Karl Simrock
Der Rhein
Karl Simrock

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Sponheim

Der Kauzenberg, der letzte Ausläufer der Hardt, steht mit dem einen Fuß im Tal der Eller, die der Kiskisinsel gegenüber in die Nahe mündet. Das Flüßchen, das höher hinauf Fischbach heißt, kommt von Sponheim herab. Gar lieblich sind seine Ufer in der sogenannten Lohr, wo Maler Müller als Knabe die Kühe weidete, wo der Jüngling in seligen Gefühlen wandelte: »Ihr Pappeln, Erlen, Weiden der grünbewachsenen Ufer des lieblichsten Stromes, an deren Schatten ich zuerst in Jugendinbrunst hing, sich zuerst mein Herz aufschloß dem Dranggefühl allmächtiger Natur.« Von dem Lohrköpfchen am nördlichen Abhang der Hardt sieht man Burg Sponheim deutlich in der Bergenge liegen, weit umher aber ist die Aussicht reizend. Jede andere Stadt würde ihre Umgegend für überreich ausgestattet halten, wenn sie dieses Nebental Kreuznachs besäße.

Sponheims Ursprünge, der Burg wie des Geschlechts, sind dunkel. Berthold von Vianden und Ravenziersburg, der in der ersten Hälfte des elften Jahrhunderts eine Gräfin Hedwig, angeblich von Sponheim, heiratete, gilt für den Stifter des zweiten sponheimischen Geschlechts. Von dem ersten, das mit jener Hedwig verblühte, wissen wir indes nicht mit Gewißheit, ob es den Namen Sponheim führte und eine Burg dieses Namens besaß. Was von Burg Sponheim übrig ist, der unüberwindliche, feste Turm, dessen zehn Fuß dicke Mauern aus doppelten Quaderwänden bestehen, zwischen welchen den mittleren Raum eine Art Guß ausfüllt, verrät kein höheres Alter als das elfte Jahrhundert. Hören wir nun, wie die Talbauern Sponheims den Ursprung des Namens und Geschlechts erklären. Nachstehende Zeilen gründen sich auf eine mündliche, an Ort und Stelle vernommene Erzählung.

 

Sponheims Gründung

»Herr Graf von Vianden, ich muß Euch sagen,
Ihr habt mir den nächsten Verwandten erschlagen
Zur Buße nun zieht Ihr ins Heilige Land,
So bringt mir vom Willen des Himmels ein Pfand.

Viel Schätze des Glaubens sind dort zu erwerben,
Und wär' es ein Span nur, ein Nagel, ein Scherben
Ja, kehrt Ihr gewürdigt so köstlichen Guts,
So bin ich die Eure gar willigen Muts.«

Die Gräfin des Nah'gaus hat es gesprochen,
Frau Hedwig; wie fühlt er's im Busen sich pochen!
Da fuhr er erfreut mit der Reisigen Schar
Und focht mit den Feinden des Heils wohl ein Jahr.

Nun ruhten die Waffen, da griff er zum Stabe
Und zog als ein Pilger zum Heiligen Grabe.
Da bietet ein Jude zu kaufen ihm an
Vom Kreuze des Herrn den gediegenen Span.

Da ließ er den besten der Schmiede sich gießen
die goldene Truhe, den Schatz zu verschließen,
Der Name der Gräfin erglänzte darauf;
So segelt' er heim mit beschleunigtem Lauf.

Doch wehe, wie türmen sich zornig die Wellen,
An lauernder Klippe das Schiff zu zerschellen.
Doch hielt er sich oben im Wogengebraus
Und brachte das Leben, das nackte, nach Haus.

»Frau Gräfin, mir ließ es der Herr nicht gelingen:
Ich hofft' Euch in goldener Truhe zu bringen
Vom Kreuze des Heils ein gediegenes Stück:
Das schlangen die Wellen und schlangen mein Glück.«

»Und war auf der Truhe mein Name geschrieben?«
»Ja, Herrin, aus flüssigem Golde getrieben.«
»So schauet, Herr Graf, ist wohl dieses die Truh'?«
»Sie ist's, doch gehöret ein Wunder dazu.«

»Wohl hat uns der Himmel ein Zeichen gesendet;
Ich wußte nicht, wer mir die Gabe gespendet.
Es hat sie ein Jüngling dem Pförtner gebracht
Erst heut in der Frühe, und freundlich gelacht.

Nun darf ich, mein Graf, Euch nicht länger versagen,
Der Himmel gebietet's, wie könnt' ich noch fragen?
Bei jeglichem Heile ist Zweifel erlaubt;
Dies hat uns ein sichtliches Wunder beglaubt.«

Sie ließen ein herrliches Schloß sich erheben
Und bauten dem Himmel die Kirche daneben.
Weit ward ihr Geschlecht in den Landen bekannt;
Vom Span in der Truh' ist es Sponheim genannt.

