Karl Simrock
Der Rhein
Karl Simrock

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Abtei Eberbach

Von Kiedrich nach Eberbach hätte ich mich, von einem Eichkätzchen verlockt, beinahe im Wald verirrt; aber ein junges Reh mit klugen Augen brachte mich wieder auf den rechten Weg. Gewiß wollte es aus dem kleinen Eberbach trinken, der den Namen wohl eher hergeben mochte als der Saurüssel, der dem heiligen Bernhard nach der nicht sehr sinnigen Legende den Grundriß des Klosters vorgezeichnet hat. Noch steht vor demselben eine kleine Kapelle, Bernhardsruhe genannt, zur Bezeichnung des Ortes, wo der Heilige, auf einem Stein ruhend, jene Erscheinung hatte.

Der am Rhein gerade unter der Abtei liegende niedliche Flecken Erbach, urkundlich eigentlich Eberbach geheißen, war lange vor den Zeiten des eifrigen Kreuzpredigers gegründet. Nicht er selbst, sondern die Mönche, die er auf Verlangen Erzbischof Adalberts schickte, legten in dieser Wildnis das Kloster an, dessen Lage ganz jener von Clairvaux glich.

»Es war ein öder Platz zwischen dichten Wäldern, von Bergen eingeschlossen; wer von den Bergen herabkam, hörte hier, wo keiner müßig sein durfte, sondern mit dem ihm übertragenen Werk beschäftigt war, mitten am Tag die Stille der Nacht, nur unterbrochen durch das Geräusch der Arbeitenden und die Lobgesänge auf die Gottheit. Diese Stille erregte eine solche Ehrfurcht bei den vorübergehenden Laien, daß sie sich scheuten, andere als heilige Dinge hier zu reden.«

Es befremdet vielleicht, hier von Arbeit – und gar von schallender – zu hören, da man sich in Klöstern nur faule Bäuche denkt. Aber die Zisterzienser legten die Hände nicht in den Schoß. Ihre Losung war Feldarbeit und Anbau des Landes, wodurch sie geistiger Kultur vorarbeiteten. Ihre Pflanzschule Eberbach hat um die frühe Blüte des Rheingaus und den Ruf seiner Weine die größten Verdienste. Diese frommen Väter, die in der strengsten Klosterzucht lebten, kasteiten doch ihren Leib nicht durch unfruchtbare Geißelungen, sondern durch Fleiß und Tätigkeit. Sie waren treffliche Haus- und Landwirte und in vielen bürgerlichen Gewerben der ganzen Nachbarschaft Muster und Vorbild. Den Weinbau lehrten sie zuerst gründlich; sie begnügten sich aber nicht mit der Erzeugung eines edlen Gewächses, sie wußten es auch zum Markt zu bringen. In Köln, wohin damals der Handelszug der Rheinweine ging, hatten sie ihre Niederlage, und die Stadt schenkte ihnen eine eigene Rheinpforte. Auch der Schiffahrt wandten sie sich zu, bauten Fahrzeuge, nahmen Schiffsleute unter ihre Laienbrüder auf, erwirkten sich von Kaisern und Fürsten Freiheit von allen Zöllen und ließen ihre eigenen Geschirre den Rhein auf und nieder gehen. Sie schickten auch das feine oberländische Mehl ins Niederland, richteten Mehl- und Walkmühlen, Gerbereien und Tuchmanufakturen ein. Was sie im Bauernkrieg von den aufrührerischen Rheingauern litten, die über dem Kloster auf der Wacholder-Heide versammelt ihr großes Faß nebst 80 Stück Wein in vierzehn Tagen austranken, ist schon berührt worden.

Die Wiege der rheingauischen Kultur dient jetzt als Korrektionshaus und Irrenanstalt. Beide Einrichtungen sind wahrhaft musterhaft; ich würde aber den Leser nicht hineinführen, wäre es nicht, um ihm die zehn kurzstämmigen, schön mit Laub verzierten Säulen des Dormitoriums oder das auf einer einzigen Säule ruhende Kapitelhaus oder die Kirche mit ihren vielen für Kunst und Geschichte gleich wichtigen Denkmälern zu zeigen. In den vielen Kapellen ruhen meistens Äbte, der Chor zeigt die Epitaphien dreier Erzbischöfe von Mainz und eine Auferstehung Christi in sehr altem Stil. Von Denkmälern der Katzenellenbogener, die hier ihr Erbbegräbnis hatten, finden sich noch einige, andere hat das Ritterschloß zu Bibrich der Zerstörung entrissen, von noch anderen Wenk wenigstens die Inschriften erhalten.

Aber welches Aroma füllt diese heiligen Hallen? Weihrauch und Myrrhen, als Rauchopfer am Altar verbrannt, duften so köstlich nicht. Aus dem Abendmahlskelch kann diese Fülle des würzreichsten Lebensduftes nicht aufgestiegen sein. Und doch ist es Weingeruch, die Blume edelster rheinischer Reben. Das Rätsel löst sich, wenn wir erfahren, daß ein Teil der Kirche jetzt als Keller für die herzoglichen Domanialweine dient. Da es uns selber nicht widerfuhr, mit den eberbachischen Weinkellern in nähere Berührung zu kommen, so müssen wir unsere Nachrichten von andern entleihen.

Was uns am meisten anzieht, ist das Kabinett, und gerade dieses scheint sich neben der Kirche zu befinden, während zu dem großen Keller und seinem Kelterhaus eine ältere Kirche verwendet worden ist. Das Gewölbe derselben wird durch eine schöne Kolonnade getragen; rings an den Wänden, wo früher die Altäre standen, stehen jetzt zehn kolossale hölzerne Schraubenkeltern, daneben Zuber, Bütten und anderes Gerät. Ähnlich ist auch das Kelterhaus des Kabinetts beschaffen. Dieses ist nur eine Fortsetzung der Halle seines Kelterhauses, aber durch doppelte Mauern und außen angebrachtes Buschwerk vor dem Eindringen der äußeren Wärme geschützt. Auch ist in demselben ein laufender Brunnen, womit im Notfall der ganze Keller begossen werden kann. Die weißen Fässer sind zierlich mit Blechnummern und blanken Messingkranen versehen. Ein runder, steinerner Tisch um einen gewaltigen Pfeiler soll wie der Altan des Heidelberger Fasses zum Tanzen eingerichtet sein, wofern dies nicht eine Entheiligung dünkt. »Zur Zeit des Abstichs werden die Weine, welche nicht ins Kabinett kommen, stückweise versteigert, und zwar unter sehr freigebigen Verhältnissen. Es wird nämlich allen Fremden, die am Tag der Versteigerung hier erscheinen, sie mögen Steigerer sein oder nicht, ein Gastmahl gratis gegeben, wobei an guten Weinen nicht gespart wird und sogar Kabinettsweine zum Dessert gespendet werden. Dieser Versteigerungstag ist für die Rheingauer sowie für die Umgebung, besonders für die Weinhändler von Frankfurt und Mainz, ein Freudentag, da sich immer ein großes Zusammentreffen von Freunden und Bekannten findet. Diese gastliche Freigebigkeit der Regierung, der natürlich Spekulation zugrunde liegt, gibt indessen durch das Zusammentreffen vieler Weinliebhaber dem Ganzen bedeutenden Aufschwung und erhöht oft sehr die Steigerungspreise. Die Kabinettsweine werden nur aus der Hand oder in Bouteillen um hohe Preise verkauft.« Unweit von Eberbach liegt der

 


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