Karl Simrock
Der Rhein
Karl Simrock

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Koblenz und die Moselgegenden

Es ist zu kalt auf dem Hunsrück; laßt uns in das warme, sonnige Doppeltal von Koblenz eilen. Wie stolz spiegelt es sich in der bräutlichen Flut, wie hat es sich hochzeitlich geschmückt! Klar und flacker ist sein Blick und nicht überwacht, da es doch gestern schon bei einer Vermählung war und der Polterabend der heutigen lustig genug begangen wurde. Sah man je eine Hochzeit prächtiger feiern? Von allen Höhen wehen Fahnen, Kanonen ohne Zahl sind aufgefahren, mit tausend Reizen ist das Brautlager geziert. Wer soll Brautführer sein? Der Ehrenbreitstein, die stolzeste Festung, die sich je im Rhein gespiegelt hat; Brautführerinnen sind die Feste Franz auf dem Petersberg zur Linken der Braut, zu ihrer Rechten die Kartause mit den beiden Forts Kaiser Alexanders und Konstantins. Von der tausendjährigen St.-Kastor-Kirche hallt das Festgeläut herab, Herz, Harfe und PokalSo nennt man drei Inseln ober- und unterhalb von Koblenz: Oberwerth, Niederwerth und Graswerth, nach der Gestalt, die sie vom Ehrenbreitstein gesehen zu haben scheinen. erklingen um die Wette beim Hochzeitsmahl. In Pfaffendorf wohnt der Priester, der von der Pfaffendorfer Höhe den Segen sprach.

Schon so lang umarm' ich die lotharingische Jungfrau,
Aber noch hat kein Sohn unsre Umarmung beglückt

ließ Schiller in den »Xenien« den Rhein klagen. Und noch immer gilt der Spruch, obwohl eine Partei in Koblenz behauptet, der Sohn sei damals schon geboren gewesen.

Koblenz hat in seiner Lage die größte Ähnlichkeit mit Bingen. Es liegt am Ausgang wie Bingen am Eingang des engeren Rheintals; über der Mosel wie Bingen über der Nahe, da, wo sich diese beiden dem Rhein vermählen. Stolzenfels ist von Koblenz ungefähr so weit als Rheinstein von Bingen; beide zerstörte Schlösser haben preußische Prinzen wiederhergestellt. Die Parallele ließe sich vielleicht noch weiter fortführen, aber schon hier ist Koblenz allzusehr in Vorteil. Koblenz ist, von seiner Befestigung abgesehen, schon als Stadt um so viel bedeutender, als die Mosel ein bedeutenderer Fluß ist als die Nahe; wenn das Glück gut ist, wird jene sich künftig mit Dampfschiffen schmücken, während die Nahe nicht einmal Kähne trägt. Die reizenden Mündungen der Lahn sind ein zweiter Vorzug, welchen Bingens Umgebung nichts entgegenzusetzen hat. Wir dürfen hinzufügen, daß unter den rheinischen Städten, die man zu bewohnen wünschen möchte – d. h. unter den bedeutenderen, denn schon Bingen wäre vielen für einen bleibenden Aufenthalt zu klein –, keine so im Herzen der Schönheit gelegen ist. Mainz und Bonn, die hier beide in Betracht kämen, haben zwar herrliche Umgebungen, aber jenem liegt der Rheingau, diesem das Siebengebirge doch schon zu entfernt, um in diesem Betracht nicht gegen Koblenz zurückzustehen. Vielleicht bietet auch keine rheinische Stadt dem Strom eine schmuckere Front dar: von dem sogenannten Deutschen Eck, dem das alte Deutschordenshaus den Namen gab, bis zum erzbischöflichen Schloß reihen sich nur ansehnliche Gebäude längs dem Rhein hin, und dies ist – nächst dem Besitz einer Schiffbrücke, welche die Ufer des Rheins, und einer steinernen, welche die der Mosel verbindet – ein Vorzug, auf den sich Koblenz, namentlich Bonn gegenüber, etwas zugute tun mag.

Daß sich Koblenz dem Rheinreisenden so vorteilhaft darstellt, mag es dem Walten eines besonders glücklichen Gestirns zuschreiben, denn ursprünglich ist es eigentlich keine Rheinstadt. Obgleich nach dem Zusammenfluß zweier Ströme benannt, war es anfänglich an der Mosel erbaut, wie es auch einige der ältesten Urkunden, die seiner gedenken, Koblenz an der Mosel nennen. Noch jetzt überzeugt man sich leicht, wenn man seine Moselseite ins Auge faßt, daß seine Altstadt mehr auf diesen Fluß bezogen ist, dessen Ufer auch seine alte erzbischöfliche Burg, das Kaufhaus mit den schönen Erkern und andere altertümliche Gebäude zieren, so wie sich gleich dahinter die beiden ältesten Kirchen erheben.

