie ihm auf die Brust, pickte ihm schmerzlich ins Kinn und schwang sich schnurgerade dem Dorf wieder zu. Der Mann gedachte der Bitte seiner jungen Frau, spannte schnell los und ritt eilends heim. Da lag sie, weil das ganze Dorf im Feld war, hilflos im Bett und hielt zwei lebende, gesunde Kinder in den Armen; sie selbst war hinübergegangen. Seine Trauer war unsäglich, er blieb ehelos und suchte Ersatz in den Kindern. Zum Andenken ließ er jenen seltsamen Stein, der auch ihr Bild bewahrt, von einem frommen Flohnheimer Meister fertigen. Oft hat man ihn, selbst um Mitternacht, auf dem Grab betend gefunden.

Höher im Westen als die Appel entspringt die Alsenz, die nach langem Lauf durch ein herrliches Tal, das aber schon nicht mehr zum Gau, sondern zum oberen Nahegau gehört, an der schönsten Stelle des Nahetals, zwischen Rheingrafenstein und Ebernburg, mündet. In der Reihe der Flüsse, deren Wasser die Nahe dem Rhein zuführt, sollten wir jetzt den Glan folgen lassen, den wir aber nicht bereist haben. Überdies würde er uns zu weit vom Rhein weglocken. Auch

 


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