Karl Simrock
Der Rhein
Karl Simrock

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Die Bäckerjahnin

Von Heiligkreuz wird jetzt kaum noch die Spur gefunden, St. Alban ist von der Erde vertilgt, nur noch die Karls- oder Albansschanze erinnert an seinen großen Stifter; das St.-Jakobs-Kloster, das Albrecht von Brandenburg bei seinem Einzug allein verschont hatte, sucht man jetzt in der Zitadelle vergebens; von der Karthause, dem schönsten und größten Kloster dieses Ordens in Deutschland, ist wenig Gemäuer übrig, und das neben ihr liegende, von Lothar Franz erbaute, kurfürstliche Lustschloß, die Favorite, wurde mit seinen Gärten in die Neue Anlage verwandelt, einen städtischen Vergnügungsplatz, auf dem Sie an Sonntagen und wenn die Musikchöre der preußischen oder der österreichischen Garnison Abendharmonien geben – was wöchentlich einmal zu geschehen pflegt –, die schöne Welt von Mainz, Wiesbaden und der ganzen Umgegend versammelt finden, denn hier haben Kunst und Natur gewetteifert, einen reizenden Aufenthalt hervorzubringen. Das St.-Viktor-Stift von Weißenau endlich, dessen Gründung der heiligen Helena zugeschrieben wird – auch von ihm sind nur die Steine erhalten, die zum Bau der neuen Weißenauer Kirche verwendet wurden. Selbst das Kruzifix ist verschwunden, das dort auf dem alten Weißenauer Weg die Bäckerjahnin zum Dank für ihre wunderbare Rettung errichten ließ.

Als nämlich Gustav Adolf bei Oppenheim über den Rhein gesetzt hatte und zwei Tage darauf vor Mainz erschien, die spanische Besatzung aber zu schwach war, die Stadt zu halten, da entstand unter den erschrockenen Bürgern die Sage, der Schwedenkönig wolle Mainz der Plünderung preisgeben. Auf diese Nachricht, die den Wohlhabenderen ein Donnerschlag war, nähte die Bäckerjahnin ihr Gold in ein geringes Bettelkleid und schlich sich so vermummt vor die Stadt, wo sie die Richtung nach Weißenau einschlug. Eben rückten von dort die Schweden schon auf Mainz an. Hierdurch überrascht, ließ sie sich doch nicht aus der Fassung bringen, sondern ihrer Rolle als Bettlerin getreu, sprach sie selbst die Offiziere mit lästiger Zudringlichkeit um ein Almosen an. Einige wiesen sie ab, andere warfen ihr mitleidig ein paar Heller zu, einer aber fragte sie nach dem Haus der reichen Bäckerjahnin und gab ihr erst etwas, als sie ihm dessen Lage beschrieben hatte. So entkam sie glücklich der Gefahr, und die raubsüchtigen Schweden fanden das Nest leer, die goldgefiederten Vögel entflogen. Als aber nach vier Jahren die Feinde Mainz räumen mußten, wo sie heillos gewirtschaftet hatten, da zog mit den Kaiserlichen auch die Bäckerjahnin wieder ein und buk, wie vorher, Bubenschenkel und Rosenwecken.«

 


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