Karl Simrock
Der Rhein
Karl Simrock

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Nassauische Schweiz

Den Rücken des Maintaunus durchschneidet das Tal der Kriftel oder des Schwarzen Forellenbachs, welche, bei Waldkriftel entsprungen, nach langem Schlangenlauf zwischen Wiesen, Wäldern und Felsen bei Hofheim in die Mainebene tritt und bei Okriftel mündet. Es ist schon erwähnt worden, daß sie einst die Königshundert von dem Niedgau schied. Oberhalb Eppstein führt dieser tiefe Bergeinschnitt den Namen Vockenhäuser, unterhalb davon Lorsbacher Tal. Da nun auch bei Eppstein zwei andere Täler mit ihren Bächen in die Kriftel münden, so begegnen sich hier vier Täler: Lorsbacher, Vockenhäuser, Fischbach- und Bremtal, in deren Mitte das verarmte Eppstein mit dem nicht ganz zerstörten Sitz seiner Dynastien liegt.

Zwei der bedeutenderen Taunushöhen, Rossert und Staufen, welche das waldgrüne Fischbachtal in die Mitte nehmen, geben auch den anmutigen Tälern Eppsteins romantische Wildheit, obgleich der Name der Nassauischen Schweiz immer ein anmaßender bleibt, wie denn alle deutschen Schweizen denen lächerlich vorkommen, welche die helvetische gesehen haben.

Eppsteins Ursprung hat die Zeit in Fabeln gehüllt. Ein Riese, der diese Bergschluchten unsicher machte, indem er – nach einigen – den Jungfrauen nachstellte, nach andern sich jedem Burgbau widersetzte, wurde von einem Ritter namens Eppo in einem eisernen Netz gefangen und vom Felsen herabgestürzt. Natürlich heiratete nun Eppo die von ihm befreite Jungfrau und gründete Eppstein; die Knochen des Riesen, die sich aber bei näherer Betrachtung als Mammut- oder Walfischrippen zu erkennen geben, wurden über dem Tor angeschmiedet. Wir wissen nicht, in welchem Zusammenhang hiermit die andere Überlieferung steht, die sich an den Mannstein, einen menschenähnlichen Felsen am südlichen Abhang des nahen Staufen, knüpft. Ein fremder Ritter soll hier mit dem Bergriesen, der ein Fräulein von Falkenstein entführt hatte, gekämpft haben. Der Riese verstand sich aber auf Zauberei und versteinerte den Ritter; die Schöne jedoch, die das Ungetüm nicht bezaubern konnte, brachte ein Engel in ihre Burg zurück.

Dem Ursprung dieser Sagen ist noch wenig nachgeforscht, eine auffallend ähnliche kommt aber bei Saxo Grammaticus vor, wo die Schöne Sirytha und der Ritter, merkwürdig genug, Ebbonis filius heißt. Sollte die Sage von Eppstein gelehrten Ursprungs und dem Geschichtsschreiber Dänemarks entliehen sein?

Näher dem Lorsbacher Tal, erzählt Gerning, am hohen Felsen Waltherstein, von welchem sich ein Ritter Walther einst herabgestürzt haben soll, ist der Fräuleinborn, wo, nach einer anderen süßen Erzählung, die reizende Gisela von Eppstein mit ihrem Buhlen und nachherigen Gemahl Philipp von Falkenstein oft heimlich zusammenkam. Endlich in dem Kloster Retters, das Gerhard von Nuringen hinter Fischbach am Eichkopf gründete, soll der Teufel eine Nonne betrogen und entführt haben; aber (schon wieder!) ein Engel rettete sie. Nach anderen bezieht sich dies auf die Felsenpartie am waldigen Abhang des Rossert, welche den Namen Teufelsschloß führt. Die übereinandergetürmten Felsen waren einst ein Kloster, die einzeln stehenden Säulen Schwestern, und zwei größere Steinblöcke müssen das schuldige Paar vorstellen.

Doch kehren wir von diesen Sagen zu der Geschichte der Eppsteiner zurück. Vermutlich waren sie mit den Grafen von Nuring ursprünglich verwandt, von welchen auch ihre ältesten Besitzungen zu Lehen gingen und die sie, gleich ihren Nachfolgern, den Falkensteinern, beerbten. Das Waldbotenamt am oberen Taunus und der langjährige Besitz des Erzstuhls von Mainz erhöhten ihre Macht. Fünf Erzbischöfe, nämlich drei Siegfriede, ein Werner und ein Gerhard – derselbe, der sich rühmen durfte, die deutschen Kaiser in seiner Tasche zu haben –, waren Eppsteiner. Als die eppsteinischen Linien ausstarben, kamen ihre Besitzungen teils durch Kauf an das Haus Hessen, teils, wie schon erwähnt, erst an die Stolberge, dann an Mainz.

 


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