Karl Simrock
Der Rhein
Karl Simrock

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Frauenlob

Umsonst nicht stimmte Frauenlob
Sein Saitenspiel den Frauen:
Warum er sang der Frauen Lob,
Ich will es euch vertrauen.

Sie wußten, was man wünscht und hofft,
Und in verschwiegner Laube
Entzückten sie den Sänger oft
Beim süßen Saft der Traube.

Da wandt' er ganz auf ihren Preis
Zum Dank des Liedes Gabe,
Und als er starb, ein muntrer Greis,
Sie trugen ihn zu Grabe.

Und träuften auf die Dichtergruft
Des Weines solche Fülle,
Ein goldner See mit würz'gem Duft
Umwogte seine Hülle.

Der ganze Kreuzgang schwamm im Wein,
Es war so mancher Eimer;
Noch duftet um sein morsch Gebein
Der edle Laubenheimer.

So ist ein Dienst des andern wert;
Umsonst will ich nicht singen:
Die in die Laube mich begehrt,
Der soll mein Lied erklingen.

Von Frauenlobs Denkmal im Kreuzgang des Mainzer Doms findet sich auf dem Titelkupfer der ›Altdeutschen Volks- und Meisterlieder‹, welche Görres herausgegeben hat, eine Abbildung, welche dem Leser wohl vorgekommen ist. Der obere Teil enthält das gekrönte Brustbild des Sängers, der untere stellt vor, wie sein mit drei Kronen verzierter Sarg von acht Frauen mit fliegendem Haar und langen Trauerröcken getragen wird. Die Umschrift lautet: ›Anno Domini MCCCXVIII in vigilia beati Andreae apostoli obiit Henricus Frawenlob dem Gott genadt.‹ Aber schon dieser unpassende deutsche Zusatz zu der lateinischen Grabschrift, zumal mit einer Orthographie, die viel jünger ist als Frauenlobs Zeitalter, würde die Unechtheit verraten, wenn uns auch nicht statt dem jetzt nicht mehr lesbaren Zusatz ›juxta formam antiquam restitutum anno MDCCLXXXIII‹ der Schweizer ausdrücklich bemerkte, daß wir das alte Erinnerungsmal nicht mehr vor uns haben. Auch stand dasselbe nicht auf der heutigen Stelle, sondern über 22 Schuh davon entfernt, da, wo jetzt die Tür zur Domschule ist. Als zu deren besserer Einrichtung im Jahre 1774 diese Tür gebrochen wurde, zerschlugen die Arbeiter den Grabstein und machten so diesem Altertum ein Ende. Der öfter erwähnte Nikolaus Vogt bemühte sich, wie er sich ausdrückte, »den Frauenlob aus seinem Grabe zu erheben«, und auf sein Betreiben wurde der neue Denkstein, angeblich nach einer vorhandenen Zeichnung des alten, gefertigt. Diese Zeichnung war aber wohl nur aus dem Gedächtnis entworfen, denn er enthält keineswegs genau die Vorstellungen, welche als die des alten urkundlich bezeugt sind. Statt des gekrönten Brustbildes zeigte dieser nur einen Kopf, den ein Kranz umwand, von dem Blumen herabhingen. Die untere Darstellung, wie Frauenlobs Sarg von acht Frauen getragen wird, scheint ganz eine neuere Erfindung, dem an dem alten Denkmal nichts entsprach. Guden und Bourdon, die es beschrieben haben, wissen davon nichts, auch sind die vorgestellten Bräuche nicht zeitgemäß, da Frauenlob in einem bedeckten Sarg, statt auf einer Bahre, höchstens mit einem Tuch verhüllt, getragen wird und die drei Kronen den Sarg schmücken, nicht den Sänger.