Jenseits der Mosel lag auch seine nun spurlos verschwundene Vorstadt Lützelkoblenz. Das römische Kastell, eins der 50, die man dem Drusus zuschreibt, lag auf einem Hügel an der Mosel, der noch jetzt der Alte Hof heißt, und reichte etwa von der Moselbrücke bis zur Kornpforte. Später stand hier der Palast der fränkischen Könige, der deutschen Kaiser und der Erzbischöfe von Trier. Die St.-Kastor-Kirche wurde außerhalb der alten Stadt, wie es scheint auf einer Rheininsel, erbaut, und dem heiligen Kastor wird es Koblenz zu verdanken haben, daß es nun auch dem Rhein eine so bedeutende Seite zuzukehren hat. Indes redet uns sein alter Bezug auf die Mosel das Wort, wenn wir Koblenz und die Moselgegenden in diesem Artikel verbinden. Es zeugt aber ebensosehr von dem Geschmack wie von der Dankbarkeit der Koblenzer, daß sie die uralte Kirche, die kürzlich ihr tausendjähriges Jubiläum beging und deren Restauration und der Neubau in den Anfang des dreizehnten Jahrhunderts fallen, rosenrot anstrichen.

Der heilige Kastor hatte von dem heiligen Maximin, Bischof von Trier, die Würde des Diakonats und die Priesterweihe erlangt, als er sich entschloß, Einsiedler zu werden. Bei Carden an der Mosel wurde eine wilde Felsenhöhle seine Wohnung. Von hier aus bekehrte er die umwohnenden Heiden. Er bedurfte, wie die Legende sagt, keiner Wunder und Zeichen, die nach dem Apostel nur den Ungläubigen, nicht den Gläubigen verliehen werden. Einst aber erbat er von einem vorüberfahrenden, mit Salz reichlich beladenen Schiff eine Gabe, mehr für das Bedürfnis der Armen als für sein eigenes. Als diese versagt wurde, erhob sich ein Sturm, und das Schiff kam dem Untergang nahe. Da bereuten die Schiffer ihren Geiz und reichten das Salz dem Heiligen, der nun mit dem Zeichen des Kreuzes den Sturm beschwor. Seine Gebeine erhob Erzbischof Hetti von Trier und versetzte sie auf Eingebung des heiligen Maternus nach Koblenz, wo ihnen zu Ehren die St.-Kastor-Kirche entstand. Diese besitzt noch andere merkwürdige Reliquien. Nächst zwei Armknochen des heiligen Goar sind die vornehmsten die Gebeine der heiligen Ritza, deren Legende in meinen »Rheinsagen« mitgeteilt ist; auch habe ich ihrer oben, in der Einleitung, schon gedacht. Sie wird für eine Tochter Ludwigs des Frommen gehalten und soll jenseits des Rheins eine Burg ihres Vaters bewohnt haben. Vielleicht war es aber der Koblenzer Palast der fränkischen Könige, denn da die St.-Kastor-Kirche, welche sie täglich besuchte, auf einer Rheininsel lag, so mochte es dieser Arm des Stroms sein, über dessen Wellen sie mit Gottvertrauen dahinschritt. Die Kirche bewahrt auch die Grabmäler jenes gewaltigen Kuno von Falkenstein und seines schwächeren Nachfolgers Werner. Das erstere ziert ein Wandgemälde auf Goldgrund, das zu den schönsten Werken altdeutscher Kunst gezählt und dem Maler Wilhelm von Köln zugeschrieben wird. Berühmter als dies alles ist aber der Kastorbrunnen vor dem Eingang der Kirche durch seine Inschriften geworden. Der letzte französische Präfekt, der ihn 1812 errichten ließ, gab ihm folgende: »An MDCCCXII mémorable par la campagne contre les Russes.« Zwei Jahre später ließ der russische General St. Priest hinzufügen: »Vu et approuvé par Nous, Commandant Russe de la ville de Coblenz. Le 1 Jan. MDCCCXIV.« Möge uns der heilige Kastor künftig vor Franzosen und Russen bewahren!

siehe Bildunterschrift

Koblenz mit Ehrenbreitstein

Über Koblenz handeln die meisten Reisehandbücher, und namentlich das beste von allen, Kleins »Rheinreise« (3. Auflage, Koblenz 1839), so ausführlich, daß wir es für eine Pflicht halten, hier für die Moselgegenden einigen Raum zu sparen. Wir wollen nur als eine Kuriosität noch anführen, was Mathis Quaden von Kinkelbach in seiner »Deutschen Nation Herrlichkeit« (Köln 1609) von dem Charakter der Koblenzer sagt: »Die Einwohner sindt (wie Doctor Simon Richwein auch bekennt) etwas Nasswitzig, eines verstendigen unnd klugen gemüts, und der Andacht sehr ergeben.« Sie müssen sich seit zwei Jahrhunderten ziemlich gleich geblieben sein.

 


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