Geschichtlich stiftete die Kirche auf dem Feldberg bei der Burg erst Eberhard, ihr Sohn. Heinrich IV., der ihm zwei Dörfer und einen Wald dazu schenkte, nennt den Grafen noch nicht von Sponheim. Sein Sohn und Nachfolger, Graf Stephan, verwandelte die Kirche in ein Kloster, Graf Meinhard fügte ein Nonnenkloster hinzu, das aber nicht im Geruch der Heiligkeit stand und 1224 mit dem Rupertskloster in Bingen verschmolzen wurde. Als die späteren Sponheimer das Karmeliterkloster in Kreuznach stifteten, schenkte diesem das Kloster Sponheim, das sich viele Reliquien verschafft hatte, vier Stückchen des Heiligen Kreuzes, welche prächtig gefaßt sich noch in der Karmeliterkirche befinden. Einige leiteten sogar Kreuznachs Namen von diesen vier Kreuzpartikeln ab, ja vielleicht erklärt sich daraus sein holländischer Name Cruishoute (Kreuzholz).

Die Grafen von Sponheim zeichneten sich durch Frömmigkeit aus. Berthold von Vianden, der allerdings noch keinen Kreuzzug, wohl aber eine Reise nach dem Gelobten Lande getan haben kann, stiftete mit Hedwig das schöne Kloster Ravenziersburg bei Simmern; Hedwig gründete mit ihrem Sohn Eberhard das Kloster Schwabenheim im Gau, Eberhard baute die Kirche auf dem Feldberg, Stephan das Kloster daselbst, Meginhard ließ es weihen; sein Bruder Hugo war Erzbischof von Köln, seine Schwester Jutta, Äbtissin auf dem Disibodenberg, verwandelte Wasser in Wein und ging trockenen Fußes über den Glan; Meginhards Sohn Graf Krafto wurde Mönch und hernach Abt zu Sponheim, weil seine Geliebte Clementia von Hohenberg das Gelübde ewiger Jungfrauenschaft abgelegt hatte; seine Schwester Hiltrude vertauschte, ihrer Freundin Hildegard zuliebe, das Kloster Disibodenberg mit dem Kloster Rupertsberg, an dessen Stiftung der heilige Graf Meginhard gleichfalls Anteil nahm. Der Sponheimer, die, mit dem Kreuz gezeichnet, ins Heilige Land zogen, nicht zu gedenken.

Die Grafen von Sponheim waren gegen das Kloster zu milde gewesen: mit dem Reichtum zogen Habsucht und Weltlust in die einsamen Zellen. Es ist bekannt, wie schon 1212 ein Ackersmann bei Sponheim erkrankte, starb und wieder erwachte, um eine schaudererregende Schilderung der Höllenqualen zu entwerfen, die er in der kurzen Zeit seines Todes habe vorkosten müssen, nur weil er einst von dem Kirchenzehnten eine gute Garbe heimlich weggenommen und eine schlechtere dafür hingelegt habe. Der berühmte Trithemius selbst, Abt von Sponheim, dessen »Chronicon Spanheimiense« der Geschichte des Rheinlands als Quelle gilt, aus der man freilich nur behutsam schöpfen darf, schildert die Üppigkeit und Zuchtlosigkeit der Sponheimer Mönche vor seiner Zeit in den grellsten Farben. Erst als die Abtei ganz verarmt und verschuldet war, konnte eine Reform zustande kommen. Trithemius war bestimmt, nicht bloß ihr voriges Ansehen wiederherzustellen; durch den Glanz seines Namens und die unschätzbare Bibliothek, die er in dreiundzwanzig Jahren zusammenbrachte, erwarb er ihr allgemeinen Ruhm. Aber die Blütezeit des Klosterlebens war vorüber, die Persönlichkeit eines Trithemius konnte wohl entartete Mönche noch im Zaum halten, aber die Grundübel nicht heben, die sicheres Verderben hervorriefen. War doch Trithemius selbst, als er, um seinen Freund und Gönner, den Kurfürsten Joachim von Brandenburg, zu besuchen, das Kloster verlassen hatte, zur Rückkehr dahin nicht zu bewegen. Bald nach seinem Tod bewirkte die Reformation, der die Grafen von Sponheim beifielen, auch die Aufhebung des Klosters. Der letzte Abt Spirn vermählte sich mit Beatrix, der Äbtissin von Brauweiler, und ihre Ehe war, nach langer Entbehrung, so gesegnet, daß der Name Spirn jetzt in diesen Gegenden sehr häufig vorkommt. Von der Abtei finden wir wenig übrig; aber die Kirche auf dem Feldberg bewahrt noch viel Altertümliches und Sehenswertes.

 


 << zurück weiter >>