Steht und fällt aber die Tatsache, daß Frauenlob von Frauen zu Grabe getragen worden sei, mit der Darstellung von der Grabtragung auf dem gleichzeitigen Denkmal? Ist sie, wenn diese erst neuerdings erfunden wurde, gleichfalls eine neuere Erfindung? Hat vielleicht erst Vogt die schöne Sage zu Ehren seiner Vaterstadt ersonnen? Fast sollte man es glauben, da sie einige Neuere so geradezu ins Reich der Fabeln verweisen. Aber wir haben das vollgültige Zeugnis eines fast gleichzeitigen Geschichtsschreibers, der mit genauer Angabe des Orts und der Zeit, wie sie auch der alte Stein enthielt, diese an sich selbst nicht unglaubwürdige Tatsache meldet. Albert von Straßburg erzählt in seiner »Lateinischen Chronik«, welche von 1270 bis 1378 geht, folgendes:

»Im Jahre des Herrn 1317 (der Stein gibt 1318 an), am Vorabend des heiligen Andreas, ist Heinrich, genannt Frauenlob, im Umgang der Hauptkirche zu Mainz, neben der Schule, mit großen Ehren begraben worden. Von seiner Herberge bis zur Grabstätte trugen ihn Frauen, welche große Wehklage erhoben, des unbegrenzten Lobes willen, das er dem ganzen weiblichen Geschlecht in seinen Liedern erteilt hatte. Ja es wurde da eine solche Fülle Weins auf sein Grab gegossen, daß er durch den ganzen Umgang der Kirche umherfloß.«

Albert erwähnt nicht, daß Frauenlob Doktor der Theologie oder Domherr gewesen war. Erst bei Spangenberg und in der fabelhaften Meistergesangsfreiung finden sich diese Angaben. Gerade diese nicht beglaubigten Umstände hat man gegen die Sage geltend zu machen gesucht. Aber warum sollte ein Domherr nicht von Frauen begraben werden, wenn er es um sie verdient hatte? Darin würde auch nach heutigen Begriffen nichts Anstößiges liegen. Findet man es anstößig, daß ein Domherr das Lob der Frauen sang, so kehrt sich die Frage um. Frauenlob, von dem wir wissen, daß er die Frauen besang und von ihnen zu Grabe getragen wurde, konnte dennoch Domherr sein, denn solche Pfründen wurden auch an Laien vergeben. Doch selbst ein Doktor der Theologie brauchte sich des Lobes eines Geschlechts nicht zu schämen, das in der Heiligen Jungfrau angeschaut, verehrt und gepriesen zu werden pflegte. Es scheint indes, daß man nur aus dem Ort des Begräbnisses im Kreuzgang des Doms auf den Stand des Dichters geschlossen hat. Aber auch dieser Schluß hält nicht Stich, da gleich neben ihm Laien begraben liegen, die keine geistlichen Pfründen besaßen.

Die nächste Frage ist, wodurch sich Heinrich den Namen Frauenlob und die ehrenvolle Grabtragung durch die Frauen verdiente. »Durch die Lieder«, antwortete Albert von Straßburg, »welche er zum Ruhm des weiblichen Geschlechts dichtete.« – »Durch die Gesänge zum Preis der Heiligen Jungfrau«, sagen andere. Doch diese Meinungen fallen zusammen, da in jener Zeit das Lob der Frauen von dem der Heiligen Jungfrau und umgekehrt unzertrennlich ist. Aber ganz anders antworten die Neueren. Docen hat, wenn ich nicht irre, zuerst die Meinung aufgestellt, Heinrich habe Frauenlob geheißen, weil er sich in dem Streit, den die Dichter jener Zeit vielfach verhandelten, ob der Name Weib oder Frau ehrenvoller sei, zugunsten des letzteren entschied, wie ein Jahrhundert früher Walther von der Vogelweide dem Namen Weib den Vorzug gegeben hatte. Wirklich ist uns sein »Streitgedicht mit Regenbogen« oder »Raumeland«, das diese Spitzfindigkeit behandelt, erhalten – ein merkwürdiges Aktenstück! Heinrich sucht, indem er den Sängerkrieg eröffnet, zuerst die Begriffe von Magd (Jungfrau), Weib und Frau festzustellen. Eine Magd ist ihm ein Baum mit den Blumen der ersten Keuschheit. Wenn aber der süßen Blumen Duft durch männliche List gefallen sei, so heiße sie Weib. Eine Vermählte dagegen werde Frau genannt, ein Name, der die Würde des ganzen Geschlechts ausdrücke. Verwundert fragt Raumeland, warum er die Weiber (diu wip, welches edler klingt als unsere heutige Mehrzahl) schelte, da er doch selbst von einem Weibe geboren sei? Auch eine Frau werde Weib genannt, und selbst einer Jungfrau zieme der Name. Heinrich gesteht zu, daß der Name Weib das ganze Geschlecht mit einem Namen decke; wenn er aber die Weiber lobe, so seien die Frauen noch ungelobt, und unter den Weibern gebe es auch Unweiber. Jetzt erst spricht es Raumeland aus, daß dem Namen Weib vor dem der Frau der Vorzug gebühre. Als Christus bei der Hochzeit zu Kanaan auf die Bitte der Heiligen Jungfrau das Wasser in Wein verwandelte, da redete er seine göttliche Mutter an und sprach: »Weib, das habe ich nicht von dir.« Und als er am Kreuze schwebend die schmerzhafte Mutter dem Schutz seines Neffen Johannes empfahl, da tat er es mit den Worten: »Weib, dies ist dein Sohn, Jünger, dies ist deine Mutter.« Wir können den Streit hier nicht weiter verfolgen; aber denkwürdig ist die verständige Entscheidung des Merkers, welcher erklärt, er gebe keiner Henne Fuß um ihren ganzen Krieg, denn Frau sei soviel als Weib und Weib soviel als Frau.

Eine andere Tenzone, welche zwischen denselben streitenden Personen vorgeht, scheint vorauszusetzen, daß Heinrich sich unterdes den Namen Frauenlob beigelegt habe, ohne daß ersichtlich wäre, ob er sich dabei auf das den Frauen gespendete Lob oder den Vorzug gründete, welchen er dem Namen Frau erteilt hatte. Für ersteres spricht, daß ihm der Gegner von dieser Seite her das Recht auf den Namen bestreitet. Raumeland beginnt nämlich diesen zweiten Sängerkrieg mit den Worten: »Heinrich, ê dîner zît ist vrowen lop gewest.« Andere Sänger hätten die Frauen besser gelobt als er.

Leider läßt sich Frauenlob hierdurch zu der ruhmredigen Äußerung hinreißen, was auch Walther, Reinmar und Wolfram von Eschenbach je gesungen haben, er übergolde noch ihren Gesang, sie hätten nur den Schaum geschöpft, aber seine Kunst gehe auf des Kessels Grund usw. Dafür wird er jedoch am Schluß des Streitgedichts von dem Merker hart angelassen und ziemlich übel heimgeschickt.

Frauenlob gehört wohl zu den besten Dichtern seiner Zeit; aber seine Zeit war nicht mehr die beste. Dem tiefen Verfall des edlen Meistergesangs zu Anfang des vierzehnten Jahrhunderts konnte seine gewundene und verkünstelte Manier nicht aufhelfen. Dennoch ist er sprachgewandt, edlen Ausdrucks Meister, in Tönen erfinderisch, an Gegenständen ungewöhnlich reich und glücklich in der Wahl jenes Themas, welchem er mehr als seinen Liedern den unsterblichen Namen dankt. So lohnend ist das Lob der Frauen!

»Man geht«, schreibt J. Wetter, »mit dem Gedanken um, Frauenlob auf dem Liebfrauenplatz ein Denkmal zu errichten. Nach dem Entwurf, welcher einst zur Ausführung gebracht werden soll, wird sich die Bildsäule des Minnesängers in mehr als Lebensgröße auf einem ansehnlichen Postament erheben.« Der Platz könnte wohl nicht glücklicher gewählt sein; aber man sollte die Ausführung nicht auf dereinst verschieben; wenn erst die jetzt herrschende Monumentssucht verflogen sein wird, könnte es wohl zu spät sein.

 


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